Das Madl aus der Stadt: Der Bergpfarrer 224 – Heimatroman
Von Toni Waidacher
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Über dieses E-Book
Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert.
In der Kneipe saßen die Gäste gedrängt an den kleinen Tischen. Das »Speedys« war bis auf den letzten Platz besetzt. Alle waren sie gekommen, um Charly Hays zu hören. Der junge Engländer hatte jahrelang als Straßenmusikant seinen Lebensunterhalt verdient, bis ihn Walter Hollerer, der Inhaber des Lokals, entdeckte. Der Kneipier erkannte das Potential, das in dem Gitarrenspieler steckte, der mit seiner rauchigen Stimme die Zuhörer in seinen Bann zog. Die Kneipe im Münchener Stadtteil Schwabing lief gut, und so zögerte der Wirt nicht lange, mit dem Engländer eine CD zu produzieren. Ein Studio wurde angemietet und eine Woche lang Aufnahmen gemacht. Jetzt war das Werk fertig und wurde dem Stammpublikum des »Speedys« präsentiert. Freilich sang und spielte Charly live. Er war nicht nur ein hervorragender Sänger, er beherrschte auch sein Instrument meisterhaft, und das Lokal war von tieftraurigem Blues genauso erfüllt, wie von sanften Balladen und Countrysongs. Walter Hollerer stand zufrieden hinter dem Tresen und zapfte Bier. Es floss in Strömen, und die beiden Madln, die bedienten, hatten alle Hände voll zu tun. Anna Raitel stöhnte, als sie das Tablett mit den leeren Gläsern absetzte. »Morgen kriegt mich keiner aus dem Bett!«, sagte sie. »Und wehe, jemand wagt es, vor dem Mittag bei mir zu klingeln!« Walter grinste, und Gitte, die zweite Bedienung, nickte nur dazu. »Aber wart' mal ab«
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Das Madl aus der Stadt - Toni Waidacher
Der Bergpfarrer
– 224–
Das Madl aus der Stadt
Was soll ich mit einer Almhütte?
Toni Waidacher
In der Kneipe saßen die Gäste gedrängt an den kleinen Tischen. Das »Speedys« war bis auf den letzten Platz besetzt. Alle waren sie gekommen, um Charly Hays zu hören. Der junge Engländer hatte jahrelang als Straßenmusikant seinen Lebensunterhalt verdient, bis ihn Walter Hollerer, der Inhaber des Lokals, entdeckte. Der Kneipier erkannte das Potential, das in dem Gitarrenspieler steckte, der mit seiner rauchigen Stimme die Zuhörer in seinen Bann zog.
Die Kneipe im Münchener Stadtteil Schwabing lief gut, und so zögerte der Wirt nicht lange, mit dem Engländer eine CD zu produzieren. Ein Studio wurde angemietet und eine Woche lang Aufnahmen gemacht. Jetzt war das Werk fertig und wurde dem Stammpublikum des »Speedys« präsentiert.
Freilich sang und spielte Charly live. Er war nicht nur ein hervorragender Sänger, er beherrschte auch sein Instrument meisterhaft, und das Lokal war von tieftraurigem Blues genauso erfüllt, wie von sanften Balladen und Countrysongs.
Walter Hollerer stand zufrieden hinter dem Tresen und zapfte Bier. Es floss in Strömen, und die beiden Madln, die bedienten, hatten alle Hände voll zu tun.
Anna Raitel stöhnte, als sie das Tablett mit den leeren Gläsern absetzte.
»Morgen kriegt mich keiner aus dem Bett!«, sagte sie. »Und wehe, jemand wagt es, vor dem Mittag bei mir zu klingeln!«
Walter grinste, und Gitte, die zweite Bedienung, nickte nur dazu.
»Aber wart’ mal ab«, meinte sie an die Freundin und Arbeitskollegin gewandt, »wie ich unsren Chef kenn’, lässt er sich net lumpen und legt bei der Abrechnung nachher einen Schein extra drauf …«
Walter Hollerer tat, als habe
er nichts gehört, aber die beiden Madln ließen nicht locker.
»Na ja, mal schau’n, wie sich die CD verkauft«, gab der Wirt schließlich nach.
»So begeistert, wie die Leute sind, wird das Album ein Renner«, sagte Anna. »Sind denn schon weitere Auftritte geplant?«
»Ich hab’ eine Scheibe an Radio M1 geschickt«, erzählte der Chef, während er geschickt den Inhalt zweier Flaschen Weizenbier gleichzeitig in die Gläser laufen ließ. »Ich bin gespannt, ob sie darauf reagieren.«
M1 war ein privater Radiosender, der sich vor allem bei solchen Leuten, wie sie an diesem Abend im »Speedys« saßen, recht beliebt war.
Anna brachte ihre letzte Bestellung an den Tisch und setzte sich für fünf Minuten hinter den Tresen. Die junge Studentin war trotz der vielen Arbeit und der Lauferei froh, diesen Job zu haben. Immerhin brachte er so viel ein, dass sie eine gewisse Unabhängigkeit hatte. Das Wenige, was sie vom Staat bekam, reichte hinten und vorne nicht, doch durch diesen Zusatzverdienst konnte sie nicht nur Miete und Verpflegung bezahlen, hin und wieder blieb sogar noch etwas übrig, das Anna auf ihr Sparbuch einzahlte.
Es war schon beruhigend, zu wissen, dass da noch ein Notgroschen war, wenn er gebraucht wurde!
