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Eiskinder III: Mysterythriller
Eiskinder III: Mysterythriller
Eiskinder III: Mysterythriller
eBook308 Seiten3 Stunden

Eiskinder III: Mysterythriller

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Über dieses E-Book

Der Lebensraum der Eiskinder, der Groschensee, war zerstört. Er war dreihundert Meter in sich zusammengestürzt. Ein grausiges, überdimensionales Loch entstand. Die Menschen dachten, nein, sie waren der festen Meinung, dass die Eiskinder nun endlich für alle Zeiten vernichtet waren. Zu viele Morde hatten sie begangen. Nur Sabines Eltern wussten, dass sie noch existierten. Sie hatten es durch einen Zufall herausgefunden und behielten es für sich.

Sie, die Eiskinder, existierten nun in dem angrenzenden Marmorberg, tief unten in den Höhlen, weiter…
SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum14. Dez. 2016
ISBN9783730986646
Eiskinder III: Mysterythriller

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    Buchvorschau

    Eiskinder III - Alfred J. Schindler

    Eiskinder III

    Eiskinder III

    - DAS ERWACHEN -

    Mysterythriller

    von

    Alfred J. Schindler

    Was zuletzt geschah:

    Der Groschensee, der ehemalige Lebensraum der gefürchteten Eiskinder, ist vernichtet. Der See war der Aufenthaltsort, das Zuhause der unberechenbaren Eiskinder gewesen. Sie hatten es sich selbst zuzuschreiben, weil sie als Krönung ihrer schändlichen Taten Wurzellieses Ara gestohlen und nicht zurückgebracht hatten. Sie, unsere inzwischen leider verstorbene Seherin mit ihren überirdischen Fähigkeiten, hatte den See mit ihrer geistigen Kraft dreihundert Meter tief einstürzen lassen. Als dann auch noch der kleine See, der sich danach tief unten gebildet hatte, mittels einer List zerstört war ...

    ... nahm man an, dass die Eiskinder vernichtet waren.

    Sie hatten zuvor ganz schrecklich in unseren Reihen gewütet. Sie hatten meine Schwiegereltern, eine der Eiskindermütter, auch ein Elternehepaar eines der Eiskinder, die gute Nachbarn von uns waren, und einige andere, völlig unschuldige Menschen mit ihrem schrecklichen Eis getötet. Sogar vor unserem Pastor, sowie dem Bürgermeisterehepaar, hatten sie nicht Halt gemacht. Wer ihnen oder ihrem geliebten Groschensee zu nahe kam, wer sich gegen sie stellte, war des Todes. Dieses „Eis" (ihre eigentliche Waffe), das sie für ihre Existenz unbedingt benötigten, war absolut tödlich: Es zerquetschte und erstickte die Leute, die gegen die Eiskinder waren. Und es, dieses schreckliche Eis, löste sich nach getaner Tat in Nichts auf. Es war eine furchtbare Zeit, in der die Eiskinder in und bei Waldhütte mordeten. Ihre grauenhafte Schreckensherrschaft schien also beendet zu sein ...

    Brunhilde und ich fanden eines Tages durch einen Zufall heraus, dass die Eiskinder, deren Anführerin unsere kleine Tochter Sabine ist, und die von dem schrecklichen Dämon zur Eisfürstin ernannt wurde,

    ... immer noch existieren.

    Man hatte es also nicht geschafft, sie zu vernichten. Ich hielt damals, als ich mit Brunhilde am Marmorberg wieder einmal spazieren ging, mein Ohr an den Fels. Und was hörte ich? Ihr Kinderlied...

    Eiskinder ... Eiskinder ... hallt es durch die Nacht ..."

    Ich hörte ihren Gesang.

    Den bösartigen Gesang der Eiskinder.

    Zuerst war ich traurig.

    Doch dann war ich glücklich.

    Genau wie Brunhilde.

    Trotz allem.

    Die verlorenen Kinder existieren nun in dem dunklen Marmorberg, tief unten in dessen unergründlichen Höhlen. Dorthin hatten sie sich wohl nach dem Verlust ihres eigentlichen Lebensraums zurückgezogenY

    Uns ist es nicht möglich, diese Höhlen zu betreten, denn es führt kein Weg dorthin. Irgendjemand hatte jedoch irgendwann erzählt, dass der Marmorberg von Höhlen durchzogen ist. Der Berg ist nach außen geschlossen. Nur das Wasser, das vom Himmel fällt, bahnt sich seinen natürlichen Weg in das kalte Berginnere.

