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Das Sühnehotel: Horrorthriller
Das Sühnehotel: Horrorthriller
Das Sühnehotel: Horrorthriller
eBook377 Seiten4 Stunden

Das Sühnehotel: Horrorthriller

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Über dieses E-Book

Ulla und Erich Schneider erleben den Albtraum ihres Lebens. Ein pädophil veranlagter Mann namens Theodor Münch schnappt sich ihre neunjährige Tochter Melanie, misshandelt und missbraucht sie und ersticht sie anschließend auf bestialische Art und Weise mit zwanzig Messerstichen.

Max. der einzige Freund der geschundenen Familie, schwört bittere Rache, denn er liebte das Mädchen sehr. Es geschieht Seltsames: Melanie erscheint ihrer Mutter als Geist. Aber sie erzählt es ihrem Mann Erich nicht. Max, der Freund, sieht Melanie dann und wann auch ganz deutlich vor sich, aber auch er erzählt seinen Freunden nichts davon. Ulla und Max haben Angst, von Erich ausgelacht zu werden, denn ihm erscheint sie nicht. Lieber schweigen sie.

Münch wird nach zwölf Jahren aus dem Gefängnis entlassen. Er hat seine Schuld endlich abgesessen. Die Psychologen und Psychiater bestätigten, dass von ihm keine weitere Gefahr ausgehen würde. Der Schwerverbrecher hat jedoch die Rechnung ohne den Wirt gemacht: Max, der in früheren Jahren aktiv boxte, setzt seine Drohungen in die Tat um. Zusammen mit Erich, seinem Blutsbruder, überwältigt er Münch am Tag seiner Entlassung. Sie bringen ihn ins...

...Sühnehotel.
SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum15. Dez. 2016
ISBN9783730981719
Das Sühnehotel: Horrorthriller

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    Buchvorschau

    Das Sühnehotel - Alfred J. Schindler

    Alfred J. Schindler

    Das Sühnehotel

    Horrorthriller

    von

    Alfred J. Schindler

    Wichtiger Hinweis:

    Dieser Horrorthriller ist frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder Orten sind rein zufällig. Ebenso verhält es sich mit Vor- und Zunamen. Sie sind frei erfunden. Gewisse Absätze zur Aufklärung über die Pädophilie sind dem Internet entnommen und in abgewandelter Form wiedergegeben. ( Quelle )

    VORWORT

    Die Nachricht der Kriminalpolizei kam damals, vor knapp zwölf Jahren, wie eine riesige, furchtbare Wel­le über unsere kleine Familie: Theodor Münch, ein arbeitsloser Maler, hatte unsere zehnjährige Melanie entführt, misshandelt, sexuell missbraucht, und sie anschließend mit zwanzig Messerstichen ermordet. Ulla, meine Frau, musste für längere Zeit in psych­iatrische Behandlung, um den tiefen Schock richtig verarbeiten zu können. Ja, und ich verlor meine Ar­beit, weil ich mich nicht mehr so recht konzentrieren konnte. Ich hatte schreckliche Albträume, wachte nachts schreiend und schweißgebadet auf, und tags­über war ich müde und abgeschlafft. Es wurde nicht besser. Max, mein einziger Freund, half uns damals sehr. Er stand uns moralisch ungemein zur Seite. Es kam mir fast so vor, als ob er genauso entsetzt und seelisch am Ende war, wie Ulla und ich.

    Täglich besuche ich meine auf brutalste Art und Wei­se zu Tode geschundene Melanie an ihrem kleinen Grab. Meistens gehe ich alleine auf den zum Teil ver­wilderten Friedhof, der sich keine hundert Meter von unserem Zuhause befindet, und ab und zu kommt Ulla mit mir. Max begleitet mich öfter als sie.

