Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Das Haus Zamis 41 – Teufelstaufe
Das Haus Zamis 41 – Teufelstaufe
Das Haus Zamis 41 – Teufelstaufe
eBook232 Seiten3 Stunden

Das Haus Zamis 41 – Teufelstaufe

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Auf der Suche nach ihrem gestohlenen Dämonen-Fötus reist Coco Zamis nach London. Zufällig trifft sie dort ihren tot geglaubten Liebhaber wieder: Dorian Hunter. Dorian erkennt sie nicht, lädt sie aber in seine Villa in der Baring Road ein. In dem Haus stößt Coco auf ein entsetzliches Geheimnis: Was verbirgt sich hinter der mit magischen Schutzzeichen versperrten Kellertür? Und handelt es sich bei ihrem Gastgeber wirklich um den Dorian Hunter, mit dem sie einst ihr Kind gezeugt hat?

Der 41. Band von "Das Haus Zamis".

"Okkultismus, Historie und B-Movie-Charme - ›Dorian Hunter‹ und sein Spin-Off ›Das Haus Zamis‹ vermischen all das so schamlos ambitioniert wie kein anderer Vertreter deutschsprachiger pulp fiction." Kai Meyer

enthält die Romane:
98: "Der Dämonenstab"
99: "Teufelstaufe"
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum6. März 2015
ISBN9783955722418
Das Haus Zamis 41 – Teufelstaufe

Mehr von Rüdiger Silber lesen

Ähnlich wie Das Haus Zamis 41 – Teufelstaufe

Titel in dieser Serie (68)

Mehr anzeigen

Ähnliche E-Books

Horrorfiktion für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Verwandte Kategorien

Rezensionen für Das Haus Zamis 41 – Teufelstaufe

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Das Haus Zamis 41 – Teufelstaufe - Rüdiger Silber

    Teufelstaufe

    Band 41

    Teufelstaufe

    von Rüdiger Silber und Logan Dee

    nach einer Story von Uwe Voehl

    © Zaubermond Verlag 2015

    © Das Haus Zamis – Dämonenkiller

    by Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

    Lektorat: Reinhard Schmidt

    Titelbild: Mark Freier

    eBook-Erstellung: story2go | Die eBook-Manufaktur

    http://www.zaubermond.de

    Alle Rechte vorbehalten

    Was bisher geschah:

    Die junge Hexe Coco Zamis ist das weiße Schaf ihrer Familie. Die grausamen Rituale der Dämonen verabscheuend, versucht sie den Menschen, die in die Fänge der Schwarzen Familie geraten, zu helfen. Auf einem Sabbat soll Coco endlich zur echten Hexe geweiht werden. Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie der Dämonen, hält um Cocos Hand an. Doch sie lehnt ab. Asmodi kocht vor Wut – umso mehr, da Cocos Vater Michael Zamis ohnehin mehr oder minder unverhohlen Ansprüche auf den Thron der Schwarzen Familie erhebt.

    Nach jahrelangen Scharmützeln scheint endlich wieder Ruhe einzukehren: Michael Zamis und seine Familie festigen ihre Stellung als stärkste Familie in Wien, und auch Asmodi findet sich mit den Gegebenheiten ab. Coco Zamis indes hat sich von ihrer Familie offiziell emanzipiert. Das geheimnisvolle »Café Zamis«, dessen wahrer Ursprung in der Vergangenheit begründet liegt und innerhalb dessen Mauern allein Cocos Magie wirkt, ist zu einem neutralen Ort innerhalb Wiens geworden. Menschen wie Dämonen treffen sich dort – und manchmal auch Kreaturen, die alles andere als erwünscht sind …

    Unterdessen wird Coco Zamis von Asmodi erpresst. Der Fürst der Finsternis entreißt ihr das noch ungeborene Kind und benutzt es als Pfand. Während die junge Hexe bisher sicher war, dass sie es von dem Verräter Dorian Hunter empfangen hat, behauptet Asmodi, dass er es ist, der sie geschwängert hat.

    Um ihr ungeborenes Kind wiederzuerlangen, begibt sie sich in Asmodis Hände. Doch keine der Aufgaben, die er ihr stellt, erfüllt sie zu seiner Zufriedenheit. Behauptet zumindest er und erpresst sie weiterhin.

    Schließlich gelingt es ihr mit der Hilfe ihrer Familie, Asmodi den Fötus zu entreißen.

    Aber jetzt ist es ihr eigener Vater, Michael Zamis, der ihr den Fötus verweigert.

