Wir sind allein: Sophienlust 253 – Familienroman
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Über dieses E-Book
Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.
Andrea gähnte ausgiebig und herzhaft, aber ihr Mann, der Tierarzt Dr. Hans-Joachim von Lehn war so in den Artikel einer Fachzeitschrift vertieft, dass er es nicht bemerkte. Deshalb entschloss sich Andrea, zu drastischeren Mitteln zu greifen. Sie stieß einen langen Seufzer aus und zerknüllte raschelnd das Blatt Papier, auf dem sie die für den nächsten Tag geplanten Einkäufe notiert hatte.
Hans-Joachim sah auf und fragte irritiert: »Was ist los?«
»Ach, nichts«, entgegnete die junge Frau vage, aber in einem Tonfall, der deutlich durchblicken ließ, dass sehr wohl etwas los war.
Der Tierarzt erhob sich, beugte sich über Andrea und erkundigte sich besorgt: »Fühlst du dich nicht wohl? Du bist heute Abend so schweigsam.«
»Oh, ich bin vollkommen gesund«, erwiderte Andrea, allerdings eher trübselig und ohne die gewohnte Munterkeit, die Hans-Joachim an seiner Frau kannte und liebte.
»Aber irgendetwas ist mit dir nicht in Ordnung«, beharrte Hans-Joachim. »Seit dem Abendessen hast du kein Wort mehr geredet, und auch da hast du mich nur gefragt, ob die Kartoffeln genug gesalzen wären.«
»Was hätte ich sonst schon viel sagen sollen?«, murmelte Andrea. »Es passiert ja nichts, worüber ich reden könnte. Ein Tag vergeht wie der andere. Aufstehen, Frühstück richten, Peterle waschen und anziehen. Anrufe entgegennehmen, die größtenteils deine Praxis betreffen, mit Marianne besprechen, was es zu essen geben soll und was eingekauft werden muss – ach, es ist tagtäglich derselbe Trott.«
Hans-Joachim zog seinen Stuhl heran, setzte sich neben Andrea, griff nach ihren Händen und musterte aufmerksam ihr hübsches Gesicht, das jetzt, um zehn Uhr abends, ein wenig abgespannt wirkte.
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Sophienlust (ab 351)
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Buchvorschau
Wir sind allein - Elisabeth Swoboda
Sophienlust
– 253 –
Wir sind allein
Wer hilft Dorit und ihrer Mutter?
Elisabeth Swoboda
Andrea gähnte ausgiebig und herzhaft, aber ihr Mann, der Tierarzt Dr. Hans-Joachim von Lehn war so in den Artikel einer Fachzeitschrift vertieft, dass er es nicht bemerkte. Deshalb entschloss sich Andrea, zu drastischeren Mitteln zu greifen. Sie stieß einen langen Seufzer aus und zerknüllte raschelnd das Blatt Papier, auf dem sie die für den nächsten Tag geplanten Einkäufe notiert hatte.
Hans-Joachim sah auf und fragte irritiert: »Was ist los?«
»Ach, nichts«, entgegnete die junge Frau vage, aber in einem Tonfall, der deutlich durchblicken ließ, dass sehr wohl etwas los war.
Der Tierarzt erhob sich, beugte sich über Andrea und erkundigte sich besorgt: »Fühlst du dich nicht wohl? Du bist heute Abend so schweigsam.«
»Oh, ich bin vollkommen gesund«, erwiderte Andrea, allerdings eher trübselig und ohne die gewohnte Munterkeit, die Hans-Joachim an seiner Frau kannte und liebte.
»Aber irgendetwas ist mit dir nicht in Ordnung«, beharrte Hans-Joachim. »Seit dem Abendessen hast du kein Wort mehr geredet, und auch da hast du mich nur gefragt, ob die Kartoffeln genug gesalzen wären.«
»Was hätte ich sonst schon viel sagen sollen?«, murmelte Andrea. »Es passiert ja nichts, worüber ich reden könnte. Ein Tag vergeht wie der andere. Aufstehen, Frühstück richten, Peterle waschen und anziehen. Anrufe entgegennehmen, die größtenteils deine Praxis betreffen, mit Marianne besprechen, was es zu essen geben soll und was eingekauft werden muss – ach, es ist tagtäglich derselbe Trott.«
Hans-Joachim zog seinen Stuhl heran, setzte sich neben Andrea, griff nach ihren Händen und musterte aufmerksam ihr hübsches Gesicht, das jetzt, um zehn Uhr abends, ein wenig abgespannt wirkte. Das sonst so strahlende Leuchten der großen blauen Augen fehlte. Andrea erwiderte Hans-Joachims fragenden Blick nur matt und sah dann zur Seite.
