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Grantlecke: 39 bayerische Kurzgeschichten
Grantlecke: 39 bayerische Kurzgeschichten
Grantlecke: 39 bayerische Kurzgeschichten
eBook328 Seiten3 Stunden

Grantlecke: 39 bayerische Kurzgeschichten

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Über dieses E-Book

39 ausgewählte Kurzgeschichten nach typisch bayerischer Art. Manche Geschichten sind frei erfunden, andere wiederum sind tatsächlich passiert! Ich wünsche gute Unterhaltung!
SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum14. Dez. 2016
ISBN9783730988961
Grantlecke: 39 bayerische Kurzgeschichten

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    Buchvorschau

    Grantlecke - Alfred J. Schindler

    Grantlecke

    39 bayerische Kurzgeschichten

    von

    ALFRED  J. SCHINDLER

    INHALTSVERZEICHNIS

    Die Fußballwette

    Völlige Entspannung

    Geliebte Schwiegermutter

    Die S-Bahn-Fahrt

    Mein Spezial-Rennrad

    Das Klassentreffen

    Die Anhörung

    Unsere Jugend

    Das Wetter

    Im Stau

    Die Jungfernfahrt

    Beim Zahnarzt

    Beim Einkauf

    Unser TV-Programm

    Allerliebste Nachbarn

    Am Chinesischen Turm

    Auf dem Flohmarkt

    Beim Friseur

    Das Rendezvous

    Das Überraschungsmahl

    Im Krankenhaus

    Der Euro-Virus

    Der Suizidversuch

    Vorsicht!

    Der 450-Euro-Job

    Schlafstörungen

    Das Appartement

    Das Fliegenpärchen

    Selbstüberschätzung

    Ziehung der Lottozahlen

    Die lieben Autos

    Der ungebetene Gast

    Das große Warten

    Fünf Seiten „Nichts"

    Der Waldspaziergang

    Frau Ertl und ihr Windhund

    Diverse Träume

    Tommy, der Kater

    Die „Saupreußn"

    01 Die Fußballwette

    Heute spielen die Bayern! Ich habe auf sie gewettet! Hof­fentlich gewinnen sie auch! Aber das nehme ich wohl sehr an, denn sonst hätte ich ja nicht gewettet! Der heutige Gegner heißt Manchester United und es geht um alles! Wer holt den Titel? Die Bayern oder die Manchesteraner? Das Spiel findet um 20.45 Uhr in der neuen Arena in München statt, und ich habe mir selbstver­ständlich wieder einmal eine sündhaft teuere Eintritts­karte besorgt. Diese Begegnung muss ich sehen!

    Und zwar live!

    Sie müssen wissen: Ich bin ein eingeschworener Fußball­fan. Leider war es mir persönlich nicht vergönnt, selbst Fußball zu spielen, weil ich es ganz einfach nicht kann. Punkt. Sie müssten mich mal sehen, wenn ich mit unserer Nachbarjugend einen heißen Ball riskiere! Mit dem rech­ten Fuß kann ich ja überhaupt nicht schießen. Ich habe da keinerlei Gefühl. Mit dem linken Fuß geht es so einiger­maßen. Ich habe früher immer und immer wieder trainiert, aber es ist dabei leider nichts herausgekommen. Ich sage:

    „Wenn man es nicht kann, soll man es gefälligst bleiben lassen!"

    Also, vergesse ich es eben und überlasse es den Profis. Wenn ich wie­der auf die Welt komme, werde ich entweder Fußballprofi, Tennisprofi, Basketballprofi, Boxprofi oder auch Golfpro­fi. Vielleicht entscheide ich mich auch fürs Profirennfah­ren. Hauptsache Sportprofi! Grundschule, acht Klassen, das dürfte wohl zum Lesen und Unterzeichnen des Profi­vertrages genügen!

    Ja, ja, Fußballprofi müsste man eben sein!