    Ja, es verging kein einziger Tag, an dem ich nicht bei Melanie gewesen wäre. Einige Bekannte und Verwand­te sind zwar immer noch der Ansicht, dass mir diese andauernden Friedhofsbesuche nur schaden würden, aber ich lasse mich davon nicht abhalten. Ich habe eben das dringende Bedürfnis, meine verstorbene Tochter Tag für Tag zu besuchen...

    xxx

    Ulla und ich befinden uns auf dem Heimweg von unse­rer wöchentlichen Einkaufsfahrt. Unser Häuschen liegt etwas außerhalb von Immenstadt, ungefähr drei Kilometer entfernt. Der Motor unseres alten Peugeot hüstelt verzweifelt, als wir langsam eine Bergkuppe hochfahren.

    „Ich befürchte, Erich, dass wir bald einen neuen Wa­gen brauchen!"

    „Ja, es sieht so aus. Ich war letztens in einem Auto­haus, das Suzuki führt. Dieser neue Swift, der in der Auslage stand, gefiel mir sehr gut!"

    „Da möchte ich aber auch ein Wörtchen mitreden!"

    „Ja, sicher, Ulla. Welchen Wagentyp stellst du dir denn vor?"

    „Ich weiß es nicht."

    „Dieser kleine Wagen würde dir sicherlich auch gut gefallen. Er ist recht preisgünstig, und außerdem hat er sehr gute Sitze. Lass uns in den nächsten Tagen zusammen eine Probefahrt machen."

    „Wenn ich Suzuki höre, muss ich immer an Motorräder denken, Erich."

    „Ja, sie produzieren Autos und Motorräder."

    „Du hast den Wagen in Immenstadt gesehen?"

    „Ja, Ulla."

    Eine kleine Pause entsteht. Ich sehe, als ich ihr ei­nen kurzen Blick zuwerfe, wie abwesend sie schon wieder ist. Denkt sie an Melanie? In ihr ehemals wun­derschönes Gesicht haben sich viele, kleine Fältchen geschlichen und dort für immer eingraviert. Ihre Wangen sind eingefallen, und ihr Blick ist nicht so klar, wie er es eigentlich sein sollte. Er ist leer. Aber das liegt sicher an den starken Medikamenten, die sie zur Unterstützung ihrer angeknacksten Psyche einnehmen muss. Ich komme ja auch nicht ohne Medi­kamente aus.

    Plötzlich, und völlig übergangslos, sagt sie, mich von der Seite anschauend: „Erich, in den nächsten Tagen müsste Theodor Münch entlassen werden. Ich weiß aber nicht genau, wann."

    „In den nächsten Tagen?"

    „Ja."

    „Woher hast du denn diese Information?"

    „Von Max."

    Aha. Von Max also. Ich frage mich ernsthaft, woher er diese Nachricht hat. Es ist doch seltsam: Max sprach in den letzten Jahren, besser gesagt seit Me­lanies Tod, mehr über diesen hinterhältigen Kinder­mörder, als Ulla oder ich. Ich hatte den Eindruck - und ich habe ihn immer noch - dass Max diesen Scheißkerl mehr hasst, als irgendetwas anderes auf dieser Welt. Mein Hass auf Münch hat sich zwar im Laufe der Zeit geringfügig geschmälert, aber das Sprichwort, dass die Zeit Wunden heilen würde, stimmt nur bedingt. In unserem Fall veränderten sich die negativen Gefühle gegenüber Münch nicht we­sentlich. Ja, so könnte man es wohl ausdrücken. Und unsere Trauer ist immer noch sehr intensiv, fast wie damals, vor zwölf Jahren.

    Ulla erzählt mir seit Melanies brutalem Tod, dass sie ihr nicht nur nachts, sondern auch in ihren Tagträu­men erscheinen würde. Immer wieder beobachte ich sie, wenn sie irgendwo sitzt oder liegt, und gegen die Wände starrt. Ich weiß, was dann geschieht:

    Sie sieht sie.

    Ja, ich glaube ihr, dass sie diese Erscheinungen hat. Ich selbst leide nicht darunter, und ich bin, im Grun­de genommen, froh darüber. Es ist irgendwie unheim­lich, zu sehen, wie Ulla mit unserer kleinen, toten Tochter kommuniziert. Sie spricht nicht mit ihr, aber an ihrem, in diesen speziellen Situationen sich ver­ändernden Gesichtsausdruck, merke ich, dass sie Melanie tatsächlich sieht. Ob sie mit ihr wohl spricht, wenn ich nicht mit anwesend bin? Aber wa­rum sollte sie mir etwas vorspielen? Was hätte sie davon? Nichts. Rein gar nichts. Für mich sind Ullas Erscheinungen der Beweis dafür, dass Melanie in ei­ner anderen Sphäre lebt. Und das beruhigt mich sehr. Ja, es macht mich sogar ein wenig zufrieden.

