Georgien: Eine kulinarische Liebeserklärung, Anekdoten & Rezepte
Von Anna Saldadze und David Gigauri
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Über dieses E-Book
Es enthält zahlreiche traditionelle georgische Rezepte, etwa für die beliebte Käsepizza Chatschapuri, die Pflaumensauce Tkemali oder Saziwi (Huhn in kalter Walnusssauce). In den oft literarischen Texten geht es aber um die Liebe zur georgischen Küche, um Erinnerungen an Genüsse aus Kindheitstagen (etwa den spektakulären "Gogli-Mogli") und um den besonderen Zauber einer georgischen Supra – der traditionellen Festtafel.
Die Philologin Maia Panjikidze, ehemalige Außenministerin Georgiens, hat diese Liebeserklärung an die georgische Küche ins Deutsche übersetzt.
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Buchvorschau
Georgien - Anna Saldadze
Jedes Rezept ist eine Signatur
Keti Bakradze
Inhaberin und Chefköchin von „The Dining Room"
Tiflis, Georgien
George Balanchine, Prinz Bagration, Salome Andronikowa … jeder Georgier hat diese Namen ganz bestimmt schon einmal gehört, ihre Leistungen bewundert und Stolz empfunden, weil sie aus seinem Land stammen. Shooting-Stars, die hoch über dem Regenbogen funkeln. Ich habe mich oft gefragt, was waren sie für Menschen, was haben sie begehrt? Wovor hatten sie Angst? Als ich ihre Rezepte entdeckte, war das für mich eine einzigartige Möglichkeit, in ihre Persönlichkeiten hineinzublicken, weil das Kochen letztendlich ein sehr individuelles und persönliches Unterfangen ist. Es sagt vieles über einen selbst und über sein eigenes Verhältnis zu anderen Menschen aus, über seinen Geschmack, aber auch über seine Vorlieben für die Dinge, die einen umgeben. Wie die Körpersprache so ist auch die Art des Kochens einzigartig. Es ist die persönliche Signatur eines Menschen.
Es war für mich ein großes Privileg und eine Freude, an ihren Rezepten zu arbeiten. Auch wenn Sie nicht wissen, dass Tamara Toumanova eine der größten Ballerinas ihrer Zeit war, wenn Sie ihre Rezepte lesen, spüren Sie, was für eine rigorose und anspruchsvolle Persönlichkeit sich dahinter verbirgt, für welche die physische Darstellung, das Wohlbefinden und die Effizienz über alles gehen. Bei Balanchine dreht sich alles um Generosität, Leidenschaft und Freundschaft. Ob er während der Proben für sich oder für sein Corps de Ballet auf die Schnelle eine Suppe zubereitete oder Paska oder Kulitschi zu Ostern backte, er wollte Menschen immer um ein gemeinsames Ziel zusammenbringen. Wie ein pointillistischer Maler platzierte er Flecken verschiedener Farben – einen neben dem anderen –, um ein Gemälde zu erschaffen; Balanchine mischt seine georgischen Einflüsse mit allen Erfahrungen, die er während seiner Abenteuer in Russland, Frankreich, Monaco oder den Vereinigten Staaten gesammelt hat.
Es war sehr berührend, an der Seite dieser Perfektionisten George Papashvily zu erleben, wie er über sehr traditionelle georgische Gerichte schrieb, die er direkt von seiner Familie überliefert bekommen hatte und für die er lokale Variationen suchte. Alsdann habe ich begriffen, was es für ihn bedeuten sollte, in der Emigration, tausende von Kilometern entfernt von seiner Heimat, exakt die Rezepte zu kochen, die seine Verwandten in ihrem kleinen Dorf täglich essen. Es ist weit mehr als ein einfacher Akt des Kochens – es ist ein Akt des Nichtvergessens.
Als professionelle Köchin habe ich versucht, diese Intentionen zu interpretieren und sie visuell zu gestalten – allerdings mit einer Ausnahme: Hummer à la Bagration von Antonin Carême. Von Beginn der Kreation an war er als mehr als nur ein Gericht geplant, sondern vielmehr als die hohe Kunst der Kulinarik. Deshalb habe ich mir erlaubt, dieses Rezept so zu belassen, wie es war – als Darstellung, als Teil der Phantasie, als Legende oder Märchen dessen, was tief in der georgischen Seele verflochten ist …
„Ehe Sie nicht Georgien gesehen haben, haben Sie nichts gesehen …"
John Steinbeck
A Russian Journal, 1948
(Russische Reise, 2010)
Um all diese kulinarischen Erfahrungen von Georgiern im Ausland in einen Kontext zu setzen, lohnt es sich, einen Blick auf das Gegenteil zu werfen – auf die gastronomischen Erlebnisse von Ausländern in Georgien. Ein gutes Beispiel hierfür ist ein Bericht des Nobelpreisträgers und Gewinners des Pulitzer-Preises John Steinbeck und des Pioniers des Fotojournalismus Robert Capa, die 1947 Georgien besuchten. Ihre Eindrücke sind im Buch „Russische Reise" festgehalten.
„Wo wir auch in Russland waren, in Moskau, in der Ukraine, in Stalingrad, stets fiel der magische Name Georgien. Menschen, die niemals dort gewesen waren und die wahrscheinlich niemals würden dorthin gehen können, sprachen von Georgien mit einer Art Sehnsucht und mit großer Bewunderung. In ihren Erzählungen waren die Georgier Übermenschen, große Trinker, große Tänzer, große Musiker, große Arbeiter und Liebhaber. Und sie sprachen von dem im Kaukasus und am Schwarzen Meer gelegenen Land als einer Art zweitem Himmel. Wir begannen tatsächlich zu glauben, daß die meisten Russen hoffen, wenn sie ein sehr anständiges und tugendhaftes Leben führen, kommen sie nach ihrem Tod nicht in den Himmel, sondern nach Georgien."
Ihre Reise von Westgeorgien nach Tiflis wurde von ständigen Einladungen zum Essen begleitet. In echter georgischer Art und Weise waren alle Einladungen allumfassende Angelegenheiten, mit traditionellen Trinksprüchen, Tanzen und natürlich mit dem Wein. Nein zu sagen ist in Georgien keine Option, egal ob Sie von einem offiziellen Gastgeber oder einem Fremden begrüßt werden, wie die amerikanischen Gäste herausgefunden haben: „(es) holte uns der Leiter der Plantage ein … Er bat uns, bei ihm auf einen Happen vorbeizukommen. Herr, steh uns bei!