Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

GEFÄHRLICHE COCKTAILS: Der Krimi-Klassiker!
GEFÄHRLICHE COCKTAILS: Der Krimi-Klassiker!
GEFÄHRLICHE COCKTAILS: Der Krimi-Klassiker!
eBook293 Seiten3 Stunden

GEFÄHRLICHE COCKTAILS: Der Krimi-Klassiker!

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Ganz einfach: Man mischt dem Liebhaber ein Betäubungsmittel in den Cocktail – und dann: raus mit der Brieftasche!

Diese Methode war Lieutenant Mendoza vom Mord-Dezernat Los Angeles bekannt. Was ihn jedoch beunruhigte, war die Tatsache, dass das Opfer dieses Mal nicht wieder zu sich kam...

Der Roman Gefährliche Cocktails von Dell Shannon (= Leslie Egan und Elizabeth Linnington) erschien erstmals im Jahr 1967; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte im Jahr 1970.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum18. Okt. 2019
ISBN9783748718178
GEFÄHRLICHE COCKTAILS: Der Krimi-Klassiker!

Mehr von Dell Shannon lesen

Ähnlich wie GEFÄHRLICHE COCKTAILS

Ähnliche E-Books

Krimi-Thriller für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Verwandte Kategorien

Rezensionen für GEFÄHRLICHE COCKTAILS

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    GEFÄHRLICHE COCKTAILS - Dell Shannon

    Das Buch

    Ganz einfach: Man mischt dem Liebhaber ein Betäubungsmittel in den Cocktail – und dann: raus mit der Brieftasche!

    Diese Methode war Lieutenant Mendoza vom Mord-Dezernat Los Angeles bekannt. Was ihn jedoch beunruhigte, war die Tatsache, dass das Opfer dieses Mal nicht wieder zu sich kam...

    Der Roman Gefährliche Cocktails von Dell Shannon (= Leslie Egan und Elizabeth Linnington) erschien erstmals im Jahr 1967; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte im Jahr 1970.

    Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

    GEFÄHRLICHE COCKTAILS

    Erstes Kapitel

    Sie hatten sich in dem kleinen Café am Sunset Boulevard verabredet, wo sie sieh schon früher verschiedentlich getroffen hatten. Es war ein sauberes kleines Lokal, wo man in Ruhe, ohne von einem ungeduldigen Kellner bedrängt zu werden, bei einer Tasse Tee sitzen und sich unterhalten konnte. Dorothy Swanson, die ältere der beiden, die zuerst ankam, hatte allerdings nicht die Absicht, sich Tee zu bestellen. Vier Jahre in Kalifornien hatten sie gelehrt, dass es hoffnungslos war, in Amerika richtig zubereiteten Tee zu erwarten.

    Sie setzte sich in eine Nische im etwas düsteren Hintergrund des Lokals und bestellte sich eine Portion Kaffee, während sie auf das andere Mädchen wartete. Sie gestand sich ein, dass sie jetzt eigentlich genug hatte vom kalifornischen Sonnenschein Und der amerikanischen Lebensweise. Wie viele andere junge Engländerinnen, die hier arbeiteten, zumeist als Haustöchter und Kindermädchen, hatte sie das Geld gelockt, das hier geboten wurde. Doch je länger sich ihr Aufenthalt hinzog, desto stärker wurde das Heimweh nach Winscombe und dem stillen Hügelland von Cotswold. Immer nur Sonnenschein macht eben auch nicht glücklich. Sie trank einen Schluck Kaffee und beschloss, dem Vermittlungsbüro demnächst mitzuteilen, dass diese Aushilfsstellung ihre letzte sein würde. Sie wollte wieder nach Hause.

    Dann glitt das andere Mädchen in die Nische und ließ sich ihr gegenüber nieder.