    Aber nur ein wenig.

    Im Grunde genommen weiß ich aber nicht, wie Ulla unsere Kleine sieht. Erscheint sie ihr als Person, oder ist es mehr eine Silhouette, die sie wahrnimmt? Sieht sie nur einen Schatten, oder kann sie mehr er­kennen? Schon oft nahm ich mir vor, sie danach zu fragen, unterließ es dann aber doch. Ich finde, es wäre pietätlos, wenn ich versuchen würde, Ulla aus­zuhorchen. Und außerdem bin ich mir sicher, dass sie ihr Geheimnis für sich behalten will.

    „Du hast es also von Max."

    „Ja, Erich."

    „Wir müssen mit ihm unbedingt reden."

    „Worüber?"

    „Über Münchs Entlassung."

    „Wieso?"

    „Ich weiß nicht, Ulla. Ich habe so ein seltsames Ge­fühl."

    „Was denn für ein Gefühl?"

    „Es ist, wie gesagt, nur ein Gefühl. Aber irgendetwas sagt mir, dass Max..."

    Ihr Kopf ruckt herüber: „Du meinst, dass er ihn..."

    „Abpasst. Ja, das meine ich."

    „Münch hat die Freiheit nicht verdient, Erich!" Ihre dunklen Augen glitzern gefährlich.

    „Nein. Er hat sie wirklich nicht verdient."

    Eine weitere, kleine Pause entsteht. Wir nähern uns dem Weiler „Am Hardt. Dies ist der Name unseres Minidörfchens. Wir haben hier draußen nicht einmal eine geteerte Straße. Es befinden sich „Am Hardt lediglich dreizehn mehr oder weniger alte Häuser, in denen zum Großteil berentete Ehepaare leben. Keine Geschäfte, keine Kirche: Nur dieser kleine Friedhof mit seiner unauffälligen, verwitterten Kapelle ist vorhanden. Manche von den Häusern könnte man auch als Steinhütten bezeichnen. Und das letzte dieser zum Teil baufälligen Gebäude ist unseres. Alt, etwas heruntergekommen, aber unseres. Ein verwitterter Holzzaun umrahmt das kleine Anwesen. Ich müsste ihn wieder einmal streichen, überlege ich. Auch die Fensterläden sind herunter. Aber diese Reparaturen kosten Geld. Viel Geld.

    Ulla hat einige Blumenbeete angelegt, und im eigent­lichen Garten, hinten, an der brüchigen Terrasse, stehen neun oder zehn Kirschbäume. Wie gesagt: Wir sind keine reichen Leute, aber wir sind mit dem, was uns gehört, zufrieden. Seit dem plötzlichen, völlig unverhofften Tod von Melanie waren für uns beide materielle Dinge völlig in den Hintergrund getreten. Geld und Wohlstand interessierte uns nicht mehr. Immer wieder geht mir mein guter - und einziger - Freund Max durch den Kopf. Unzählige Male sagte er:

    „Wenn dieser Kerl entlassen wird, schnappe ich ihn mir."

    Eigentlich hätte diese Aussage von mir kommen müs­sen, aber sie kam von ihm. Ich stimmte ihm zwar in­nerlich zu, aber ich konnte mir einfach nicht vorstel­len, einen Menschen zu ermorden. Gut, ich könnte Münch nach seiner Entlassung zusammenschlagen, ihn niederknüppeln, ihn vielleicht mit dem Auto über­rollen, was auch einem Mordversuch gleichkäme, aber ich bin mir einfach nicht sicher, ob das der richtige Weg wäre. Falls überhaupt.

