Das Glück, Eltern zu haben: Sophienlust 225 – Familienroman
Von Anne Alexander
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Über dieses E-Book
Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.
Über dem Kinderheim Sophienlust lastete die brütende Hitze eines Sommertages. Es war früher Nachmittag. Die Kinder hatten sich in den Schatten der Parkbäume geflüchtet und dösten vor sich hin. Keines von ihnen hatte rechte Lust zum Spielen. Es war viel zu heiß dazu.
Neben Fabian Schöller lag die schwarze Dogge Anglos. Sie hatte alle viere von sich gestreckt, und aus ihrer Schnauze hing schwer die rote Zunge herab.
»Es ist langweilig«, meinte Fabian gähnend.
»Du sagst es!«, bestätigte Horst Reiher, ein zehnjähriger Junge aus Maibach, der seine Ferien in Sophienlust verbrachte, weil seine Eltern auf einer Geschäftsreise waren, zu der sie ihn nicht hatten mitnehmen können.
»Wir könnten zum Ferienlager laufen«, schlug die zehnjährige Vicky Langenbach vor. Wie Fabian Schöller gehörte sie mit ihrer Schwester Angelika, zu den Dauerkindern von Sophienlust. Michael, der große Bruder der beiden, studierte zusammen mit Sascha von Schoenecker in Heidelberg.
»O ja!«, rief die kleine Heidi Holsten. Sie sprang von ihrem Platz unter einer alten Linde auf. »Der Herr Gebhardt ist immer so nett.«
»Aber erst müssen wir Tante Ma oder Schwester Regine fragen«, sagte die vernünftige Angelika.
»Ich geh fragen!« Heidi rannte durch den Park zum Haus. Auf einmal schien es nicht mehr heiß zu sein. Sie sprang die Stufen der Freitreppe empor. »Tante Ma!«, schrie sie. »Tante Ma!«
»Was ist denn passiert, Heidi?« Schwester Regine kam aus dem Büro der Heimleiterin, die von den Kindern liebevoll Tante Ma genannt wurde.
Schwester Regine war eine hübsche junge Frau mit blonden Haaren und blauen Augen. Seit sie ihren Mann und ihr zweijähriges Töchterchen Elke
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Buchvorschau
Das Glück, Eltern zu haben - Anne Alexander
Sophienlust –225–
Das Glück, Eltern zu haben
… ist für Sabrina nicht selbstverständlich
Roman von Anne Alexander
Über dem Kinderheim Sophienlust lastete die brütende Hitze eines Sommertages. Es war früher Nachmittag. Die Kinder hatten sich in den Schatten der Parkbäume geflüchtet und dösten vor sich hin. Keines von ihnen hatte rechte Lust zum Spielen. Es war viel zu heiß dazu.
Neben Fabian Schöller lag die schwarze Dogge Anglos. Sie hatte alle viere von sich gestreckt, und aus ihrer Schnauze hing schwer die rote Zunge herab.
»Es ist langweilig«, meinte Fabian gähnend.
»Du sagst es!«, bestätigte Horst Reiher, ein zehnjähriger Junge aus Maibach, der seine Ferien in Sophienlust verbrachte, weil seine Eltern auf einer Geschäftsreise waren, zu der sie ihn nicht hatten mitnehmen können.
»Wir könnten zum Ferienlager laufen«, schlug die zehnjährige Vicky Langenbach vor. Wie Fabian Schöller gehörte sie mit ihrer Schwester Angelika, zu den Dauerkindern von Sophienlust. Michael, der große Bruder der beiden, studierte zusammen mit Sascha von Schoenecker in Heidelberg.
»O ja!«, rief die kleine Heidi Holsten. Sie sprang von ihrem Platz unter einer alten Linde auf. »Der Herr Gebhardt ist immer so nett.«
»Aber erst müssen wir Tante Ma oder Schwester Regine fragen«, sagte die vernünftige Angelika.
»Ich geh fragen!« Heidi rannte durch den Park zum Haus. Auf einmal schien es nicht mehr heiß zu sein. Sie sprang die Stufen der Freitreppe empor. »Tante Ma!«, schrie sie. »Tante Ma!«
»Was ist denn passiert, Heidi?« Schwester Regine kam aus dem Büro der Heimleiterin, die von den Kindern liebevoll Tante Ma genannt wurde.
Schwester Regine war eine hübsche junge Frau mit blonden Haaren und blauen Augen. Seit sie ihren Mann und ihr zweijähriges Töchterchen Elke verloren hatte, waren die Kinder von Sophienlust ihre Familie.
»Du schreist ja das ganze Haus zusammen, Heidi«, meinte sie.
»Schwester Regine, dürfen wir zum Ferienlager laufen?«, fragte Heidi und schmiegte sich an die Kinderschwester.