    Wie gesagt: Die Einwohner von Waldhütte und die Öffentlichkeit waren der festen Meinung, dass die Eiskinder in der letzten Silvesternacht vernichtet wurden. Brunhilde und ich behielten unser Wissen über das Weiterbestehen der Eiskinder für uns. Wir dachten dabei natürlich auch an Sabine. Zudem hofften wir, dass die Eiskinder nun ein für alle Mal in ihre Schranken gewiesen waren ...

    Dieses grauenhafte Eis, das die Eiskinder produziert hatten, war wohl nicht vollständig verloren gegangen, und so war es ihnen gelungen, am „Leben" zu bleiben.

    Das war unsere Vermutung.

    Brunhilde und ich waren in diesen zwei Wochen vor Weihnachten, also im letzten Jahr, in denen die Eiskinder tobten, immer und immer wieder in höchster Lebensgefahr gewesen, weil sich unsere ehemals so liebe und süße Sabine, genau wie ihre Freunde, gegen uns gestellt hatten. Sie hatte uns direkt mit unserem Tod gedroht, und so kam es, dass wir uns am Ende des Terrors gegen sie stellen mussten. Ja, wir mussten, denn wir taten es nicht gerne ...

    01 Donnerstag, 15. Dezember

    Ich sitze geistesabwesend auf einer Stufe der schmalen Treppe, die in unsere Kirche führt und rauche eine Zigarette. Es ist recht kühl heute, aber der Boden ist noch nicht gefroren.

    Genau heute vor einem Jahr verschwand Sabine auf der Eisfläche des Groschensees, direkt vor unseren Augen. Wir ahnten damals noch nicht, dass die EISKÖNIGIN sie zu sich geholt hatte. Wir konnten nicht wissen, dass dies ...

    ... der Auftakt der Eiskinder war ...

    Nun ist ein neuer Winter hereingebrochen. Ich beobachte das geschäftige Treiben der Leute, aber ich bin in Gedanken bei Sabine.

    Bei der kleinen Eisfürstin.

    Bei unserer kleinen Eisfürstin.

    Waldhütte hat sich inzwischen von dem furchtbaren Schrecken vollständig erholt. Gut, es blieben einige Lücken, die man nicht mehr auffüllen konnte, aber im Großen und Ganzen herrscht in unserem kleinen Ort wieder Ordnung und Frieden. Die Ortschaft hat sich im Laufe des vergangenen Jahres deutlich vergrößert. All die Familien mit Kindern, die aus nackter Angst vor den Eiskindern geflohen waren, kehrten nach und nach zurück. Neue Häuser entstanden. Ein Skilift wurde gebaut, weil der Ort Waldhütte sehr bekannt wurde - bekannt durch die verfluchten Eiskinder. Und jetzt zählt die Ortschaft nicht mehr dreihundert Einwohner, sondern über eintausend.

    Ich sehe mir gegenüber Wurzellieses Denkmal, das man für sie errichtet hatte. Letztendlich war sie es gewesen, die Brunhilde und mir das Leben gerettet hatte. Ohne sie, ohne ihre professionelle, hellseherische Hilfe, hätte uns Sabine mit tödlicher Sicherheit `verändertA, wie sie so gerne betonte. Die Eiskinder sprachen nicht von Tod, wenn sie jemanden umbrachten. Sie wollten uns suggerieren, dass sie die unschuldigen Opfer nicht getötet, sondern nur „verändert" hatten. Wie gesagt. Und sie behaupteten, dass diese Veränderung für die armen Opfer mehr als positiv sei. Nun gut. Soweit zu unseren geliebten, gefürchteten EiskindernY

    Eltern, die ein Kind verlieren, wissen, was dies bedeutet. Der Schmerz, der sie trifft, ist unerträglich. Er ist viel schlimmer, als ob man von einem Schwert durchbohrt würde. Und er hält an, dieser grauenhafte Schmerz. Er zieht sich nicht zurück, sondern er bohrt, und bohrt, und bohrt. Und irgendwann verzweifelt man. So jedenfalls ergeht es vielen Eltern, die über den Tod eines ihrer Kinder - oder ihres einzigen Kindes - nicht hinwegkommen. Dieses schreckliche Gefühl ist stärker, als das Gefühl, selbst sterben zu müssen. Es liegt im Naturell des Menschen, besser gesagt, von Eltern im Allgemeinen, so zu fühlen ...