    Münch hat also seine Strafe abgesessen. Er kann das Gefängnis als freier Mann verlassen. Was wird er wohl tun, überlege ich, wenn er herauskommt? Er, der pädophilie Bursche? Wird er das nächste Mädchen stehlen, es misshandeln, missbrauchen und ermor­den?

    Oder ist er geheilt?

    Eine plötzliche Wut kommt in mir hoch: Es ist mir scheißegal, ob er geheilt ist, oder nicht! Zwölf Jahre sind viel zu wenig für einen nachgewiesenen Kinder­mord! Wie oft hatten wir Drei uns darüber aufgeregt. Max ist ja ein etwas extremer Typ. Er sagt:

    „In den Vereinigten Staaten, z. B. in Texas, hätte man ihn dafür geschmort! Man hätte ihn wie ein Hähnchen gegrillt, oder ihm eine gepflegte Giftsprit­ze verpasst! Aber was geschieht hier, in diesem ver­weichlichten Deutschland? Man gibt ihm fünfzehn Jahre. Und drei Jahre schenkt man ihm auch noch wegen guter Führung. Ich könnte kotzen! Fünfzehn Jahre! Gute Führung! Dass ich nicht lache! Es ist ein läppisches Fünftel seines voraussichtlichen Lebens! Wenn nicht ein Sechstel! Und natürlich obendrein ohne anschließende Sicherungsverwahrung. Und wie­so? Weil er ein perfekter Schauspieler ist! Diese Psy­chologen und Psychiater können doch gar nicht un­terscheiden, wer wirklich gefährlich ist, und wer nicht! Wie oft hört man, dass sie sich wieder geirrt haben! Schade, dass ich nichts zu sagen habe. Ich wäre jedenfalls für die Todesstrafe!"

    Sein Gesicht glüht jedes Mal, wenn er sich derart in Rage redet. Ulla ist immer seiner Meinung, und ich bin es im Grunde genommen auch. Nur finde ich, dass der Mensch nicht berechtigt ist, Gott zu spielen. An­dererseits sollten „Menschen" wie Theodor Münch nicht mehr auf feien Fuß gesetzt werden.

    Nie mehr!

    Zuhause angekommen, lade ich die Lebensmittel in unsere Garage. Ganz hinten, an der Rückwand, steht eine alte Tiefkühltruhe, in die ich all das Fleisch, die Pizzen und sonstige Fertiggerichte, packe. Direkt daneben stehen die Getränkekästen. Ulla schleppt zwei große Tüten mit frischen Lebensmitteln ins Haus. Ein Wagen fährt langsam an unser Haus heran. Ich kenne den Motor. Und ich höre ich eine mir sehr vertraute Stimme hinter mir:

    „Na, alter Knabe? Habt ihr wieder eingekauft?"

    Ich drehe mich um und antworte: „Max, mein Freund. Wie er leibt und lebt. Hast du schon Feierabend?"

    „Ich bin seit heute arbeitslos. Unsere Firma hat Kon­kurs angemeldet."

    „Tatsächlich?"

    „Ja, Erich, es fehlte in letzter Zeit einfach an Trans­portaufträgen. Die Wirtschaftskonjunktur lässt sehr zu wünschen übrig."

    „Ja, ja, die Wirtschaftskonjunktur..."

    „Und den großen Unternehmern ist es leider möglich, günstiger zu fahren, als wir es konnten."

    „Und jetzt musst du nach Immenstadt ins Arbeits­amt." Es ist mehr eine Feststellung, als eine Frage.

    Er grinst: „Fahrer mit Führerschein-Klasse II sind immer gefragt. Außerdem darf ich auch Schwertrans­porter bewegen."

    „Ja, wie ich dich kenne, Max, wirst du schon bald etwas Neues finden."

    „Und? Hast du schon einen Nebenjob?"

    „Leider nicht. Es wird einfach nichts Vernünftiges angeboten. Die meisten 450-Euro-Jobs sind doch das Allerletzte. Reine Ausbeutung."

    „Die Rente reicht euch weder hinten, noch vorne, was, Erich?"

    „Ulla hat ja glücklicherweise auch Erwerbsunfähig­keitsrente."

    „Ja, ja. Ich weiß."

