Die Toten-Ranch: Wyatt Earp 135 – Western
Von William Mark und Mark William
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Über dieses E-Book
Über Tombstone war ein neuer Morgen aufgegangen.
Der alte Postmaster hatte seine Wohnung im Obergeschoß verlassen und öffnete die Tür zum Büroraum.
Noch waren an beiden Fenstern die dunkelgrünen Rolljalousien heruntergelassen.
Der Alte ging mit schlurfenden Schritten in den Raum, zog die beiden Jalousien hoch und warf einen mürrischen Blick durch das Office.
Gewohnheitsmäßig ging er auf das Gestell zu, in dem die Briefschaften untergebracht wurden, und führte den Zeigefinger der linken Hand über das oberste Fach.
Natürlich war der Finger voller Staub.
Harvey Jefferson schüttelte den Kopf. Auch das tat er jeden Morgen. Dann ging er hinaus in den Flur, schloß die Hoftür auf und blickte über seinen Hof.
Er stand einen kurzen Augenblick da und schob die Hände in die Taschen.
Langsam und schwerfällig stieg er die fünf Treppenstufen hinunter, ging auf das Stallhaus zu, öffnete die Tür und sah nach seinem Braunen, der vierzehn Jahre alt war und den Jefferson stets mit großer Sorgfalt pflegte.
Als er vier Minuten später durch den Flur zurückging und die Türschwelle zum Büroraum passiert hatte, blieb er wie angenagelt stehen.
Links vor der hölzernen Barriere stand ein Mann, der eine graue Zipfelmaske trug. In der rechten Faust hielt er einen Revolver, dessen Mündung genau auf die Brust des alten Postmasters gerichtet war.
Der neunundfünfzigjährige Harvey Jefferson war steif vor Schreck.
Da hörte er unter der Maske hervor die halblaute Stimme des Eindringlings:
»Schließen Sie die Tür hinter sich! Gehen Sie sofort an den Telegrafen!«
Jefferson schloß mit einer mechanische Geste die Tür hinter sich und ging wie im Traum auf den Morseapparat zu, der links
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Die Toten-Ranch - William Mark
Wyatt Earp –135–
Die Toten-Ranch
Roman von William Mark
Über Tombstone war ein neuer Morgen aufgegangen.
Der alte Postmaster hatte seine Wohnung im Obergeschoß verlassen und öffnete die Tür zum Büroraum.
Noch waren an beiden Fenstern die dunkelgrünen Rolljalousien heruntergelassen.
Der Alte ging mit schlurfenden Schritten in den Raum, zog die beiden Jalousien hoch und warf einen mürrischen Blick durch das Office.
Gewohnheitsmäßig ging er auf das Gestell zu, in dem die Briefschaften untergebracht wurden, und führte den Zeigefinger der linken Hand über das oberste Fach.
Natürlich war der Finger voller Staub.
Harvey Jefferson schüttelte den Kopf. Auch das tat er jeden Morgen. Dann ging er hinaus in den Flur, schloß die Hoftür auf und blickte über seinen Hof.
Er stand einen kurzen Augenblick da und schob die Hände in die Taschen.
Langsam und schwerfällig stieg er die fünf Treppenstufen hinunter, ging auf das Stallhaus zu, öffnete die Tür und sah nach seinem Braunen, der vierzehn Jahre alt war und den Jefferson stets mit großer Sorgfalt pflegte.
Als er vier Minuten später durch den Flur zurückging und die Türschwelle zum Büroraum passiert hatte, blieb er wie angenagelt stehen.
Links vor der hölzernen Barriere stand ein Mann, der eine graue Zipfelmaske trug. In der rechten Faust hielt er einen Revolver, dessen Mündung genau auf die Brust des alten Postmasters gerichtet war.
Der neunundfünfzigjährige Harvey Jefferson war steif vor Schreck.
Da hörte er unter der Maske hervor die halblaute Stimme des Eindringlings:
»Schließen Sie die Tür hinter sich! Gehen Sie sofort an den Telegrafen!«
Jefferson schloß mit einer mechanische Geste die Tür hinter sich und ging wie im Traum auf den Morseapparat zu, der links auf seinem Arbeitstisch stand.
»Setzen Sie sich!« befahl der Mann mit der Maske.
Wie eine Marionette ließ sich Jefferson nieder.
Erst jetzt, als er saß, kam ihm deutlich und klar zum Bewußtsein: Ein Galgenmann war ins Postoffice eingedrungen.
Ein Mitglied jener gefährlichen Verbrecherbande, die seit Monaten das ganze Land tyrannisierte.
