DAS MÄDCHEN IM BIKINI: Der Krimi-Klassiker!
Von Spencer Dean
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Über dieses E-Book
Der Nordsturm rüttelte an den großen Fenstern der alten Villa am Ufer des Hudson und fegte wirbelnd über den verschneiten Rasen. Im Zimmer war es gemütlich warm. Die brennenden Birkenscheite im Kamin ließen rote Reflexe über die schmiedeeisernen Beschläge huschen. Die Hitze hatte die dänische Dogge in die Ecke neben der Terrassentür vertrieben. Dort hatte sie sich ausgestreckt, den Kopf auf die Vorderläufe gelegt, wachsam mit den Augen blinzelnd.
Trotz der Wärme überlief es John Maisler eiskalt...
Der Roman Das Mädchen im Bikini des US-amerikanischen Schriftstellers Spencer Dean (* 1895; † Februar 1978) erschien erstmals im Jahr 1961; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1962.
Der Signum-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur.
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Buchvorschau
DAS MÄDCHEN IM BIKINI - Spencer Dean
Das Buch
Der Nordsturm rüttelte an den großen Fenstern der alten Villa am Ufer des Hudson und fegte wirbelnd über den verschneiten Rasen. Im Zimmer war es gemütlich warm. Die brennenden Birkenscheite im Kamin ließen rote Reflexe über die schmiedeeisernen Beschläge huschen. Die Hitze hatte die dänische Dogge in die Ecke neben der Terrassentür vertrieben. Dort hatte sie sich ausgestreckt, den Kopf auf die Vorderläufe gelegt, wachsam mit den Augen blinzelnd.
Trotz der Wärme überlief es John Maisler eiskalt...
Der Roman Das Mädchen im Bikini des US-amerikanischen Schriftstellers Spencer Dean (* 1895; † Februar 1978) erschien erstmals im Jahr 1961; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1962.
Der Signum-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur.
DAS MÄDCHEN IM BIKINI
Erstes Kapitel
Der Nordsturm rüttelte an den großen Fenstern der alten Villa am Ufer des Hudson und fegte wirbelnd über den verschneiten Rasen. Im Zimmer war es gemütlich warm. Die brennenden Birkenscheite im Kamin ließen rote Reflexe über die schmiedeeisernen Beschläge huschen. Die Hitze hatte die dänische Dogge in die Ecke neben der Terrassentür vertrieben. Dort hatte sie sich ausgestreckt, den Kopf auf die Vorderläufe gelegt, wachsam mit den Augen blinzelnd. Trotz der Wärme überlief es John Maisler eiskalt.
Dieses Gefühl war nicht neu für den jungen Mann mit dem verhärmten Gesicht und dem nachdenklichen Blick. Am Strand von Key Hondo, als er plötzlich gespürt hatte, wie sich ein schleimiger Fangarm um seine Knöchel legte, war dem damals Dreizehnjährigen ebenfalls der kalte Schweiß ausgebrochen. Panik hatte ihn erfasst, und er wäre beinahe ertrunken. Von einem Rettungsschwimmer war er an Land gebracht worden, und obwohl er sich hatte überzeugen können, dass es sich nicht um den Fangarm eines Kraken, sondern lediglich um Seetang gehandelt hatte, war ihm noch lange Zeit danach elend gewesen.
Seither hatte er manche ähnliche Situation erlebt. Am schlimmsten war es an jenem verhängnisvollen Morgen in Fort Benning gewesen. Um sein Selbstvertrauen wieder herzustellen, hatte er sich zu den Fallschirmjägern gemeldet, aber es war ihm unmöglich gewesen, den ersten, alles entscheidenden Sprung aus dem Flugzeug zu wagen. Noch heute bekam er feuchte Hände, wenn er nur an jene Zeit zurückdachte. Man hatte ihm klargemacht, dass er deshalb noch kein Versager sei und beim Heer einen durchaus guten Soldaten abgeben könne. Aber er machte sich nichts vor - er war ein Feigling. Mit dieser Tatsache musste er sich abfinden. Er konnte lediglich versuchen, seine Feigheit so gut wie möglich zu verbergen. Aber jetzt schien es ihm unmöglich, noch länger vor diesem Mädchen Theater zu spielen.