    Wie viele Tausende andere Bun­desbürger auch, stelle ich mich schließlich wieder abends, bei strömendem Regen und Windstärke acht bei lockeren fünf Grad Celsius an die volle Abendkasse und blättere mein schwerverdientes Geld für die fast ge­schenkte Eintrittskarte hin. Man muss mir doch ins Gehirn geschissen haben! Nicht wahr?

    Also, meine Frau wundert sich über mich ja auch immer wieder, wenn ich schließlich nach einem verlorenen Spiel zum wiederholten Male nachts um ein Uhr völlig durch­gefroren und pitschnass nach Hause komme. Wenn ich dann am nächsten Morgen völlig übermüdet und saugran­tig am gemeinsamen Frühstückstisch sitze, schaut sie mich nur mitleidig an und schüttelt leicht den Kopf. Ich sehe es ihr natürlich genauestens an und lästere:

    „Das war das letzte Mal, dass ich ins Stadion gegangen bin! Diese Superpflaumen haben gestern doch tatsächlich in der 90. Minute das Gegentor, das zum Verlust der Par­tie geführt hat, kassiert!"

    Ich bin wirklich zutiefst erzürnt, jedoch bis zum Mittags­tisch legt sich mein Ärger dann wieder etwas. Ich durch­blättere den Sportteil meiner Zeitung und lese, dass die Bayern gestern Abend sehr unglücklich verloren ha­ben. Also, wenn ich es mir recht überlege: Es stimmt. Sie hatten wirklich ein Saupech! Normalerweise hätten sie diese Partie mindestens 5:1 gewinnen müssen, wenn nicht dieser saublöde Schiedsrichter gewesen wäre. Der Typ war einwandfrei parteiisch! Vierteilen sollte man ihn, die­sen windigen und inkompetenten Mistkerl!

    Zurück zu dem heutigen, aktuellen Spiel: Ich stehe in der geliebten und fast weltweit bekannten Bayernkurve, habe meinen dicken Wintermantel von Woolworth fest um mich gezurrt, damit ich nicht einfriere und freue mich auf das Spiel der Spiele. Meinen Wagen musste ich zwei Kilometer entfernt parken, da nichts mehr frei war. Macht ja nichts. Ein bisschen laufen schadet nie. Natürlich sitzt auf mei­nem halb eingefrorenen Schädel schief, wie sollte es auch anders sein, die heiß geliebte, rot-blaue Bayern-Kappe! Und ich habe zur Feier des Tages eine TOP-Wette bei Oddset abgeschlossen. Der Fall ist für mich sonnenklar: Bayern wird entweder 2:0 oder 3:0 gewinnen. Eine ganz sichere Angelegenheit! Genau diese beiden Alternativwetten habe ich im Lottogeschäft bei uns in Feldkirchen heute abgeschlossen. Wie, Sie möchten ger­ne wissen, wie viel ich investiert habe? Also, wissen Sie, bei solch einem Traumspiel lasse ich mich ja wirklich nicht lumpen! Ich habe nicht wie üblich jeweils 2,50 Euro, sondern dieses Mal 500- Euro pro Tipp gesetzt. Die Quo­ten sind seltsamerweise auch recht gut. Auf Bayern-Sieg stehen die Quoten sogar etwas höher als auf Manchester-Sieg! Ja, denken die denn, dass wir uns von ein paar links fahrenden Eng­ländern fürchten? Die kann sich aber auf was gefasst ma­chen, diese Möchtegern-Mannschaft, das kann ich Ihnen aber versichern!

    Es ist soweit: Anstoß.

    Schon in den ersten Minuten sieht man ganz deutlich, dass unsere Bayern-Mannschaft völlig überlegen ist. Ihr Spiel ist einfach flüssiger und aggressiver. Dann die 11. Minute: Ein Pass von Schweinsteiger quer übers Spielfeld genau auf Klose: TOR! Ha, ich habe es ja gewusst! Auf unsere Mannschaft ist eben Verlass! Hundertprozentig! Dieses Team ist einfach umwerfend! Eben unschlagbar! Ich vergesse völlig die schlechte bis hundsmiserable Wit­terung und verfolge gebannt das weitere, spannende Spiel. Die Manchesteraner holen einen Elfmeter heraus, aber unser Torwart hält! Dieser Teufelskerl aber auch! Was für ein phänomenaler Torwart! Und genau das zählt doch! Sonst nichts! Ich kann mich vor Begeisterung kaum mehr einkriegen, und dann fällt das 2:0 für die Bayern. Genau vor der Halbzeitpause. Einfach sagenhaft!

