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Das Haus Zamis 60 - Bluternte
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eBook229 Seiten3 Stunden

Das Haus Zamis 60 - Bluternte

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Über dieses E-Book

1889: Die Weltausstellung in Paris lockt nicht nur Menschen aus aller Welt in die französische Hauptstadt, sondern auch Dämonen. Um seine Stellung zu festigen, hat auch Asmodi zu einer Schwarzen Weltausstellung aufgerufen – als eine Art Wettbewerb innerhalb der Schwarzen Familie, und dem Sieger winken besondere Privilegien. Einer, der sich berufen fühlt, den Sieg davonzutragen, ist Michael Zamis …

In der Gegenwart verbringt Coco mit ihrem Liebhaber entspannende Wochen an der Côte d'Azur. Nach Wien zieht es sie nicht mehr. Sie ahnt nicht, dass die Zeit des Friedens bald vorbei sein wird. Jemand hat einen dämonischen Kopfgeldjäger auf sie angesetzt: den berüchtigten Charles Axman und seine Rocker-Crew!
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum6. Dez. 2019
ISBN9783955722609
Das Haus Zamis 60 - Bluternte

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    Buchvorschau

    Das Haus Zamis 60 - Bluternte - Simon Borner

    Vorschau

    Was bisher geschah:

    Die junge Hexe Coco Zamis ist das weiße Schaf ihrer Familie. Die grausamen Rituale der Dämonen verabscheuend, versucht sie den Menschen, die in die Fänge der Schwarzen Familie geraten, zu helfen. Auf einem Sabbat soll Coco endlich zur echten Hexe geweiht werden. Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie der Dämonen, hält um Cocos Hand an. Doch sie lehnt ab. Asmodi kocht vor Wut – umso mehr, da Cocos Vater Michael Zamis ohnehin mehr oder minder unverhohlen Ansprüche auf den Thron der Schwarzen Familie erhebt.

    Nach jahrelangen Scharmützeln scheint endlich wieder Ruhe einzukehren: Michael Zamis und seine Familie festigen ihre Stellung als stärkste Familie in Wien, und auch Asmodi findet sich mit den Gegebenheiten ab. Coco Zamis indes hat sich von ihrer Familie offiziell emanzipiert. Das geheimnisvolle »Café Zamis«, dessen wahrer Ursprung in der Vergangenheit begründet liegt und innerhalb dessen Mauern allein Cocos Magie wirkt, ist zu einem neutralen Ort innerhalb Wiens geworden. Menschen wie Dämonen treffen sich dort – und manchmal auch Kreaturen, die alles andere als erwünscht sind.

    Die intriganten Spiele, auch innerhalb der Zamis-Sippe, gehen unvermindert weiter. Dabei erfährt Coco Zamis einen ganz besonderen Exorzismus: Ihre böse Seite gewinnt die Oberhand. Mit wessen Hilfe Michael Zamis das geschafft hat, bleibt erstmal sein Geheimnis.

    Coco wird unterdessen aufgewiegelt, dass ihre Halbschwester Juna ihr das Café streitig machen wolle. Kurzerhand versetzt Coco sie mithilfe des Zwerges Ficzkó in die Vergangenheit – in die Dienste der berüchtigten Blutgräfin.

    Doch Juna taucht in der Gegenwart wieder auf – als Puppe. Georg Zamis, der inzwischen seine Gefühle für Juna entdeckt hat, entführt sie kurzerhand und versteckt sich mit ihr im Haus der Callas. Coco findet es heraus und zwingt Ficzkó, Juna erneut auf magische Weise in die Vergangenheit zu entführen. Sie bringt Ficzkó einen Zauber bei, den dieser anwenden soll, sobald er Junas habhaft wird. Von Georg verfolgt, flüchtet Ficzkó in einen Schrank und versetzt sich und Juna in die Vergangenheit. In letzter Sekunde springt Georg hinzu. Alle drei werden von dem Sog erfasst und gelten seitdem als verschollen.

    Doch etwas ging schief: Fortan ist ein Durchgang zu anderen – höllischen – Dimensionen entstanden. Ein neuer Dämon taucht so in Wien auf: Monsignore Tatkammer. Niemand weiß, woher er stammt, doch er sät Böses, wo immer er ist. Noch ist die Schwarze Familie nicht auf ihn aufmerksam geworden, sodass er ungehindert wirken kann.