    Erstes Buch: Der Dämonenstab

    Der Dämonenstab

    von Rüdiger Silber

    nach einer Story von Uwe Voehl

    1.

    Gegenwart

    Wien, Zentralfriedhof

    Der Mann stand gebeugt vor dem frischen Grab. Äußerlich regungslos starrte er auf das vorläufige hölzerne Grabkreuz mit dem aufgemalten Namen, dem Geburts- und Sterbedatum, und auf den Blumenschmuck. Abgeworfenes Herbstlaub lag zwischen den Chrysanthemen und Margeriten, den Stiefmütterchen und den Vergissmeinnicht. Die Farbe der Blüten war symbolisch gewählt: Weiß für den Tod. Blau für die treue Erinnerung. Grün für die Hoffnung. Einzelne Blumen zeigten bereits erste Zeichen der Verwelkung.

    Der Mann bückte sich und legte einen Strauß frischer, leuchtend roter Rosen auf das Grab.

    Er hob ein welkes Blatt auf. Es war brüchig und braun. Wie die Mumie eines Blattes. Er zerrieb das Blatt zwischen den Fingern. Und unter dem Rand der Sonnenbrille, die er an jenem grauen Herbstnachmittag trug, rann eine Träne hervor.

    Der Mann hieß Anton Klingler und hatte Erfahrung im Trauern. Schließlich war er nicht zum ersten Mal Witwer geworden. In den vergangenen zehn Jahren hatte er vier Frauen überlebt. Jede war vermögend gewesen, und auf jede hatte er bald nach der Hochzeit eine hohe Lebensversicherung abgeschlossen.

    Anton Klingler machte ausschließlich Witwen mittleren Alters mit lohnenswerten Erbansprüchen den Hof. Den Kontakt suchte er mithilfe von Zeitungsinseraten. Aber vielleicht war es an der Zeit für eine Veränderung. Zeit, den Modus Operandi zu wechseln …

    Aus den Augenwinkeln musterte Klingler die Frau, die ein Stück entfernt vor einem anderen Grab verharrte. Die Trauerkleidung, die sie trug, wirkte teuer. Das tiefschwarze Kostüm war figurbetont geschnitten und umspannte üppige Rundungen, die von der schmalen Taille wie eingeschnürt wirkten. Der Rock reichte knapp über die Knie und ließ stramme Waden sehen. Unter dem breitrandigen schwarzen Hut hatten sich etliche helle Haarsträhnen gelöst.

    Klingler besaß das Augenmaß des Kenners. Der Körper dieser Frau hatte die Blütezeit hinter sich und den Zenit reifer Weiblichkeit erreicht. Eine gut erhaltene, attraktive Fünfzigerin, schätzte er. Leider war das Gesicht hinter einem Witwenschleier verborgen.

    Sie stand mit gefalteten Händen vor einer alten Familiengrabstätte mit einem prachtvollen Monument aus Marmor. Nichts wies darauf hin, dass dort kürzlich jemand bestattet worden war. Doch das hatte wenig zu bedeuten. In diesen über Generationen benutzten Familiengräbern wurden aus Platznot oft nur noch Urnenbestattungen vorgenommen. Möglicherweise war die Dame bereits länger im Witwenstand, aber noch immer untröstlich. Beides würde sich vielleicht bald ändern …

    Bislang hatte Klingler nie zweimal in derselben Stadt gefreit. Die Gräber seiner verblichenen Gemahlinnen verteilten sich über halb Europa. Nur deshalb war bislang noch kein Verdacht auf ihn gefallen. Aber gewiss würde es nicht schwer werden, seine nächste Wiener Braut zu einem Ortswechsel zu überreden.

    Wie von Trauer übermannt, senkte Anton Klingler das Haupt und rieb sich hinter den getönten Brillengläsern über die Augen. Dann näherte er sich gemessenen Schrittes der Witwe.

    Er räusperte sich. »Bitte entschuldigen Sie, dass ich Sie in Ihrer Trauer störe …« Höflich nahm Klingler die Sonnenbrille ab und blinzelte die Dame aus feuchten, rot geriebenen Augen an. Er wies auf die rostige Gießkanne, die auf der Einfassung des Familiengrabes stand. Ein besserer Vorwand, um die Auserwählte anzusprechen, war ihm nicht eingefallen. »Aber die Blumen auf dem Grab meiner Frau benötigen etwas Wasser. Dürfte ich mir kurz den Sprenger von Ihnen ausleih…«

    Klingler verstummte abrupt. Sein Blick klebte auf der Handtasche, die, vom Schulterriemen gehalten, auf der ausladenden Hüfte ihrer Besitzerin ruhte. Eine merkliche Hitze ging von dem Accessoire aus. Im ersten Moment glaubte Klingler, die Dame führe in der Tasche einen elektrischen Handwärmer mit sich. Aber dafür war der November bisher nicht kalt genug.

