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Das Haus Zamis 52 - Und ewig währt die Nacht
Das Haus Zamis 52 - Und ewig währt die Nacht
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eBook233 Seiten3 Stunden

Das Haus Zamis 52 - Und ewig währt die Nacht

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Über dieses E-Book

Auf der Temeschburg, dem Sitz der verstorbenen Fürstin Bredica, kämpfen die Zamis nicht nur um die in Aussicht gestellte Erbschaft, sondern vor allem um ihr Leben. Ein blutrünstiger Mörder schleicht durch die nächtlichen Gänge und minimiert nach und nach die Gästeschar.
Auch Juna, die von Michael Zamis lange verschwiegene Tochter, befindet sich unter den Gästen. Ohne es zu ahnen, wird sie in ein tödliches Intrigenspiel verwickelt …

Der 52. Band von "Das Haus Zamis".

"Okkultismus, Historie und B-Movie-Charme - ›Dorian Hunter‹ und sein Spin-Off ›Das Haus Zamis‹ vermischen all das so schamlos ambitioniert wie kein anderer Vertreter deutschsprachiger pulp fiction." Kai Meyer

enthält die Romane:
119: "Und ewig währt die Nacht"
120: "Die Kuckucksbrüder"
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum1. Dez. 2017
ISBN9783955722524
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    Buchvorschau

    Das Haus Zamis 52 - Und ewig währt die Nacht - Logan Dee

    Fußnoten

    Was bisher geschah:

    Die junge Hexe Coco Zamis ist das weiße Schaf ihrer Familie. Die grausamen Rituale der Dämonen verabscheuend, versucht sie den Menschen, die in die Fänge der Schwarzen Familie geraten, zu helfen. Auf einem Sabbat soll Coco endlich zur echten Hexe geweiht werden. Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie der Dämonen, hält um Cocos Hand an. Doch sie lehnt ab. Asmodi kocht vor Wut – umso mehr, da Cocos Vater Michael Zamis ohnehin mehr oder minder unverhohlen Ansprüche auf den Thron der Schwarzen Familie erhebt.

    Nach jahrelangen Scharmützeln scheint endlich wieder Ruhe einzukehren: Michael Zamis und seine Familie festigen ihre Stellung als stärkste Familie in Wien, und auch Asmodi findet sich mit den Gegebenheiten ab. Coco Zamis indes hat sich von ihrer Familie offiziell emanzipiert. Das geheimnisvolle »Café Zamis«, dessen wahrer Ursprung in der Vergangenheit begründet liegt und innerhalb dessen Mauern allein Cocos Magie wirkt, ist zu einem neutralen Ort innerhalb Wiens geworden. Menschen wie Dämonen treffen sich dort – und manchmal auch Kreaturen, die alles andere als erwünscht sind.

    Michael Zamis, seine Frau Thekla und Coco reisen nach Rumänien. Dort, auf der Temeschburg, findet die Testamentseröffnung der Fürstin Bredica statt, einer Großtante Michaels. Hier trifft er seine ehemalige Geliebte Florentina wieder – und seine uneheliche Tochter Juna, die er bisher verschwiegen hat. Juna hat eine grausame Vergangenheit hinter sich – die sie nun auf der Temeschburg einzuholen droht. Denn wieder trifft sie auf Thekla Zamis. Diese hat sie schon einmal verbannen wollen: nach Graustedt, einer von Dämonen beherrschten Stadt. Diesmal jedoch trachtet ihr Thekla nach dem Leben. In letzter Sekunde kann Coco sie retten. Gemeinsam mit dem Incubus Stefan streifen Juna und Coco durch die Gänge der Temeschburg. Auf ihrer Flucht hören sie plötzlich Kampfgeräusche, die aus den Grüften dringen, in denen die vampirischen Gäste Unterschlupf gefunden haben …

    Erstes Buch: Und ewig währt die Nacht

    Und ewig währt die Nacht

    von Logan Dee

    nach einem Exposé von Uwe Voehl

    1.