»Wer denn alles?« Schwester Regine fuhr der kleinen Heidi, dem jüngsten Dauerkind von Sophienlust, zärtlich über die hellblonden Haare. Obwohl Heidi erst fünf Jahre alt war, hatte sie schon sehr viel Schweres mitmachen müssen.
»Fabian, Horst, Angelika …«, begann Heidi aufzuzählen. »Bitte, Schwester Regine, wir würden so gern ins Ferienlager gehen.« Sie schlug die Hände zusammen.
»Ich habe nichts dagegen, Heidi«, sagte Schwester Regine, »aber kommt nicht zu spät nach Hause.«
»Nein, wir werden pünktlich sein«, versprach das Kind. Es stellte sich auf die Zehenspitzen und streckte die Arme nach Schwester Regine aus.
Die junge Frau beugte sich hinab und bekam einen schmatzenden Kuss. Danach rannte Heidi aus der kühlen Halle des ehemaligen Herrenhauses wieder in den grellen Sonnenschein hinaus. Ihre Rattenschwänzchen wippten nur so.
Es waren etwa zehn Kinder, die fünf Minuten später auf dem Weg zu dem Ferienlager waren, das auf einer Wiese aufgeschlagen worden war. Diese Wiese gehörte zum Besitz von Gut Schoeneich. Alexander von Schoenecker hatte sie für das Ferienlager zur Verfügung gestellt.
Die Kinder mochten etwa zwanzig Minuten durch die Felder gelaufen sein, als hinter ihnen eine Fahrradklingel schrillte. Sie drehten sich um. »Henrik!«, rief Fabian.
»Hallo, da bin ich!«, schrie Henrik. Er bremste ab und sprang vom Fahrrad. »Ich bin mit meiner Mutti nach Sophienlust gefahren. Schwester Regine sagte mir, dass ihr zum Ferienlager wollt. Da dachte ich, ich muss mit. Also habe ich mir das nächste Fahrrad geschnappt und bin euch nachgeradelt.«
»Fein«, sagte Heidi. Sie griff zum Lenkrad. »Darf ich fahren, Henrik?« Treuherzig blickte sie zu dem neunjährigen Henrik, dem jüngsten Sohn von Denise und Alexander von Schoenecker, empor.
»Natürlich darfst du fahren, Heidi«, sagte Henrik großzügig, »aber ich werde neben dir herlaufen. Das Fahrrad ist noch etwas zu groß für dich.«
»Hm«, machte Heidi und versuchte aufzusteigen. Es gelang ihr aber nicht.
Schnell setzte Angelika die Kleine in den Sattel. »Pass aber auf, dass Heidi nicht herunterfällt«, sagte sie zu Henrik.
»Mach ich!« Henrik lenkte das Fahrrad vorsichtig am Wegrand entlang. »Es ist doch schön, dass es dieses Jahr hier ein Ferienlager gibt«, meinte er zu Fabian, der neben ihm ging.
»Ich spiele so gern mit Sabrina«, sagte Heidi und hielt sich krampfhaft an der Lenkstange fest.
»Ist das die kleine Blonde mit der lustigen Stupsnase?«, erkundigte sich Angelika.
»Ich weiß nicht, ob sie eine Stupsnase hat«, meinte Heidi, »aber sie ist nett.«
Fünfhundert Meter vor ihnen lag die Wiese, auf der das Ferienlager aufgeschlagen worden war. Von den grauweißen Zelten flatterten lustig bunte Fahnen. Die Stimmen der spielenden Kinder schallten weit über die stillen Felder.
Henrik schob das Rad noch die letzten Meter, dann hob Angelika die kleine Heidi aus dem Sattel, und Henrik ließ das Fahrrad ins Gras gleiten. Die Kinder rannten zu den fremden Kindern, von denen sie mit großem Hallo begrüßt wurden.
»Du, Henrik, dein Vater ist auch hier«, sagte ein etwa zwölfjähriger braunhaariger Junge namens Günter. »Sein Pferd steht hinter dem Zelt von Herrn Gebhardt. Es ist wegen Sabrina.« Die Stimme des Buben senkte sich zum Verschwörerton. »Weißt du, eigentlich hätte sie bereits vorgestern abgeholt werden müssen, aber keiner ist gekommen.«
»Vielleicht wollten ihre Eltern, dass sie noch hierbleibt«, vermutete Henrik. »In Sophienlust wird auch oft angerufen, weil die Eltern der Kinder noch keine Zeit haben. Tante Ma ist dann meist damit einverstanden dass die Kinder noch in Sophienlust bleiben.«
»Aber es hat keiner angerufen«, trumpfte Günter auf. »Herr Gebhardt hat doch allen Eltern die Telefonnummer eures Gutes gegeben.«
»Sollen wir lauschen?«, fragte Henrik, wobei seine Augen unternehmungslustig glitzerten.
