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Words & Love: Wie schreibst du Liebe
Words & Love: Wie schreibst du Liebe
Words & Love: Wie schreibst du Liebe
eBook529 Seiten7 Stunden

Words & Love: Wie schreibst du Liebe

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Über dieses E-Book

Er ist so heiß wie die Bücher, die er schreibt.
Damiano Mantovanis Erotikthriller stürmten einst die Bestsellerlisten. Nachdem er aufgrund eines schweren persönlichen Verlustes jahrelang in der Versenkung verschwunden war, möchte er nun zurück an die Spitze. Und dabei will er sie an seiner Seite. Carlotta schwärmt seit Jahren für Mantovani und seine Bücher. Und nun soll ausgerechnet sie mit dem attraktiven Bestsellerautor zusammenarbeiten? Das kann nicht gut gehen. Schweren Herzens gibt sie ihm einen Korb.

Doch Carlottas Zurückhaltung weckt nicht nur Damianos Ehrgeiz, sondern auch seinen Jagdinstinkt. Je mehr sie sich gegen ihn wehrt, umso mehr will er sie. Vor allem, als er feststellt, dass ein anderer Mann ebenfalls Interesse an Carlotta zeigt. 

»Words & Love« ist Teil der »Liebe am Meer«-Reihe, ist aber in sich abgeschlossen. Alle Teile der Reihe können unabhängig voneinander gelesen werden.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum18. Juli 2022
ISBN9783755417507
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    Buchvorschau

    Words & Love - Brina Gold

    EINS

    »Damiano Mantovani? Du meinst doch nicht etwa … den Schriftsteller?« Carlottas Stimme wurde zum Ende ihrer Frage hin immer leiser.

    »Doch, genau den meine ich!«, bestätigte Ambra mit einem zufriedenen Lächeln um die Mundwinkel.

    »Aber … wie kommst du an ihn? Ich meine … wie lernt man so jemanden kennen – einfach nebenbei?«

    »Er trainiert zusammen mit Raffaele im selben Studio und kommt regelmäßig hierher zum Essen. So hat sich das fast zwangsläufig ergeben.«

    Natürlich. Insgeheim schlug Carlotta sich an die Stirn. Der mondäne Küstenort Porto Azzurro und besonders das Restaurant Stella di Mare, das Ambras Freund Raffaele betrieb, zogen alle möglichen Prominenten an. Reiche, Schöne, Berühmte. Auch solche, die es noch werden wollten oder zumindest glaubten, es zu sein.

    Und erfolgreiche Schriftsteller.

    Carlotta sah aus dem Fenster hinaus in die Dämmerung, um Zeit zu gewinnen und diese Information zu verdauen, die sie überraschte und emotional leicht überforderte.

    Sie war Damiano Mantovani verfallen, seit sie zum ersten Mal ein Buch von ihm gelesen hatte. Immer wieder hatten seine sinnlichen Erotik-Thriller sie durch einsame Stunden oder schlaflose Nächte begleitet. Mantovanis Schreibstil war direkt und verlockend, dabei aber nie vulgär, sondern mit einem Charme, dem sie einfach nicht widerstehen konnte. Allerdings hatte sich ihre – zugegeben recht intensive – Schwärmerei für ihn darauf beschränkt, seinem nächsten Roman entgegenzufiebern und ihn auf seinen öffentlichen Profilen aus der Ferne anzuhimmeln. Nun saß sie an der Bar des Stella di Mare bei einem kühlen Drink und hatte sich auf einen gemütlichen Abend mit ihren Freunden eingestellt, aber nicht darauf, dass Ambra ausgerechnet sie dem Erfolgsautor als neue Lektorin angepriesen hatte und er sie deshalb tatsächlich treffen wollte.

    Sollte sie sich darauf einlassen? Andererseits – würde sie es schaffen, Nein zu sagen? Und wie sollte sie gegebenenfalls ablehnen, ohne zuzugeben, dass sie einfach Schiss hatte, ihrem Schwarm persönlich zu begegnen?

    »Erde an Carlotta – hallo?«, unterbrach Ambra ihre Gedanken. »Wo bleiben die Begeisterungsstürme? Ich dachte, ein Treffen mit deinem Idol wäre das Größte für dich?«

    »Ja, irgendwie schon, aber das kommt jetzt doch ein bisschen … überraschend. Das Treffen mit meinem Idol, wie du sagst, macht mich nervös.«

    »Er sucht eine Lektorin. Das ist doch dein Beruf, oder?«

    »Ja, das ist es, aber wie soll ich denn ausgerechnet bei ihm mit dem notwendigen Abstand und sachlich arbeiten?«

    »Ich bin mir sicher, dass du das hinkriegst.«

    Zu Carlottas Erleichterung tauchte in diesem Augenblick Raffaele auf und sie blieb die Antwort schuldig. Sie beobachtete, wie er sich neben Ambra setzte. Wie die beiden sich ansahen. Er sagte etwas zu ihr, sie sprachen über die Weinkarte, doch Carlotta hörte nicht wirklich zu. In einer kleinen Ecke ihres Herzens beneidete sie die beiden. Die liebevollen Blicke, die sie tauschten, machten Carlotta schmerzlich bewusst, dass sie eine solche Beziehung noch nie in ihrem Leben gehabt hatte.

