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DIE WURZEL ALLES BÖSEN: Der Krimi-Klassiker!
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eBook293 Seiten3 Stunden

DIE WURZEL ALLES BÖSEN: Der Krimi-Klassiker!

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Über dieses E-Book

Der rätselhafte Kriminalfall der 23jährigen Valerie Ellis aus Los Angeles beansprucht Lieutenant Mendozas äußerste Konzentration.

Wer war diese Frau? Was in aller Welt suchte sie in der Wüste von Arizona? Etwa Schmucksteine wie Bergkristall, Narrengold oder Achat? Oder half sie den illegalen Einwanderern aus Mexiko?

Und was war übrigens mit der Falsche Madeira?

 

Der Roman Die Wurzel alles Bösen von Dell Shannon (ein Pseudonym der US-amerikanischen Bestseller-Autorin Elizabeth Linington - * 11. März 1921; † 05. April 1988) erschien erstmals im Jahr 1965; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte im Jahr 1968 (unter dem Titel Die Flasche Madeira).

Der Signum-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum10. Dez. 2022
ISBN9783755427124
DIE WURZEL ALLES BÖSEN: Der Krimi-Klassiker!

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    Buchvorschau

    DIE WURZEL ALLES BÖSEN - Dell Shannon

    Das Buch

    Der rätselhafte Kriminalfall der 23jährigen Valerie Ellis aus Los Angeles beansprucht Lieutenant Mendozas äußerste Konzentration.

    Wer war diese Frau? Was in aller Welt suchte sie in der Wüste von Arizona? Etwa Schmucksteine wie Bergkristall, Narrengold oder Achat? Oder half sie den illegalen Einwanderern aus Mexiko?

    Und was war übrigens mit der Falsche Madeira?

    Der Roman Die Wurzel alles Bösen von Dell Shannon (ein Pseudonym der US-amerikanischen Bestseller-Autorin Elizabeth Linington - * 11. März 1921; † 05. April 1988) erschien erstmals im Jahr 1965; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte im Jahr 1968 (unter dem Titel Die Flasche Madeira).

    Der Signum-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur.

    DIE WURZEL ALLES BÖSEN

      Erstes Kapitel

    John Luis Mendoza und Teresa Ann Mendoza brüllten. Gemeinsam und laut schrien sie in die Nacht hinaus, und es war staunenswert, über welche Lungenkraft die beiden verfügten.

    Nach einer Weile setzte sich Alison auf und sagte schläfrig: »Zum Teufel.«

    Sie schwang die Beine über den Bettrand und suchte nach ihren Pantoffeln. Mendoza murmelte ein Schimpfwort.

    »Na, komm’ ja schon«, sagte Alison gereizt und zog ihren Morgenmantel vom Stuhl.

    »...unsinnig«, murmelte Mendoza.

    Das Gebrüll im Zimmer nebenan verstärkte sich noch.

    »Langsam glaube ich bald selber, dass du recht hast«, sagte Alison gähnend. Sie tastete sich zur Tür und knipste die Korridorlampe an. Er hörte ihre Stimme beruhigend auf die Zwillinge einreden.

    Er machte die Augen wieder zu und versuchte nicht hinzuhören, aber es war hoffnungslos. Drei Minuten später stand er auf, knipste die Nachttischlampe an und ging zu Alison hinüber.

    »Das 1st einfach unvernünftig«, sagte er. »In diesem Alter wissen sie gar nicht, wer gelaufen kommt, wenn sie zu brüllen anfangen. Wir haben doch in Gottesnamen genug Geld, um ein Kindermädchen einzustellen. Soll sie doch die ganze Nacht aufbleiben – im hinteren Schlafzimmer. Bei geschlossener Tür.«

    Er nahm Alison Teresa Ann ab und sah ihr verzerrtes kleines Gesicht mit für den Augenblick nicht sehr großer Zuneigung an. Teresa Ann hatte dichtes schwarzes Lockenhaar und große, braune Augen, umrahmt von langen, schwarzen Wimpern, aber jetzt waren die Augen fest zusammengekniffen, der rosige Mund stand offen, und sie gab mörderische Schreie von sich. Resigniert ging Mendoza auf und ab und schaukelte sie.