    Gegenwart

    Als wir die Tür zu den Grüften öffneten und vorsichtig hineinblickten, glaubte ich einem Höllenszenario beizuwohnen. Die Vampire, die hier untergebracht waren, lieferten sich einen blutigen Kampf. Offensichtlich war unter den verschiedenen Vampirgrüppchen Streit ausgebrochen. Worum es ging, das konnte ich mir denken: um den Schatz, den die verstorbene Fürstin Bredica demjenigen versprochen hatte, der ihr den Kopf ihres Mörders auf einem Tablett servierte. Wie auch immer das funktionieren sollte bei einer Toten.

    Wir waren zu dritt: Meine Halbschwester Coco hatte mich dank ihres Zeitzaubers gerade noch rechtzeitig davor bewahrt, ebenfalls das Zeitliche zu segnen. Ihre Mutter Thekla hatte mich in ihrer Eifersucht erdolchen wollen.

    Auf unserer Flucht durch die Korridore war uns der schöne Stefan begegnet. Er war ein Incubus und auf unserer Seite. Ihm konnten wir vertrauen – im Gegensatz zu den meisten anderen Gästen auf der Temeschburg, dem Sitz der verstorbenen Fürstin.

    Die Hälfte der Vampire war bereits im Kampf gefallen, doch das blutige Gemetzel dauerte noch immer an. Ich wollte den Kopf gerade zurückziehen, als mich einer der Blutsauger bemerkte. Er starrte mir direkt in die Augen. Sein blutüberströmtes Gesicht verzog sich zu einer bösen Fratze. Er schrie etwas in meine Richtung und rannte auf uns zu.

    Es war Stefan, der mich mit einem Ruck von der Tür wegbeförderte, und Coco, die sie im nächsten Moment zuschlug und blitzschnell den Riegel vorlegte. Keine Sekunde zu früh, den schon prallte von innen der Vampir mit voller Wucht dagegen.

    »Am besten verschwinden wir so schnell wie möglich«, schlug Stefan vor. Mittlerweile hatte ich begriffen, dass er nicht gerade der Wagemutigste war.

    »Einen Augenblick noch«, sagte Coco. Dem folgten einige unverständliche Worte, die sie leise murmelte, und ich begriff, dass sie einen Zauber wirkte. Lächelnd wandte sie sich danach wieder an uns: »Ich habe die Tür mit einem magischen Siegel versperrt. So leicht kommt keiner der Blutsauger mehr dort heraus.«

    »Meinetwegen können sie sich alle gegenseitig an die Kehle gehen«, sagte Stefan. »Um dieses Pack ist es nicht schade.« Insgeheim pflichtete ich ihm bei. Allerdings war mir das Gemetzel, das sie untereinander verübten, zuwider.

    »Es kommen immer weniger als Erbe in Betracht. Wir brauchen im Grunde nur abwarten, bis niemand mehr übrig ist.«

    »Und wenn der Mörder einer von den Vampiren war?«, fragte ich. »Dann erfahren wir nie, wer die Fürstin umgebracht hat …«

    »Und gelangen somit auch nicht an das Erbe«, schlussfolgerte Stefan.

    Ich sah ihn scharf an. »Du scheinst sehr versessen darauf zu sein. Was mich angeht, so ist mir nur wichtig, dass ich hier mit heiler Haut rauskomme.«

    »Warum verschwindest du dann nicht einfach?«

    Wollte er mich loswerden? Wie auch immer, auf seine Frage wusste ich im Grunde keine richtige Antwort. Oder doch: Wo sollte ich hin mitten in der Nacht? Aber auch das war nur ein Vorwand. Die Wahrheit war …

    »Juna ist meine Halbschwester. Glaubst du, ich lasse sie so einfach gehen?«, kam mir Coco zuvor. »Sie gehört zu uns!« Sie legte den Arm um meine Taille und drückte mich schwesterlich. Nun ja, halbschwesterlich.

    Aber genau das war es, das mich hier hielt: Ich hatte zum ersten Mal im Leben das Gefühl, angekommen zu sein. Mich im Schoße einer Familie zu befinden. Sowohl Coco als auch Michael Zamis hatten mich aufgenommen. Und obwohl mich Thekla Zamis aus Eifersucht hatte umbringen wollen, konnte ich ihr nicht wirklich böse sein – auch wenn es der einzige Wermutstropfen war. Merkwürdigerweise machte es mir auch nicht das Geringste aus, das sie kurz davor meine Mutter erdolcht hatte – ebenfalls aus Eifersucht. Meine Mutter und ich hatten uns ja kaum jemals im Leben gesehen. Und anders als zu meinem Vater hatte ich nie eine Beziehung zu ihr gespürt.