»Ja, kommt!« Hand in Hand gingen die beiden Jungen zu dem Zelt des Lagerleiters. Mit freudigem Wiehern wurde Henrik vom Rappen seines Vaters begrüßt. Er kramte in einer seiner unergründlichen Hosentaschen nach einem Stück Zucker, fand auch tatsächlich eines, legte es auf die flache Hand und hielt es Mark hin. Die weichen Lippen des Rappen nahmen vorsichtig das Zuckerstückchen von der Kinderhand.
»Irgendetwas an dieser Angelegenheit ist oberfaul«, meinte Roland Gebhardt gerade, ein junger Mann von Mitte zwanzig. Er machte auf Alexander von Schoenecker trotz seines saloppen Aussehens einen sehr sympathischen Eindruck. »Man vergisst nicht einfach, ein Kind im Ferienlager abzuholen.«
»Das kann ich mir auch nicht vorstellen«, sagte Alexander von Schoenecker. Er stand von dem kleinen Hocker auf, auf dem er bis jetzt gesessen hatte. Er war groß und schlank, hatte ein schmales sonnengebräuntes Gesicht, dunkle Augen und braune Haare. Trotz seiner sportlichen Kleidung wirkte er elegant. »Und die Papiere sind in Ordnung?«
»Bis auf die falschen Angaben«, sagte Roland sarkastisch. »Die Papiere wurden korrekt ausgefüllt. Heute Morgen habe ich natürlich gleich versucht, Sabrinas Eltern zu erreichen, aber unter der Telefonnummer, die die Eltern angegeben haben, ist kein Anschluss. Vielleicht hätte ich nicht so lange warten sollen, aber ich dachte, dass ihre Eltern zumindest heute kommen würden.«
»Haben Sie mit der Kleinen bereits gesprochen?«, fragte Alexander
»Nein!« Roland Gebhardt schüttelte den Kopf. »Sabrina ist sechs Jahre alt. Sie weiß zwar, dass sie schon vorgestern hätte abgeholt werden müssen, aber bis jetzt bereitet es ihr keinen Kummer, dass sie noch hier ist. Ich möchte dem Kind nicht das Gefühl geben, zu Hause oder bei uns nicht erwünscht zu sein.«
»Vermutlich hätte ich genauso gehandelt, doch jetzt wird uns nichts anderes übrig bleiben, als Sabrina zu befragen. Und Sie sind auch ganz sicher, dass es in Esslingen keine Heinstraße gibt?«
»Ganz sicher«, sagte Roland Gebhardt. »Nachdem die Telefonnummer nicht stimmte, rief ich zuerst die Auskunft und dann das Einwohnermeldeamt von Esslingen an. Sabrinas Eltern haben falsche Angaben gemacht. Daran ist nicht mehr zu rütteln. Die Frage ist nur, warum.«
»Um sich des Kindes zu entledigen, nehme ich an«, sagte Alexander mit harter Stimme. »Meine Frau und ich werden ständig mit Kindern konfrontiert, die von ihren Eltern aus irgendeinem Grund verstoßen wurden.« Er griff nach den Papieren, die vor ihm auf dem Tisch lagen, und las sie flüchtig durch. »Haben Sie damals mit den Eltern selbst gesprochen?«
»Nein«, sagte Roland Gebhardt. »Das wird alles von Stuttgart aus erledigt. Wie Sie sehen, Herr von Schoenecker, handelt es sich ja auch nur um eine Kopie. Und wie es das Unglück will, ist Frau Schuster, die mit Sabrinas Eltern gesprochen hat, in Urlaub. Ich habe ihre Adresse nicht. Uns bleibt nichts anderes übrig, als die Polizei einzuschalten.«
»Und das Jugendamt!«
»Natürlich auch das Jugendamt. Ich würde Sabrina ja gern hierbehalten, bis die Angelegenheit geklärt ist, aber wir sind bereits überfüllt, und morgen erwarte ich zehn weitere Kinder. Durch eine Panne in der Verwaltung sind auch mehr Kinder angenommen worden, als ursprünglich geplant war.«
»Ich habe nichts dagegen, dass Sie noch weitere Zelte aufstellen.«
»Es handelt sich nicht nur um die Zelte.« Roland Gebhardt lachte. »Wir haben nur drei Betreuerinnen für die Kinder.« Er sah Alexander von Schoenecker bittend an. »Meinen Sie nicht, dass die Möglichkeit besteht, Sabrina in Sophienlust unterzubringen? Sie und Ihre Gattin haben mich letzte Woche durch dieses Kinderheim geführt. Es muss ein wahres Paradies für Kinder sein. Sabrina ist dort sicher besser aufgehoben als in einem anderen Heim.«
»Ich werde mit