    Unterdessen wird der verschwundene Schiedsrichter der Schwarzen Familie, Skarabäus Toth, in Wien gesichtet. Michael Zamis hatte ihn, um ihn loszuwerden, in ein Chamäleon verwandelt. Offensichtlich aber hat Toth eine Möglichkeit gefunden, zumindest als Geistererscheinung auf seine verzweifelte Lage aufmerksam zu machen. Michael Zamis will ihn daher endgültig loswerden und beauftragt dafür Coco.

    Sie macht sich widerwillig auf die Reise und lässt den Sarg mit Toth über dem Ätna abwerfen.

    Auftrag erledigt, doch sie zieht es nicht sofort nach Wien zurück, denn dort warten weitere Probleme auf sie. Nicht zuletzt ein Dämon namens Youssef, dem sie ihr Café »verkauft« hat.

    In Italien lernt sie Alessandro Wolkow kennen. Als Sohn einer weißen Hexe und eines schwarzblütigen Dämons ist er eine zwiegespaltene Persönlichkeit. Die beiden verlieben sich ineinander, auch wenn Coco bewusst ist, dass sie ihre magischen Fähigkeiten dadurch zum großen Teil verliert. Dafür erkennt sie, warum sie sich so sehr verändert hat: Ihr Vater hat die Neiddämonin Invidia auf sie angesetzt. Doch gegen die Liebe ist auch die Neiddämonin machtlos – und verschwindet. Coco hofft, sie für immer los zu sein, und flüchtet mit Alessandro nach Frankreich.

    Unterdessen finden sich Georg Zamis, Juna und Ficzkó im Jahr 1888 in Paris wieder. Sie sind getrennt worden, und Georg macht sich auf die verzweifelte Suche nach Juna …

    Erstes Buch

    1889

    von Simon Borner

    nach einem Exposé von Uwe Voehl

    Kapitel 1

    Die Nacht war kalt und nebelverhangen. Ein fahler Mond hing über der Seine, und eine fast schon unheimliche Ruhe lag über den Häusern von Paris. Graue Nebelschwaden zogen durch die weltberühmten Straßen und verliehen der französischen Metropole eine fast schon bedrohlich wirkende Atmosphäre. In Nächten wie dieser, so schien sie zu sagen, konnte hinter jeder Tür und jeder Straßenecke ein grauenvolles Monster lauern.

    Emmeline Curdin wusste, dass dieses Gefühl zutraf. Die zweiunddreißigjährige SEK-Agentin stand auf dem flachen Dach eines dreigeschossigen Einkaufszentrums und sah über die Brüstung. »Ich sehe ihn«, murmelte sie in ihr mattschwarzes Headset. »Er flieht in westlicher Richtung. Ich glaube, er will zur Brücke.«

    Es knackte leise in ihrem Ohrstöpsel, dann kam die Reaktion ihres Kollegen. »Verstanden, Curdin«, sagte Jerome Dibaba. »Wir schneiden ihm den Weg ab.«

    Die Agentin nickte, sah ein letztes Mal zu der drei Etagen unter ihr flüchtenden Zielperson und lief dann zurück zum Treppenhaus.

    Diesmal kriegen wir ihn, dachte sie, während sie in Windeseile die Stufen hinunterrannte. Wir müssen es einfach schaffen.

    Die Alternative wäre undenkbar. Seit Tagen hatte das Dämonische SEK, eine streng geheime Unterabteilung des Innenministeriums, den Kerl im Auge. Pascal Robin war äußerlich ein unauffälliger Gammler, wie es sie in Paris zu Hunderten gab. Curdin wusste aber, dass hinter der alltäglich scheinenden Fassade das Herz eines waschechten Dämons schlug – noch dazu eines Dämons mit Informationen!

    Sie erreichte das Erdgeschoss. Im Nu war sie draußen auf der Straße und lief ebenfalls in Richtung Fluss. Im Ohrstöpsel hörte sie die hektischen Befehle und Statusmeldungen ihres fünfköpfigen Teams.

    »Nach links! Ich sehe ihn! Leute, wir müssen nach links!«

    »Verstanden, Dibaba. Zugriff! Ich wiederhole: Zugriff!«

    »Negativ, Lafitte. Er ist zu schnell. Ich … Ich habe ihn vom Radar verloren. Wie ist das möglich?«

    Diese Idioten! Curdin stöhnte innerlich und tippte mit der behandschuhten Rechten an ihr Headset. »Wenn ihr ihn entwischen lasst, bringe ich euch um!«, knurrte sie.