    »Am besten gehen wir wieder auf unser Zimmer«, schlug Coco vor. »Wir sorgen dafür, dass niemand hereinkommen kann und warten erst mal die Nacht ab. Vielleicht hat sich dann zumindest meine Mutter etwas beruhigt. Wenn nicht, werde ich mit ihr reden …« Sie bedachte mich mit einem mitleidigen Blick. »Das muss alles furchtbar für dich sein.«

    Ich zuckte die Schultern. »Furchtbares bin ich gewohnt. Mein Leben war noch nie so, wie ich es mir gern gewünscht hätte.«

    Die Vampire wüteten gegen die Tür. Wer mochte wissen, wie lange sie trotz des Zaubers halten würde? Also sahen wir zu, dass wir wegkamen. Diesmal hatten wir Glück. Niemand kreuzte mehr unseren Weg, und auch die Gänge führten uns nicht mehr in die Irre. Nach kurzer Zeit hatten Coco und ich unser Zimmer erreicht. Stefan wollte uns erneut begleiten, aber diesmal waren wir uns einig, dass wir unter uns bleiben wollten. Coco brachte es ihm schonend bei, und er trollte sich.

    Nachdem wir das Zimmer versiegelt und es uns wieder auf dem Sofa bequem gemacht hatten, fragte mich Coco erneut nach meiner Vergangenheit.

    »Du hast erzählt, dass meine Mutter dich an diesen entsetzlichen Ort verbannt hat – Graustedt.«

    Ich nickte »Ja, es war eine schlimme Zeit für mich …«

    Ich kuschelte mich in meine Wolldecke und zog sie mir hoch bis über den Hals. Aber ich fror nicht nur, weil es nach wie vor entsetzlich kalt war. Mir schauderte, wenn ich an Graustedt zurückdachte …

    Vergangenheit

    »Und jetzt du!«, sagte Onkel Franz, der Schweinedämon, und drückte mir das blutige Schlachtermesser in die Hand, mit dem er zuvor den Freak getötet und fein säuberlich zerlegt hatte.

    Ich war keineswegs zartbesaitet. Dazu hatte ich viel zu viel Leiden, Grausamkeit und Tod gesehen und erlebt. Unter den Menschen und Dämonen. Und ich hatte selbst getötet, aber nur, wenn ich selbst angegriffen worden war und mein Leben auf dem Spiel gestanden hatte. Oder wenn ich etwas aus tiefstem Herzen gewünscht hatte. Das Wünschen war mein Fluch. Ich besaß die Gabe, meine Wünsche Wirklichkeit werden zu lassen. Ich hatte stets nur Gutes damit bewirken wollen. Doch zugleich hatte ich damit stets Tod und Verderben ausgelöst.

    Fassungslos sah ich Onkel Franz nun an. »Ich – soll …«

    »Jetzt nimm es schon, das Messer, du dumme Pute!«, schimpfte Onkel Franz. »Bist du nun eine Dämonin oder nicht?«

    Ja, ich war eine Dämonin, wenngleich ich nicht zur Schwarzen Familie gehörte. Und ich war nicht freiwillig in Graustedt und dieser Schlachtfabrik gelandet. Thekla Zamis, von der ich mir Hilfe erhofft hatte, hatte mich nach Graustedt verfrachtet und mich Alfred Rosenkranz »anvertraut«. Der wiederum hatte mich mit Franz bekannt gemacht, den ich Onkel zu nennen hatte. Ich war erst einen Tag hier, aber Graustedt erschien mir jetzt schon wie die Hölle. Dagegen war Wien das Paradies – wenn auch bisher nicht für mich.

    »Nimm es!«, wiederholte Onkel Franz drohend, als ich noch immer wie erstarrt vor ihm stand. Ich spürte, wie seine Gedanken nach mir griffen, wie er mich mit roher mentaler Kraft zwingen wollte, ihm zu gehorchen.

    In diesem Moment betrat Schlachter Erwin erneut den gekachelten Raum, dessen Boden und Wände rotgetüncht vor Blut waren. Unter dem Arm trug er einen weiteren zappelnden Freak. Der arme Kerl war höchstens einen Meter groß und besaß einen mit Eiterbeulen übersäten Wasserkopf.