    »Lächerlich«, sagte er. »Wenn mir vor ein paar Jahren jemand erzählt hätte, dass ich nachts um halb drei wie irgendein ganz gewöhnlicher Pantoffelheld mit einem Säugling auf dem Arm herumwandern würde...!«

    Alison ging an ihm vorbei, in entgegengesetzter Richtung, den kleinen John Luis schaukelnd.

    »Das ist nicht gerade deine Stärke«, sagte sie ein wenig maliziös.

    »Und alles so unnötig! Aber nein, du erinnerst dich an die vielen Schnulzenromane über das arme, kleine Waisenkind, das nur von den Dienstboten aufgezogen worden ist...! Caray, wie kann ein fünf Monate altes Kind soviel Lärm machen? Ist das bei allen so?«

    »Bei den meisten«, sagte Alison. Sie mussten ihre Stimmen erheben, um den Krach zu übertönen. Sie setzte sich in einen Stuhl und schaukelte den kleinen John automatisch mit geschlossenen Augen. »Langsam glaube ich, dass du recht hast, Luis.«

    »Natürlich hab’ ich recht.« Mein Gott, jetzt kann er es Art erst nachfühlen – wie eine Zeitbombe hat er gesagt! Und ob er recht gehabt hat! »Wie in Dreiteufelsnamen ertragen das Leute, die es sich nicht leisten können...«

    »Du hast ja keine Ahnung, an was man sich alles gewöhnt«, meinte Alison gähnend, während sie ihren Sohn mit grimmiger Entschlossenheit hin- und herwiegte.

    »Ich bin jedenfalls zu alt, um mich noch umzugewöhnen«, betonte Mendoza. »Ich muss nachts meinen Schlaf haben. Ich bin den ganzen Tag im Druck. Im Augenblick haben wir sowieso so viel Ärger mit dem Einbrecher.« Er starrte auf Teresas rotes Gesicht hinunter. »Obwohl ich ihn ja, von einem bestimmten Standpunkt aus, recht gut verstehen kann – er bringt nur Frauen um.«

    Er gähnte.

    »Te estás engañando a ti misma – du machst dir nur selbst etwas vor. Mit fünf Monaten wissen sie doch noch gar nicht, ob es Mama ist oder ein nettes Kindermädchen. Du kannst auch später noch die liebende Mutter spielen. Wenn sie endlich gelernt haben, nachts zu schlafen.«

    »Ich glaube, ich muss dir recht geben«, sagte Alison, über ihrem Schreihals von Sohn schläfrig nickend. »Aber das hintere Schlafzimmer ist nicht als Kinderzimmer eingerichtet.«

    »Eso basta!«, sagte Mendoza. »Dann hol eben wieder die Maler – klecks die hübschen Zirkustiere an die Wand – und das hier wird ein ganz neutrales zusätzliches Zimmer. Aber das Wichtigste ist, dass wir uns ein Kindermädchen beschaffen, oder?« Er schaukelte Miss Teresa mit einigem Ungestüm.

    »Ja«, sagt Alison. »Du hast vollkommen recht. Ich mach’ mich morgen gleich auf die Suche – wenn ich noch die Kraft dazu habe.«

    »Heute. Es ist fast drei. Woher nehmen sie denn die Kraft?«

    »Säuglinge haben sehr viel Energie«, sagte Alison müde. »Wenn sie gesund sind.«

    »Diese beiden müssen die gesündesten Säuglinge von ganz Los Angeles sein«, sagte Mendoza bitter. »Wenn mir jemand erzählt hätte, dass ich – glaubst du, dass es etwas nützt, wenn wir Wiegenlieder singen?«

    »Das haben wir doch schon versucht«, erinnerte ihn Alison. »Wir scheinen nicht besonders musikalisch zu sein – ich glaube, dass ich ganz gut singen kann, aber da schreien sie nur umso lauter. Vielleicht kenne ich nicht die richtigen Wiegenlieder.« Sie nahm John auf den andern Arm.