    »Keine Sorge, Boss«, erwiderte Dibaba. Er klang durch und durch zuversichtlich. Und zufrieden. »Der entkommt uns nicht. Das Dämonische macht keine Fehler.«

    Besser wär’s, dachte Curdin.

    Ihr SEK war in vielerlei Hinsicht die letzte Bastion. Es gab nicht viele Menschen in Paris, die von der Existenz des Übersinnlichen – und vor allem von den Mächten und Machenschaften der Schwarzen Familie – wussten. Entsprechend schnell hatte das teuflische Gezücht leichtes Spiel mit den Einwohnern dieser wundervollen Stadt. Doch Curdin und ihr Team waren dafür da, es ihnen zu verderben. Koste es, was es wolle.

    Wenn wir versagen, dann gute Nacht, wusste die Agentin. Insbesondere in Fällen wie diesem.

    Seit Tagen kursierten bereits dunkle Gerüchte. Irgendetwas sei im Busch, so hatte Curdins Abteilung erfahren. Die Schwarze Familie wartete angeblich auf etwas. Auf ein Ereignis, eine Person? Niemand wusste es, und sogar die üblichen Informanten, die das SEK in dämonischen Kreisen hatte, hielten dicht.

    Natürlich hinderte das niemanden an wilden Spekulationen. Manche glaubten, die dunklen Familien bereiteten einen Terroranschlag vor – um »mit der Zeit zu gehen«. Andere sprachen von der Wahrscheinlichkeit eines Mordkomplotts gegen Präsident Macron, der durch einen von Asmodi gesteuerten Doppelgänger ersetzt werden sollte. Und ein paar Untersekretäre des Innenministeriums rechneten allen Ernstes damit, dass die Schwarze Familie in der Hauptstadt ein Tor zur Hölle aufstoßen wollte.

    Keine dieser Theorien ließ sich bislang bestätigen. Dazu wusste das SEK einfach zu wenig.

    Aber sie ließen sich auch nicht widerlegen. Bis jetzt …

    Zum Glück war Pascal Robin kein üblicher Informant. Sondern das schwächste Glied in der Kette derer, auf deren käufliche Unterstützung Curdin und die anderen gelegentlich vertrauen durften. Wenn irgendjemand in dieser Sache zu reden beginnen würde, dann Robin. Es kam nur auf die richtigen Mittel an. Und Curdin hatte nicht vor, ihm diesmal Geld zu bieten.

    Die Agentin erreichte den Fluss. Dichter Nebel lag über dem Wasser, und die Laternen, die das Ufer säumten, wirkten wie gelbliche Kugeln in einem Meer aus Grau.

    Dann sah sie die Brücke. Dibaba und die übrigen Teammitglieder standen darauf und sahen sich ratlos um.

    »Verflucht, wo ist er?«, schimpfte Dibaba in ihrem Ohr. »Ich habe ihn hierhin rennen sehen. Also?«

    »Und ich habe seine Schritte gehört, Sergeant«, bestätigte sein Nebenmann, der schießfreudige Gaston Duval. »Er kann nur hier stecken.«

    Sie haben ihn verloren! Curdin beschleunigte den Schritt. Diese Idioten!

    Jospin würde toben, wenn er davon erfuhr! Toben … und sie dann allesamt eigenhändig erwürgen!

    Schnaufend und keuchend kam Curdin zur Brücke, bog auf diese und …

    Der Aufprall war hart und kam völlig aus dem Nichts. Curdin war, als sei die Luft vor ihr plötzlich zu Stein geworden. Die Agentin taumelte zurück, wedelte mit den Armen und bekam irgendetwas zu fassen, an dem sie sich mit aller Macht festhalten wollte.

    Dann fiel sie zu Boden. Und das Etwas fiel mit.

    »Au!«, keuchte Pascal Robin. Erst als sein Kopf schmerzhaft Bekanntschaft mit dem Kopfsteinpflaster machte, wurde er wieder sichtbar.

    Curdin staunte nicht schlecht, als sie sah, dass sie den Arm des Dämons mit beiden Händen fest umklammert hielt. Doch sie fing sich schnell. »Keine Bewegung, Pascal. Du bist verhaftet.«

    »Heilige Scheiße!«, rief Dibaba. Er und die anderen Teammitglieder eilten herbei, die Waffen, geweihten Kreuze und Dämonenbanner im Anschlag. »Curdin, Sie … Sie haben ihn gefunden!«

    Einer muss den Job ja machen, knurrte sie innerlich und stand auf.