    Wie zuvor das erste Opfer spannte der Schlachter den Freak in eins der Gestelle, die an den Wänden befestigt waren, und versetzte ihm einen harten Schlag gegen den Schädel. Der Freak kreischte auf, war aber noch bei Bewusstsein. Und das sollte er auch bleiben …

    »Mach mir ja nicht schlapp«, sagte der Schlachter, »Schließlich sollst du deine Schlachtung genießen.« Er lachte grausam, wobei sich seine menschliche gallertartige Hülle fast völlig auflöste und darunter die Schweinegestalt wabbelte.

    Jetzt erst schien er mich wahrzunehmen. Seine Schweinsäuglein funkelten gierig, als er sagte: »Ah, was haben wir denn da für ein zartes Täubchen?«

    »Das Täubchen ist widerspenstig«, sagte nun Onkel Franz. »Es will partout nicht lernen.« Mit dem Messer wies er nun auf seinen Kollegen: »Das ist Erwin. Erwin ist mit Neulingen nicht so nachsichtig wie ich. Willst du, dass ich dich in seine Obhut gebe?«

    Erwin grinste nun breit mit seiner Schweineschnauze, und seine Pranke fuhr an sein Gemächt.

    »Nein …«, stammelte ich. »Ich – ich will es versuchen …«

    »Versuchen will sie es, hört, hört!«, höhnte Onkel Franz und hielt mir erneut das Schlachtermesser hin. Diesmal nahm ich es an mich. Den beiden grausamen Schweinedämonen hatte ich nichts entgegenzusetzen. Aber wenn ich schon töten musste, so wollte ich dem Freak zumindest einen schnellen und, so hoffte ich, weitgehend schmerzlosen Tod bescheren. Der Freak, den Onkel Franz zuerst geschlachtet hatte, hatte lange leiden müssen … Noch immer gellten mir seine Schreie in den Ohren.

    »Ich hoffe, du hast dir gemerkt, wo ich vorhin das Messer angesetzt habe«, hörte ich Onkel Franz’ Stimme wie aus weiter Ferne. »Nur dann, wenn sie vor ihrem Tod reichlich Schmerz empfinden, schmeckt ihr Fleisch besonders gut.«

    Wieder einmal wurde mir bewusst, wie abartig veranlagt meine Rasse war. Sie wollten die Angst der Geschlachteten auch noch schmecken.

    Ich umklammerte den Griff des Messers fester. Die Klinge war noch mit dem Blut des ersten Freaks verschmiert. Und sie war nicht besonders scharf. Sie schien eher stumpf zu sein. Auch das war sicherlich Absicht, damit das Schlachtopfer noch länger zu leiden hatte.

    Der Freak sah mir mit vor Angst weit aufgerissenen Augen entgegen. Es waren diese Augen, die mich in ihren Bann zogen. Er mochte ein Freak sein, ein Ausgestoßener aus der Schwarzen Familie, aber er war trotz allem ein Lebewesen. Hinter mir hörte ich Onkel Franz und Erwin hämisch feixen. Entweder, weil sie sich an seiner Angst weideten, oder weil ich in ihren Augen derart zartbesaitet war.

    »Nun setz den ersten Schnitt schon an!«, drängte Erwin, »wir haben heute Morgen noch einige weitere Schlachtungen vorzunehmen!«

    Und wieder sah ich in die Augen des Freaks, versank nahezu darin und spürte seine Todesangst plötzlich am eigenen Leibe. Ich merkte, wie ich zitterte, so sehr, dass das Messer meinen Fingern entglitt und klirrend zu Boden fiel.

    Zugleich mit der Angst, die von dem Freak auf mich übergesprungen war, fühlte ich Wut und Hass auf die beiden Schlächter. Ihre Grausamkeit widerte mich an.

    »Nun heb das Messer schon wieder auf, du erbärmliche Trampelsau!«, schrie Onkel Franz. »Gleich mach ich dir Beine!«

    Ich will, dass du stirbst!

    Kaum hatte ich den Wunsch gedacht, bereute ich ihn. Und rasch korrigierte ich mich:

    Nein, ich will nicht, dass überhaupt jemand stirbt!