    Phantastisch!

    Ich gehe kurz zum Pinkeln, denn das hält keine Blase aus. Nicht mal meine! Wie ich gewettet habe? 2:0? 3:0? Beides natürlich. Wegen mir kann das Ergebnis, wie es nun ist, gerne bleiben. Genau so! Na ja, gut ein Törchen können sie ja noch schießen, aber ein Gegentor darf natürlich nicht fallen! Aber das schaffen diese Insulaner ja sowieso nicht! Da bin ich mir so ziemlich sicher. Die Bayern spielen nach wie vor überle­gen und dann, in der 88. Minute kommt Klose direkt im gegnerischen Strafraum zum Schuss. Eine Granate! Un­haltbar. Es steht 3:0! Ich habe gewonnen! Die Quote bei 3:0 steht 1:24. Der totale Wahnsinn! Ich habe tatsächlich 12.000- Euro gewonnen! Das muss ich erst einmal verdau­en!

    Was mache ich mit dem vielen Geld?

    Ein neuer Wagen?

    Eine schöne Reise mit meiner Frau?

    Oder lege ich einen Teil davon in Wertpapieren an?

    Laut schreie ich durchs Stadion: „Jungs, ich könnte euch küssen! Ihr kleinen, wunderbaren Genies, ihr!"

    So ganz nebenbei betrachte ich mir noch die letzte Minute des restlichen Spielgeschehens: Wie es scheint, kommen diese Engländer ja nicht einmal mehr über die Mittellinie hinaus! Es kann also nichts mehr passieren! Natürlich, war ja sonnenklar. Gerade, als ich mich umdrehen will, um das Stadion zu verlassen, der Schiedsrichter hat seine Pfeife schon in der Hand, um sie gerade zum Mund zu füh­ren, kommt ein weiter Pass von Schweinsteiger. Ein Schuss über fünfzig Meter direkt auf den rechten Fuß von Klose. Dann ein Knall: der Ball ist im Tor. Dieser gott­verdammte Scheißball!

    Endstand 4:0.

    Aus, alles vorbei. Ich könnte heulen. Ich könnte schreien. Das darf doch nicht wahr sein! Ich werde wahnsinnig! Ja, musste das denn sein? Haben euch denn drei Tore nicht gereicht? Immer diese grenzenlose Gier! Ich könnte diese Mannschaft in der Luft zerreißen. Wie kann man denn so kurz vor Schluss noch solch ein perfektes Tor schießen, wo doch schon alles gelaufen ist? Insbesondere meine Oddsetwette? Ich hätte den beiden Spielern vorher meinen Wettschein zeigen müssen! Vielleicht hätten sie sich dann in der Schlussphase etwas zurückgehalten! Und eine Beschwerde beim Trainer hilft ja nun auch nichts. Er würde mich höchstens auslachen. Kruzifix noch mal, jetzt reicht es mir aber mit diesen Bay­ern. Die haben mir den ganzen Abend versaut. Restlos. Und mein Konto auch. Ich zerreiße wehmütig meinen Tipp­schein mit der Doppelwette und betrachte völlig depri­miert die kleinen Fetzchen, wie sie durch die kalte Luft dahinwirbeln...

    1.000- Euro Einsatz dahin...

    12.000- Euro Gewinn hinweg...

    Aber eines dürfen Sie mir glauben: Ab sofort gehe ich in Daglfing auf die Pferderennbahn! Denn bei diesen völlig harmlosen Pferdewetten kann ich ja auch nicht mehr ver­lieren, als bei den Bayern, oder? Und wenn ein bestimmtes Pferd, mein Superpferd, vorne ist, dann bleibt es das meist auch! Und außerdem spare ich mir ab sofort die völlig überteuerten Eintrittskarten! Sollen diese Bayern doch machen, was sie wollen!