    Und vielleicht auch nie haben würde.

    Plötzlich gehörte die Aufmerksamkeit ihrer Freunde wieder ihr. Anscheinend hatten sie zum Schluss nicht mehr über Wein, sondern über sie und ihr Zögern gesprochen.

    »Es macht keinen Sinn, sie zu drängen, Ambra«, ergriff Raffaele für sie Partei. »Wenn sie es nicht machen will, dann bringt es Damiano auch nichts.«

    »Ich habe ja noch gar nicht Nein gesagt«, erwiderte sie und verwünschte ihre Unentschlossenheit.

    »Was ist denn eigentlich mit ihm passiert?«, erkundigte er sich. »Ich weiß nur, dass er hier ein ziemlich zurückgezogenes Leben führt, aber ich habe ihn nie nach dem Grund gefragt.«

    »Seine Frau ist gestorben«, antwortete Carlotta bemüht nüchtern, obwohl ihr die spärlichen Informationen, die das Netz damals hergegeben hatte, ziemlich nahegegangen waren. »Sie hatte Krebs.«

    »Als sie krank wurde, hat er aufgehört zu schreiben«, ergänzte Ambra. »Und seitdem hat er nichts mehr veröffentlicht.«

    »Was für eine Verschwendung«, murmelte Carlotta. »Geht es ihm denn jetzt wieder besser?«

    »Es scheint so. Schließlich will er ja wieder arbeiten. Also - kann er kommen und selbst mit dir reden?«, hakte Ambra nach.

    »Also gut. Ich kann mich ja mal mit ihm unterhalten.«

    »Es ist ohnehin Zeit fürs Abendessen, vielleicht kommt er ja gleich vorbei.« Raffaele wandte sich seinem Smartphone zu.

    Trotz ihres Zugeständnisses breitete sich ein mulmiges Gefühl in Carlotta aus. Sollte sie mit ihrem großen Idol zusammenarbeiten? Konnte das gut gehen?

    Raffaele kam zurück und nickte zufrieden. »In einer halben Stunde ist er hier, dann könnt ihr euch in Ruhe unterhalten.«

    Carlottas Puls fing an zu rasen. Bis jetzt war da noch die Chance gewesen, dass Mantovani nicht kommen würde. Jetzt aber stand sein Erscheinen tatsächlich fest.

    »Du hättest mir sagen sollen, was du im Schilde führst«, grummelte sie an ihre Freundin gewandt.

    »Dann wärst du sicher nicht gekommen«, konterte Ambra scharfsinnig.

    »Ich hätte mich ein bisschen schicker angezogen.«

    »Quatsch!«, fuhr Ambra ihr über den Mund. »Mach nicht so einen Aufstand, dein Outfit ist in Ordnung.«

    Carlotta schluckte eine Erwiderung hinunter. Hätte sie gewusst, dass sie Damiano Mantovani begegnen und der Abend einen beruflichen Hintergrund haben würde, hätte sie sich offizieller gekleidet. Und sich auch ein wenig geschminkt. Und ganz sicher hätte sie vorher noch zehn Kilo abgenommen.

    Und wahrscheinlich wäre sie tatsächlich lieber zu Hause geblieben, wie Ambra vermutet hatte.

    Hätte sie nur wenigstens noch einmal eines seiner Bücher durchgeblättert, ehe sie hergekommen war! Ihr Alltag hatte in der letzten Zeit nicht viel Raum für Träumereien gelassen, und so fühlte sie sich reichlich unvorbereitet und hatte Lampenfieber wie vor einer Prüfung. Dabei war sie über dreißig und sollte eine solche Situation doch eigentlich locker im Griff haben. Und Mantovani würde sie vermutlich kaum über eine seiner früheren Arbeiten befragen, also warum war sie plötzlich so nervös?

    Die angekündigte halbe Stunde kam ihr endlos vor und zugleich wünschte sie sich, die Zeit möge stehen bleiben. Mit schweißfeuchten Händen saß sie da und sah zu, wie das Lokal sich langsam füllte. Die Zeit war längst vorbei und Ambra kurz in Raffaeles Büro verschwunden, während Carlottas Gedanken sich im Kreis drehten.

    Wie mochte der berühmte Autor in Wirklichkeit sein? Hatte er tatsächlich etwas Dämonisches an sich, wie sie es immer schon mit seinem Namen – Damiano – verbunden hatte und wie es auch einmal ein Journalist hatte anklingen lassen? Der hatte ihn damals den Erotik-Dämon genannt. Und wie sah er heute aus? Die Fotos, die Carlotta von ihm kannte, waren alle von seiner offiziellen, aber inzwischen längst veralteten Autorenhomepage oder von Wikipedia und zeigten einen dunkelhaarigen Schönling mit scharf geschnittenen Zügen und einem umwerfenden, siegessicheren Lächeln. Seit es vor einigen Jahren plötzlich und überraschend still um ihn geworden war, hatte die Website keine Aktualisierung mehr erfahren. Jetzt wollte er anscheinend wieder in die Öffentlichkeit treten.