Sie hatte sich auf dem Sofa zurückgelehnt. Die flackernden Flammen übergossen ihr honigfarbenes Haar und die schlanken nylonbestrumpften Beine mit flüssigem Gold. Sie« besaß die nötigen Rundungen, um ein Männerherz höher schlagen zu lassen, aber ihr Gesicht war ein wenig plump. Die blauen Augen standen eine Idee zu weit auseinander, und ihr Mund war etwas zu klein. Seltsam, dass ihm diese winzigen Schönheitsfehler erst in den letzten zwei Tagen aufgefallen waren, nachdem er eine Menge über sie erfahren hatte. Da war es plötzlich aus gewesen mit seiner Vernarrtheit.
»Ein Penny, John.« Sie hielt eine imaginäre Münze in die Flöhe.
»Ich denke, ich steige lieber aus, bevor ich bis zum Hals drinstecke.« Er lächelte gezwungen.
»Wieso, Johnny!« Sie richtete sich steil auf. »Bis jetzt hast du dir nicht einmal die Füße nassgemacht.«
»Das möchte ich auch nicht, Doll. Ich bin allergisch gegen kalte Füße.«
Sie streckte lässig die Beine aus, als wolle sie seine Blicke darauf lenken. »Interessiert dich denn gar nicht, was du da herausholen könntest?«
»Schließlich muss ich es gegen das ab wägen, in das ich geraten würde.« Er trat an die Terrassentür und blickte hinunter zu dem schwarzen Fluss, der sich dreißig Meter weiter hinter der verschneiten Hecke erstreckte.
»Mir wäre es schon recht, Darling.« Sie zuckte lässig die nackten Schultern. »Aber den anderen vielleicht nicht.«
»Die brauchen sich wegen mir keine Sorgen zu machen.« Über dem Heulen des Windes im Kamin und dem Krachen der Birkenscheite vernahm er ein klickendes Geräusch. Es kam wohl von den vom Sturm gerüttelten Fenstern her. »Ich werde niemandem Scherereien machen. Ich steige lediglich aus, Doll.« Nebenan im Wohnzimmer begann inzwischen das Spiel um hohe Einsätze.
»Du hast dir gewiss nicht überlegt, was ich davon halte«, murmelte sie.
»Oh, doch«, erwiderte er ernsthaft. »Du würdest noch viel weniger von mir halten, wenn ich dann am Schluss doch noch schlappmachte.« Er lächelte schief. »Darum ist es für mich besser, good-bye zu sagen.«
»Du wirst nicht gehen, Johnny!« Sie sprang auf.
»Er tut mir wirklich leid, Doll.«
»Du hast mich missverstanden, Darling.« Sie durchquerte den Raum und legte die Hand auf den Messingknopf der Eichentür, die zum Wohnzimmer führte. »Ich habe dich nicht gebeten - ich habe es dir befohlen!«
Die große Dogge hob den Kopf und knurrte.
Zweites Kapitel
Das rote Auge der Wechselsprechanlage blinkte, und die angenehme Stimme der Sekretärin ertönte.
»Berta Woodring möchte Sie sprechen, Mr. Cadee. Sie ist vom Plattenparadies.«
»Fragen Sie sie, ob es sehr dringend sei, Becky«, erwiderte der Chefdetektiv von Amblett. »Um eins muss ich Miss Forde ablösen, und jetzt ist es fünf vor eins.«
»Ich glaube, Sie sollten mit ihr sprechen.« In Becky Kahns Stimme schwang Mitgefühl, und das war an sich schon ungewöhnlich.
»Na schön, schicken Sie sie herein.« Don Cadee konnte sich nicht an Berta Woodring erinnern, aber schließlich war es unmöglich, alle achtzehnhundert Angestellten des Kaufhauses Amblett zu kennen. Vielleicht gehörte sie auch zu den Aushilfskräften, die man für das Weihnachtsgeschäft eingestellt hatte. Die Verkäuferinnen wandten sich nur selten an den Chefdetektiv. Normalerweise besprachen sie ihre Probleme mit dem Abteilungsleiter. Vielleicht stand Berta Woodring im Verdacht, ein paar Schallplatten entwendet zu haben, und wollte sich nun verteidigen, bevor sie den rosa Entlassungszettel in ihrer Lohntüte fand.
Aber das Mädchen, das im nächsten Augenblick sein Büro betrat, wirkte weder reuevoll noch trotzig. Sie war klein und schlank, und ihre Pferdeschwanzfrisur hatte die Farbe einer reifen Kastanie. Sie besaß ein schmales Gesicht mit weit auseinanderliegenden Augen. In ihrer Hemdbluse und dem braunroten Kostüm machte sie einen zarten Eindruck. Ihre Augen waren dunkel und sorgenvoll, und ihre Stimme klang schüchtern.