    „Irgendwie schaffen wir es schon. Willst du ein Bier? Oder eine Tasse Kaffee?"

    „Ja, ein Bier wäre jetzt nicht schlecht."

    „Na, dann folge mir."

    Max ist ein großzügiger Mensch. Jedes Mal, wenn er uns besucht, hat er ein kleines Präsent für uns. Meis­tens sind es nur Kleinigkeiten, aber heute hat er mir eine Stange Gauloises-Zigaretten mitgebracht. Ich werde sie natürlich mit Ulla teilen, das spricht für sich. Er grinst, als er mir die Stange überreicht:

    „Die habe ich in der Tschechei gekauft."

    „Danke, Max. Was kriegst du dafür?"

    „Nichts."

    Als wir kurz darauf zusammen auf der Terrasse sitzen (es ist heute wieder sehr heiß, das typische Juliwet­ter), frage ich unseren gemeinsamen Freund so ganz nebenbei:

    „Wann wird eigentlich Münch entlassen, Max?"

    In seinen Augen blitzt es auf: „Habe ich es euch noch nicht erzählt? In zwei Tagen. Wegen guter Führung."

    „Woher weißt du das?"

    „Ich habe meine Beziehungen, Erich."

    Ich bohre weiter: „Du hast diese Information aus dem Polizeicomputer?"

    „Ja, ihr kennt doch mein Lieblingshobby." Er lacht unverschämt.

    „Du, und dein Computer. Lass dich beim Hacken ja nicht erwischen!"

    „Aber, ich bitte dich."

    „Ja, ja, Vorsicht ist der Mutter Porzellankiste."

    „Ich habe letztens wieder einen Artikel über Pädophi­le gelesen! Wollt ihr wissen, was darin stand?"

    Wir nicken.

    Max liebt es, kurze Vorträge zu halten. Er fühlt sich dann ganz wunderbar, wie er immer sagt. Wahr­scheinlich fehlt es ihm nur an einer Bestätigung, besser gesagt, an einer Partnerin, die ihm zuhört.

    „Also, hört zu. Ich habe mir den Text ziemlich genau gemerkt, weil er mich so interessiert hat:

    Pädophilie nennt man die vorrangig sexuell-erotische Neigung Erwachsener zu Kindern vor der Geschlechtsreife. Für Pädophilie werden folgende Merkmale aufgeführt:

    - sexuelles Interesse gilt Kindern vor oder am Beginn der Pubertät

    - das sexuelle Interesse ist dabei vorrangig."

    Er holt tief Luft und schaut uns erwartungsvoll an.

    „Max, du hast dir diesen Text wohl auswendig gelernt, soweit ich dies als Laie beurteilen kann. Alle Achtung.", lobe ich ihn.

    „Du hörst dich wie ein Professor an, wenn du sprichst.", fügt Ulla hinzu.

    „Danke, danke der Ehre." Er lächelt. Und wir wissen, dass er sich freut.

    „Es ist unglaublich, Max, dass du dich mit diesem Thema so sehr auseinandersetzt!", sage ich aner­kennend.

    „Über diese Leute kann man nie genug wissen, Erich!"

    „Ich wüsste allzu gerne, Männer, was in solch einem Menschen vor sich geht, wenn er zur Tat schreitet."

    „Für mich sind es Bestien. Was kann ein unschuldiges Kind dafür, wenn solch ein Kerl ausrastet, nur weil er sich nicht im Griff hat?", knurrt Max.

    „Ja, das stimmt.", antworte ich verdrießlich.

    „Mein Gott, wie die Zeit vergeht.", sagt Ulla. Ihr Blick schweift schon wieder ins Leere.

    „Ja, Ulla, ein wahres Wort.", bestätigt er ihr.

    „Somit dürfte für Theodor Münch die Sache gegessen sein.", sage ich.

    „Das glaube ich nicht, Erich." Er schaut mich seltsam an.

    „Wie meinst du das?"

    „Wie ich es gesagt habe." Seine Augen glitzern.

    „Du wirst dich doch hoffentlich nicht ins Unglück stürzen, Max?"

    „Wir werden sehen."