    Nervös behielt sie ständig den Eingang des Lokals im Visier und fuhr mit einem Schreckenslaut herum, als eine dunkle Stimme sie von der Seite ansprach.

    »Du musst Carlotta sein.«

    Hatte Mantovani den Hintereingang benutzt? Sein Erscheinen war ihr völlig entgangen.

    Carlotta sah ein vom Leben gezeichnetes, aber immer noch sehr attraktives Gesicht vor sich. Der Mann, der zu diesem Gesicht gehörte, war größer, als sie ihn sich vorgestellt hatte, und besaß eine enorme physische Präsenz. Er streckte ihr die Hand zur Begrüßung entgegen. Nach kurzer Schockstarre griff sie hastig danach und schämte sich, dass ihre Finger feucht waren.

    »Ich wollte dich nicht erschrecken«, sagte er und duzte sie ganz selbstverständlich.

    Ambra tauchte gleich nach ihm auf. »Ah, du hast sie bereits gefunden.« Sie begrüßten sich herzlich wie zwei alte Bekannte, während Carlotta nervös von ihrem Barhocker rutschte.

    »War ganz leicht«, lächelte er sie an. »Du hattest deine Freundin wirklich gut beschrieben.«

    Ambra lächelte zufrieden zurück und Carlotta konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass ihre Freundin sich schon längst mit ihrem Kollegen verbündet hatte. Das konnte ja heiter werden.

    »Setz dich«, forderte ihre Freundin ihn nun auf und deutete auf einen Tisch, der für vier Personen gedeckt war. »Raffaele und ich kommen auch gleich, dann können wir uns vor dem Essen noch ein bisschen unterhalten.«

    Mantovani glitt auf den Stuhl gegenüber von Carlotta. »Du bist also meine neue Lektorin«, hörte sie ihn sagen und fand das reichlich vorschnell.

    »Was? Nein! Also – ich meine … Darüber müssen wir erst noch sprechen, es gibt noch zu viele ungeklärte Fragen.« Keinesfalls wollte sie sich so einfach von ihm überfahren lassen.

    »Tatsächlich?«, fragte er halblaut und sah sie aufmerksam an.

    Carlotta bemerkte ein Netz von feinen Fältchen um seine Augen. Ob ihm aufgefallen war, dass sie eine direkte Anrede vermieden hatte? Sie schaffte es einfach nicht, ihn so aus dem Stand heraus zu duzen, wie er das ganz selbstverständlich tat. Er sprach nicht weiter, weil Ambra sich zu ihnen setzte und auch Raffaele an ihrem Tisch Platz nahm. Der Maître schenkte ihnen Wein ein und stellte eine Karaffe Wasser auf den Tisch. Carlotta beobachtete alles etwas unbehaglich und fing einen nachdenklichen Blick Mantovanis auf.

    Zum Glück bestritten ihre Freunde völlig unbefangen die Unterhaltung und so brachten sie ein einigermaßen gelöstes Abendessen hinter sich. Raffaele hatte viel zu erzählen und tat das auf angenehm lockere Art. Ambra hatte ihr anfangs viel von seiner Stimme vorgeschwärmt, und Carlotta musste zugeben, dass das nicht übertrieben war. Allerdings war es nicht Raffaele, der ihr mit seinen Worten gelegentliche Schauer über den Rücken jagte, sondern Mantovani. Er klang noch tiefer und nicht so samten wie Raffaele, nicht so weich und verführerisch, besaß eher eine klassische Reibeisenstimme. Seine Gestik war faszinierend, sie starrte immer wieder wie gebannt auf seine Hände. Schöne, schlanke, aber kräftige Finger. Einen Moment lang vergaß sie alle Vorsichtsmaßnahmen und stellte sich diese Finger auf nackter Haut vor. Doch sie rief sich schnell wieder zur Ordnung.

    Wenn er doch nur irgendetwas gehabt hätte, das sie auf den ersten Blick hätte abstoßend finden können! Etwas, das sie enttäuschte, das ihr missfiel. Aber da war nichts. Er entsprach nicht dem Bild, das sie sich vor langer Zeit von ihm gemacht hatte – er übertraf ihre Erwartungen vielmehr bei Weitem. Damit hatte sie nicht gerechnet und es verunsicherte sie.

    Aber sie würde zu allem Nein sagen und jedem Gedanken an einen Lektoratsauftrag widerstehen, egal wie verlockend er auch sein mochte. Objektiv arbeiten würde sie mit Sicherheit nicht können, ebenso wenig wie sie eine klare Trennung zwischen ihrer privaten Bewunderung und technischer Kritik an seiner Arbeit würde ziehen können. Und wenn sie eine schwache Leistung ablieferte, wie stünde dann Ambra vor Damiano da? Der Gedanke war ihr unangenehm, auch wenn es ihre Freundschaft sicher nicht gefährden würde. Aber wie würde sie selbst dastehen, wenn sie vor dem großen Autor versagen würde?

    Der Küchenchef rief Raffaele zu sich und auch Ambra erhob sich mit einer fadenscheinigen Ausrede.

    »Dann könnt ihr schon mal die Einzelheiten eurer Zusammenarbeit besprechen«, meinte sie gut gelaunt, ehe sie verschwand und Carlotta mit Mantovani alleinließ.