    »Ich hab’ den Bus um zwölf verpasst«, sagte sie. »Tut mir leid, dass ich so spät dran bin, Dot. - Du, Dot, ich wollte dich übrigens etwas fragen...« Sie brach ab, als die Kellnerin kam, und bestellte sich Kaffee und ein belegtes Brötchen. »Dot...«

    »Was macht die Arbeit?«, erkundigte sich die andere. Manchmal fiel ihr Carole Leslie auf die Nerven. Sie ärgerte sich darüber, dass sie ständig von dem Gefühl bedrängt wurde, für das Mädchen verantwortlich zu sein. Aber das war ihre eigene Schuld. Wenn Carole nicht zusammen mit Dorothys jüngerer Schwester zur Schule gegangen wäre, wenn sie nicht davon gehört hätte, was für ein herrliches Leben Dorothy in Amerika führte, wenn ihre Mutter Dorothy nicht geschrieben und sie gebeten hätte, ein Auge auf Carole zu haben, wenn sie nicht zu Pflichtgefühl und Verantwortungsbewusstsein erzogen worden wäre - ja, wenn... Nun, es war nicht zu ändern.

    »Ach, mir gefällt es überhaupt nicht mehr.«

    Strahlend blondes, kurzgeschnittenes Haar umgab wie ein Glorienschein Caroles Kopf. Sie hatte einen Teint wie Milch und Blut. Die Augen waren groß und tiefblau. Ihr Mund war mit grellrosa Lippenstift geschminkt. Dorothy fand die Farbe viel zu auffallend. Doch Carole war erst neunzehn Jahre alt.

    »Ich wollte dir erzählen - aber wie macht sich denn deine neue Stellung?« Es war klar, dass sie nur aus Höflichkeit fragte. »Du sagtest, es wäre nur eine Aushilfsstellung?«

    »Ja, nur für zwei Monate«, erwiderte Dorothy zerstreut. »Die Zwillinge sind ja goldig...«

    »Zwillinge? Ach wie süß! Wie alt?«

    »Knapp zwei. Ein Junge und ein Mädchen.«

    Die Kellnerin kam mit dem Kaffee und dem belegten Brötchen. Dorothy bestellte sich ebenfalls etwas zu essen.

    »Aber du wolltest mir doch von deiner Arbeit erzählen, Carole«, wandte sie sich dann an ihre Freundin. »Letztes Mal sagtest du...«

    »Hm«, machte Carole mit vollem Mund und kaute hastig. »Ich muss dir einfach mein Herz ausschütten, Dot. Ich glaube, da stimmt was nicht ganz. Irgendetwas ist da im Gange. Mir gefällt’s überhaupt nicht. Ich meine, die ganze Stellung passt mir nicht. Erst dachte ich, es wäre eine erholsame Abwechslung nach dem Theater mit diesen grässlichen Gören von den Millers - du weißt schon, meine erste Stellung. Und zuerst ließ es sich ja auch gar nicht so übel an. Ich fand es zwar ein bisschen sonderbar, dass sie eine Haustochter suchte - sie ist ja höchstens fünfunddreißig -, aber sie machte einen ganz netten Eindruck und sieht auch nicht schlecht aus. Sie redet gern über Kleider, zeigte mir ihre ganze Garderobe und ist soweit recht nett und harmlos. Aber auf die Dauer ist sie sterbenslangweilig. Ich glaube, ich kenne inzwischen ihre Lebensgeschichte von A bis Z. Außerdem stört es mich, dass sie so abfällig über ihren Mann redet. Der ist nämlich wirklich ein sympathischer Mensch. Er erinnert mich ein bisschen an meinen Vater, weißt du. Und dann erzählt sie mir dauernd von ihrer Erbschaft und dem obskuren Onkel, der plötzlich aus der Versenkung auftauchte und ihr sein ganzes Geld hinterließ, obwohl sie sich seiner kaum mehr entsinnen konnte. Na, das hab’ ich dir ja alles schon erzählt. Ich muss mich weiß Gott nicht zu Tode arbeiten, höchstens ein bisschen aufräumen, das Mittagessen machen und Geschirr spülen. Dafür muss ich mir aber die meiste Zeit ihr Geschwätz anhören. Sie weiß mit sich allein nichts anzufangen. Aber ich glaube wirklich, dass da etwas im Gange ist, Dot.«

    Carole legte ihr Brötchen auf den Teller und starrte Dorothy mit gerunzelter Stirn an.