    Aber es war zu spät, den ersten Wunsch zu korrigieren. Außerdem war er so stark, dass ich das Bild des sterbenden Onkel Franz’ direkt vor mir sah. Ja, ich wünschte nach wie vor mit ganzem Herzen seinen Tod! Und möglichst qualvoll sollte er sein! So, wie er zuvor den Freak gequält und getötet hatte!

    »Jetzt werd ich dir mal am eigenen Leib zeigen, wie sich so ein Messer im Fleisch anfühlt!«, schrie Onkel Franz. Seine Wut hatte sich zur Raserei gesteigert. Er würde mich wohl kaum umbringen, aber sicherlich Schmerzen zufügen. Ich sah den Geifer aus seiner Schweineschnauze tropfen.

    »Ja, zeig’s der kleinen Anfängerin, wie sie zu parieren hat!«, stachelte Erwin ihn an.

    »Und ob, verlass dich drauf!« Onkel Franz bückte sich nach dem Messer und ergriff es. Aber da geschah es: In dem Moment, wo er sich wieder aufrichtete, rutschte er auf dem glitschigen Boden aus. Er versuchte sich noch zu fangen, fiel aber aufgrund der Schwerkraft nach vorn. Warum er nicht das Messer fallen ließ, weiß ich nicht. Jedenfalls fiel er so unglücklich, dass die Messerspitze direkt durch die Gallertschicht in seinen Schweinekörper fuhr und sich darin bis zum Heft versenkte. Mitten in sein schwarzes Herz.

    Zwei, drei Sekunden lang blieb er reglos liegen. Dann ging ein Zittern durch seinen massigen Körper. Mühsam hievte er sich hoch, bis er auf allen vieren vor mir stand. Seine menschliche Hülle hatte er abgelegt. Der Schweinedämon zeigte sich mir nun ungeniert in seiner wahren Gestalt. Mit roten Augen starrte er mich hasserfüllt an: »Das wirst du büßen!«

    Mit sichtlicher Anstrengung zog er sich das Messer aus dem Fleisch. Ich wich einen Schritt zurück und befürchtete, dass er mich angriff. Aber er warf das Messer nur auf den Boden.

    »Halt die Schnauze!«, brüllte Onkel Franz, und Erwin schwieg tatsächlich eingeschüchtert.

    Onkel Franz aber blieb auf dem Boden hocken, den Blick auf mich gerichtet. Und darin las ich nur eins: Rache! Rache für diese Demütigung!

    Den Rest des Tages wurde ich weitgehend in Ruhe gelassen. Dafür musste ich die widerwärtigsten Arbeiten verrichten: Schlachtabfälle entsorgen, Blut und Fäkalien aufputzen – und aus den Ställen, Pferchen und Zellen drangen immer wieder die Schreie der gemarterten Tiere und Freaks an meine Ohren. Und auch Menschen glaubte ich herauszuhören. Ich versuchte, mich weitgehend davon abzuschotten, die fürchterlichen Laute nicht an mich heranzulassen, aber es gelang mir kaum. Dazwischen ertönten die Stimmen und das Gelächter der Schlachter. Ab und zu hörte ich jemanden laut schimpfen und fluchen – wahrscheinlich über eine unfähige Hilfskraft wie mich, die nicht so spurte, wie sie sich das vorstellten. Graustedt war schon schlimm, sozusagen die Vorhölle. Aber die Schlachtfabrik war die Hölle selbst – und dabei hatte ich bisher nur an der Oberfläche gekratzt.

    Als ich abends endlich in mein Bett fiel, war ich völlig erschöpft. Doch die Erschöpfung war nicht nur körperlich, sie betraf auch meinen Geist. Wieder einmal war ich gegen meinen Willen in einem Albtraum gelandet. Und diesmal sah ich keinen Ausweg, ihm zu entkommen.

    Ich war so müde, dass ich selbst den bohrenden Hunger in meinen Eingeweiden ignorierte. Auch in der Schlachtfabrik hatte ich nichts angerührt. In der Kantine hatte es für jeden die gleiche Kost gegeben: einen blutigen Brei mit Knorpelstücken. Während die meisten Arbeiter ihn gierig heruntergeschlungen hatten, hatte ich mich fast darüber erbrochen.

    Die Tür wurde aufgerissen, und Alfred

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