    Diese Verräterin!

    »Es sieht allerdings nicht so aus, als würde es eine Zusammenarbeit geben«, murmelte er mehr zu sich selbst und musterte sie nachdenklich. Carlotta fühlte sich in die Enge getrieben und hatte ein schlechtes Gewissen. Also holte sie erst einmal tief Luft.

    »Ich habe mich noch nicht entschieden«, informierte sie ihn nüchtern.

    Etwas vorgebeugt, auf die Ellbogen gestützt, die Hände locker um die Oberarme gelegt, saß er da und sah sie aufmerksam an. Damiano Mantovani war unbestreitbar attraktiv – nicht auf klassische Weise, er strahlte eher etwas Melancholisches aus, analysierte Carlotta und wandte ihre Aufmerksamkeit unauffällig seinen breiten Schultern zu, die von einer abgewetzten Lederjacke noch betont wurden. Der Kontrast war frappierend – in seinem Alter hätte dieses Kleidungsstück leicht deplatziert wirken können, doch das tat es nicht.

    »Was brauchst du, um dich zu einer Antwort durchzuringen?«, fragte er sachlich und riss sie aus ihren Betrachtungen.

    Damiano sah an Carlotta Manzonis Reaktion, dass sie noch immer nicht recht wusste, wie sie reagieren sollte. Sie zögerte einen Moment und atmete dann tief aus.

    »Ich möchte noch ein bisschen mehr wissen«, antwortete sie, und es klang ausweichend.

    Er nickte bereitwillig. Ihre Frage war durchaus verständlich, doch was würde sie wissen wollen? Würde sie auf den Grund für seinen Rückzug zu sprechen kommen?

    Er war nicht sicher, ob ihm das gefallen würde. Nach wie vor sprach er ungern mit Außenstehenden über dieses schmerzhafte Thema.

    »Was genau interessiert dich?«

    »Möchtest du nicht mehr über deinen Verlag veröffentlichen?«

    Eine legitime Frage. Und eine sehr sachliche obendrein. »Du bist also über meine frühere Arbeit im Bilde.«

    »Aber natürlich.«

    Das klang so, als hätte sie tatsächlich etwas von ihm gelesen. Damiano beschloss, seine Karten auf den Tisch zu legen. »Ich war enttäuscht darüber, wie verständnislos mich mein Verlag behandelt hat, während ich privat in einer sehr schwierigen Phase steckte«, erklärte er nüchtern, ohne auf die schwierige Phase näher einzugehen.

    »Ambra hat es angedeutet«, merkte Carlotta leise an und signalisierte ihm damit, dass sie über die Tatsachen informiert war. »Tut mir sehr leid.«

    Hörte er Mitleid oder Mitgefühl aus ihrer Stimme? Ihr ruhiger Blick verriet ihm nicht, was sie dachte. Er nahm es hin und nickte.

    »Danke«, sagte er dann sehr ruhig und gefasst. »Ja, man hat mich nach dem Tod meiner Frau vor eineinhalb Jahren nicht gerade mit Verständnis behandelt. Aber auch schon in der Zeit davor, als sie krank war, lief es nicht so, wie man es sich in einer solchen Situation wünscht. Das ist jetzt alles in allem drei Jahre her.«

    »So lange schon?« Sie klang ehrlich überrascht.

    »Ja, so lange schon.« Er schwieg einen Moment, betrachtete konzentriert das Glas vor ihm auf dem Tisch. Dann sprach er weiter. »Wie auch immer – ich bin an einem Punkt, an dem ich versuchen möchte, andere Wege zu gehen, es vielleicht allein zu versuchen oder über einen anderen Verlag.«

    »Ah.« Carlotta nickte und im selben Moment fiel ihm auf, dass sie seine Körpersprache kopierte. Sie saß nun da wie er: auf die Ellbogen gestützt, leicht vorgebeugt, die Hände um die Oberarme gefasst.

    »Außerdem«, fuhr Mantovani fort und unterdrückte ein Schmunzeln, »war mein dortiger Ansprechpartner ein Mann.« Ihr fragender Blick entlockte ihm eine Erklärung. »Ich möchte dieses Mal bereits in der Entstehungsphase wissen, wie das, was ich schreibe, auf Frauen wirkt«, erklärte er mit einem fast entschuldigenden Achselzucken. »Daher suche ich eine Lektorin, die mich schon im Vorfeld begleitet.«

    »Du bleibst also bei deiner bisherigen Thematik?«

    Das hatte sie schön neutral ausgedrückt. Offenbar wollte sie ihm gegenüber nicht auf seine handfeste Erotik anspielen.

    Er selbst hatte damit keine Probleme. »Ja, ich bleibe explizit erotisch«, bestätigte er, »aber ich möchte auch den Thrilleraspekt verstärken.«

    Sie nickte zustimmend. »Das verkauft sich mit Sicherheit. Spannung verbunden mit Sex kommt gut an. Hast du noch Blogger oder andere Kontakte von früher?«

    »Nein. Ich habe die letzten Jahre so abgeschieden verbracht, dass ich nicht mal wüsste, an wen ich mich jetzt wenden sollte.«

    »Das sollte kein allzu großes Problem sein. Über die sozialen Medien geht das relativ schnell und unkompliziert.« Carlotta überlegte kurz. »In Sachen Netzwerken hast du länger nichts mehr unternommen, oder?«

    Er grinste freudlos. »Nein. Ich brauchte Abstand und habe wohl viel versäumt in der letzten Zeit.«

    Er sah ihr an, dass sie nachdachte. Ihre Überlegungen mussten sich wie verrückt im Kreise drehen, denn sie lehnte sich in ihren Stuhl zurück und fixierte ihn mit grüblerischem Gesichtsausdruck.