    Aber ohne mich!

    02 Völlige Entspannung

    Meine Frau und ich haben ja wirklich eine sehr nette Woh­nung in Feldkirchen. Sie ist nicht allzu groß - ich meine natür­lich die Wohnung - dafür ist sie aber sehr gemütlich. Am schönsten aber ist unsere heißgeliebte Terrasse mit dem großen, schönen, von Blumen umrandeten Garten. Es ist gerade Mitte Mai und ich nehme mir vor, dass ich den mor­gigen Tag ausschließlich auf der Terrasse, besser gesagt, auf der so bequemen Liege, verbringen werde. Nichts wird mich stören, nichts wird mich von meiner absoluten, wohl verdienten Ruhe ablenken!

    Ich freue mich schon sehr darauf!

    Es ist soweit: Montagmorgen, 09.00 Uhr. Herrlicher Son­nenschein. Völlige Ruhe. Eine Oase des Friedens und der totalen Glückseligkeit. Ich liege auf der breiten Liege und habe den großen, weißen Sonnenschirm aufgespannt, damit der heiße Planet nicht so sehr in mein Gesicht und auf den Körper brennen kann. 25 C im Schatten. Welch eine Wonne!

    Ja, das ist Leben!

    Ich liege vollkommen ruhig auf der neuen Liege, ihre Passform ist einfach perfekt, als es an der Wohnungstüre klingelt. Blöde Glocke, denke ich mir und schwinge mich aus meiner bequemen Position. An der Sprechanlage ist ein Postangestellter, der wissen will, ob ich für den Nach­barn, der über uns wohnt, ein Päckchen annehmen könnte, da dieser nicht zu Hause sei. Ich quittiere und nehme das Päckchen entgegen. Es ist etwa zwanzig Kilogramm schwer, und ich schleppe es keuchend ins Wohnzimmer.

    Jetzt kann mich nichts mehr stören, und ich begebe mich wieder in die liegende Position. Da ich letzte Nacht etwas schlecht geschlafen habe, nicke ich sofort ein.

    Gerade als ich sich der erste, wunderschöne Traum ein­stellt, (er handelt von einem großen Lottogewinn, den ich gemacht habe.) geht es los. Kurz bevor ich im Traum den dicken Scheck entge­gennehme, beginnt der Nachbar links von uns, der offen­sichtlich nichts anderes zu tun hat und dessen Rasen doch noch absolut ordentlich aussieht, mit seinem dezent klingenden Diesel-Motorrasenmäher seine Arbeit. Leicht ergrimmt stiere ich provozierend zu ihm hinüber, aber der Kerl bemerkt offensichtlich gar nicht, dass ich meine Ru­he haben will. Solch ein unsensibler Zeitgenosse, aber auch!

    Nach etwa dreißig Minuten, es ist fast halb elf Uhr, stellt er sein Gerät ab. Er ist fertig mit seiner völlig nutzlosen Arbeit. Mir kann es fast egal sein. Ich nehme mir vor, dass ich es das nächste Mal umgekehrt genau so machen werde.

    Rache ist süß!

    Ich koche mir daraufhin eine duftende Kanne Kaffee und bereite mir einen Eiskaffee zu. Einfach köstlich!

    Ja, das ist Leben!

    Ich hole mir die Abendzeitung aus dem Briefkasten und lese, auf meiner äußerst bequemen Liege sitzend, ein we­nig das Neueste. Die Artikel sind wie üblich hochinter­essant und spannend zugleich.