»Geben Sie sofort die Drahtnachricht durch, die ich Ihnen jetzt diktiere!«
Der Bandit sprach befehlsgewohnt und sicher.
Welch eine Kühnheit, am hellichten Tag hier ins Office einzudringen, das jeden Augenblick von einem Postkunden betreten werden konnte!
So sollte man denken…
Irrtum! Das Office konnte nicht jeden Augenblick von einem Postkunden betreten werden, da es noch eine Viertelstunde vor Öffnungszeit war. Die Tür zur Straße war noch verschlossen.
Also mußte der Eindringling durch eine andere Tür hereingekommen sein. Durch welche? Durch die Hoftür? Während er, Jefferson, im Stall gewesen war? Das wäre eine unerhörte Kühnheit gewesen.
Plötzlich wußte Jefferson, daß der Bandit nicht durch die Hoftür gekommen war. Es gab noch eine Möglichkeit, ins Haus zu gelangen, nämlich durch das Fenster, das zu ebener Erde in die schmale Gasse hinausführte, die zwischen dem Postoffice und dem nächsten Gebäude lag. Der Mann mußte das Fenster hochgeschoben haben, um sich dann hineinzuziehen.
Jetzt stand er jedenfalls hier vor ihm am Schreibtisch und hatte in seiner behandschuhten Rechten einen schweren fünfundvierziger Revolver.
»Ist der Apparat bereit?«
Jefferson nickte mit einer ruckhaften Bewegung.
»Dann gebe ich Ihnen jetzt den Text an.
An Mr. W. Earp in Ruby, Santa Cruz County.«
Der Finger des Postmasters auf der Morsetaste hielt plötzlich inne. Welchen Namen hatte der Galgenmann da eben genannt?
Wyatt Earp!
Wie ein Feuerstrahl durchzuckte den alten Mann der Gedanke, daß er hier eine falsche Nachricht an den Marshal durchgeben sollte!
Da herrschte ihn der Bandit an:
»Los, machen Sie weiter! Also, an Wyatt Earp, Ruby, Santa Cruz County. Hier und in Gleason sind Clanmänner aufgetaucht. Erwarte Sie dringend. – Und darunter setzen Sie den Namen: Luke.«
Vor diesem Namen verharrte der Postmaster wieder, wagte aber nicht aufzublicken.
»Luke!« brüllte der Eindringling.
Jefferson setzte nun schweren Herzens den Namen unter die Depesche.
Es gab nur einen Mann in Tombstone, der den Vornamen Luke trug: der Sheriff von Tombstone, Luke Short!
Als die Depesche durch den Draht geschickt worden war, kam der Galgenmann um die Barriere herum und setzte sich zwischen die Holzverkleidungen, hinter denen die Postsäcke zur Verteilung aufgestellt wurden.
»Öffnen Sie die Tür!« befahl er.
Jefferson erhob sich schwerfällig, zog die Holzbarriere hoch und durchquerte den Büroraum.
Als er die Tür aufschloß, hatte er die Hoffnung, daß draußen schon irgend jemand stehen würde, der nun hereinkäme, aber diese Hoffnung erfüllte sich nicht.
Da hörte er hinter sich wieder die Stimme des Banditen: »Lassen Sie es sich bloß nicht einfallen, die Tür aufzumachen! Kommen Sie sofort hierher, setzen Sie sich auf Ihren Platz.«
Jefferson kam dieser Aufforderung knurrend nach und ließ sich wieder hinter seinem Schreibtisch nieder.
Oh, wie er den Tag verfluchte, an dem er diesen Job hier angenommen hatte! Vier Postmaster hatte Tombstone schon gesehen. Drei von ihnen lagen unter verwitterten Grabsteinen oben auf dem Boot Hill. Der vierte war geflüchtet. Einer von ihnen war ein Bandit gewesen.
Früher hatten hier immer zwei, manchmal sogar drei Männer gearbeitet. Aber der Bürgerrat war übereingekommen, nur noch einen einzigen Mann im Office zu beschäftigen, einen Mann, zu dem man Vertrauen hatte und auf den man sich verlassen konnte. Denn es hatte sich gezeigt, daß es nicht gut war, wenn mehrere Leute im Office Dienst taten. Gerade hier, im Nervenzentrum der Stadt, wo alle Nachrichten aus und ein liefen, wo die Post ankam und abging, wo der Telegraf stand – gerade hier konnte jeder nicht ganz verläßliche Mann eine Gefahr sein.