    »Es muss doch Hunderte von netten und erfahrenen Kindermädchen geben.«

    »Ich habe keine Ahnung. Ich werde mich umsehen.«

    »Heute noch«, sagte Mendoza. »So was macht mich einfach fertig, cara. Ich hab’ mich für einen recht stabilen Burschen gehalten, als ich jede Nacht acht Stunden schlafen durfte. Aber wenn diese zwei Zeitbomben jede Nacht um halb drei losgehen, spürt man seine Jährchen!«

    »Gemacht«, antwortete Alison lammfromm. »Ich versprech’s dir. Wir können natürlich nicht irgendeine nehmen, aber eine gute Vermittlung müsste doch...«

    »Ich will dir etwas sagen«, sagte Mendoza. »Es ist nur gut, dass wir in der Nähe keine Nachbarn haben, sonst würden sie sich bei der Polizei beschweren. Das wär was Feines, wenn ein ergrauter Kriminalbeamter wie ich wegen Ruhestörung angezeigt wird.«

    Miss Teresa machte eine kurze Pause und brüllte dann mit solcher Lautstärke, dass er sie grimmig anstarrte.

    »Ich muss mich verbessern«, sagte er. »Die gesündesten Säuglinge in ganz Kalifornien!«

    Wie gewöhnlich schliefen die Zwillinge um fünf Uhr früh selig. Mendoza wurde um acht Uhr von einer schläfrigen und mitfühlenden Alison wachgerüttelt; bis er sich rasiert, angezogen und zwei Tassen Kaffee getrunken hatte, war er wieder halbwegs ein Mensch.

    »Und du machst dich auf die Suche nach dem Kindermädchen«, ermahnte er sie.

    »Ich hab’ doch gesagt, dass ich es verspreche. Ich geb’ ja schon nach«, antwortete Alison. »Du hast ganz recht, es ist unsinnig, es nicht zu tun, wenn wir es uns leisten können, jemand zu bezahlen.«

    Als er um Viertel vor neun sein Büro betrat, maß ihn Hackett vom Scheitel bis zur Sohle, um dann zu grinsen.

    »Das hab’ ich Ihnen doch gesagt, nicht wahr? Man übersteht’s, aber wie!« Er sprach vom reifen Standpunkt eines Vaters aus, dessen Sprössling den ersten Geburtstag schon hinter sich hatte und nun statt schlafloser Nächte andere Überraschungen lieferte.

    Mendoza setzte sich an seinen Schreibtisch.

    »Sie brauchen gar nicht so überheblich zu tun – Alison gibt nach.

    Sie engagiert ein Kindermädchen. Ausgesprochener Quatsch, diese sentimentalen Einfälle – immerhin, und darauf habe ich ganz besonders hingewiesen – was soll denn mit mir werden? Wertvoller Beamter, kurz vor dem Nervenzusammenbruch. Und warum ich mich in Dreiteufelsnamen überhaupt auf dieses ganze Theater eingelassen habe – wenn mir jemand vor ein paar Jahren erzählt hätte, dass ich...«

    Hackett lachte.

    »Früher oder später erwischt es uns alle... Wir haben möglicherweise eine Identifizierung der Toten aus der Garey Street. Vor ein paar Minuten hat einer angerufen. Er kommt her. Ein gewisser James Ellis. Klang ganz gewöhnlich und solid.«

    »So? Das wäre ja schon ein Fortschritt.«

    »Ich hab’ mir gedacht, dass Sie mit ihm sprechen könnten. Ich will mit Palliser noch einmal durchgehen, was wir über diesen Einbrecher wissen.«