    »Wie meinst du das?«

    Das wenige, was Carole ihr vor einigen Wochen berichtet hatte, war auch Dorothy recht merkwürdig erschienen. Eine seltsame Stellung.

    »Du weißt, dass es mir nicht einfallen würde zu lauschen«, erklärte Carole. »Bestimmt nicht. Aber neulich bat sie mich, den Kaffee zu machen. Ich wollte ihn gerade ins Zimmer bringen, da hörte ich die beiden reden - sie und den anderen, den Bruder ihres Mannes. Der kommt häufig zu Besuch. Und er ruft immer an, wenn Mr. Newhouse im Büro ist. Sie hat mir übrigens erzählt, dass sie Mr. Newhouse dazu überreden wollte, seine Stellung aufzugeben, wo sie doch jetzt das viele Geld haben. Sie will unbedingt reisen. Aber er weigert sich.«

    »Sehr vernünftig. Wie gewonnen, so zerronnen«, stellte Dorothy ein wenig altbacken fest.

    »Ja, wahrscheinlich. Also, wie gesagt, ich wollte bestimmt nicht lauschen, Dot, aber sie redeten so laut, als ich den Kaffee brachte, dass ich es hören musste. Es war am letzten Samstagnachmittag. Der Bruder war da. Als ich zur Tür ging, hörte ich ihn sagen: Wir könnten eine Menge Spaß miteinander haben, Evelyn, wenn du diesen Sauertopf los wärst. Und sie antwortete: Ja, du hast allen Grund, ihn auf immer loswerden zu wollen, nicht wahr? Es klang nachdenklich, so als überlegte sie. Er sagte dann schnell: Es geht uns beide an. Und dann waren sie still, weil ich zur Tür hereinkam. Es klang wirklich merkwürdig, Dot. Meinst du, die beiden haben vor, sich davonzumachen? Vielleicht will sie sich von Mr. Newhouse scheiden lassen.«

    Auch Dorothy schien dieses Gespräch reichlich seltsam.

    »Ich weiß nicht«, meinte sie, »Aber ich kann verstehen, dass dir die Stellung nicht besonders gefällt.«

    »Ich habe einfach nicht genug zu tun. Dabei zahlt sie mir zweihundert Dollar im Monat. Stell dir das vor! Aber es ist mir zu langweilig, Dot. Da schlag5 ich mich schon lieber mit brüllenden Kindern herum. Mr. Newhouse mag ich gern, aber er ist nur abends zu Hause. Außerdem geht er regelmäßig zu seinem Schachabend. Das ist übrigens auch so eine Sache. Er geht jeden Dienstagabend Schach spielen, und dann erscheint prompt der andere, der Bruder, jedenfalls war das in den letzten drei Wochen so. Sie machen dann einfach die Tür zum Wohnzimmer zu und lassen sich nicht mehr blicken.«

    »Ich glaube, es ist besser, wenn du Ende des Monats kündigst und dir von Mrs. Spain etwas anderes besorgen lässt«, sagte Dorothy. »Es hat wirklich den Anschein, als entwickle sich da etwas Unerfreuliches.«

    »Das dachte ich mir auch.«

    »Was hast du am Sonntag gemacht?«

    »Ach, da war ich am Strand. Mit Randy.«

    »Randy Bearley? Der Junge von der Tankstelle? Hör mal, Carole, ich glaube, das ist kein richtiger Umgang.« Sie zögerte. Carole konnte manchmal recht störrisch sein, und je mehr man sagte, desto dickköpfiger wurde sie meist.