    Doch dann bemerkte er, dass die Handtasche pulsierte, sich blähte und zusammenzog wie ein schwach pumpendes Herz oder eine flach atmende Lunge.

    »Gefällt Ihnen meine Handtasche?«

    Die Dame hatte den Hutschleier zurückgeschlagen. Sie war viel älter, als Klingler angenommen hatte. Ihre kreidige Gesichtshaut war straff über den Schädelknochen gespannt und von unzähligen Runzeln und Furchen durchzogen. Sie wirkten wie ein Netz von Sprüngen in einer Gipsmaske. Die Miene zeigte von Trauer keine Spur. Das trockene schwarze Augenpaar glänzte wie Kohlesplitter. Zwar waren die Lippen zu einem weißen Strich zusammengepresst – aber dieser Strich bog sich zu einem Grinsen.

    Die Alte packte Klinglers Rechte. Ihr Griff war überraschend kalt und hart. Sie zwang ihn, mit den Fingerspitzen über das warme, feinporige, pulsierende, bläulich-schwarze Leder der Handtasche zu streicheln. Was Klingler für einen Knopf gehalten hatte, erwies sich bei der Berührung und näherem Hinsehen als menschlicher Nabel.

    Die knirschende Stimme der Alten ging ihm durch Mark und Bein. »Diese Tasche wurde vor zweihundert Jahren gefertigt, unter anderem aus der Haut und dem Gebärorgan einer überaus fruchtbaren Negersklavin, die den Besitz ihres Herrn zu Lebzeiten um ein Dutzend kräftiger Negerkinder vermehrt hat.«

    Die Alte gab Klinglers Finger frei, und er riss die Hand zurück, als habe eine Giftnatter danach geschnappt. Er wirbelte herum und ergriff blindlings die Flucht. Zu spät bemerkte er den Mann, der ihm plötzlich im Weg stand.

    Der Mann war gut einen Kopf größer als Klingler und so stark und schwer, dass es Klingler vorkam, als sei er gegen eine Mauer gerannt.

    Der Fremde schrie auf.

    Es war ein höllischer Wutschrei.

    Benommen taumelte Klingler zurück. Er begriff, dass der Mann etwas fallen gelassen hatte. Etwas, das er unter dem zusammengefalteten Mantel, den er in der Armbeuge trug, versteckt gehalten hatte, und das nun nach dem Zusammenstoß auf dem laubbestreuten Kiesweg lag.

    Klingler starrte von Grauen erfüllt darauf.

    Er war am helllichten Tag in einen Albtraum geraten!

    Zu seinen Füßen lag ein Glaszylinder, in dem eine klare, perlende Flüssigkeit schwappte. In der Flüssigkeit schwamm ein menschlicher Fötus.

    Der Fötus strampelte schwächlich.

    Trotz seines mörderischen Zorns kümmerte Michael Zamis sich im ersten Moment nur um den Fötus. Rasch bückte er sich und hob den Glaszylinder auf. Offenbar war das Gefäß unbeschädigt geblieben. Der Fötus wirkte unruhig. Die kleinen Füße und Fäuste ruderten schwach in der Nährflüssigkeit. Über der Nasenwurzel hatte sich eine winzige Falte eingegraben und verlieh dem unfertigen Gesicht einen missbilligenden Ausdruck. Zum soundsovielten Mal fragte Michael Zamis sich, wem das Ungeborene ähnlich sah.

    Die Erleichterung darüber, dass der Fötus unverletzt geblieben war, wich prompt der Rachsucht. Michael Zamis blickte sich nach der Kreatur um, die ihn angerempelt hatte.