Die Tatsache, daß der Alte jetzt allein arbeiten mußte, war nicht eben erfreulich für ihn, aber sie war mit einer Aufbesserung seines Lohnes verbunden worden.
Jefferson blickte müde vor sich hin.
Immer noch vermochte er nicht klar zu denken.
Wenn jetzt vorn die Tür geöffnet wurde und ein Kunde hereintrat, dann könnte der den Mann mit der Maske nicht sehen, der Desperado hatte sich nämlich so verschanzt, daß er zwar durch einen Briefschlitz den Officeraum beobachten, selbst aber nicht gesehen werden konnte.
»Bleiben Sie völlig ruhig, Jefferson, dann passiert Ihnen auch nichts. Wenn Sie aber die geringste verdächtige Bewegung machen oder gar versuchen, mit jemandem über die Sache zu sprechen, schieße ich Sie nieder.«
Jefferson war fest davon überzeugt, daß der Desperado seine Drohung wahrmachen würde. Nur etwa vier Yard saß er von ihm entfernt und belauerte ihn.
Ein scheußliches Gefühl!
In diesem Augenblick waren draußen auf dem Vorbau Schritte zu hören.
Die zischende Stimme des Banditen drang an Jeffersons Ohr:
»Lassen Sie es sich ja nicht einfallen, irgendeine verräterische Geste zu machen! Verhalten Sie sich wie sonst auch. Und denken Sie an den Revolver!«
Da wurde die Officetür geöffnet, und eine alte Frau trat ein, deren strähniges Haar zu beiden Seiten ihres ausgemergelten Gesichts herunterhing. Mit humpelndem Schritt kam sie auf die Barriere zu, lehnte sich darüber und krächzte:
»Morning, Mr. Jefferson. Ich wollte nur nachfragen, ob etwas mit der Nachtpost gekommen ist?«
Der Alte schüttelte den Kopf.
»Nein, nichts.«
»Wann kommt die nächste Overland?«
»Erst gegen neun Uhr, Mrs. Hamilton.«
Die Alte nickte, grinste dümmlich, wandte sich um und verließ den Büroraum.
Die Tür war noch nicht ganz geschlossen, als sie wieder aufgestoßen wurde. Ein Junge trat ein und legte eine Gazette auf die Barriere.
»Morning, Mr. Jefferson«, rief er und verschwand gleich wieder.
Der Alte blickte auf die Zeitung, traute sich aber nicht, sie an sich zu nehmen.
Da rollte draußen ein leichter Buggy vor. Ein Mann sprang vom Kutschbock, stieg die fünf Stufen zum Vorbau hinauf und öffnete die Tür.
Es war ein junger Mensch von vielleicht achtundzwanzig Jahren, mittelgroß, schlank und ordentlich gekleidet. Er tippte an den Hutrand und legte dann einen Brief auf die Barriere.
»An meinen Bruder in Flagstaff. Ich nehme an, daß er ihn noch in dieser Woche bekommt?«
Jefferson nickte. »Natürlich, Mr. Horney, wir haben ja heute erst Montag. Da bekommt er ihn sicher noch in dieser Woche. Flagstaff ist ja schließlich nicht weit.«
Gern hätte der Alte noch hinzugefügt: Ich kann Ihnen aber leider nicht versprechen, ob der Brief seinen Adressaten tatsächlich erreicht, denn hier hinter mir im Holzverschlag sitzt ein Verbrecher, der einen Revolver auf mich gerichtet hat. Ich weiß nicht, was dieser Mann im Schilde führt.
Harvey Jefferson sagte nichts von alledem, blickte nur mürrisch vor sich hin.
Der Bursche von der Horney Ranch tippte wieder grüßend an den Hutrand und verließ das Postoffice.
Der Brief und die Zeitung blieben auf der Barriere liegen.
Da hörte Jefferson hinter sich die zischelnde Stimme des Galgenmannes: »Nehmen Sie die Sachen da von der Barriere herunter! Sie würden sie sonst ja auch kaum da liegen lassen.«
Mit einer raschen, ruckhaften Bewegung griff der Postmaster nach der Gazette und dem Brief und legte beides neben sich auf den Tisch.
Wieder war die Stimme des Galgenmannes hinter ihm:
»Lassen Sie es sich ja nicht einfallen, heute besonders schweigsam zu bleiben!«
Mit verzweifelter Miene hockte Jefferson hinter seinem Schreibtisch. Im Rücken spürte er die Augen des Banditen. Wie lange wollte dieser Mensch da hinter ihm sitzen bleiben?
Jefferson wußte, daß der Outlaw zumindest solange hierbleiben würde, bis er sicher sein konnte, daß