Die Küche meiner Tante Mélanie: Französische Hausmannskost von anno dazumal
Von Manuel Gasser und Heinz Edelmann
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Über dieses E-Book
Gasser verbindet vergnügliches Erzählen mit zahlreichen authentischen Rezepten. Als Garnitur begleiten sie nicht Gurkenfächer, Petersilie und Tomatenecken, sondern kongeniale Illustrationen von Heinz Edelmann.
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Buchvorschau
Die Küche meiner Tante Mélanie - Manuel Gasser
Über dieses Buch
Mit »Die Küche meiner Tante Mélanie« setzt Manuel Gasser nicht nur seiner Tante, sondern vor allem der traditionellen bürgerlichen Küche Frankreichs ein nostalgisches Denkmal. Die wohl etwas strenge Tante, deren Nase »so spitz wie ihr Witz« war, hatte die Liebe vom Osten Frankreichs in ein Dorf in der Nähe Berns verschlagen. Bei ihr lernte er als Kind die mal opulente, mal schlichte, doch immer aufs Detail bedachte Küche Frankreichs kennen und lieben.
Gasser verbindet vergnügliches Erzählen mit zahlreichen authentischen Rezepten. Als Garnitur begleiten sie nicht Gurkenfächer, Petersilie und Tomatenecken, sondern kongeniale Illustrationen von Heinz Edelmann.
Der Autor
Manuel Gasser wurde 1909 in Luzern geboren. 1930 ging der Journalist als Frankreich-Korrespondent für das Feuilleton der Neuen Zürcher Zeitung nach Paris. Im November 1933 erschien die erste Nummer der von ihm gemeinsam mit Karl von Schumacher begründeten Weltwoche. Von 1933 bis 1957, unterbrochen von Korrespondententätigkeiten in Berlin und London, war Gasser deren Feuilletonredakteur. 1958 wurde er Chefredakteur der Kulturzeitschrift du und blieb dort bis 1974. Manuel Gasser starb 1979 in Zürich.
Der Illustrator
Heinz Edelmann (1934–2009) hat als Illustrator und Grafikdesigner die internationale Grafik der 1960er und 1970er Jahre stark beeinflusst. Zusammen mit Willy Fleckhaus prägte er mehr als zehn Jahre lang das Gesicht des Jugendmagazins twen. Für den Verlag Klett-Cotta entwarf er zahlreiche Buchumschläge (etwa die Erstausgabe von Der Herr der Ringe), im Gertraud Middelhauve Verlag erschienen mehrere von ihm gestaltete Bilderbücher (so Meta Morfoss nach einer Geschichte von Peter Hacks). 1967/68 war Heinz Edelmann Artdirector des Beatles-Film Yellow Submarine.
Manuel Gasser
Die Küche meiner Tante Mélanie
Französische Hausmannskost von anno dazumal
Mit Illustrationen von Heinz Edelmann
Edition diá
Inhalt
Meine Tante Mélanie
Kalte und warme Hors-d’œuvre
Am Samstag gab es Pot-au-feu
Sechs Suppen – »mager« und klassisch
Von Fischen und Krebsen
Tante Mélanies Entrées – klein, aber fein
Geschmortes und Gebratenes vom Ochsen
Das interessant gemachte Kalb
Die zarte Seite der Kalbsanatomie
Das Schwein im Sahnebad
Lamm und Hammel, früh geliebt
Das sehr geschätzte Huhn
Wenn der »Herr Hauptmann« ein Kaninchen schoss …
Das Ragout und seine Vettern
Die Hohe Schule der Köchin: Terrinen und Pasteten
Wo sind die Saucen von damals?
Über den Umgang mit Gewürzen
Die Tante und das Ei
»Professor Reis«
Zwei Tanten am Nudelbrett
Deliziöses aus Käse
Die Kinder des Apothekers Parmentier
Die Zarten aus dem Garten
Die zu Unrecht verachteten Dörrgemüse
Veilchen im Salat
Das unvermeidliche Süße
Abschied mit Kuchen und Torten
Rezeptregister
Bibliografie
Impressum
Für Mélanie Cartier-Bresson
Inhalt
Meine Tante Mélanie
Meine Tante Mélanie stammte aus Bourg-en-Bresse im französischen Departement Ain. Onkel Alphons hatte sie während seines Pariser Jahres, das er als junger Ingenieur absolvierte, kennengelernt und heimgeführt. Das Paar ließ sich in L, einem kleinen Dorf des Bernischen Mittellandes, nieder; Onkel Alphons betrieb dort eine Schraubenfabrik.
Onkel und Tante bewohnten ein weitläufiges Haus aus der Biedermeierzeit. Vor der Südfront des Hauses lag ein großer Garten, in dessen Mitte ein Springbrunnen plätscherte. Der Garten war den Blumen und den Küchenkräutern vorbehalten; das Gemüse zog man auf dem sogenannten Pflanzblätz, der am Rand einer Wiese unweit des Hauses angelegt war.
Tante Mélanie hatte sich nie ganz in ihre alemannische Umgebung eingewöhnt. Zwar sprach sie ein ziemlich korrektes Deutsch, doch vermischte sie dieses dauernd mit französischen Brocken. Zu ihrer angeheirateten Verwandtschaft hielt sie immer eine gewisse Distanz; diese wiederum fand, Mélanie sei hochfahrend und herrschsüchtig. Niemand jedoch machte ihr den Titel der besten Köchin in der ganzen Sippe streitig.