    Ich lege die Zeitung zur Seite und versuche, zu entspan-nen. Und es gelingt mir. Innerhalb von fünf Minuten kann ich meine Augen nicht mehr offen halten und liege völlig ermattet auf meiner Liege. Ich sinke sofort in tiefen Schla­f. Ich träume gerade von frischen Weißwürsten mit knusprigen Brezen und einem kühlen, frischen Weißbier, als es passiert:

    Mein Handy (ich Rindvieh habe es frühmorgens gewohn­heitsmäßig eingeschaltet) klingelt wie verrückt. Meine Frau Ilse ruft an und fragt, wie es mir geht. Sie fragt des Weiteren, ob ich diese neuen, tollen Turnschuhe haben möchte, die sie in irgendeinem Geschäft in der Fußgän­gerzone gerade gesehen hat. Ich hatte sie heute Morgen, bevor sie zu ihrem Einkaufsbummel in die Stadt gefahren war, gebeten, nach solchen Schuhen Aus­schau zu halten. Ich bitte sie, mir diese Schuhe mitzu­bringen und lehne mich zurück. Das verfluchte Handy schalte ich kurzerhand aus. Sie kann ja auch am Festan­schluss anrufen, wenn sie noch irgendetwas braucht. Ich trinke meinen herrlichen Eiskaffee, der mittlerweile fast kocht, und rauche gerade eine meiner würzigen Zigaret­ten, als mich die Müdigkeit schon wieder übermannt.

    Entspannt lege ich mich auf die heißgeliebte Liege und drehe mich zur Seite. Jetzt wird gepennt! Mit der Hoff­nung, dass ich nun meine Ruhe haben werde, entschlum­mere ich tief und fest.

    Nach knapp einer Viertelstunde klingelt es schon wieder an der Wohnungstüre. Ich springe wie von der Tarantel gestochen hoch und eile zur Türe. Der rücksichtslose Nachbar mit dem Rasenmäher fragt mich sehr höflich, ob ich zufällig drei Eier für ihn hätte. Idiot, denke ich mir, warum kaufst du dir deine doofen Eier nicht bei Penny um die Ecke? Bist du etwa zu faul, in deinen Wagen einzu­steigen und loszufahren? Aber ich wahre die Form, des Friedens willen, und bringe ihm seine drei Eier. Ich hoffe, dass sie nicht mehr allzu frisch sind und knalle die Türe zu. Er soll es schon merken, der alte Rüpel. Flugs begebe ich mich zum Kühlschrank, werfe eine tiefgekühlte Pizza von Aldi in den Elektroherd und lege mich kurz hin. Zwan­zig Minuten braucht das Ding, bis es fertig ist.

    Ich entspanne mich ein wenig und schlafe prompt ein, ob­wohl ich das gar nicht beabsichtigt habe.

    Beißender Qualm reißt mich aus meinen Träumen. Ich habe soeben geträumt, dass es bei uns brennt, und ich stürze wie wahnsinnig zum Elektroherd. Die ehemals so schöne Pizza ist nur noch ein bestialisch stinkender, schwarzer Haufen.

    Ja, Haufen!

    Das darf doch nicht wahr sein, denke ich mir und räume zähneknirschend den Schweinestall auf. Die ehemalige Pizza fliegt in ho­hem Bogen in den Mülleimer. Dieser kippt um und die ge­samten Abfälle wie Gurkenschalen, Dosen, durchweichte Pappkartons und Essensreste der letzten zwei Tage lie­gen schön verstreut in einem bizarren Muster in der klei­nen Küche herum. Es stinkt ziemlich. Mir stinkt es auch, ganz gewaltig sogar! Ich räume alles auf, putze alles weg, und fluche leise vor mich hin. Jetzt würde ich ja allzu ger­ne ein paar Rühreier essen. Aber leider habe ich diesem rücksichtslosen Rasenfresser die letzten Eier geliehen. Ich überlege schon, ob ich sie nicht wieder zurückholen soll, entschließe mich dann aber, mir ein Fleischsalatbrot zu machen. Da kann wenigstens nichts passieren! Von wegen! Vor lauter Nervosität (mein Magen hängt mir schon fast in den zitternden Knien) fliegt mir das fertige Brot auf den Boden. Jetzt reicht es mir aber. Ich putze erneut, hole mir die Eisbombe, die noch im Tiefkühlfach liegt, und verdrücke sie komplett. Der größte Hunger ist gestillt. Jawohl!