    Er, der arrivierte Bestsellerautor, fühlte sich mit einem Mal wie ein hilfloser Junge, der bunte Bauklötze zum Spielen hatte, aber nicht recht wusste, was er mit ihnen anfangen sollte. War das für eine junge, aufstrebende Frau keine Herausforderung?

    »Wollen wir ein paar Schritte gehen?«, riss er sie aus ihren Überlegungen.

    Sie atmete hörbar auf. »Das können wir gern.«

    Von wo Ambra und Raffaele sie beobachtet hatten, war Damiano entgangen, doch als Carlotta und er sich erhoben, waren ihre Freunde urplötzlich bei ihnen.

    »Ihr wollt schon los?« Ambra klang enttäuscht.

    »Damiano möchte ein paar Schritte gehen«, wiederholte Carlotta seinen Vorschlag.

    Schweigend und mit gebührendem Höflichkeitsabstand schlenderte Carlotta neben ihrem Begleiter her die Strandpromenade entlang. Der Abend war lau und es herrschte ein buntes Treiben von fröhlichen Menschen, was sie ein wenig von ihrer inneren Anspannung ablenkte, von einer geistreichen Gesprächspartnerin war sie aber noch immer weit entfernt. Mantovani sah offensichtlich auch keinen triftigen Grund, sie zu unterhalten, und so hingen sie ihren Gedanken nach. Noch war nicht allzu viel los in Porto Azzurro, die Saison würde erst in ein paar Wochen beginnen. Nach einem etwa halbstündigen Bummel standen sie vor dem Lokal, in dem Carlotta und Ambra gefeiert hatten.

    »Du lächelst. Das erste Mal übrigens an diesem Abend.«

    Erstaunt wandte sie sich um. »Tatsächlich?«

    »Ja. Bist du immer so ernst?«

    »Na ja, meistens. Und heute Abend bin ich noch dazu ein bisschen nervös«, gestand sie.

    »Das brauchst du nicht«, meinte er. »Bisher haben meine Lektoren immer mich zerlegt, nicht umgekehrt!«

    »Deine Lektorin bin ich ja auch nicht«, hörte sie sich selbst mit viel zu abweisender Stimme sagen.

    »Und genau darüber reden wir jetzt. Komm!« Er fasste sie sanft am Ellbogen und bugsierte sie ins Lokal. Die kaum spürbare Berührung seiner Hand empfand Carlotta als geradezu elektrisierend und sie war froh, als er sie drinnen gleich wieder losließ. Sie fanden einen Platz am Ende der Theke und setzten sich.

    »Warum hast du eben draußen gelächelt?«, fragte er. »Leugnen gilt nicht, ich habe es genau gesehen. Du hast das Lokal erkannt und dann gelächelt.«

    »Ich leugne es ja gar nicht.«

    »Also?« Er konnte offensichtlich sehr hartnäckig sein.

    »Ich war letzten Herbst mal abends mit Ambra hier.«

    »Das muss ein lustiger Abend gewesen sein.« Sein Blick war offen und freundlich, als er ihr Gesicht musterte, als wäre dieser Abend wie ein Kinofilm darauf zu sehen.

    »War er auch. Wir waren beschwipst, ich meine: Ich war ziemlich angeheitert.«

    Er schmunzelte. »Womit habt ihr euch denn so beschwipst?«

    »Mit Mojitos.« Unwillkürlich musste Carlotta wieder grinsen bei der Erinnerung.

    »Dann müssen jetzt auch welche her – unbedingt. Du lächelst viel zu selten.«

    »Für mich nicht«, warf sie eilig ein. »Heute einen alkoholfreien Cocktail, bitte.«

    Er nahm es mit einem Stirnrunzeln zur Kenntnis und wandte sich zum Kellner hinter dem Tresen. Carlotta war froh, dass er in diesem Moment ihre Verblüffung nicht erkennen konnte. Er wollte sie lächeln sehen? Glücklicherweise fasste sie sich wieder, noch ehe er sich zu ihr umdrehte, und begegnete seinem Blick scheinbar gelassen. Als dann endlich die Drinks vor ihnen standen, gehörte seine ganze Aufmerksamkeit wieder ihr, wie sie unbehaglich feststellen musste.

    »Also, wie war das nun? Warum willst du nicht für mich arbeiten?«

    »Ich habe noch nicht endgültig abgesagt«, korrigierte sie ihn penibel.

