Stiefmütter sind so lieb: Mami 1966 – Familienroman
Von Susanne Svanberg
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Über dieses E-Book
Der blaue Lieferwagen mit der Aufschrift ›THIEDE-ELEKTRO-IN-STALLATIONEN‹ hielt auf der Straße vor dem etwas verwilderten Grundstück. Ein Mann in Jeans und Karohemd stieg aus und ging eilig auf das Einfamilienhaus zu. Seine Gedanken waren noch bei der Arbeit. Deshalb bemerkte er nicht, daß die Tür aufgerissen wurde und ein Mädchen herausstürmte, Natalie, sein Töchterchen. In einem einzigen Satz sprang sie die fünf Eingangsstufen herab, um in den Armen ihres Vaters zu landen. Vincent Thiede, auf diesen Ansturm nicht gefaßt, kippte fast nach hinten um. Er war kräftig und breitschultrig, doch jetzt taumelte er einige Schritte zurück. Natalie bemerkte nichts davon. »Ich muß dir etwas ganz wichtiges erzählen, Papi«, erklärte sie und klammerte sich an Vincents Hals fest. »Ich bin gespannt.« Vincent hatte nichts dagegen, seine kleine Tochter ins Haus zu tragen. Er liebte die lebhafte Natalie und war glücklich, wenn sie ihren dünnen Kinderkörper an ihn schmiegte. In der hellen Diele stellte er Natalie auf die Füße. »Hast du dich mit Cora versöhnt?« erkundigte er sich schmunzelnd. »Mit der? Nie mehr!« Natalies dunkle Augen blitzten empört. »Die hat behauptet, daß ich sicher bald eine Stiefmutter bekommen würde.
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Rezensionen für Stiefmütter sind so lieb
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Buchvorschau
Stiefmütter sind so lieb - Susanne Svanberg
Leseprobe:
Gaston, der Sohn des Diplomaten
LeseprobeDer betäubende Duft der in verschwenderischer Fülle blühenden Rosen strömte durch das offene Fenster des Schreibzimmers, in dem Irene von Wellentin an ihrem zierlichen Schreibtisch aus Rosenholz saß und den Brief ihrer Jugendfreundin Claudine Arnoud nun schon zum zweiten Mal las. Als sie ihn zusammenfaltete und in das hellblaue Kuvert zurücksteckte, dachte sie an die Zeit mit Claudine in dem Genfer Internat. Was waren das doch für herrliche, unbeschwerte Jahre gewesen! Damals hatten sie noch geglaubt, das Leben bestünde nur aus einer Reihe von glücklichen Tagen. Gemeinsam hatten sie Zukunftspläne geschmiedet, wobei Claudine immer den Wunsch geäußert hatte, die Frau eines Diplomaten zu werden, um an seiner Seite fremde Länder kennenzulernen. Dieser Wunschtraum hatte sich bei ihr tatsächlich erfüllt, aber ob sie so glücklich geworden war, wie sie erhofft hatte, das schien fraglich zu sein. Nach ihrem Brief zu schließen, verlief ihr Leben recht problematisch. Vor ungefähr sechs Jahren hatte Irene von Wellentin Claudine zum letzten Mal in Paris getroffen, in der Zeit, als es in ihrer Ehe eine Krise gegeben hatte. Doch damals hatte auch ihre Freundin alles andere als einen ausgeglichenen und zufriedenen Eindruck gemacht. »Mutti, ich bin da!«, riss eine helle Kinderstimme Irene von Wellentin aus ihren Träumereien. Kati, jetzt zehn Jahre alt, stürmte mit strahlenden Augen ins Zimmer und rief voller Freude: »Mutti, stell dir vor, ich habe den besten Klassenaufsatz geschrieben und eine Eins bekommen. Was sagst du dazu?« »Das freut mich sehr, mein kleiner Liebling«, lobte Irene von Wellentin die Kleine mit einem weichen mütterlichen Lächeln. Kati bereitete ihr nur Freude, und sie bereute es keine Stunde, das Mädchen adoptiert zu haben. Unendlich dankbar war sie dem Schicksal, dass es ihr dieses Kind zugeführt hatte. Noch heute erschauerte sie, wenn sie daran dachte, welche entsetzliche Angst sie ausgestanden hatte, als Hanna Ebert, Katis leibliche Mutter, eines Tages aufgetaucht war und ihre Rechte auf das Kind geltend gemacht hatte. Glücklicherweise hatte die Gier nach Geld Hanna Eberts Mutterliebe bei Weitem überwogen. Niemals würde sie, Irene, vergessen, was ihr Mann damals für sie getan hatte.
Mami
– 1966 –
Stiefmütter sind so lieb
Das muss Nathalie erst lernen
Susanne Svanberg
Der blaue Lieferwagen mit der Aufschrift ›THIEDE-ELEKTRO-IN-STALLATIONEN‹ hielt auf der Straße vor dem etwas verwilderten Grundstück. Ein Mann in Jeans und Karohemd stieg aus und ging eilig auf das Einfamilienhaus zu. Seine Gedanken waren noch bei der Arbeit. Deshalb bemerkte er nicht, daß die Tür aufgerissen wurde und ein Mädchen herausstürmte, Natalie, sein Töchterchen.
In einem einzigen Satz sprang sie die fünf Eingangsstufen herab, um in den Armen ihres Vaters zu landen.
Vincent Thiede, auf diesen Ansturm nicht gefaßt, kippte fast nach hinten um. Er war kräftig und breitschultrig, doch jetzt taumelte er einige Schritte zurück.
Natalie bemerkte nichts davon. »Ich muß dir etwas ganz wichtiges erzählen, Papi«, erklärte sie und klammerte sich an Vincents Hals fest.