Dabei entsprach Mélanies Äußeres keineswegs dem, was man sich unter einer Musterköchin vorstellt. Sie war weder rundlich noch von sanguinischer Wesensart, sondern im Gegenteil lang und mager wie eine Bohnenstange, und ihre Nase war so spitz wie ihr Witz. Ihre Urteile waren apodiktisch, und besonders in Küchendingen duldete sie keinen Widerspruch.
Eines ihrer Axiome lautete: »Sans jus de viande, il n’est pas de bonne cuisine!« Was besagen wollte: Es gibt keine gute Küche ohne selbst gemachten Fleischextrakt. Um die Vorteile des Jus de viande zu unterstreichen, fügte sie hinzu: Einige Leute kochen mit Wasser, andere mit Fleischbrühe. Natürlich ist Fleischbrühe besser als Wasser, das einzig Richtige aber ist Jus de viande; denn zwischen diesem und Fleischbrühe ist der Unterschied ebenso groß wie zwischen der Letzteren und Wasser.
Sie verwendete Jus de viande fast täglich und für die verschiedensten Gerichte: für Braten, Ragouts und Gemüse, für Aspik und vor allem für braune Saucen, in deren Herstellung sie exzellierte und von denen noch die Rede sein wird. Hier ihr Rezept für
Jus de viande · Fleischextrakt
2 kg Rindfleisch in grobe Würfel geschnitten, 1 kg Kalbshaxe, zwei zerhackte Suppenhühner, eine Karotte, acht ganze Zwiebeln, einige Zehen Knoblauch, drei Gewürznelken, ein Lorbeerblatt, ein Bouquet garni (Petersilie und Thymian), Salz und frisch zerstoßene weiße Pfefferkörner werden in einem Topf mit 3 1/2 l kaltem Wasser während acht Stunden gekocht, während man von Zeit zu Zeit das Fett abschöpft. Man nimmt den Topf vom Feuer und lässt ihn erkalten. Anderntags setzt man den Jus wieder auf und fügt ihm das Weiße von acht Eiern samt den dazugehörigen Schalen sowie den Saft einer Zitrone bei; diese Prozedur dient zur Klärung des Jus. Man rührt mit einem Schneebesen gut durch, gießt 1 Glas kaltes Wasser dazu, lässt noch einmal aufkochen und gießt die Flüssigkeit noch heiß durch ein Haarsieb. Was im Sieb zurückbleibt, wird in den Topf zurückgetan und wieder mit 3 1/2 l Wasser begossen, das aber in diesem Fall heiß sein muss. Die Prozedur wiederholt sich, sodass man ein zweites Quantum Jus erhält, der allerdings weniger gehaltvoll als der erste und auch etwas trübe ist, sich aber für die Herstellung von Saucen vorzüglich eignet.
[Anmerkung: Jus de viande ist nicht zu verwechseln mit Liebigs Fleischextrakt oder ähnlichen Produkten. Solcher Fleischextrakt ist eine hoch konzentrierte, industriell aus der Brühe von reinem Rindfleisch gewonnene Paste, die in sehr viel kleineren Mengen und verdünnt verwendet wird – durchaus zu ähnlichen Zwecken wie Tante Mélanies Jus de viande.]
Tante Mélanie hasste es, wenn ihre Schwägerinnen oder Nichten in die Küche eindrangen und ihr beim Kochen zusahen. Nur mit mir machte sie eine Ausnahme, und als ich ungefähr zehn Jahre alt war, wurden mir sogar kleine Handreichungen wie Zwiebelschneiden und Gemüsehacken übertragen; als ich mich dabei nicht ungeschickt anstellte, durfte ich mich auch an Schwierigeres wagen wie etwa die Zurichtung von Lardons, jener Spickspeckriemchen, die stets auf Vorrat gemacht wurden, weil sie einige Tage an der Luft oder im Rauch hängen mussten, bevor sie die Tante mit einer ihrer vielen verschieden dicken Spicknadeln einem Hasenrücken oder einem Rindsbraten einverleibte.
Weniger Geschick verlangte eine andere Hilfeleistung, zu der ich immer dann zugezogen wurde, wenn sie eine Liaison au beurre manié vornahm, das heißt eine Sauce mit Mehlbutter binden wollte.
Beurre manié · Mehlbutter
Man nimmt 20 g Mehl und 25 g frische Butter und vermengt beides mithilfe einer Gabel in einem Suppenteller oder am Rand einer Schüssel zu einer gleichmäßigen Paste. Diese wird in gleichmäßige, längliche Klößchen geformt, die nicht größer als Bohnenkerne sein sollten, damit sie sich in der Sauce gleichmäßig auflösen. Die Mehl-Butter-Bohnen werden aufs Mal in die kochende Sauce gegeben, worauf man die Pfanne vom Feuer zieht und einige Male kräftig rüttelt und schüttelt. Die Sauce darf nach Beigabe der Mehlbutter nicht mehr kochen, sondern nur noch ganz leise simmern, da sie sonst einen unangenehmen Mehlgeschmack erhält.
Etwas später durfte ich dann selber an den Herd, wenn es galt, mit Mehl und Butter einen Roux, eine Mehlschwitze zu rösten.
Tante Mélanie machte den Roux immer auf Vorrat, weil sie der Ansicht war, dass dieses Bindemittel in den winzigen Quantitäten, die eine Sauce erfordert, gar nicht hergestellt werden könne. In ihrer Küche gab es darum drei hermetisch verschlossene Blechbüchsen, in denen die drei klassischen Varianten