    »Du hast aber auch noch nicht akzeptiert«, gab er zu bedenken. »Was lässt dich zögern? Wenn du weitere Fragen hast, immer heraus damit.«

    »Ich habe noch nicht so viel Erfahrung, speziell in deinem Genre, und möchte keine Zusage geben, die ich dann vielleicht nicht halten kann.«

    »Irgendwann fängt jeder mal damit an, Erfahrungen zu sammeln. Es ist schließlich noch kein Meister vom Himmel gefallen, und für deine Freundin Ambra arbeitest du schließlich auch und lektorierst ihre Romane. Ich bin der Freund ihres Freundes. Also bin ich genau genommen auch dein Freund«, argumentierte er mit einem spitzbübischen Grinsen. »Ist das kein triftiger Grund für eine Zusammenarbeit?«

    Seine markanten Lachfalten vertieften sich, doch sonderbarerweise machte ihn das keineswegs älter, im Gegenteil. Dieses Lächeln ließ sein Gesicht geradezu aufleuchten.

    »Für Ambra arbeite ich, obwohl sie meine Freundin ist, nicht, weil sie es ist«, klärte Carlotta ihn auf. »Freundschaftliche Beziehungen sind bei einer solchen Arbeit eher kontraproduktiv, sie könnten den sachlichen Umgang mit Kritik behindern. Das geht selten gut und man riskiert im schlimmsten Fall die Freundschaft dabei. Ich glaube außerdem, du solltest dir jemanden suchen, der deine früheren Arbeiten nicht so gut kennt wie ich und daher unvoreingenommen herangehen kann.«

    Wie sehr das an den Haaren herbeigezogen klang, konnte sie selbst hören, aber eine bessere Ausrede wollte ihr gerade nicht einfallen. Mantovani stutzte und konzentrierte sich dann auf seinen Drink. Er legte den Strohhalm neben sein Glas, prostete ihr zu und nahm einen tiefen Schluck. Carlotta zog heftig an ihrem Halm, als er sie nun sehr eindringlich ansah und dabei sogar den Kopf ganz leicht zur Seite neigte.

    Schließlich setzte er sein Glas wieder ab und wischte mit einer sehr bedächtigen Bewegung über die Kondenswasserperlen. »Du kennst meine Bücher wohl besser, als ich dachte?« Es klang mehr wie eine Feststellung als eine Frage.

    »Ja«, sagte Carlotta nach kurzem Zögern. »Ziemlich gut.« Dummerweise klang ihre Stimme belegt. Sein Blick ging ihr durch und durch.

    »Du wirst rot«, bemerkte er leise. »Waren sie denn wirklich so schlimm?«

    Schlimm?

    »Nein, das nicht gerade, aber … sie waren eher … also …« Plötzlich brach ihr der Schweiß aus.

    »Anregend?« Seine Augen ließen sie nicht mehr los, blieben an ihren Lippen hängen, seine Stimme wurde leiser. »Hast du meine Bücher … anregend gefunden?«

    Und jetzt? Sagte sie Nein, dann wäre er möglicherweise beleidigt, und es wäre auch noch schlichtweg gelogen. Sagte sie hingegen Ja, dann wusste er, dass er sie unweigerlich am Haken hatte. Sie steckte in einer Zwickmühle.

    »Mit Lektorat allein ist es ja nicht getan«, wich sie aus. »Du solltest dir einen PR-Profi suchen. Du brauchst einen neuen Internetauftritt, einen Twitter-Account, ein Facebook-Profil, musst auf Instagram präsent sein, und du brauchst außerdem eine gut durchdachte Marketingstrategie.«

    »Wovor hast du solche Angst?«

    »Hier geht es nicht um Ängste«, widersprach sie betont ruhig. »Ich treffe meine Entscheidungen nur gern, ohne dass man mich dazu drängt.«

    »Du hast recht«, lenkte er überraschend ein. »Das ist sonst nicht meine Art.«

    Sie warf ihm einen schiefen Blick zu. »Warum tust du es dann bei mir?«

    Er überlegte einen Moment. »Ich weiß von Ambra, dass du gut bist in deinem Job«, sprach er dann bedächtig weiter. »Und wenn du nicht nur lektorieren, sondern auch noch alles andere übernehmen möchtest, wäre mir das umso lieber. So, wie ich dich einschätze, gleichst du deine angeblich mangelnde Erfahrung mit Engagement und Enthusiasmus locker aus, das ist etwas, das man nicht unterbewerten sollte. Ich bin zwar leider seit einer Weile aus dem Geschäft, aber manche Dinge verlieren ihre Gültigkeit nie. Außerdem – ein Nein war für mich immer schon eine Herausforderung.«

    Nicht nur, dass er keinen ihrer Einwände gelten ließ – er verwandte sie auch noch gegen sie.

    »Hast du denn keinen Agenten?« Gerade noch erinnerte sie sich an eine weitere Möglichkeit. Trotzdem half es nichts, denn seine Antwort machte ihre kleine Ausflucht sofort zunichte.

    »Auch von ihm habe ich mich getrennt. Damals war ich einfach zu enttäuscht von allem und jedem.«

    Konnte und wollte sie sich tatsächlich auf Damiano Mantovani einlassen? Konnte sie trotz persönlicher Vorlieben arbeiten und Leistung bringen?

    »Besteht denn nicht die geringste Chance, dass du es dir noch anders überlegst?«, fragte er mitten in ihre Zweifel hinein.