»Musstest du dich über mich ärgern? Ich bin mir zwar keiner Schuld bewusst, aber vielleicht habe ich unabsichtlich etwas gesagt …«
»O nein, nein!«, unterbrach Andrea ihren Mann. »Du hast mich nicht geärgert. Niemand hat mich geärgert. Ich…, ich weiß selbst nicht, was mit mir los ist.«
»Bist du unzufrieden?«
»Unzufrieden?«, wiederholte Andrea bestürzt. »Nein, ich bin nicht unzufrieden«, wehrte sie dann heftig ab. »Ich habe doch keinen Grund, unzufrieden zu sein. Es geht mir gut, ich habe alles, was ich mir gewünscht habe. Dich, Peterle, dann das Tierheim – ach, ich weiß gar nicht, wie ich dazu komme, mich über zu wenig Abwechslung zu beklagen. Ich habe Gelegenheit, dir in deiner Praxis zu helfen …« Sie stockte und fuhr dann sehnsüchtig fort: »Wenn es nur endlich wieder einmal einen interessanten und außergewöhnlichen Fall geben würde! Ein besonderes Tier, das wir in unserem Tierheim unterbringen und pflegen müssten.«
Hans-Joachim lächelte ein wenig, wurde aber schnell wieder ernst. »Es stimmt, du hilfst mir in der Praxis«, sagte er langsam. »Möglicherweise bist du dadurch überfordert. Du hast schließlich den Haushalt, dazu noch einen quicklebendigen und tatendurstigen Sohn, du kümmerst dich um das Tierheim, du lädst häufig die Kinder von Sophienlust ein – das alles muss ja zu viel für dich sein. Wir müssen eine Lösung finden, die dich entlastet. Ich werde mich nach eine Sprechstundenhilfe umsehen.«
»Nein, das darfst du mir nicht antun!«, rief Andrea, deren normale Lebhaftigkeit jetzt schlagartig zurückgekehrt war. »Es stimmt ja gar nicht, dass ich überfordert bin. Im Haushalt und bei Peterles Betreuung hilft mir Marianne. Ich bin wirklich zufrieden mit ihr und froh, dass wir ein so tüchtiges Hausmädchen gefunden haben. Und für das Tierheim ist unser Tierpfleger, der alte Janosch, zuständig. Du siehst also, würde ich dir nicht in der Praxis helfen, wäre ich richtiggehend arbeitslos.«
»Diese Darstellung hört sich ganz nett an, überzeugt mich aber nicht«, sagte Hans-Joachim. »Ich weiß genau, dass du den ganzen Tag über pausenlos beschäftigt bist, und dass dir kaum eine freie Minute bleibt. Dagegen muss etwas unternommen werden.«
»Nein, bitte, unternimm nichts«, flehte Andrea. »Ich helfe dir so gern bei deiner Arbeit. Es bedeutet mir so viel, neben dir im Behandlungsraum stehen und mich mit dir um deine Patienten kümmern zu dürfen. Und es macht mir Spaß, dich ab und zu bei deinen Fahrten zu den Bauernhöfen zu begleiten.«
»Auch mir bedeutet deine Hilfe sehr viel«, sagte Hans-Joachim. »Aber trotzdem …«
»Habe ich denn jemals irgendeinen Fehler gemacht?«, unterbrach Andrea den Tierarzt.
»Nein, natürlich nicht. Ich bin sicher, dass eine Angestellte nicht halb so gut arbeiten würde wie du. Aber ich kann nicht zulassen, dass du dich überarbeitest.«
»Ich überarbeite mich bestimmt nicht!«
»Doch. Du wirkst abgespannt und überanstrengt.«
Andrea verzog ihren hübschen Mund. »Das hört sich nicht gerade nach einem Kompliment an. Gefalle ich dir etwa nicht mehr? Du musst dich eben daran gewöhnen, dass ich langsam alt werde.«
Hans-Joachim konnte nicht anders, er musste laut herauslachen.
»Ich finde das nicht zum Lachen«, murrte Andrea.
»Entschuldige, aber wenn jemand, der nicht viel über zwanzig ist, vom drohenden Alter spricht, ist das einfach lächerlich. Übrigens kann ich dir versichern, dass du mir trotzdem gefällst, und dass du mir immer gefallen wirst.« Hans-Joachim legte den Arm um Andreas Schultern und drückte einen zärtlichen Kuss auf ihren Mund, den sie schon halb zu einem neuerlichen Protest geöffnet hatte.