»Ich bin gespannt.« Vincent hatte nichts dagegen, seine kleine Tochter ins Haus zu tragen. Er liebte die lebhafte Natalie und war glücklich, wenn sie ihren dünnen Kinderkörper an ihn schmiegte.
In der hellen Diele stellte er Natalie auf die Füße. »Hast du dich mit Cora versöhnt?« erkundigte er sich schmunzelnd.
»Mit der? Nie mehr!« Natalies dunkle Augen blitzten empört. »Die hat behauptet, daß ich sicher bald eine Stiefmutter bekommen würde. Die ist doch nicht ganz dicht, die Cora!«
»Wäre das denn so schlimm?« In Vincents dunkler Stimme schwang Unsicherheit mit. Er war nun schon mehr als ein Jahr Witwer. So sehr er seine Frau geliebt hatte, konnte er sich doch nicht vorstellen, bis an sein Lebensende allein zu bleiben. Schließlich war er erst neununddreißig Jahre alt.
»Sehr schlimm. Denn dann würden wir ja die Mami vergessen, und das darf nie passieren. Das hast du selbst gesagt«, antwortete das kleine Mädchen leidenschaftlich.
»Wir werden die Mami auch nie vergessen, ganz gleich wie wir künftig...«
Natalie ließ ihren Vater nicht aussprechen. »Wir haben die Sachkundearbeit zurückbekommen. Stell dir vor, es gab nur eine Eins. Und nun mußt du raten, wer die bekommen hat!« Vincents Töchterchen zappelte vor Ungeduld.
»Du?« Thiede war nicht ganz bei der Sache. Schon seit Tagen wollte er etwas mit Natalie besprechen, hatte aber nicht den Mut dazu gefunden. Heute mußte es sein, denn das Gespräch ließ sich nicht länger aufschieben.
»Genau.« Natalies Blick war voll Stolz.
»Donnerwetter, bist du tüchtig. Das freut mich. Du hast einen Wunsch frei, mein Schatz.« Vincent drehte sich nach dem Kind um und sah es liebevoll an. Ein gutes Verhältnis zu Natalie war für ihn das Wichtigste. Wirtschaftliche Sorgen hatten sie nicht. Sein Betrieb lief gut, eine fleißige ältere Frau kümmerte sich um den Haushalt, nur die Einsamkeit machte ihm oft zu schaffen. Er hatte das Junggesellenleben gründlich satt. Doch das war etwas, das Natalie nicht verstand.
»Ich weiß auch schon, was ich mir wünsche, Papi.« Natalie stellte sich etwas auf die Zehenspitzen und hob das Köpfchen, um noch größer zu wirken. Unbewußt strebte die Neunjährige an, eine vollwertige Partnerin für ihren Vater zu sein, denn sie spürte wohl, daß er mit seinem Leben nicht ganz zufrieden war.
»Wenn du heute nachmittag frei machen könntest und wir beide zum Friedhof fahren, um die Mami zu besuchen, würde ich mich ganz arg freuen.«
Vincent erschrak. Er wandte sich ab und stolperte in Richtung Eßzimmer, wo der Mittagstisch gedeckt war. »Punkt eins ist okay, über Punkt zwei reden wir noch«, murmelte er.
»Im Garten blühen die Vergißmeinnicht, und ich will ihr einen dicken Strauß bringen«, erklärte die Kleine eifrig.
Vincent hatte Platz genommen. Frau Schulz, die Haushälterin, brachte die Suppe. Thiede nickte ihr freundlich zu. Sie machte ihren Job hervorragend, und trotzdem fehlte Vincent die Gemütlichkeit. Er mochte nicht länger darauf verzichten.
»Ich werde heute nachmittag nicht mehr zur Baustelle gehen.«
»Super!« Natalie umarmte ihren Papi temperamentvoll. Aus ihren dunklen Kinderaugen leuchtete die Freude.
Es fiel Vincent schwer, die Kleine zu enttäuschen, aber hatte keine andere Wahl. »Das mit dem Friedhof klappt trotzdem nicht, weil wir Besuch bekommen. Ich wollte es dir schon vor Tagen sagen.«
Natalie zog einen Schmollmund, denn sie war daran gewöhnt, daß der Papi ihr keinen Wunsch abschlug. »Wer?«
»Andrea Schneider. Sie wird...«
»Och die«, maulte Natalie und rutschte beleidigt von Vincents Knien. »Die mag ich nicht.«
Vincent legte den Löffel wieder weg und unterdrückte einen Seufzer. Wieder einmal hatte er die Chance verpaßt, Natalie die ganze Wahrheit zu sagen. Andrea kam nicht zu Besuch. Sie hatten beschlossen, das Zusammenleben zu probieren. »Andrea ist doch immer sehr freundlich zu dir. Sie bringt dir etwas mit, und sie spielt mit dir.«
Natalies hübsches Gesichtchen war finster. »Die will sich doch bloß einschleimen. Merkst du das nicht? Die denkt sich, sie kann meine Mami werden, aber das schafft sie nie!« Natalie biß die Zähne zusammen, daß es knirschte. »Wir brauchen keine falsche Mami. Wir beide bleiben allein. Das hast du doch gesagt, damals, als das mit dem Unfall war.«
»Stimmt. Es war ein Schock für uns beide. Doch inzwischen hat sich unser Leben normalisiert. Und da dachte ich, es wäre doch auch schön für dich, wieder jemand zu haben, der immer da ist, Zeit für dich hat und etwas mit dir unternimmt.« Vincent hatte Herzklopfen, denn er fürchtete sich vor der Reaktion seiner Tochter.
Da kam sie auch schon. Heftig und leidenschaftlich wie er das erwartet hatte. »Quatsch!« empörte sich Natalie. »Ich brauche keine Amme. Ich habe doch Frau Schulz, und