    Er nimmt einen kräftigen Schluck aus seiner Flasche. Max trinkt immer aus der Flasche. Ich nippe an mei­ner Kaffeetasse. Nervös ziehe ich an meiner Zigaret­te. Auch Ulla raucht. Ich blicke zufällig in Max’ Ge­sicht, und sehe, wie er plötzlich sehr angestrengt schaut. Ich kenne diesen seltsamen Gesichtsausdruck von ihm! Es kommt mir jedes Mal, wenn es soweit ist, so vor, als ob er wittern würde. Genau wie ein Tier, das auf Beutefang ist. Oder hört er etwas? Ich lausche, kann aber nichts vernehmen. Immer wieder falle ich darauf herein. Es ist völlig still hier drau­ßen. Nur ein Vogel zwitschert aufgeregt in einem der Kirschbäume. Max kommt mir fast wie Ulla vor, wenn sie wieder eine ihrer Erscheinungen hat. Sie wittert zwar nicht wie er, aber ihr Gesichtsausdruck ist fast derselbe. Angestrengt, erwartungsvoll und nervös.

    Sieht auch er Melanie?

    Wenn ja, warum kann ich sie nicht sehen?

    Jedes Mal, wenn er sich so merkwürdig verhält, be­schließe ich, ihn hinterher danach zu fragen. Aber wenn es dann soweit ist, habe ich nicht den Mut da­zu. Ich denke, dass es etwas sehr Persönliches ist, was er in solchen Augenblicken erlebt. Und es steht mir einfach nicht zu, ihn danach zu fragen. Ander­erseits wundere ich mich, dass er mir davon nicht erzählt. Ob Ulla weiß, was er in solchen Momenten empfindet? Ahnt sie, dass auch er Melanie sieht? Ich denke, nicht. Sie würde es mir wahrscheinlich sagen. Andererseits könnte ich mir gut vorstellen, dass Max sich schämen würde, mir davon zu erzählen. Wahrscheinlich hätte er Angst, dass ich ihn für ver­rückt halten würde. Mir ist auch nicht bekannt, ob Max weiß, dass Ulla Melanie gelegentlich sieht. Je­doch wäre es für ihn leicht, diese Hemmschwelle zu überspringen, wenn er wüsste, dass auch Ulla diese Erscheinungen hat.

    „Willst du ihn wirklich zur Rede stellen?"

    „Mit Pädophilen spricht man nicht, Erich. Man be­straft sie."

    Sein Gesicht entspannt sich. Hat Ulla es auch ge­merkt? Oder geht sie einfach darüber hinweg?

    Ihr Gesichtsausdruck verändert sich: „Du willst ihn bestrafen, Max?"

    „Ja."

    „Und wie? Willst du ihn töten?" Ullas Gesicht glüht.

    „Nein. Natürlich nicht. Ich erzähle euch jetzt etwas. Aber das muss ganz unter uns bleiben."

    Ulla und ich starren ihn an. Wer weiß, was jetzt kommt...

    „Ich werde Münch benutzen."

    „Benutzen?"

    „Ja, Erich. Benutzen und demütigen."

    „Ich verstehe nicht."

    „Du kennst doch unsere alte Bärenhöhle. Diese kleine Höhle, drüben am Burgberg, wo wir damals als kleine Jungs Indianer gespielt und unsere Blutsbrüderschaft geschlossen haben. Ich habe sie ein wenig eingerich­tet."

    „Du hast sie - was?"

    „Eingerichtet."

    „Womit?"

    „Ich werde es euch zeigen. Es ist nichts Besonderes."

    „Was willst du denn in dieser Höhle?"

    „Theodor Münch wird mein Knecht sein. Ich verfüge über eine Liste, in der alle Pädophilen Deutschlands aufgeführt sind. Also, diejenigen, die zwar auf frei­em Fuß, aber wegen ihrer Veranlagung doch amts­bekannt sind. Den meisten von ihnen konnte man bis­her noch nichts nachweisen, aber sie stehen, wie gesagt, auf dieser Liste. Ich werde mir einige dieser Typen vornehmen."

    „Du hast dir diese Liste auch aus dem Polizeicompu­ter geholt?", fragt Ulla.