    Ihre Hüfte tat weh, und sie schmeckte Blut, weil sie sich beim Sturz auf die Lippe gebissen hatte. Doch das war egal. Der Auftrag war ausgeführt, nur das zählte.

    »Okay«, sagte sie. »Dann mal los.«

    Dibaba und Duval packten Robin und hielten ihn fest. Curdin baute sich vor ihm auf und stemmte die Hände an die schmerzende Hüfte. Dorthin, wo auch ihre Waffe hing.

    »Bonsoir, Pascal«, grüßte sie spöttisch. »So spät noch unterwegs?«

    Der Dämon lächelte unschuldig. Robin war ein schmächtiger Kerl mit zerzaustem braunem Haar, einem ungepflegten Achttagebart und zerknitterter Kleidung. Doch er war gerissen. »Guten Abend, Mademoiselle Curdin. Wie geht es dem weiblichen James Bond der Seine heute?«

    »Ich stelle hier die Fragen, Pascal«, wies sie ihn schroff an. »Und du wirst sie beantworten. Also? Was ist da los bei der Schwarzen Familie?«

    Er hob die Schultern. »Och, das Übliche, nicht wahr? Asmodi ist ein Schuft, diese Zamis-Sippe drüben in Wien ein echter Fall für den Sittenschutz und …«

    Curdin packte ihn am Kragen. »Ich rede von den Gerüchten, Pascal! Tu nicht so, als wüsstest du das nicht. Was plant die Schwarze Familie?«

    »Ich habe keinen blassen Schimmer, was Sie meinen, Mademoiselle Curdin«, tat er ganz ahnungslos.

    Curdin rammte ihm die Faust in die Magengrube.

    »Es tut … mir leid«, keuchte der Dämon, »aber … Ich weiß ehrlich von nichts.«

    »Der lügt wie gedruckt, Boss«, meinte Duval.

    Richtig, dachte sie grimmig. Aber freiwillig wird er uns nichts erzählen. Das sehe ich ihm an.

    Die Sache schien größer zu sein als befürchtet. Wenn sogar schon Robin lieber Prügel kassierte, als den Mund aufzumachen, dann war die Kacke echt am Dampfen.

    »Was sollen wir tun?«, fragte Dibaba niedergeschlagen.

    In diesem Moment erklangen Schritte in der ansonsten doch neblig stillen Pariser Nacht. Sie hallten über die Brücke wie Vorboten einer nahenden Gefahr.

    Und dazu erklang eine dunkle Stimme. »Überlassen Sie ihn mir, Curdin. Ich bringe ihn schon zum Reden.«

    Curdin wirbelte herum.

    Der Nebel teilte sich und entließ die Umrisse einer schemenhaften Gestalt. Sie hatte breite Schultern und war groß. Ein Helm saß auf ihrem Kopf, und der muskulöse Oberkörper lag unter einer schwarzen, kugelsicher gepolsterten Einsatzjacke verborgen.

    Curdin erkannte ihn sofort. »Monsieur Jospin?« Was machte der denn hier?

    Der Leiter des Dämonischen SEK war Mitte vierzig und ein harter Hund. Er hatte raue Gesichtszüge und eine breite Narbe auf der rechten Wange, die ihm vor Jahrzehnten angeblich ein Werwolf im Kampf geschlagen hatte. Er trat zu seinen Untergebenen. »Ich übernehme ab hier«, verkündete er knapp.

    »Aber Monsieur, wir haben den Informanten …«

    Er ließ Curdin nicht ausreden. »Ich sagte, ich übernehme.«

    Die Agentin schluckte. »Sehr wohl, Monsieur Jospin.«

    »Bringen Sie ihn in die Zentrale, Dibaba«, wies ihr Vorgesetzter ihren Kollegen an. »Verhörraum zwei dürfte frei sein.«

    Dibaba nickte schnell. »Verstanden, Monsieur.«

    »Was?« Robin keuchte. Die Lässigkeit, die ihn eben noch so unbekümmert gemacht hatte, wich schneller aus ihm wie Luft aus einem platzenden Ballon. »A… Aber das können Sie nicht machen. He! He, Curdin. Ich rede, okay? Mit Ihnen! Lassen Sie uns reden, Curdin. Alles, nur nicht Verhörraum zwei! Bitte!«

    Doch Emmeline Curdin schüttelte den Kopf. Sie hatte verloren. Wenn Jospin übernahm, galten definitiv andere Regeln. Und einmal mehr fragte sie sich, wie ernst die Lage sein musste, dass sogar der Leiter des Dämonischen höchstpersönlich auf Informantenjagd ging …