    »Randy ist ein netter Kerl«, erklärte Carole und trank einen Schluck Kaffee. »Hast du Lust, ins Kino zu gehen? Ich weiß zwar nicht, was gegeben wird, aber...«

    »Ich muss Einkäufe machen«, versetzte Dorothy und blickte auf ihre Uhr.

    Es war schon zwei Uhr. Donnerstags musste sie um halb sechs Uhr zurück sein. Sie wollte aber noch das Geburtstagsgeschenk für ihre Mutter besorgen. Wenn sie sich nicht aus unerfindlichen Gründen für Carole verantwortlich gefühlt hätte, hätte sie sich gar nicht die Zeit genommen, sich mit dem Mädchen zu treffen. Sie nahm ihr Portemonnaie heraus und warf einen Blick auf die Rechnung.

    »Willst du mitkommen?«, fragte sie Carole.

    »Hm«, machte Carole und nickte vergnügt, während sie den letzten Bissen ihres Brötchens in den Mund stopfte. »Mit Vergnügen. Die Läden hier sind so verlockend.« Sie strahlte Dorothy an, tupfte sich sorgfältig den Mund ab und wühlte in ihrer Handtasche nach dem Lippenstift. »Ich glaube, du hast Recht. Es ist das Beste, wenn ich kündige. Mrs. Spain von dem Vermittlungsbüro hat mir gesagt, es gäbe haufenweise offene Stellen, und außerdem habe ich ein bisschen Geld gespart. Er hat noch etwas gesagt - der Bruder, meine ich -, was mir seltsam vorkam. Ich begriff zwar nicht ganz, was es zu bedeuten hatte, aber es steht fest, dass er von Mr. Newhouse nicht viel hält. Und weißt du, Dot, es ist doch auch irgendwie sonderbar, dass er immer dann auftaucht, wenn Mr. Newhouse nicht da ist. Mir ist wirklich unbehaglich.«

    »Das kann ich verstehen«, sagte Dorothy.

    Zumindest hatte sich Carole ihren Sinn für Anständigkeit bewahrt. Zwar war sie manchmal ein bisschen unreif und flatterhaft, doch in dieser Sache schien ihr gesunder Menschenverstand zu siegen. Dorothy wäre eigentlich viel lieber allein losgezogen, um das Geburtstagsgeschenk für ihre Mutter zu kaufen. Das Geplapper Caroles würde sie nur ablenken. Außerdem wurde es allmählich Zeit, dass Carole auf eigenen Füßen stand und sich selbst ein Urteil über die Menschen bildete. Aber das konnte man ihr natürlich nicht so unverblümt sagen. Dieser Randy war ja ein Tunichtgut, aber er sah gut aus, und Carole war erst neunzehn Jahre alt.

    Sie steckte ihr Portemonnaie wieder ein und holte einen Notizblock aus der Handtasche.

    »Du hast meine neue. Adresse nicht«, meinte sie. »Und die Telefonnummer. Ich schreib’ dir das lieber auf. Und hör zu, Carole, wenn irgendetwas Merkwürdiges passiert - wenn du irgendetwas auf dem Herzen hast, dann ruf mich ruhig an.«

    Sie schrieb Adresse und Telefonnummer auf den Block, riss den Zettel ab und schob ihn über den Tisch.

    Carole drückte eine Ecke der Papierserviette auf den frisch geschminkten Mund.

    »Mach dir keine Sorgen. Es wird schon alles gut gehen. Ich sage einfach, dass ich Ende des Monats weg will. Die können mich ja schließlich nicht festbinden. Trotzdem vielen Dank, Dot.«

    Dorothy legte das Geld auf den Tisch, dazu 25 Cent Trinkgeld und stand auf. Mit Carole im Gefolge schritt sie zur Tür.

    Als die Kellnerin zu dem verlassenen Tisch trat, verzog sie angesichts des bescheidenen Trinkgelds säuerlich den Mund und wischte dann mit rascher, geübter Hand Krümel und zusammengeknüllte Papierservietten auf ihr Tablett, stapelte die schmutzigen Teller und Tassen auf und marschierte in die Küche. Auch der kleine Zettel, auf dem in flüssiger, rechts geneigter Handschrift Mrs. Mendoza, 311 Rayo Grande Avenue, Hollywood - 377-4684 stand, landete im großen Mülleimer in der Küche.