    Brunhilde und ich hatten dieselben Gefühle, als Sabine verschwand. Doch dann, im Laufe der Wochen, die ein einziger Horror waren, veränderten sich diese Gefühle etwas, nein, sehr. Wir mussten erkennen, dass wir Sabine verloren hatten, obwohl sie noch existierte. Sie und ihre Freunde mordeten in unseren Reihen, und es war nicht leicht für uns, dies hinzunehmen. Am schlimmsten war die Ungewissheit. Wir hofften bis zum bitteren Ende, dass wir unsere kleine Sabine zurückbekommen würden.

    Aber wir hofften umsonst.

    In unseren Seelen lief damals ein schrecklicher Film ab: Der 15. Dezember war, wie gesagt, der Auslöser des ganzen Dilemmas gewesen. Der Schock, der sich in uns breit machte, war fürchterlich. Aus unerschütterlicher Elternliebe wurde pure Verzweiflung. Aus Verzweiflung wurde Ratlosigkeit. Aus Ratlosigkeit wurde Machtlosigkeit. Aus Machtlosigkeit wurde Unsicherheit. Aus Unsicherheit wurde Wut (die Eiskinder mordeten bereits.) Aus Wut wurde langsam, aber sicher, Hass. Das Weihnachtsfest war nicht nur für uns kein Fest, sondern ein einziger Albtraum. Dann, als Sabine angeblich tot war, drehten sich diese Gefühle: Aus Hass wurde wieder Machtlosigkeit. Aus der erneuten Machtlosigkeit wurde Ratlosigkeit. Aus dieser Ratlosigkeit wurde Verzweiflung. Und aus dieser Verzweiflung wurde wieder ...

    ... Liebe.

    Man wird es nicht glauben, aber genauso entwickelte sich unser Empfinden. Es war ein fürchterliches Wechselbad der Gefühle. Und wir konnten nichts dagegen tun. Es hatte den Anschein, als ob die Eiskinder unter der absoluten, vernichtenden Herrschaft der EISKÖNIGIN, dem fürchterlichen Dämon, standen. Tausendmal fragten wir uns: Sind die Kinder absichtlich so bösartig, oder werden sie von dem Dämon geführt und beeinflusst? Bleiben sie freiwillig Eiskinder, oder können sie nicht zurück?

    Dürfen sie nicht?

    Darum drehte sich alles.

    Wir wurden immer verzweifelter.

    Unsere Eiskinder kannten mit uns kein Pardon. Sie verhöhnten und verspotteten uns. Brunhilde und mir drohte der direkte Tod. Die Eiskinder wollten uns am Neujahrstag töten. Am Ende blieb uns nichts anderes übrig, als zu handeln, um am Leben bleiben zu können. An Silvester gab man den Eiskindern den Rest. Der untere, kleine See brannte lichterloh. Einige Benzintransporter waren hinuntergestürzt.

    Hinab zu den verdammten Eiskindern.

    Es war schrecklich.

    Tränen stehen in meinen Augen. Ich kann fast nichts mehr erkennen, und ich bin nicht in der Lage, diese Tränen, die der kleinen Eisfürstin gelten, wegzuwischen. Ich bin wie paralysiert.

    „Günter! Was sitzt du denn auf dem kalten Stein?"

    Ich erschrecke zutiefst: „Grüß dich, Hans. Ich denke an Sabine."

    „Das dachte ich mir schon."

    „Ich denke täglich an sie."

    „Komm, junger Freund. Gehen wir in den Weißen Ochsen!"

    „Ja. Ein Bier kann nicht schaden."

    „Oder zwei.", lacht er.

    Er versucht, mich seelisch aufzurichten. Ja, er meint es gut mit mir, dieser alte, weise Mann. Wir sitzen etwas abseits an einem kleinen Tisch, und die Bedienung bringt unser Bier:

    „Zum Wohlsein!"

    „Danke.", sagt Hans Siebenknecht.

    „Danke.", antworte ich.

    Wir stoßen an.

    „Wie geht es denn eurem Baby, Günter?"