    Das Dämonische SEK der Landeshauptstadt Paris lag in einer alten Frachthalle nahe der Innenstadt. Zumindest lag es äußerlich betrachtet in einer Frachthalle …

    Das Innere des für Unbeteiligte verlassen wirkenden Bauwerks war eine moderne Schalt- und Machtzentrale, wie es in ganz Frankreich kaum eine zweite gab. Auf zwei oberirdischen und fünf unterirdischen Stockwerken erstreckte sich ein wahres Arsenal an Hightech und paranormalem Expertentum, das seinesgleichen suchte. Es gab mannshohe Videowände, die leistungsstärksten Rechner der Stadt, Ultrasicherheitszellen und sogar einen festangestellten Alchemisten. In dunklen Büros brüteten Astrologen über den neuesten Sternkarten, und zwei Mönche aus einem Pariser Kloster schauten tagtäglich vorbei, um mit katholischen Segnungen zu helfen, wo sie nur konnten. Sie hatten sogar schon Exorzismen ausführen müssen, wenngleich der letzte Vorfall dieser Art gnädige Jahrzehnte zurücklag.

    All dies – und viel, viel mehr – unterlag der höchsten Geheimhaltungsstufe. Nicht einmal Präsident Macron wusste genau, was das Dämonische tat. Die Behörde, die dem Innenministerium unterstellt war, war bereits vor über hundert Jahren von einem seiner Amtsvorgänger ins Leben gerufen worden und agierte bewusst unter dem Radar – auch unter dem des Präsidenten. Sie tat, was getan werden musste – so einfach war das.

    Alain Jospin mochte es so. Der Mittvierziger mit der breiten Narbe leitete die Pariser Geheimorganisation bereits seit acht Jahren und kannte die dunklen Winkel der Stadt wie die eigene Westentasche. Jospin kam von der Küste und hatte schon in jungen Jahren gegen Geister der See antreten müssen. Diese Erfahrung, bei der er den Großteil seiner Familie verlor, hatte sein Leben geprägt wie keine zweite. Sie war einer der Gründe dafür, warum der Leiter des SEK dermaßen in seinem Job aufging. Sie erklärte, warum er war, wie er war.

    Nur: Nicht jeder kannte die Geschichte.

    »Ich weiß wirklich nicht, wie Sie so etwas sagen können!«, echauffierte sich Moustafa Robespierre. Der französische Innenminister war direkt aus dem Regierungsgebäude gekommen. Nun stand er neben Jospin und sah ihn keuchend an. »Das … Das wäre doch Folter!«

    Jospin zuckte mit den Achseln. »Es ist der einzige Weg, Antworten aus dem Dämon zu bekommen.«

    Die beiden Männer standen an einem Fenster. Durch die Scheibe konnten sie den benachbarten Verhörraum sehen, in dem Robin mit geweihten Ketten auf einen Stuhl gefesselt war. Neben Robin stand ein metallener Rollwagen mit spitzen und scharfkantigen Werkzeugen sowie einigen Kreuzen und Rosenkränzen. Der Informant wand sich in seiner Fesselung, so gut es eben ging, und schaute immer wieder nervös zu den »Verhörutensilien«.

    Die Scheibe war auf seiner Seite der Wand verspiegelt, wodurch Jospin und Robespierre ihn sehen konnten, er aber nicht sie.

    »Antworten ja«, gab der Minister zu. »Aber um welchen Preis? Jospin, so nehmen Sie doch Vernunft an! Mein Ministerium kann es nicht gutheißen, wenn Informanten gequält oder gar verstümmelt werden, nur um …«

    Der SEK-Leiter hatte genug. »Laut unseren Informationen«, fiel er seinem Vorgesetzten ins Wort, »plant oder erwartet die Schwarze Familie irgendeine üble Tat in Paris. Ein Ereignis, dessen Ausmaße mehr als beachtlich sein müssen, wenn man dem Geflüster in den dämonischen Bars und Spelunken glauben möchte. Monsieur Robespierre, sagen Sie mir: Wie viele unschuldige Menschen – Männer und Frauen dieser Stadt, Wähler! – werden ›gequält oder gar verstümmelt‹, wenn die Dämonen diesbezüglich zum Zug kommen? Verflucht, Mann, wir müssen handeln! Es wäre unverantwortlich von uns, es nicht zu tun. Robin weiß

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