    Ja, das ist Leben!

    Ich begebe mich auf meine so wunderbare Liege und ver­suche, ein wenig zu entspannen, als es in meinem Bauch zu rumoren beginnt.

    „Scheiß Eis! Schreie ich laut über die Terrasse. „Kruzifix noch mal!

    Flugs renne ich zur Toilette und schaffe es gerade noch, mich hin zu setzen. Das war knapp, das kann ich Ihnen aber sagen! An Verstopfung leide ich jedenfalls nicht! Mit starkem Gewichtsverlust wanke ich zurück auf die Terras­se. Es ist 13.30 Uhr und es herrscht Mittagsruhe. Gesetz­lich! Ich beschließe, da ich aus mir ganz unerfindlichen Gründen sehr müde und auch geschafft bin, mich etwas hinzulegen.

    Kaum schließe ich meine geröteten, brennenden Augen, als der Nachbar quer über uns, ein junger Mann, seine total abgefahrene, irrsinnige Idiotenmusik aufdreht.

    „Jetzt ist es aber genug! Fluche ich laut und springe hoch, dass die Liege umkippt. Ich stelle mich in den Gar­ten und schreie lauthals hinauf: „Machen Sie sofort Ihre absolut blödsinnige Musik aus, oder ich komme hoch zu Ihnen!

    Ich koche.

    Nein, ich koche über.

    Der Student hört meine leise, zaghafte Stimme natürlich nicht, da seine sanfte Musik etwas zu laut ist. Verflucht noch mal, ich werde ihn erwürgen. Jetzt ist Mittagspause! Mittagsruhe! Ich schalte mein Handy ein, suche im Tele­fonbuch seine Festnetznummer und rufe ihn an:

    „Herr Müller, drehen Sie sofort Ihre Musik leiser!"

    „Ich kann Sie leider nicht verstehen! Wer sind Sie? Was wollen Sie? Moment, ich mache meine Musik etwas lei­ser."

    Er tut es tatsächlich, und dann kläre ich ihn darüber auf, dass bis 15.00 Uhr Mittagsruhe ist. Er entschuldigt sich, und das Problem ist behoben. Ich hoffe sehr für ihn, und zwar für immer! Ich bin geschafft, total geschafft. Dieser Tag ist ja der völlige Wahnsinn! Einen solchen Stress ha­be ich sonst ja nie! Hat sich denn alles gegen mich ver­schwo-ren? Wissen diese bösen Nachbarn vielleicht, dass ich gerade heute entspannen möchte? Ich weiß es beim besten Willen nicht und kann es nur vermuten. Ich beruhi­ge mich wieder etwas und überlege, ob ich es wagen kann, mich auf die Liege zu legen. Ruht auf dieser unheimlichen Liege vielleicht ein Fluch? Ein unausgesprochener Anti-Ruhe-Fluch?

    Ha! Jetzt liege ich ja schon wieder auf dieser doch so herrlichen Liege und genieße die absolute Ruhe, diesen Hochgenuss völligen Friedens. Ich verbanne sämtliche unsinnige Ideen hinsichtlich schwarzer Flüche und lächle vor mich hin. Zwar leicht angesäuert, jedoch lächelnd. Prompt nicke ich ein.

    Gerade, als ich von einer einsamen Insel träume, auf der ich mich befinde, und auf der ich mich sehnlichst nach Menschen und ungehemmten Trubel sehne, gibt es einen fürchterlichen Knall. Die Blumenampel meiner Nachbarin, die über uns wohnt und deren kleines Päckchen ich ent­gegengenommen hatte, liegt in tausend Scherben, um­rahmt von bunten Blümchen undefinierbarer Art, direkt neben meiner Liege. Ich bin vor Schreck seitlich herunter­gefallen und hänge neben den Blümchen. Ein Tonsplitter dieser verfluchten Ampel hängt in meinem Hintern: schmerzhaft und tief. Es kann sich hier nur um eine Ver­schwörung handeln, das wird mir langsam klar. Eine ge­meinsame, hinterhältige Verschwörung der Personen in diesem furchtbaren Haus gegen meine gequälte Person.