    »Doch der Narr folgt seinem Trieb«, bemerkte Mendoza und ließ sich brummend in dem Drehsessel hinter seinem Schreibtisch nieder. »Diese Halbstarken! Diese Tagediebe und Strolche! Oder sollte ich etwa mit zunehmendem Alter unduldsamer werden?«

    »Die meisten von ihnen«, meinte Grace mit seiner weichen, melodischen Stimme, »würden gar nicht so weit sinken, wenn sie keine Narren wären.«

    »Sicher, sicher«, stimmte Mendoza zu, »aber ich habe es manchmal einfach satt, mich mit ihnen herumschlagen zu müssen, Jase.«

    Higgins sagte nichts. Er steckte sich eine Zigarre an und stieß mit einem tiefen Seufzer den Rauch aus. Sie hatten eben eine Sitzung mit einem dieser Dummköpfe hinter sich. Unablässig machten ihnen diese Kerle zu schaffen, die unfähig - oder unwillig - waren, auch nur fünf Minuten vorauszudenken, die ihr ganzes Leben nur das taten, was ihnen gerade in den Sinn kam und dann höchst unangenehm überrascht oder empört waren, wenn ihnen die Rechnung präsentiert wurde. Der junge Mann, dessen Verhör sie soeben abgeschlossen hatten, ein gewisser William Roudybush, hatte eine lange Liste kleinerer Vergehen vorzuweisen - Trunkenheit am Steuer, nächtliche Ruhestörung, Ladendiebstahl, Taschendiebstahl - und hatte sich nun, ganz ohne es zu wollen, ein weit schwereres Verbrechen aufgeladen. Er hatte sich nämlich in einer Bar in der 1. Straße in eine Schlägerei eingelassen und dabei seinen Gegner mit solcher Wucht gegen die Bartheke geschleudert, dass dieser einen tödlichen Schädelbruch erlitten hatte.

    Man würde ihn wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht stellen und ihn für etwa zehn Jahre ins Gefängnis stecken. Der Fall lag verhältnismäßig einfach, doch Arbeit gab es immer.

    »Mensch, ich war eben blau«, hatte er gesagt. »Ich wollt’ doch niemanden umbringen. Ich war betrunken, weiter nichts. Ich hab’ den Kerl ja nicht mal gekannt. Dafür werden Sie mir doch nichts anhängen, oder?«

    Ja, manchmal war Mendoza es wirklich müde, sich mit diesen hirnlosen Narren abgeben zu müssen. Doch es gehörte nun einmal zum Beruf, und die Arbeit musste getan werden.

    Dieser November - und glücklicherweise war es endlich einmal ein November, wie er sein sollte, mit kühlen Tagen, wölken verhangenem Himmel, ja sogar einigen Regenwolken -, dieser November also hatte dem Morddezernat von Los Angeles bereits den fälligen Anteil an Halbstarken und jugendlichen Tunichtguten beschert. Ein junger Mann hatte im Heroinrausch den Inhaber eines Spirituosengeschäfts niedergeschossen, um sich das Geld für die nächste Spritze zu beschaffen. Bandenkämpfe in der Hafengegend hatten zwei Halbwüchsigen das Leben gekostet. Eine alte Frau war bei einem Raubüberfall brutal totgeschlagen worden. In dieser Sache waren ihre Ermittlungen bisher völlig ergebnislos geblieben, und es sah so aus, als hätten sie sich festgefahren. Die Akte würde wahrscheinlich im Archiv landen. In der 4. Straße hatte eine Frau sich mit Gas vergiftet, hatte aber wenigstens einen Abschiedsbrief hinterlassen. Dann war da noch der Mann, der seine Frau erwürgt hatte, weil sie ihn betrogen hatte. Palliser erledigte in diesem Fall gerade die letzten Formalitäten, während Piggott und Glasser den Täter suchten, der den Apotheker in der San Pedro Street niedergeschlagen und getötet hatte, als er in die Apotheke eingebrochen war, um an die Rauschgifte zu gelangen.