    »Keine Sorge«, sagte die Frau in Schwarz. »Der Kerl kommt nicht davon. Er hat die Handtasche berührt.«

    »Hat sonst jemand den Vorfall beobachtet?«

    »Sonst sind wir hier weit und breit allein«, beruhigte ihn die Frau. »Obwohl ich mich noch immer frage, warum du dich unbedingt nachmittags an einer alten Grabstätte auf dem Zentralfriedhof mit mir verabreden musst. Auch bei euch in Wien gibt es doch sicher Orte, die verschwiegener sind und sich besser für die Übergabe eignen.«

    Michael Zamis spähte misstrauisch umher. »Ich hatte keine Zeit zu verlieren«, sagte er. »Asmodi hat das Ungeborene in seinem alchemistischen Labor mit einer aufwendigen magischen Apparatur am Leben erhalten. Aber als ich ihn zwang, es mir zu übergeben, schwamm es in diesem Glas, in dieser Bizzel-Plörre. Anfangs war der Fötus recht lebhaft, wie ein fast fertiger Säugling. Inzwischen rührt er sich kaum noch. Asmodi hat ihn mir ausgehändigt wie ein in Formaldehyd eingelegtes pathologisches Objekt. Ich fürchte, er hat Schaden genommen oder stirbt sogar.«

    Die Frau nahm den Fötus in Augenschein. »Sagtest du nicht, er sei ein Dämonenspross?«

    »Natürlich! Wozu bräuchte ich dich sonst?«

    »Dann ist er zäh«, stellte die Frau fest. »So schnell stirbt ein Dämon nicht, und sei er noch so winzig. Dieser Winzling hier erscheint mir trotz allem in guter Verfassung zu sein.«

    Michael Zamis stand die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. Immerhin war die Frau eine Dämonen-Amme – eine Dämonin, die darauf spezialisiert war, den Dämonennachwuchs in die menschlichen Leihmütter einzupflanzen. Niemand kannte sich besser mit ungeborenen Dämonen aus.

    »Öffne das Glas«, forderte sie. Während Michael Zamis den Deckel des Zylinders abschraubte, griff die Amme nach der Handtasche. Beim Aufklappen gab die Lasche ein schmatzendes Geräusch von sich. Das Innere der Handtasche wirkte wie ein schmiegsames Futteral aus feuchter Schleimhaut. Pochende rote und blaue Äderchen schlängelten sich an den Innenseiten entlang. Seitlich saß ein faustgroßes, pulsierendes Gebilde von purpurroter Färbung. Es wurde der Länge nach von einem Lippenpaar geteilt, das entfernt an eine Vagina erinnerte.

    Nach der Anweisung der Amme hob Michael Zamis den Fötus aus dem Zylinderglas und ließ ihn behutsam in das aufklaffende Innere der Tasche gleiten. Die Amme nahm das von der Plazenta abgetrennte Ende der Nabelschnur und strich damit über die Lippen des purpurnen Organs. Die Lippen stülpten sich vor und saugten die Nabelschnur ein. Zugleich füllte sich das Innere der Tasche, das den Fötus aufgenommen hatte, mit einem klaren, speichelartigen Sekret. Michael Zamis beobachtete, wie die steile Falte auf der Stirn des Fötus sich glättete. Das Gesicht nahm einen entspannten Ausdruck an. Es sah aus, als sei der Fötus friedlich eingeschlummert.

    Die Dämonen-Amme klappte die Handtasche zu. Michael Zamis ließ langsam die Atemluft entweichen. Vorläufig war der Balg in Sicherheit!

    Jetzt erst hatte er Augen für die äußere Erscheinung der Dämonin.

    »Dafür, dass dir unser Treffpunkt nicht diskret genug vorkommt, hast du dich aber ziemlich auffällig in Schale geworfen.«

    »Ich wähle meine Mode immer nach dem Ambiente«, versetzte die Dämonin. »Übrigens macht meine Bekleidung mich nicht auffällig, sondern unauffällig. Die meisten Menschen besuchen den Zentralfriedhof um der Ruhe oder der Romantik willen. Begegnen die Friedhofs-Flaneure der Trauer und dem Tod, wenden sie peinlich berührt den Blick ab. An einem Ort wie diesem bewirkt ein solches Witwenkostüm mehr als jede andere Aufmachung, dass die Menschen dich gar nicht bemerken wollen. Davon abgesehen«, fügte sie hinzu und ließ den Schleier wieder vors Gesicht fallen, »gibt die Trauerkleidung mir die Möglichkeit, mein Antlitz zu verbergen.«

    »Du weißt, was du zu tun hast«, sagte Michael Zamis.

    Die Dämonin legte ihm die Hand auf den Arm. Es war eine Geste, die um Vertrauen warb. Aber er hätte zu gern ihren Gesichtsausdruck gesehen.

    Sie wandte sich ab.

    Michael Zamis blickte ihr nach, während sie davonging.