    »Na schön«, sagte Mendoza gähnend. Das mit dem Einbrecher war eine diffizile Sache, wie fast immer bei diesen Verbrechern. Er war, soviel sie bis jetzt wussten, in sieben Häuser eingedrungen – ohne Umschweife, am hellen Tag – hatte Frauen zu Hause allein angetroffen, vier davon überfallen, zwei vergewaltigt, und die anderen drei umgebracht, um anschließend mitzunehmen, was ihm gefiel. Die vier Überlebenden waren nicht unerheblich verletzt worden, hatten der Polizei aber eine genaue Beschreibung des Täters geben können. Es musste sich immer um denselben Mann handeln, aber damit kam man nicht weiter. Ein Neger, sagten die Überlebenden, hellbraun, fast einen Meter neunzig groß und breitschultrig, pockennarbige Haut. Alle schilderten schäbige Arbeitsbekleidung, dunkle Hose, khakifarbenes Hemd; eine Frau hatte ergänzend eine helle Schirmmütze erwähnt. Dine von diesen Frauen und zwei aus der Nachbarschaft der anderen hatten ihn entkommen sehen und erklärt, er steuere einen lädierten, alten hellblauen Kleinlastwagen, Marke Ford oder Chevrolet. Die vierte Frau, eine von den Vergewaltigten, war in psychiatrischer Behandlung und konnte keine vernünftigen oder brauchbaren Angaben machen.

    Das alles zusammen klang, als wüssten sie eine ganze Menge über den Verbrecher, aber in Wirklichkeit reichte es bei weitem nicht. Im Verwaltungsbezirk Los Angeles gab es sehr viele Neger; ein gewisser Teil davon, größer, als man glauben mochte, bestand natürlich aus höheren Angestellten und Intellektuellen, von denen viele ein sehr gutes Einkommen hatten und in vornehmeren Wohnbezirken lebten. Aber es blieb die Mehrheit. Viele Weiße und Schwarze trugen khakifarbene Hemden und dunkle Hosen. Und es gab eine Unzahl von alten, blauen Kleinlastwagen.

    Zurzeit gingen sie die Liste der Zulassungsstelle von Sacramento durch, in der alle derartigen im Verwaltungsbezirk Los Angeles zugelassenen Fahrzeuge registriert waren. Es gab natürlich keine Garantie dafür, dass der gesuchte Kleinlaster auf der Liste stand, keine Garantie, dass der Wagen wirklich in diesem Bezirk zugelassen worden war. Aber die Liste war äußerst umfangreich und um sie durchzugehen, brauchte man sehr viel Zeit und eine Menge Leute. Wenn sich nichts Interessantes zeigte, mussten sie in Sacramento umfassendere Register anfordern und von vorne anfangen. In der Zwischenzeit konnte man nur darauf hoffen, dass der Verbrecher nicht wieder von seinen Trieben geplagt wurde, bevor man ihm auf die Spur kam.

    Solche Fälle waren schwer zu lösen. Mendoza gähnte und dachte an die Tote aus der Garey Street. Er interessierte sich dafür, weil die Sache aus dem Rahmen des Üblichen fiel.

    Sie war am Montag früh gefunden worden; heute schrieb man Mittwoch. Ein entsetzter und aufgeregter Pater Michael Aloysius O’Callaghan hatte gemeldet, dass sie am Rand des Spielplatzes einer großen Bekenntnisschule von ein paar Kindern gefunden worden war. Beamte der Mordkommission waren hingefahren, um die Sache aufzunehmen, und auf den ersten, oberflächlichen Blick hin schien nichts Besonderes daran zu sein. Die Leiche einer jungen Frau, zwischen zwanzig und vierundzwanzig Jahren, einer verhältnismäßig gutaussehenden jungen Frau, als sie noch gelebt hatte, blond; keine Handtasche, keine äußerlich erkennbaren Verletzungen, und nirgends auch nur die kleinste Spur.