An diesem Abend – es war eher schon früher Morgen – hatte die Studentin nicht nur gut verdient, die Gäste waren auch mit dem Trinkgeld großzügig gewesen. Anna legte den Betrag, den sie sparen wollte, in den Küchenschrank. Morgen – oder heute …, es war ja inzwischen schon Samstag – hatten die Banken geschlossen, aber gleich Montag, noch vor der Uni würde sie das Geld einzahlen.
Die Dreiundzwanzigjährige mit den kurzen dunklen Haaren und der schmalen Taille gähnte. Einen Moment überlegte sie, noch einen Tee zu trinken, beschloss dann aber doch, lieber schlafen zu gehen und ihren Vorsatz auszuführen, jeden zu steinigen, der vor dem Mittag an ihrer Tür klingelte.
Sie huschte ins Bett, zog die Decke bis an die Nasenspitze und war fast augenblicklich eingeschlafen.
Wie vom Donner gerührt fuhr sie in die Höhe!
Himmel, sie war doch gerade erst ins Bett gegangen – oder nicht?
Draußen klingelte jemand Sturm. Anna warf einen kurzen Blick auf den Wecker, während sie ächzend die Decke von sich warf und in die Hausschuhe schlüpfte.
Es war zehn Minuten nach neun Uhr!
Das Klingeln hörte nicht auf. Anna wankte zur Tür. Sie bewohnte zwei Zimmer unterm Dachgeschoss eines Mehrfamilienhauses. Sie drehte den Schlüssel herum und riss die Tür auf.
»Ruhe! Sind S’ denn vollkommen narrisch g’worden?«, rief sie.
Erschrocken trat der Briefträger einen Schritt zurück.
»Entschuldigen S’«, sagte er verstört, »ich hab’ ja net ahnen können, dass S’ noch schlafen.«
Klang da etwa ein Vorwurf mit?
Anna war eigentlich noch zu müde, um sich zu streiten.
»Ich hab’ lang’ arbeiten müssen«, erklärte sie. »Was gibt’s denn?«
»Einschreiben«, antwortete der Postbote und hielt ihr einen Zettel hin. »Hier bitt’ schön unterschreiben.«
Einschreiben?
Die Studentin hatte immer noch Mühe, die Augen offen zu halten. Sie unterschrieb und nahm den Brief entgegen.
»Schönen Tag noch«, rief der junge Mann fröhlich. »Ist übrigens herrliches Wetter draußen. Viel zu schön, um den Tag zu verschlafen.«
Anna warf die Tür zu und wankte ins Bett zurück. Als ihr die Augen zufielen, hatte sie den Brief bereits wieder vergessen – er steckte in ihrer rechten Hand und wurde gerade zerknittert.
*
»Keinen Schritt weiter!«
Markus Bruckner blieb abrupt stehen, der Mann neben ihm sah ihn ängstlich an.
»Glauben Sie, er meint es ernst?«, fragte er.
Fünf Schritte vor dem Zaun, der das Grundstück begrenzte, hatten sie angehalten. Auf der anderen Seite stand ein junger Bursche, etwa Mitte zwanzig, und richtete den Lauf einer Schrotflinte auf sie.
Der Bürgermeister von St. Johann achtete nicht auf seinen Begleiter.
»Bist’ jetzt völlig übergeschnappt, Lechnerbauer?«, rief er hinüber. »Wir wollen doch bloß mit dir reden!«
»Ich aber net mit euch!«
»Mensch, jetzt komm’ mal auf den Teppich zurück. Du kannst doch net einfach mit dem Gewehr auf uns losgeh’n. Wenn ich den Max Trenker ruf’, dann locht er dich ein!«
»Versuch’s doch«, gab der Bauer zurück. »Aber eher hast’ ’ne Ladung feinsten Schrot im Hinterteil, das versprech’ ich dir.«
Er betätigte den Hebel und lud durch.
»In letzter Zeit treibt sich einiges Gesindel hier herum«, setzte er dabei hinzu. »Selbst schuld, wenn da jemand in die Schusslinie gerät. Auf meinem eignen Grund und Boden kann ich machen, was ich will. Vergess’ net, Bürgermeister, die Jagdsaison hat grad’ begonnen …«
Er schickte ein spöttisches Lachen hinterher.
»Jetzt nimm doch Vernunft an!«
Markus Bruckner deutete auf den Mann neben sich.
»Der Herr Häberle will dir doch bloß ein ganz unverbindliches Angebot unterbreiten.«
»Darauf pfeif’ ich. Und jetzt macht euch vom Acker, sonst geht die Flinte los!«
Wie zum Beweis hob Florian Lechner das Gewehr an.
»Kommen S’!«
Der Bürgermeister drehte sich um und ging zum Auto zurück. Der in einen schwarzen Anzug gekleidete Mann, der auch bei diesen Temperaturen nicht auf eine graue Krawatte verzichtet hatte, folgte ihm eilig.
»Ein sturer Hund, der Lechner«, schimpfte Bruckner, als sie auf dem Weg ins Dorf waren.
»Sie hätten uns ruhig etwas früher sagen können, dass mit solchen Widerständen zu rechnen ist«, bemerkte der Herr Häberle.
Der Tadel in seiner Stimme war unüberhörbar.
»Ehrlich gesagt, hab’ ich net damit gerechnet«, entschuldigte sich Markus. »Ich bin sicher, dass die andren net solche Schwierigkeiten machen.«
»Das will ich hoffen. Immerhin hängt einiges davon ab, dass wir die Grundstücke und Höfe bekommen.«
»Ich könnt’ den Lechnerbauern anzeigen«, schlug der Bürgermeister vor. »Immerhin hat er uns bedroht. Sicher würd’ ihm das einiges von seinem Schneid nehmen, wenn er von der Polizei vorgeladen wird.«
»Sicher«, stimmte sein Begleiter zu,