    Sergeant Lake steckte den Kopf zur Tür herein.

    »Kaffee gefällig?«, fragte er. »Übrigens kam ein Anruf, als Sie beim Verhör waren. Art kümmert sich um die Sache.«

    »Na und?«, murmelte Mendoza lustlos.

    Doch Higgins erkundigte sich mit leisem Interesse nach näheren Einzelheiten.

    Lake zuckte die Achseln.

    »Eine Tote. Drüben in der Pomeroy Avenue. Mehr kann ich Ihnen auch nicht sagen.«

    Das Telefon auf seinem Schreibtisch im Vorzimmer läutete, und er verschwand.

    Mendoza gähnte.

    Lake riss die Tür wieder auf. »Es ist Art«, verkündete er. »Für Sie, Lieutenant.«

    Mendoza stand auf und ging zum Telefon.

    »Was gibt’s?«

    »Vergewaltigung und Mord«, berichtete Hackett. »Ich brauche die ganze Mannschaft, Luis. Die Sache ist reichlich verwirrend. Der kleine Junge lief zu den Nachbarn und erzählte dort, ein böser Mann hätte seiner Mami wehgetan. Der böse Mann hätte sie geschlagen. Der Kleine bekam es offenbar mit der Angst zu tun und rannte davon. Aber Sie wissen ja, wie Kinder sind. Überhaupt kein Zeitgefühl. Die Nachbarin, eine Mrs. Färber, ging zum Haus hinüber, um nachzusehen. Dann rief sie uns sofort an. Das ist im Moment alles. Die Tote ist eine Mrs. May Gerner. Der Mann arbeitet irgendwo als Barkeeper. Sie hat drei Kinder. Der Älteste ist sieben. Der Arzt meinte, sie wäre wahrscheinlich vergewaltigt und dann erwürgt worden. So sieht es jedenfalls aus. Bainbridge wird uns Näheres sagen können. Vorläufig nehmen wir an, dass sie seit etwa einer Stunde tot ist.«

    Mendoza legte auf. Er starrte zum Fenster hinaus. Es war siebzehn Uhr vierzig. Draußen wurde es langsam dunkel. Die Pomeroy Avenue war eine alte, heruntergekommene Straße im Herzen von Los Angeles, es war keine Slumgegend, aber die Häuser dort unten, auf schmalen Grundstücken erbaut, waren eben verwohnt - und längst nicht mehr neu. Ein tätlicher Angriff, eine Vergewaltigung, ein Mord zu jener Zeit, in jener Gegend? Es schien unwahrscheinlich, doch es war geschehen.

    Mendoza befahl Lake, die Leute vom Spurensicherungsdienst zusammenzutrommeln.

    »Am besten gehen wir alle zusammen«, sagte er.

    Palliser trat ein und legte einen Bericht in dreifacher Ausfertigung auf den Schreibtisch.

    »Damit wäre dieser Fall erledigt. Sagen Sie bloß nicht« - als Mendoza seinen Hut nahm »dass schon wieder was passiert ist. So kurz vor Dienstschluss!«

    »Was denn sonst?«, meinte Higgins gähnend. »Diesen Kerlen ist es doch schnuppe, welche Zeit es ist.«

    Palliser sah verlegen aus. »Brauchen Sie mich auch?«, erkundigte er sich zögernd.

    Mendoza lächelte ihn an.

    »Ich will diesmal ein Einsehen haben. Gehen Sie nach Hause, novio

    Palliser war erst seit zwei Monaten verheiratet. Seine junge Frau wartete in dem kleinen Haus in der Tamarind Avenue auf ihn.