    Jackett hatte damals grimmig erklärt: »Wahrscheinlich wieder so eine Rauschgiftparty. Das Mädel erwischt zu viel, und sie laden die Leiche einfach irgendwo ab.«

    Mendoza hatte ihm recht gegeben. Garey Street gehörte nicht gerade zu den vornehmeren Bezirken. Solche Dinge gab es öfter: junge Leute, die sich trafen, um mit Heroin oder mit selbstgemachtem Schnaps zu experimentieren, wobei dann irgendjemand zu viel erwischte, und die anderen die Leiche in panischer Angst einfach irgendwo hinbrachten.

    Den einzigen Vorbehalt machte er wegen der Fundstelle. Die Bekenntnisschule war sehr groß, und wie bei den städtischen Schulen hatte man den Spielplatz mit einem siebeneinhalb Meter hohen Maschendrahtzaun eingefriedet. Die Tore wurden nachts natürlich abgeschlossen. Es konnte nicht gerade einfach gewesen sein, eine Leiche über den Zaun zu befördern, und schließlich gab es ja alle möglichen Stellen, wo die Tote ohne alle Mühe hätte abgeladen werden können: in dunklen Gassen, Nebenstraßen, auf unbebauten Grundstudien,

    Trotzdem war der Fall routinemäßig behandelt worden, bis Dr. Bainbridge den Obduktionsbericht heraufschickte. Die einigermaßen gutaussehende junge Blondine war nicht an einer Überdosis Heroin oder an Alkoholvergiftung gestorben. Sie war an einer Überdosis Kodein zugrunde gegangen und Bainbridge konnte sogar angeben, um welches Morphiumpräparat es sich handelte und welche Firma es herstellte.

    Das erweckte Mendozas Neugierde. Viele Leute begingen Selbstmord mit Schlaftabletten, aber sie komplizierten die Sache nicht, indem sie sich an derart abgelegene Plätze verfügten. Es hatte sich aller Wahrscheinlichkeit nach um einen sorgfältig geplanten Mord gehandelt, und im Gegensatz zu vielen Kriminalromanen hatte die Mordkommission einer Großstadt mit solchen Fällen nicht oft zu tun.

    »War sich dieser Ellis sicher?«, fragte er jetzt Hackett.

    »Ein bisschen vorsichtig ist er schon gewesen«, meinte Hackett. »Er sagte, als er und seine Frau heute früh das Bild in der Zeitung gesehen hätten, wären sie beide der Meinung gewesen, dass sie es sein könnte – aber ein Toter sieht ja nicht immer so aus wie vorher im Leben. Sie wollten sofort herkommen.« Er warf einen Blick auf die Uhr. »Ich bin mit Palliser verabredet. Bis später.«

    Er verließ das Zimmer, und eine Minute später steckte Sergeant Lake den Kopf zur Tür herein, um zu melden, dass Mr. und Mrs. Ellis eingetroffen seien.

    James Ellis war ein stämmiger, kleiner Mann um die Fünfzig, gepflegt und konservativ gekleidet. Schütteres, graues Haar, ehrliche, blaue Augen, ein kantiges Kinn. Mrs. Ellis war das Gegenstück dazu: eine einfache ältere Frau, mit bekümmertem Gesicht, im Sonntagsstaat – seidenes Kleid, marineblauer Mantel und Hut.

    Ellis war Bankkassier, ein sehr solider Mann.

    Jetzt saß er in Mendozas Büro, immer noch blass und erschüttert, zwanzig Minuten nach seinem Besuch im Leichenschauhaus. Er atmete immer wieder tief ein und wischte sich aufgeregt die Stirn.

    »Einfach furchtbar«, sagte er. »Eine schreckliche Tragödie. Die arme kleine Val.«

    Mrs. Ellis weinte leise.