    „Ja. Ich habe sie mir heruntergeladen."

    „Wie hast du das denn geschafft?"

    „Mit viel Geduld und großem Durchhaltevermögen."

    „Welche Männer willst du dir denn vornehmen?"

    „Nur die, die hier in der Nähe leben, Ulla."

    „Du willst sie in diese Höhle bringen?"

    „Ja."

    „Und Münch wird dein Knecht sein?"

    „Ja."

    „Was muss er denn tun?"

    „Seine Kollegen bedienen. Und natürlich auch mich."

    „Wie - bedienen?"

    „Nun, er darf sich um alles kümmern, was die ande­ren Herrschaften von ihm verlangen. Er muss eben all das tun, was ein echter Knecht zu tun hat."

    Ulla schaut mich irgendwie verzweifelt an. Was ist das für ein Ausdruck in ihren Augen? Ablehnung oder Zustimmung? Zweifelt sie an seinem Verstand? Aber ich kenne sie. Sie ist innerlich mit Max’ Vorhaben einverstanden. Ja, sie findet seine Idee gut. Haben die Beiden schon früher darüber gesprochen? Wenn ja, warum haben sie mich nicht eingeweiht? Wollte Ulla mich nicht belasten? Sie weiß, wie schnell ich mich aufrege.

    „Max, du überraschst mich immer wieder aufs Neue."

    Er betrachtet mich ernst und sagt: „Wenn der Staat nicht für Gerechtigkeit sorgt, müssen eben wir Klein­bürger diesen Part übernehmen."

    „Wir Betroffenen!"

    „Genau."

    „Aber du machst dich dadurch strafbar, Max!", flüs­tert Ulla.

    Ihre Stimme zittert. Sie macht sich um ihn Sorgen. Aber ich erkenne trotzdem eine gewisse Genugtuung in ihrem Blick.

    „Das ist mir egal."

    „Egal?"

    „Für Melanie mache ich alles."

    „Du hast sie wirklich sehr geliebt.", sage ich.

    „Ja, das habe ich, Erich."

    Ulla will es genau wissen: „Und wie willst du die Männer dorthin bringen? Willst du sie entführen?"

    „Ja. Ich schnappe sie mir. Einen, nach dem anderen. Es wäre natürlich sehr angenehm, wenn ich jemanden hätte, der mir dabei helfen würde." Er blickt provo­zierend an die Decke.

    In meinem Kopf überschlagen sich tausend Gefühle: Rache, Hass, Vernunft, Angst, Bedenken, Unent­schlossenheit... und zuletzt wieder...

    ... Rache.

    Meine Seele schreit nach Rache. Ich hatte jahrelang versucht, dieses furchtbare Gefühl zu unterdrücken, aber genau jetzt, in diesem prekären Moment, kommt mir wieder alles hoch. Ich sehe unsere Melanie vor meinen Augen, auf dem Seziertisch liegend. Niemals werde ich vergessen, wie grauenhaft sie aussah. Blass, geschunden, von diesem Bastard am ganzen Körper zerschnitten. Und sie wirkte so unglaublich durchsichtig und zerbrechlich.

    Und so zart.

    Kurz entschlossen sage ich zu Max: „Blutsbrüder bleiben Blutsbrüder. Egal, was auch passiert. Und genau das werden wir Beide auch einhalten."

    Ich spüre, wie erleichtert er ist: „Du willst mir also helfen, Erich?"

    „Ja."

    „Ich bin auch mit von der Partie, Max. Egal, was auch passieren mag.", sagt sie ernst.

    Ullas Gesicht ist eine einzige Maske. Sie sagt kein weiteres Wort, aber ich weiß, was in ihr jetzt vor­geht. Sie freut sich wahnsinnig über unser Vorhaben. Auch sie will ihre persönliche Rache. Und gerade jetzt kommt es mir so vor, als ob sie etwas aufblüht. Ja, sie wirkt plötzlich um einiges jünger und fri­scher. Aber vielleicht täusche ich mich auch.

    „Lasst uns austrinken, und dann zusammen zur Bä­renhöhle hinausfahren!" Sein Gesicht wirkt ungeheu­er entschlossen. Und hart.