»Es tut mir sehr leid, Sie zu stören, Mr. Cadee, aber ich wüsste nicht, an wen ich mich sonst wenden sollte.«
»Schon gut. Nun setzen Sie sich und erzählen Sie mal.«
»Die Mädchen in meiner Abteilung sagten mir, dass Sie mir helfen könnten.«
»Nun, manchmal können wir wirklich helfen.« Er lehnte sich zurück und fuhr mit den Fingern durch sein vorzeitig weiß gewordenes Haar. »Aber zunächst muss ich einmal wissen, was eigentlich los ist.«
»Es handelt sich um Mr. Maisler.« Sie musterte ihn fragend, ob die Erwähnung dieses Namens irgendeine Reaktion bei ihm auslöste. »Sie kannten doch Mr. Maisler?«
»Den Einkaufsassistenten in Glas und Porzellan?« Er nickte.
»Dann wissen Sie sicher auch, dass er letzte Woche das Geschäft verließ?«
»Ja.« Es hatte keine offizielle Entlassung gegeben, aber man munkelte, dass Maisler von Lieferanten Provisionen angenommen hatte und deshalb gegangen worden war. Soviel Don Cadee wusste, hatte der frühere Einkaufsassistent nicht den geringsten Versuch unternommen, sich gegen diese Vorwürfe zu wehren.
»Johnny Das Mädchen errötete. »Ich meine - Mr. Maisler war vier Jahre bei Amblett, und nun - genau zwei Wochen vor Weihnachten - hat man ihn gehen lassen. Ohne, dass man den geringsten Beweis für eine Unregelmäßigkeit gehabt hätte.«
Seltsam, dachte Don. Ihre Stimme klingt ärgerlich, aber sie wirkt immer noch so verängstigt.
»Sie waren mit Maisler befreundet?«
»Sehr gut befreundet.« Sie starrte auf ihre Handtasche, die sie auf den Knien liegen hatte. »Verstehen Sie mich nicht falsch, Mr. Cadee. Wir waren sehr gut befreundet - mehr nicht. Er liebte gute Musik und kam öfters ins Plattenparadies, um sich beispielsweise Beethovens Klavierkonzert anzuhören, wenn es in seiner Abteilung gerade einmal ruhig zuging.« Sie blickte kurz auf. »Verlobt waren wir nicht, aber viel zusammen. Außerhalb des Geschäftes natürlich. Immerhin bedeutete ich ihm so viel, dass er - nun...« Sie hob ihr schmales Handgelenk und wies auf die mit Brillanten besetzte goldene Uhr. »Er schenkte sie mir, zum Geburtstag und für Weihnachten zugleich. Ich habe am siebten Dezember Geburtstag, und an diesem Tag gab er mir die Uhr...« Sie schwieg, als bereite es ihr Schwierigkeiten, sich verständlich auszudrücken.
»Ist irgendetwas geschehen, wodurch diese Freundschaft zerstört wurde, Miss Woodring?«
»Er ist verschwunden«, erwiderte sie schnell. »Ganz einfach verschwunden, und ich weiß ganz genau, dass er nicht weggegangen wäre, ohne sich von mir zu verabschieden.«
»Haben Sie ihn noch gesehen, nachdem seine Verbindung zu Amblett gelöst war?«
»Oh, ja. An dem Abend, an dem er seine Entlassung erhielt, gingen wir zusammen essen. Das war Samstag. Am Sonntag fuhren wir hinauf zum Bear Mountain und sahen uns das Schispringen an. Und seit Sonntagabend habe ich nichts mehr von ihm gehört. Ich bin sicher, dass ihm etwas zugestoßen ist.«
»Vielleicht hat er die Stadt verlassen, um sich eine neue Stellung zu suchen.«
»Das dachte ich zunächst auch. Aber als ich ihn Montag und Dienstag nicht am Telefon erreichte, ging ich gestern Abend zu seinem Appartement, und dort fand ich heraus, dass er am Montag das letzte Mal zu Hause gewesen ist. Die Dienstagzeitung steckte noch an der Tür, und im Kasten war eine Menge Post. Ich ging also zum Hausmeister und ließ aufschließen. Ich wollte mich vergewissern, ob ihm - ob ihm etwas zugestoßen ist.« Ihre Fingernägel bohrten sich in die Handtasche, aber ihre Augen blieben tränenlos.