    »Wir wollten doch wirklich helfen, Jamie, das weißt du. Ich glaube einfach nicht daran, dass sie wirklich schlecht war. Das Ganze ist eben zu einer recht ungünstigen Zeit passiert – sie konnte nicht – erst dreiundzwanzig, das ist so ungerecht. Das arme Kind.«

    »Valerie Ellis«, sagte Mendoza. »Was können Sie mir über sie erzählen, Mr. Ellis? Sie war Ihre Nichte, sagten Sie.«

    »Ja, Sir, das stimmt. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wer ihr so etwas Entsetzliches antun konnte. Aber ich muss sagen, dass wir nicht allzu viel über sie wussten – na ja, wie sie lebte, mit wem sie Umgang hatte – in letzter Zeit. Na, Mabel, führ dich nicht so auf. Du weißt, dass wir uns Mühe gegeben haben. Aber sie...«, er wischte sich wieder die Stirn und sah Mendoza ernsthaft an. »Sie wollte plötzlich mit allen Bekannten nichts mehr zu tun haben, als es passierte, verstehen Sie? Wir haben natürlich sofort zu ihr gesagt, komm zu uns – die einzigen Verwandten, sie war damals erst neunzehn –, und unsere beiden Kinder sind schon verheiratet und selbständig, wissen Sie. Es war einfach nicht richtig, dass ein so junges Mädchen ganz allein lebt. Aber sie wollte nicht. Ich muss schon sagen, dass sie oft recht ungezügelt war...«

    »Oh, aber Jamie, sie hätte doch nie etwas Böses getan! Freds Tochter...«

    »Na, ich weiß nicht«, sagte Ellis langsam. »Junge Leute in diesem Alter kommen manchmal vom richtigen Weg ab und geraten in schlechte Gesellschaft. Es war wirklich traurig, aber in gewisser Weise trug schon Fred die Schuld. Ich sagte ihm das oft genug...«

    »Mr. Ellis. Wenn Sie mir der Reihe nach erzählen könnten, was Sie wissen? Ich verstehe, dass Sie aufgeregt sind, aber...«

    »Oh, natürlich. Entschuldigen Sie, Sir. Ich sehe schon, dass Sie nicht wissen, wovon ich rede.«

    Ellis steckte sein zerknülltes Taschentuch weg, zog ein zweites, sauberes Tuch heraus und schnäuzte sich.

    »Wirklich traurig«, sagte er. »Die kleine Val. Sie war so ein nettes Ding... Ich weiß nicht, ob Sie sich für diese Sachen interessieren, Lieutenant, Sie brauchen es mir nur sagen, wenn Sie nichts damit anfangen können. Zuerst werden Sie wohl wissen wollen, wo sie gewohnt hat. Soviel uns bekannt war, jedenfalls noch bis vergangene Woche, hatte sie eine Wohnung in der Mariposa Street in Hollywood.« Er nannte die Hausnummer. »Wir hatten ihr angeboten, sie bei uns aufzunehmen, und vielleicht hätten wir. uns mehr um sie kümmern sollen – die einzigen Verwandten, und sie war ja noch so jung. Aber...«

    »Wir hätten es tun müssen«, sagte seine Frau. »Nur weil sie vielleicht ein bisschen unbesonnen war, umso mehr...«

    Sie weinte wieder.

    »Na ja, vielleicht, aber es war – schwierig«, sagte Ellis. »Ich will Ihnen erzählen, wie es gewesen ist, Lieutenant.« Er starrte bedrückt vor sich hin. »Sehen Sie, Fred – mein Bruder – war ein äußerst aktiver Mann. Nicht wie ich«, und er lächelte schwach. »Er hat viel Geld gemacht – Verkaufsleiter bei DeMarco und Spann, über fünfzehn Jahre, große Maschinenbaufirma, vielleicht kennen Sie sie. Er hatte ein hohes Einkommen, seit die kleine Val alt genug war, um das zu merken – und er gab das Geld aus. Immer wieder habe ich ihm gesagt, Fred, du musst etwas auf die Seite legen, für alle Fälle – verstehen Sie? Kauf doch Aktien, Pfandbriefe, oder leg dein Geld in Immobilien an – das ist das Vernünftigste, was man tun kann. Aber Fred sah das nicht ein – er war einfach nicht so gebaut.« Ellis schüttelte missbilligend den Kopf. »Sie haben sehr aufwendig gelebt. Ein Haus in Bel-Air, zwei Cadillacs, ein Dienstmädchen – er war durchaus kein Snob, Fred, und Amy, seine Frau auch nicht, sie haben uns zu ihren Partys eingeladen und so weiter, aber – Sie verstehen sicher, was ich meine. Entschuldigen Sie, ich komme so ins Reden, wollen Sie das überhaupt alles hören, ich weiß nicht ...«

    Er war ein ernsthafter, unglücklicher, durchschnittlicher kleiner Mann.