    Die vergönnen mir meine Ruhe nicht!

    Die wollen, dass wir ausziehen!

    Anders kann ich mir das Ganze nicht erklären.

    Ich lasse alles so, wie es ist. Es sieht ganz fürchterlich auf unserer Terrasse aus. Sie können es sich bestimmt gut vorstellen, und ich begebe mich ins Wohnzimmer. Hier kann mir nichts mehr passieren. Gar nichts! Gott sei dank.

    Ich lege mich, schließlich habe ich es mir auch redlich verdient, auf die superbequeme Couch und will gerade einschlafen, als es erneut an der Wohnungstüre klingelt. Die obere Nachbarin fragt, ob ich ihr gottverdammtes Päckchen habe. Ich lächle freundlich, knirsche laut mit den Zähnen und überreiche ihr das kleine und überaus handlich-leichte Päckchen.

    „Könnten Sie es mir bitte hinauftragen?

    „Kann ich nicht. Leider. Ich habe es in der Bandscheibe! Und Ihren Dreck, liebe Frau Nachbarin, können Sie auch gleich wegräumen! Ach ja: Falls Sie noch einmal eine Ihrer Blumenampeln über unsere Terrasse hängen, komme ich höchstpersönlich hoch und werfe Ihnen diese durch ihre geschlossene Balkontüre. Schönen Tag noch! Und sagen Sie gleich Ihrem jungen Nachbarn, diesem Möchtegern­studenten, dass ich ihm den Hals umdrehen werde, wenn er seine Musik noch einmal so laut aufdreht. Und diesem Idioten von nebenan sagen Sie, er kann die drei Eier be­halten! Schenke ich ihm! Kann er sich als Reserve auf­heben!"

    Die Dame blickt verwundert.

    Ich muss mich jetzt beherrschen, sonst passiert hier noch etwas!

    „Jetzt ist aber Ruhe hier in diesem Irrenhaus!" Schreie ich ihr noch hinterher, bevor ich die Wohnungstüre zuknalle, dass die Scharniere krachen.

    Das Päckchen bringt sie sowieso nicht bis hoch. Was muss sie auch solchen Mist bestellen?

    Es ist mir nun völlig egal, was die Leute von mir denken und lege mich völlig entspannt auf die bequeme und wei­che Couch. Gerade, als ich einnicke, kommt meine Frau nach Hause. Es ist inzwischen 17.00 Uhr und sie sagt:

    „Schatzilein, du siehst ja so entspannt und erholt aus! Hattest du einen schönen und ruhigen Tag?"

    Ich knurre irgendetwas Undefinierbares, drehe mich um, ohne die neuen Turnschuhe gesehen zu haben, und fange an, tief und gleichmäßig zu schnarchen.

    Ja, das ist Leben!

    03 Geliebte Schwiegermutter

    Meine hoch verehrte Schwiegermutter ist ja wirklich ein ganz steiler Zahn! Das kann ich Ihnen aber sagen! Und obendrein ist sie mit allen erdenklichen Wassern gewa­schen! Wie? Sie haben auch solch eine Gestalt von Schwiegermutter? Sie Ärmste/r!

    Meine Ehefrau und ich lernten uns ja vor einigen Jahren in einem Kurheim in der stürmischen Rhön kennen, und als wir uns gerade ein paar Monate kannten, zogen wir in Feldkirchen bei München zusammen in eine nette kleine Wohnung.

    Eines Tages offeriert mir meine Ilse, dass es doch Zeit wäre, mir ihre liebe Mutter vorzustellen. Da mein Führer­schein rein zufällig und hinterhältiger Weise aus einem mir völlig unverständlichen Grund in der Reinigung ist und wir deswegen zu diesem Zeitpunkt kein Auto haben, neh­men wir den Zug in den Odenwald. Dort „residiert" sie nämlich, meine geschätzte Schwiegermutter. Sie, die ar­me Witwe. Ihr

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