    Schließlich goss er die Flüssigkeit aus dem Glaszylinder in den Efeu auf dem Familiengrab und stellte das Gefäß neben der Gießkanne auf der Marmorumfriedung ab. Dann hob er seinen Mantel auf, zog ihn über und entfernte sich ebenfalls.

    Er war kaum drei Minuten lang zwischen den Gräbern entlanggeschritten, als ihm der Stoffhaufen ins Auge fiel, der mitten auf dem Weg lag. Er identifizierte ihn als einen dunklen Mantel, der ihm bekannt vorkam. Dann sah er auch die Sonnenbrille daneben liegen.

    Er trat näher. Unter dem Mantel bewegte sich etwas.

    Michael Zamis beugte sich vor und hob vorsichtig den Mantel an.

    Die beiden Friedhofsratten ließen sich nicht stören. Dort lag, verheddert in das blutgetränkte Kleidernest, ein Säugling. Sie fraßen ihm gerade das Gesicht weg. Und während sie fraßen, schrumpfte ihre Beute noch immer.

    Michael Zamis klangen die Worte der Amme im Ohr. Der Kerl kommt nicht davon. Er hat die Handtasche berührt. Tatsächlich. Bald würde er nur noch ein Fötus sein. Und dann ein Embryo. Und dann …

    Michael Zamis riet den Ratten stumm, sich mit dem Fressen zu beeilen.

    2.

    Wien, Villa Zamis

    Michael Zamis konnte die Nervosität nicht unterdrücken. Er wusste, wer soeben das Familienanwesen betreten hatte. Sobald die Besucherin zu ihm ins Raucherzimmer geführt würde, wollte er sich aus dem Sessel heraus zu seiner imposanten Größe erheben und sie mit patriarchalischer Strenge begrüßen. Doch stattdessen federte er immer wieder unruhig aus dem Lehnstuhl empor und durchmaß mit hastigen Schritten den Raum. Endlich schaffte er es, sitzen zu bleiben, indem er sich eine Zigarre anzündete und das Whiskyglas, das er in der Hand hielt, auf einen Zug leerte und sofort nachfüllte.

    Im selben Moment ertönte das Klopfen an der Tür.

    »Her…«

    Doch die Besucherin wartete die Aufforderung nicht ab. Sie stieß die Tür auf und trat über die Schwelle.

    »Coco!«, sagte Michael Zamis nur. Ein Blick ins Gesicht seiner Tochter genügte, und sein Drehbuch für diese Begegnung war vergessen. »Ich …«

    »Wo ist mein Kind?«, fiel Coco ihrem Vater ins Wort. Das Lodern der Wut in ihren Augen strafte den eisigen Klang ihrer Stimme Lügen.

    Michaels Augen wurden schmal. »So nicht, Tochter!«, sagte er hart. »Setz dich. Aber schenk dir vorher einen Drink ein. Vielleicht entspannt dich das. Und dann … hör mir zu!«

    Etliche Sekunden lang kämpften Vater und Tochter mit Blicken. Schließlich wandte Coco sich abrupt ab und trat vor den niedrigen Wandtisch, auf dem Gläser und eine Auswahl teurer hochprozentiger Getränke standen. Sie griff wahllos zu. Erst als sie sich eingeschenkt hatte und die Flasche zurückstellte, las sie beiläufig das Etikett. Beluga Vodka. Helmut von Bergens ›flüssiger Diamant‹, den sie in Moskau gekostet hatte. Unbewusst hatte sie wohl doch eine Wahl getroffen.

    »Ich ziehe es vor, zu stehen«, sagte sie.

    Ihr Vater nickte. »Wie du willst.« Er führte die Zigarre zum Mund. Doch sie war erloschen, und er ließ sie in den Ascher fallen. Stattdessen nahm er einen tiefen Schluck aus seinem Glas.

    »Asmodi hat Wort gehalten und mir das Kind gegeben«, bestätigte Michael Zamis dann. »Aber er hat es mir ausgehändigt wie eine in Alkohol konservierte Abnormität aus einem Monstrositäten-Kabinett. Es schwamm mit loser Nabelschnur in irgendeiner sprudelnden Flüssigkeit in einem stinknormalen Glas. Darin wäre das Kind nicht lange am Leben geblieben. Was hättest du getan, Coco, wenn ich es dir so übergegeben hätte?«

    Cocos Finger krampften sich um das Wodkaglas. Die Knöchel traten weiß hervor. Bevor das Glas zerspringen konnte, nahm sie einen tiefen Schluck.

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1