    Er reibt sich seine riesigen Pranken. Es sind die Hän­de eines ehemaligen Halbschwergewichtsboxers. Er begann schon mit zwölf Jahren mit diesem Sport. In der Schule beschützte er mich gelegentlich vor kör­perlichen Angriffen anderer Mitschüler, denn ich war einer der körperlich Schwächsten. Ich ließ ihn dafür abschreiben. Und später wurde er Deutscher Meister. Im Boxen, versteht sich. Nicht im Abschreiben. Drei Mal holte er sich diesen Titel, jedoch dann nahm er gewichtsmäßig zu. Als er in der Schwergewichtsklas­se boxte, sah er kein Land mehr. Er kam nicht mehr auf sein Kampfgewicht. Knurrend und widerwillig beendete er seine Aktivitäten. Und heute, nach mehr als zwanzig Jahren, geht er zum Fischen an unseren sumpfigen Dorfweiher. Seine Interessen haben sich etwas verlagert. Ich bin mir aber sicher, dass er das Boxen an sich nicht verlernt hat.

    Kurz darauf fahren wir gemeinsam los. Ulla versucht zwar, ihn auf der kurzen Fahrt mit Fragen hinsicht­lich der Höhle zu löchern, aber er wehrt anfangs nur grinsend ab:

    „Ulla, du wirst es gleich sehen."

    Schon sehr bald haben wir unser Ziel erreicht. Die Fahrt in Max’ VW-Bus dauerte nicht länger als acht, neun Minuten. Vor uns liegt eine kleine, uns sehr wohl bekannte Bergkette. Max fährt mit seinem Wa­gen vorsichtig den schmalen Waldweg hinauf, der mit ausgewaschenen Löchern übersät ist. Der Wagen springt unwillig auf und ab. Ich frage mich ernsthaft, wie das Fahrzeug das nur aushält. Max versucht zwar, allen Löchern auszuweichen, aber es gelingt ihm nicht. Nach etwa dreihundert Metern stellt er den Kleinbus ab. Ringsum ist dichter Wald. Wir steigen aus und gehen zu Fuß weiter. Es geht jetzt steil auf­wärts. Hier ist kein Waldweg mehr. Wir kämpfen uns durch Gebüsche, die uns den Weg versperren, über riesige Baumwurzeln, die aus dem Boden ragen, und erreichen schließlich unsere ehemals so geliebte Höhle.

    Max und ich bleiben stehen.

    Ulla blickt sich neugierig um.

    Völlig außer Atem meint sie: „Man kann eure Höhle nicht einmal von hier aus sehen! Sie ist doch in der Nähe, oder?"

    „Ja, sie befindet sich keine fünfzehn Meter von uns entfernt!", antworte ich.

    „Ich war schon so lange nicht mehr hier, Erich. Ich kann mich kaum noch daran erinnern."

    „Ja, es sind sicherlich schon zwanzig Jahre vergan­gen, seit du sie das letzte Mal gesehen hast."

    Max sagt völlig unverhofft: „Die Höhle hat sich ver­ändert."

    „Wie verändert? Du meinst, seit du sie eingerichtet hast?"

    „Ja, Ulla, je öfter ich hier war, desto mehr veränder­te sich..."

    ... deine Empfindung?"

    „Ja. Das Flair der Höhle ist anders, als früher."

    Ulla schaut mich unauffällig an. Ihr Blick will mir sagen, dass sie an den Worten unseres Freundes doch sehr zweifelt. Wie meint er das nur? Eine Höhle kann sich doch nicht von selbst verändern! Außer, man verändert sie. Ich habe in letzter Zeit den Eindruck, dass Max immer sonderlicher wird. Machen ihm seine Erscheinungen, über die er nicht spricht, so zu schaffen? Ist ihm denn nicht bewusst, dass wir uns über seine merkwürdige Behauptung hinsichtlich un­serer Höhle gezwungenermaßen unsere Gedanken über ihn machen? Machen müssen? Über ihn und sei­nen Geisteszustand? Oder ist an seiner Behauptung

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