    »Ich weiß nicht …«

    Wie würde es ihr ergehen, wenn sie über längere Zeit hinweg persönlichen Kontakt zu ihm halten musste? Wie oft hatte sie ihn in ihr Bett gewünscht, ihn in ihr Leben hinein fantasiert, sich an seine Seite geträumt? Und nun sollte sie für ihn arbeiten? Mantovani war bis zu seinem Rückzug ins Privatleben ein Star gewesen. Vielleicht nicht mit Millionen kreischender Fans, aber mit einer enorm großen, begeisterten Fanbase. Und dieser anerkannte Schriftsteller wollte ausgerechnet sie als Lektorin? Er konnte an jedem Finger zehn Literaturstudentinnen haben, die sich um den Job reißen würden, weil er eine prominente Position im Lebenslauf darstellen würde. Er konnte gute und absolut professionelle, etablierte Lektoren haben. Und er brauchte tatsächlich dringend einen Agenten …

    Sie sah, wie er den Kopf senkte und in sein Glas starrte.

    »Das ist wirklich schade.« Er klang leise, bedauernd, und sah sie immer noch nicht an.

    Dieses Aufgeben irritierte Carlotta fast noch mehr als sein Drängen. Dagegen konnte sie ankämpfen, das stachelte ihren Trotz an, aber diesem enttäuschten Eindruck, den er jetzt gerade vermittelte, hatte sie nichts entgegenzusetzen. Sie fühlte sich beinahe so, als hätte sie ihn bei etwas Wichtigem im Stich gelassen.

    Ehe ihre Vernunft wieder das Ruder übernahm, hörte sie sich losplappern. »Nur Lektorat. Und zwar dann, wenn du komplett fertig bist, vorher nicht. Zwei Durchgänge. Du schickst mir dein Skript per Mail, ich bearbeite es und schicke es dir zurück. Für alles andere solltest du dir wirklich einen Profi suchen.«

    Er sah sie an, als wäre sie gerade vom Mond gefallen. »Ich hatte mir die Zusammenarbeit persönlicher vorgestellt.«

    Carlotta zwang sich zu einem coolen Schulterzucken. »Mehr kann ich nicht für dich tun. Ich bin weder für Werbung noch für Websites zuständig. Nur für den Text.«

    »Ich dachte eher an ein begleitendes Lektorat und fand gerade die Tatsache, dass du nicht weit entfernt wohnst, so passend – wir könnten uns regelmäßig zu Besprechungen treffen, immerhin habe ich lange nichts geschrieben und muss mich erst wieder einarbeiten. Und natürlich müsstest du das alles nicht umsonst machen.«

    Dass ein Damiano Mantovani ein Kindermädchen brauchte, weil er wieder zu schreiben anfing, konnte Carlotta sich nicht vorstellen. Sein Drängen machte sie aber aus zwei Gründen nervös: Zum einen hatte er recht damit, dass eine intensive Zusammenarbeit, durchaus effektiver und auch fruchtbarer sein konnte als die von ihr vorgeschlagene. Zum anderen wollte sie nicht den Eindruck erwecken, als ginge es ihr ausschließlich um den finanziellen Aspekt. Unbestreitbar stellte er sich eine ziemlich exklusive, zeitaufwendige Betreuung vor. Das wiederum lief ihren eigenen Vorstellungen absolut zuwider. Einen Kompromiss wäre sie eingegangen, doch sie wollte nicht so für ihn arbeiten, wie er sich das vorstellte. Wollte es gar nicht erst versuchen. Es war schon dumm genug von ihr gewesen, ihm überhaupt entgegenzukommen, aber es wäre ein unverzeihlicher Fehler, auf seine Forderungen einzugehen. Er wollte mehr? Das sollte er sich anderswo suchen.

    »Vergiss es, das mache ich nicht«, erklärte sie entschieden und stand auf. »Lassen wir das. Danke für dein Angebot und den Drink, aber ich muss jetzt gehen. Ciao.«

    Sie wollte die Bar verlassen, doch Mantovanis Stimme hielt sie zurück.

    »Bitte, Carlotta, warte!«

    Zögernd drehte sie sich wieder zu ihm um. Er hatte in einer resignierten Geste beide Hände gehoben und sah sie eindringlich an.

    »Ist ja schon gut, ich habe verstanden. Ich komme mit, lass mich nur noch schnell zahlen, okay?«

    Carlotta nickte und wartete, bis er die Rechnung beglichen hatte. Dann ging sie forsch voraus und verlangsamte ihre Schritte erst, als die Tür hinter ihnen zufiel. Kühle Luft umfing sie, und sie straffte die Schultern.

    »Was soll ich sagen«, murmelte Damiano, als er zu ihr aufgeschlossen hatte. »Ich habe die Akquise wohl etwas übertrieben.« Womit er sicherlich gelinde untertrieb. Er war aufdringlich gewesen, das sah er ein.

    »Wohin gehen wir jetzt?«, versuchte er noch zu retten, was möglich war. Carlotta Manzoni berührte etwas in ihm, das schon sehr lang nicht mehr lebendig gewesen war, und er hatte absolut keine Lust, sich jetzt schon von zu verabschieden.