    „Danke, es entwickelt sich ganz prächtig."

    „`Das freut mich. Wie alt ist eure Melissa jetzt?"

    „Drei Monate."

    „Sie ist vollständig gesund?"

    „Ja. Sie ist unser Wonneproppen."

    „Versuche, dich zu entspannen. Du darfst nicht zurückblicken."

    „Der Schmerz vergeht nicht."

    „Ich habe auch einen Sohn verloren."

    „Und? Hast du es überstanden?"

    „Nun - eigentlich nicht. Es dauerte viele Jahre, bis ich endlich ein wenig abschalten konnte."

    „Na also."

    „Ich verstehe dich. Ich möchte es einmal ganz brutal ausdrücken: Es ist so furchtbar endgültig."

    „Ja, aber bei Sabine nicht."

    Überrascht schaut er mich an: „Was hast du gesagt?"

    „Ich sagte, bei Sabine nicht."

    „Wie soll ich das verstehen?"

    „Kannst du schweigen?"

    „Wie ein Grab."

    „Ehrlich?"

    „Ja."

    „Wir haben es für uns behalten."

    „Was habt ihr für euch behalten?"

    „Dass die Eiskinder immer noch existieren!"

    Erschrocken fährt er hoch: „Nein!"

    Einige Gäste schauen zu uns herüber.

    „Doch. Sie wurden damals nicht vernichtet.", sage ich leise.

    „Das kann doch nicht sein!"

    „Es ist aber so, Hans!"

    „Deswegen dein Schmerz."

    „Ja. Deswegen."

    „Die Ungewissheit bringt dich um."

    „Allerdings."

    „Ihr hofft also immer noch!"

    „Aber sicher."

    Wir stoßen erneut an.

    Er flüstert: „Seit wann wisst ihr, dass die Eiskinder noch leben - nein, existieren?"

    „Ich stand - es war nicht lange nach der Vernichtung des Groschensees - an einem Fels des Marmorberges. Ich legte aus einem inneren Gefühl heraus mein Ohr an diesen Fels und hörte ihr Eiskinderlied: „Eiskinder ... Eiskinder ... hallt es durch die Nacht ..."

    „Das ist ja unglaublich!"

    „Ja, das ist es."

    „Ihr wart also froh darüber? Du und Brunhilde."

    „Irgendwie schon."

    Er blickt mir tief in die Augen und sagt leise: „Wir müssten diesem Dämon irgendwie beikommen."

    „Das hätte nicht einmal Wurzelliese geschafft."

    „Wie bekämpft man Dämonen, Günter?"

    „Ich befürchte, es gibt kein Mittel gegen sie."

    „Wenn wir an Sabine herankommen würden, kämen wir vielleicht auch an die EISKÖNIGIN heran."

    „Sie würde uns töten.", antworte ich.

    „Wer? Sabine?"

    „Ja. Oder der Dämon höchstpersönlich."

    „Das befürchte ich auch."

    „Vergiss es also."

    „Ich habe noch nie in meinem Leben resigniert, mein Freund!"

    „Was willst du denn machen? An den Marmorberg klopfen und rufen: Komm heraus, EISKÖNIGIN, du verfluchtes Satansweib! Stell dich uns!"

    „Nein."

    „Was denn dann?"

    „Ich weiß es nicht." Er blickt traurig.

    „Jetzt sind wir wieder genauso weit, wie zuvor."

    „Ich denke, dass wir die Eiskinder in Frieden lassen sollten."

    „Ja, das denke ich auch. Oder möchtest du, dass sie uns in diesem Winter erneut angreifen?"

    „Wir wissen nicht, ob sie noch so stark sind, wie letztes Jahr."

    „Da stimme ich dir zu."

    „Kannst du dir vorstellen, was sie die ganze Zeit über getan haben?"

    „Keine Ahnung. Vielleicht spielten sie mit Rufus und dem Ara."

    „Das glaube ich nicht. Ich könnte mir vorstellen, dass sie den Winter herbeigesehnt haben."

    „Was willst du damit sagen?"

    „Dass sie ihre Kräfte gesammelt haben."

    „Um wieder zuzuschlagen?"

    „Ja. Ich kann mir vorstellen, dass sie auf Rache sinnen."

    „Auf Rache. Daran hatten Brunhilde und ich auch schon gedacht."