»Und dann fanden Sie heraus, dass Ihre Befürchtungen unbegründet waren?«
»Wir stellten fest, dass sein Koffer, seine Anzüge und sein Rasierzeug noch da waren. Er hatte also offenbar nicht beabsichtigt, fortzubleiben. Vor allem, weil der Vogel fast tot war.«
»Der Vogel?«
»Sein Wellensittich - Berta nannte er. ihn. Berta hätte weder Wasser noch Futter, und der Käfig war nicht zugedeckt, so dass der arme Vogel vor Kälte beinahe umgekommen ist. Wenn Sie Johnny kennen würden, dann wüssten Sie, dass er so etwa nie getan hätte.«
»Und niemand in diesem Appartementhaus hat ihn seit Montag gesehen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich dachte natürlich daran, zur Polizei zu gehen. Aber es hätte vielleicht etwas eigenartig ausgesehen, wenn gerade ich die Nachforschungen in die Wege geleitet hätte. Außer einer verheirateten Schwester besitzt er allerdings keine Angehörigen. Sie wohnt in Kalifornien, und am Dienstag schickte ich ihm an ihre Adresse ein Telegramm, aber es kam als unzustellbar zurück. Damit ist wohl erwiesen, dass er nicht bei ihr ist.«
»Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie Ihnen jetzt zumute ist, Miss Woodring.« Konnte er es sich wirklich vorstellen? Wie würde ihm zumute sein, wenn Sibyl Forde an einem Montagmorgen plötzlich spurlos verschwinden würde und er bis Donnerstagmittag nichts von ihr gehört hätte? »Aber Sie werden verstehen, dass diese Angelegenheit nichts mit Amblett zu tun hat. Soll ich für Sie die Polizei verständigen, damit die Suche nach ihm aufgenommen wird?«
»Ich weiß nicht, Mr. Cadee.« Sie packte die Handtasche so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. »Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll. Ich weiß nur, dass - falls ihm wirklich etwas zugestoßen sein sollte dies nur auf die schlechte Behandlung zurückzuführen ist, die ihm bei Amblett nach vier Jahren harter Arbeit zuteilwurde. Er hat immer wieder darüber nachgegrübelt und war im tiefsten Innern verletzt. Kein Mensch kann mich davon überzeugen, dass er sich Amblett gegenüber je inkorrekt verhalten haben sollte.«
»Ich glaube Ihnen.« Don bemerkte, dass sie noch immer so furchtsam zu sein schien wie am Anfang. »Aber ich sehe nicht, was ich für Sie tun könnte, da Mr. Maisler ja nicht mehr zu uns gehört.«
»Ich muss ihn finden, Mr. Cadee, oder ich verliere den Verstand. Ich muss wissen, was los ist. Es gibt außer mir doch niemanden, der sich um ihn kümmert.« Sie war jetzt völlig verzweifelt. »Meine Kolleginnen erzählten mir, wie Sie diesen verschwundenen Lagerarbeiter fanden, als seine Familie sich an Sie um Hilfe wandte. Und deshalb dachte ich, wenn Sie... Vielleicht könnten Sie etwas in Erfahrung bringen.« Sie begann jetzt zu weinen, ohne sich dessen zu schämen. Dicke Tränen fielen auf ihre Handtasche.
Das rote Auge der Wechselsprechanlage glühte auf.
Don drückte die Sprechtaste. »Ja, Becky?«
»Notruf von Flügel B. Miss Forde, Mr. Cadee.«
»Sagen Sie ihr, dass ich schon auf dem Weg bin.« Er sprang auf und legte die Hand auf Berta Woodrings Schulter. »Sie gehen jetzt in Ihr Plattenparadies zurück. Ich werde ein paar Erkundigungen wegen Mr. Maisler einziehen.«
»Oh, vielen Dank!«
»Ich sage Ihnen dann, was ich herausfinde. Wenn Sie aber inzwischen von ihm hören, verständigen Sie mich sofort.«
Er hielt ihr die Tür auf,
»Miss Forde ist in der Schmuck Warenabteilung«, rief Becky Kahn. »Sie sollen die Raubtierkette mitbringen.«
Er nahm die Kette, mit der man viel unauffälliger und auch wirksamer als mit Handschellen einen Verdächtigen fesseln konnte, und verließ das Zimmer.
»Die vertraulichen Akten über Miss Woodring und Maisler, Becky«, sagte er noch zu seiner Sekretärin. »Bis halb zwei bin ich zurück. Ich werde das Raubtier schon sehr bald am Schwanz haben.«
»Und ich dachte, um diese Jahreszeit gäbe es nur Rentiere und keine Raubtiere«, meinte Becky. »Aber wenn Sibyl Hilfe braucht, scheint es tatsächlich ein Biest mit scharfen Zähnen und Krallen zu sein.«
Drittes Kapitel
Um Zeit zu sparen, benutzte Don gleich die Treppe. Wenn Sibyl