    »Sie haben gestern ja Überstunden gemacht. - Verflixt, bis wir da hinkommen! Ich glaube, ich rufe Alison lieber an.« Sergeant Lake wählte schon und reichte ihm den Hörer, während Higgins seine Krawatte zurechtrückte und Grace nach seinem Hut griff. »Hallo? Hermosa!«, sagte Mendoza. »Ich bin’s. Ich werde heute Abend...«

    »...später kommen«, beendete Alison den Satz. »In Ordnung. Die halten dich aber wirklich auf Trab. Na schön, ich werde mich einrichten.«

    »Alles in Ordnung zu Hause? Wie macht sich das Mädchen? Anständig?«

    »Oh, ja«, gab Alison zurück. »Sehr anständig, aber mit Maíri natürlich nicht zu vergleichen.«

    »Natürlich.«

    Ihre Perle, Maire MacTaggart hatte sie glücklicherweise nur für kurze Zeit verlassen. Ihre Schwester hatte sich nämlich das Bein gebrochen, und Maíri war pflichtschuldigst abgefahren, um sie zu pflegen. Ich werde nicht lange wegbleiben, hatte sie versichert. Janet hat eine Rossnatur. Der Bruch wird schnell heilen. Von solchen Sachen lassen wir uns nicht unterkriegen. Aber Sie werden sicher verstehen, dass ich sie nicht allein lassen will. Janet hat mir übrigens von einer Agentur erzählt, die ausländische Mädchen in Familien vermittelt, zum größten Teil Engländerinnen. Und wenn’s mir auch gegen den Strich geht, das sagen zu müssen, die meisten Engländerinnen sind eben, doch gut ausgebildet und arbeitsam - und Janet wird ja bestimmt bald wieder auf dem Damm sein.

    »Ich glaube nicht, dass ich spät kommen werde«, sagte Mendoza...

    »Das Versehen kenne ich. Heute ist sowieso Restetag. Da versäumst du nichts. Geh nur los und nimm die neue Leiche unter die Lupe.«

    Sie fuhren hinaus in die Pomeroy Avenue und sahen sich die Tote an. Dann sagte Mendoza den Sanitätern, sie könnten die Frau wegbringen. Er würde sich den genauen Befund später von dem leicht reizbaren Doktor Bainbridge geben lassen.

    Es ist niemals erfreulich, dem Tod ins Angesicht zu blicken. Hier handelte es sich um eine junge Frau, eine recht hübsche junge Frau, mit dunklem lockigem Haar, einer kleinen Stupsnase und einer erfreulich proportionierten Figur. Sie war tot. Blut befleckte den Teppich im Wohnzimmer. Es war ein ordentliches und sauberes Zimmer in einem alten, reinlich gehaltenen Haus.

    Die Nachbarin, Mrs. Färber, die zwei Häuser weiter wohnte, empfing die Beamten mit einem Wortschwall.

    »Es ist einfach unglaublich, wo hier doch die Häuser so nah beieinander stehen. Und ich habe keinen Ton gehört, nichts gesehen. Natürlich haben die Kinder auf der Straße gespielt, und es war recht laut draußen, aber trotzdem... Und die Weavers nebenan arbeiten ja beide. Aber auf der anderen Seite wohnt Mrs. Pitts. Die ist den ganzen Tag zu Hause. Man sollte doch meinen, dass die wenigstens etwas gehört hätte. - Ja, sie war ein netter Kerl, eine gute Frau und eine gute Mutter. Sie hat ihre Kinder nicht verwöhnt. Die drei sind immer höflich und nett. Überhaupt eine nette Familie. Das sieht man gleich. Natürlich kennen wir Mr. Gerner nicht so gut, er ist ja den ganzen Tag nicht zu Hause, aber Mrs. Gerner war wirklich eine nette Frau. Ich kann es einfach nicht glauben, dass sie tot ist. Eine grässliche Art zu sterben. Umgebracht. Dabei waren hier doch überall Menschen - und am helllichten Nachmittag!«

    Sie war eine magere Frau mittleren

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1