    „Vielleicht können sie ja im Winter, wenn es hier oben an der Erdoberfläche auch kalt ist, ihre Höhlen verlassen?"

    Erstaunt frage ich ihn: „Du meinst, sie wollen wieder nach oben in die Freiheit?"

    „Ich könnte es mir vorstellen."

    „Mir würde es auch nicht in einem kalten, dunklen Berg gefallen."

    Er zieht die Nase hoch: „Mir auch nicht."

    „Alleine die Vorstellung, dass Sabine in einem finsteren Berg haust, bringt mich fast um."

    „Das kann ich mir vorstellen."

    „Ich würde Sabine so gerne wieder sehen. Sie ist jetzt ein Jahr älter."

    „Sie ist acht, nicht wahr?"

    „Ja."

    „Die Eiskinder müssen eine mörderische Wut auf Waldhütte haben."

    „Wenn ich mich in ihre Lage versetze, muss ich sagen, dass auch ich eine Mordswut hätte, wenn man mir den Lebensraum entzogen hätte."

    „Ja."

    „Den Groschensee."

    „Ja, sicher. Den Groschensee."

    „Und den kleinen See dort unten."

    „Ja."

    „Der Groschensee war ihre Wohnung, ihr Haus, ihr Eigentum."

    „Es war nicht ihr Eigentum, Günter! Sie machten es zu ihrem Eigentum!"

    „Ja, das stimmt."

    „Wir hatten keine andere Wahl. Wurzelliese vernichtete den Groschensee, wie wir alle wissen. Sie tat es für uns alle."

    „Ja, so ist es."

    Schweigend blicken wir uns an. Unser Gespräch verlief äußerst ruhig, so dass keiner der Gäste mit anhören konnte, worüber wir sprachen.

    „Wir müssen also darauf gefasst sein, Günter, dass sich die Geschichte fortsetzt."

    „Ich weiß es nicht. Aber ich befürchte es. Brunhilde hat auch Angst davor, gerade jetzt, wo wir unser Baby haben."

    Er starrt mich plötzlich an: „Denkt ihr denn, dass Sabine..."

    „Wir wissen es nicht. Wir haben keine Ahnung, ob sie weiß, dass wir Melissa bekommen haben. Aber Sabine ist nicht dumm. Sie wusste, dass Brunhilde schwanger war. Und ihr ist auch bekannt, dass eine Schwangerschaft neun Monate dauert."

    „Wenn die Eiskinder wieder an die Erdoberfläche kommen, werden sie sicherlich erfahren, dass ihr ein Baby habt!"

    „Mit Sicherheit."

    „Sie werden in euer Haus kommen und die kleine Melissa sehen."

    „Du machst mir einen Magen!"

    „Ihr habt Angst, dass Sabine eifersüchtig ist?"

    „Offiziell wollte sie ja nicht zu uns zurück. Wir gehen aber noch heute davon aus, dass der Einfluss des Dämonen auf die Eiskinder stärker ist, als ihre eventuelle Sehnsucht und Liebe zu ihren Eltern."

    „Davon war ja nicht mehr das Geringste zu spüren."

    „Leider nicht."

    „Jedes normale Kind würde alles dafür tun, um zu seinen Eltern zurückkommen zu können."

    „Ja, sicher. Aber die Eiskinder sind keine normalen Kinder! Das weißt du doch! Man kann sie nicht mit den üblichen Maßstäben messen."

    „Die Eiskinder gingen doch alle, außer Sabine, freiwillig in diese andere Welt hinüber?"

    Ich überlege: „Ja, es sah zumindest so aus. Sabine wurde von diesem Dämon geholt. Sie hatte keine Chance, sich zu wehren. Denn wenn sie sich hätte wehren können, wäre sie mit Bestimmtheit zu uns zurückgekehrt."

    „Denkst du, dass Sabine die anderen Eiskinder zu sich geholt hat?"

    „Entweder war sie es, oder aber der Dämon."

    „Dieser Dämon wird also EISKÖNIGIN genannt."

    „Ja, die Eiskinder redeten davon. Sie sprachen von dieser EISKÖNIGIN. Wurzelliese erfuhr es als erste. Der Dämon dürfte also weiblich sein."

    Er meint: „Letztendlich spielt es ja überhaupt keine Rolle, ob dieser schreckliche Dämon weiblich oder männlich ist."