»Na, dann ist ja alles in Ordnung«, meinte Andrea, nachdem Hans-Joachim sie freigegeben hatte. »Ich gefalle dir, und du wirst keine Sprechstundenhilfe suchen.«
Der Tierarzt lächelte, doch auf seinem gut geschnittenen Gesicht lag die Spur eines Zweifels. »Ich würde niemals etwas tun, womit du nicht einverstanden bist«, sagte er. »Ich liebe dich und wünsche mir nichts sehnlicher, als dass du glücklich bist.«
»Ich bin glücklich, ich bin sogar sehr glücklich!«, rief Andrea.
»Hm. Heute Abend hatte ich nicht diesen Eindruck.«
»Ach, ich war bloß ein bisschen schlecht aufgelegt«, gestand Andrea. »Das ist längst wieder vorbei. Ich weiß selbst nicht, was der Grund für meine schlechte Laune war. Krank bin ich bestimmt nicht«, suchte sie weiteren Fragen seitens ihres Mannes zuvorzukommen.
»Aber es existiert etwas, was dich bedrückt«, beharrte der Tierarzt.
»Nein, mich bedrückt nichts«, entgegnete Andrea ungeduldig. »Darf ich nicht auch einmal schweigsam sein?«
»Schweigsamkeit passt nicht zu dir.«
»Oh!«
»Jetzt rege dich nicht auf. Ich will dich nicht ärgern, ich will nur Klarheit schaffen. Ich möchte nicht, dass du einen heimlichen Groll gegen mich
nährst.«
»Ach, Hans-Joachim, lieber Hans-Joachim. Ich nähre keinen heimlichen Groll. Weder gegen dich, noch gegen sonst jemanden. Ich bin auch nicht unzufrieden. Beides wäre schlecht und ungerecht. Es ist nur …, manchmal möchte ich … Nein, ich kann es nicht sagen, ich schäme mich für mich selbst.«
»Du möchtest manchmal etwas tun, was du mir nicht sagen kannst, weil du dich deswegen schämst? Also, das erweckt meine Neugier! Was möchtest du manchmal tun?«
Ein mutwilliges Lächeln spielte um Andreas Mundwinkel, aber sie schüttelte den Kopf. »Es ist nichts Sensationelles«, sagte sie.
»Nein? Warum schämst du dich dann? Bitte, erzähle es mir. Du hast dich vorhin über den täglich gleichen Trott beklagt. Hast du vor, etwas Außergewöhnliches zu unternehmen? Möchtest du irgendeinen Rekord aufstellen, oder drängt es dich zu einer aufsehenerregenen Tat? Verspürst du das Bedürfnis, eine Bank auszurauben oder …«
»Hör auf, mich zu necken«, fiel Andrea dem Tierarzt ins Wort. »Du neckst mich doch nur, oder denkst du tatsächlich, dass ich eine so schreckliche Verrücktheit anstellen könnte?«
»Solange du mir nicht sagen willst, was du tun möchtest, weiß ich nicht, was ich denken soll«, meinte Hans-Joachim und bemühte sich, eine undurchdringliche Miene aufzusetzen.
Andrea nahm das jedoch nicht ernst. »Du willst mich ja nur herumbekommen«, sagte sie, »aber das gelingt dir nicht. Ich gehe jetzt zu Bett.«
»Du legst dich seelenruhig schlafen, obwohl zwischen uns ein Geheimnis existiert?«
Andrea stieß einen ärgerlichen Laut aus. »Es gibt kein Geheimnis! An allem ist nur dieses blödsinnige Klassentreffen schuld.« Mit dieser für Hans-Joachim rätselhaften Bemerkung erhob sie sich. Dabei fiel ihr aber ein, dass sie die Einkaufsliste zerknüllt hatte. Sie setzte sich wieder hin, griff nach dem Notizblock und kaute nachdenklich an ihrem Kugelschreiber.
»Du stellst meine Geduld auf eine harte Probe«, äußerte Hans-Joachim. »Ich fürchte, ich werde die ganze Nacht nicht schlafen können, weil ich darüber nachdenken werde, was bei dem Klassentreffen vorgefallen ist.«
»Vorgefallen ist gar nichts«, sagte Andrea. Dann entschloss sie sich, ihrem Mann die schlaflose Nacht zu ersparen, und sprudelte hervor: »Alle – oder zumindest fast alle – haben von den Reisen geschwärmt, die sie im Sommer unternommen haben. Monika war in Bangkok, Gabriele hat eine Rundfahrt durch Marokko gemacht, Marieluise hat ihren Urlaub auf Kreta verbracht und Dagmar ist im Indischen Ozean geschwommen.«
»Während wir nur im Waldsee gebadet haben, der keine zwei Kilometer von hier entfernt liegt«, sagte Hans-Joachim.
»Das ist es ja! Ich meine, ich …, ich habe nicht den mindesten Grund, irgendeine meiner früheren Schulkolleginnen zu beneiden, aber …«
»… aber dich hat beim Anhören ihrer Schwärmereien das Fernweh