    »Alles, was Sie mir sagen können«, erwiderte Mendoza.

    »Immer wieder hab’ ich ihm beibringen wollen, dass man kein solches Risiko eingehen darf – er hat auch nie Versicherungen abgeschlossen, es war, als sei er abergläubisch, als könne ihm das Unglück bringen. Entschuldigung, Sie wollen sicher nicht hören – die arme, kleine Val. Vielleicht hätten wir uns mehr Mühe geben sollen, ich weiß nicht, auch wenn sie grob war und – aber geschehen ist geschehen. Mabel, nimm dich zusammen... Es war vor vier Jahren, dass Fred und Amy mit dem Wagen tödlich verunglückt sind. Der andere war schuld, ein Betrunkener – aber das nützte Fred und Amy gar nichts. Diese verdammten Besoffenen! Fred war erst neunundvierzig – ausgesprochen tragisch. Tja, ich hätte es natürlich Voraussagen können, übrig blieb gar nichts. Ein Haufen Schulden, das Haus war nicht abgezahlt – der Wagen hatte natürlich Totalschaden – keine Versicherung. Bis alles abgerechnet war, konnten mit den Sicherungsbeträgen für das Haus gerade die Schulden bezahlt werden, und die kleine Val bekam überhaupt nichts. Sie war neunzehn, gerade im ersten Jahr in der Berkeley-Universität – kurz vorher hatte man sie in eine ganz vornehme Studentenverbindung aufgenommen. Und sie hat eben immer alles gehabt – Sie verstehen mich? Kleider, ihren eigenen Wagen, seit sie aus der Oberschule war, alles, was sie wollte. Und sie ist – einfach zusammengebrochen, könnte man wohl sagen, als sie plötzlich allein dastand.« Er sah seine Frau unglücklich von der Seite her an.

    »Das ist vielleicht nur natürlich gewesen«, sagte sie. »Ein Mädchen in diesem Alter. Und sie war so verwöhnt! Sie musste die Universität verlassen, eine Stellung suchen und sich ihr Brot selbst verdienen.« Sie wischte sich die Augen. »Wir hatten nicht das Geld, um sie weiterstudieren zu lassen, aber wir haben ihr gesagt, dass sie bei uns immer ein Zuhause hat – das war eine Selbstverständlichkeit. Aber sie wollte nicht. Sie...«

    »Sie war empfindlich?«, ergänzte Mendoza, als sie zögerte. »Voll Bitterkeit, weil sie nichts mehr hatte, nachdem sie, wie man sagen könnte, im Luxus aufgewachsen war?«

    »Ja, genauso«, sagte Ellis. »Sie hat ein paar böse Worte gefunden, sie wolle keine Almosen annehmen und so weiter. Sie war schon recht verwöhnt, Mabel hat recht. Sie machte sich selbständig und – wir haben versucht, in Kontakt mit ihr zu bleiben, wir haben sie ab und zu zum Essen eingeladen. Aber andererseits, wissen Sie, Lieutenant, wie ich damals schon zu Mabel gesagt habe, es schadet jungen Leuten nichts, wenn sie auf eigenen Füßen stehen müssen, wenn sie lernen, was Geld verdienen heißt. Ganz im Gegenteil. Ich dachte mir, sie wird vielleicht vernünftig, wenn sie so auf sich selbst gestellt ist... Zuerst arbeitete sie bei Robinson, als Verkäuferin. Ich sagte

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