    „Ja, das stimmt."

    „Und was habt ihr beide jetzt vor?"

    „Abwarten und Tee trinken."

    „Es stimmt doch, dass sich die Eiskinder unsichtbar machen konnten, oder?"

    „Ja, davon gingen wir aus. Wir hörten ihr schauriges Lied, konnten sie aber nicht sehen."

    „Ja, davon war auch die Rede." Er schüttelt den Kopf.

    „Ein anderes Mal sahen wir sie, und sie sangen zusammen. Sie versteckten sich also nicht vor uns."

    „Wie es ihnen gefiel."

    „Ja."

    „Mein Gott. Was haben sie für eine schreckliche Macht."

    „Ja, es ist grauenhaft. Aber am schlimmsten ist ihr Eis."

    „Ihr tödliches Eis!", antwortet er.

    02

    Tief unten in den Höhlen des Marmorberges sitzen die Eiskinder mit Rufus, dem Eiskater und Plappermaul, dem Eispapagei, zusammen. Sie hatten ein wahnsinniges Glück, sich gerade diesen Berg ausgesucht zu haben. Aber er liegt ja direkt neben dem ehemaligen Groschensee. Der Berg bot sich also an. Hier unten herrschen auch im Hochsommer Temperaturen unter Null Grad Celsius. Und genau das war ihre Rettung. Die Reste ihres gefürchteten Eises, das sie so dringend benötigen, hielten stand. Es, dieses schreckliche Mordeis, schmilzt nicht, wenn die Luft sich erwärmt, aber es benötigt auf längere Sicht trotzdem tiefe Temperaturen. Dieses furchtbare Eis löst sich einfach in Luft auf, wenn die Eiskinder es wollen. Es stellt für die Eiskinder kein Problem dar, sich in diesem Eis zu bewegen. Sie fühlen sich wohl darin. Ja, sie zeigten es bereits, als sie am zweiten Weihnachtsfeiertag letzten Jahres in der schrecklichen Eiswand, die sich auf dem Groschensee aufgetürmt hatte, sangen und tanzten. Sie trugen ihre Schlittschuhe und man sah ganz deutlich, dass es ihnen in ihrem Eis gefiel...

    Sabine sitzt, die kleine, glitzernde Krone auf ihrem Kopf, inmitten der Runde auf einem polierten Stein. Es ist ihr persönlicher Stein, auf dem nur sie sitzen darf. Sie ist die Jüngste von allen acht Eiskindern, aber sie hat das Sagen in dieser kleinen, gefährlichen Gruppe:

    „Wisst ihr eigentlich, dass nur ich von der EISKÖ-NIGIN geholt wurde?", fragt sie ihre treu ergebenen Freunde.

    Die Stimmung ist sofort etwas gedämpft. Die Eiskinder schweigen. Schon zu oft mussten sie sich diese Geschichte von ihr anhören. Peter antwortet:

    „Wir wissen es ja, Sabine."

    „Ich habe euch zu mir geholt!"

    Die kleine Doris sagt: „Wenn du uns nicht geholt hättest, hätte es die EISKÖNIGIN getan!"

    „Die EISKÖNIGIN?", fragt Sabine.

    „EISKÖNIGIN! EISKÖNIGIN!", plärrt der bunte Ara.

    „Sei still, Plappermaul!", sagt Sabine zu ihm.

    „Eisfürstin! Eisfürstin!", kräht der Ara.

    „Sei endlich still, Plappermaul!"

    „Ihr habt mich gestohlen!", kreischt er lautstark und irgendwie vorwurfsvoll.

    „Gefällt es dir nicht bei uns?", fragt ihn die kleine Doris.

    „Ich wollte nicht zu euch! Hört ihr? Wurzelliese! Hilf mir!", kreischt er in den höchsten Tönen.

    Die Eiskinder schauen sich an. Sie wirken betreten. Normalerweise kennen sie ja keine Skrupel, aber bei dem Papagei zeigen sie doch welche.

    Rufus, der kleine, schwarze Kater, fühlt sich bei den Kindern auch nicht wohl. Und er zeigt es ihnen auf seine Art: Einmal pinkelt er über Sabines Stein, und ein anderes Mal miaut er so lange, bis die Kinder in den angrenzenden Höhlen genervt verschwinden. Aber sie wollten

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