    »Wir?« Sie sah ihn mit einem Ausdruck an, als hätte er ihr wer weiß was vorgeschlagen, also antwortete er lieber nichts darauf.

    »Ich gehe zurück ins Stella und verabschiede mich von Ambra. Was du vorhast, weiß ich nicht.«

    »Autsch. Das war deutlich.«

    »Anders verstehst du es ja offensichtlich nicht.«

    »Ist ja schon gut. Ich habe es übertrieben, aber – können wir trotzdem wieder Frieden schließen?«

    Misstrauisch sah sie ihn an. »Wenn du das ernst meinst und nicht mehr weiter bohrst, dann schon«, lenkte sie ein.

    Er nickte erleichtert. »Gut, ich sage nichts mehr. Ist das okay?«

    Carlotta nickte und ging friedlich neben ihm her, bis sie wieder an Raffaeles Lokal ankamen. Die meisten Gäste waren schon weg, und Ambra und Raffaele machten sich gerade fertig zum Gehen.

    »Hey, ihr zwei.« Ambra griff nach ihrer Handtasche und sah Carlotta überrascht an. »Schon wieder da?«

    Sie zog es vor, keine Antwort zu geben, und Damiano zuckte betreten mit den Schultern.

    »Ich habe leider auf Granit gebissen«, gab er zu. »Carlotta ist sehr hartnäckig, und sie hat abgelehnt.«

    »Im Ernst?« Ambra sah sie an, als könne sie es nicht glauben.

    »Im Ernst«, bestätigte Carlotta. »Das kann nicht klappen, deshalb lasse ich es besser sein.«

    »Bist du sicher?«

    Sie antwortete nicht. War sie doch nicht so sehr von ihrer eigenen Aussage überzeugt, wie sie sich den Anschein geben wollte?

    »Wollen wir noch etwas trinken gehen?«, fragte Raffaele, der den kurzen Wortwechsel zwischen den beiden Frauen nicht mitbekommen hatte.

    »Also – ich bin dabei.« Damiano sah Carlotta mit stummer Aufforderung im Blick an.

    »Ich passe.«

    »Willst du wirklich nicht noch bleiben? Du kannst jederzeit bei uns übernachten, stimmt’s, Raffaele?« Ambra machte einen letzten Versuch, doch als Carlotta trotz Raffaeles zustimmenden Nickens hartnäckig blieb, gab sie nach. Die beiden kannten sich offensichtlich gut genug. »Also schön, wenn du meinst. Aber weißt du was? Komm doch einfach nächstes Wochenende wieder. Und dann stellst du dich gleich darauf ein, hier zu übernachten, okay?«

    Lachend vermied Carlotta, den Vorschlag sofort abzulehnen, küsste ihre Freunde zum Abschied auf beide Wangen und streckte ihm selbst die Hand entgegen.

    Er ignorierte sie. »Ich bringe dich«, sagte er knapp.

    »Nicht nötig«, wiegelte sie ab.

    »Wo steht dein Auto?«, fragte er, als sie aus dem Lokal auf den Bürgersteig traten. Auf keinen Fall würde er sich abwimmeln lassen.

    »Hier – direkt vor der Tür.«

    Er sah, dass sie sich angesichts seiner entgleisten Gesichtszüge ein Grinsen verbeißen musste, aber er begleitete sie konsequent die zehn Meter bis zu ihrer kleinen Karre.

    »Bist du wirklich sicher, dass du noch fahren kannst?«

    »Ich habe nur ein bisschen Wein getrunken beim Abendessen«, erinnerte sie ihn. »Alles andere war alkoholfrei.«

    »Ja, das schon«, gab er zu. »Aber bist du denn nicht müde?«

    »Nicht besonders. Und nachts Auto zu fahren macht mir nichts aus.«

    Er war nicht wirklich überzeugt. »Aber warum hast du es so verdammt eilig?«

    »Ich wollte nur auf ein Abendessen mit Ambra herkommen. Dass es um dich und deine Arbeit gehen würde, wusste ich vorher nicht. Ambra hatte es vorher nicht erwähnt. Sie wusste, ich würde sonst vielleicht gar nicht kommen.«

    Betroffen starrte er sie einen Moment an, ehe er sich zu einer Antwort imstande fühlte. »Das tut mir aufrichtig leid, Carlotta. Ich wusste ja nicht, dass du mir so ablehnend gegenüberstehst. Wenn ich das geahnt hätte, dann wäre ich niemals so aufdringlich gewesen und …«

    »Nein, das ist es nicht«, unterbrach sie ihn. »Ich lehne dich nicht ab.«

    »Nun ja, wie auch immer.« Er machte eine unschlüssige Drehung in Richtung Straße und fuhr sich mit einer nervösen Handbewegung durchs Haar. »Entschuldige, wenn ich dir mit dem Lektorat auf die Nerven gegangen bin.«

    »Kein Problem«, sagte sie heiser. »Ich kann mich schon wehren, wenn ich etwas wirklich nicht machen will.«

    »Ja, gut so.« Er lachte nervös auf. Nun wurde es wirklich Zeit, sich von ihr zu verabschieden. Deutlicher konnte eine Abfuhr nicht sein.

    Carlotta war wohl zu demselben Schluss gekommen, denn sie wandte sich um, schloss das Auto auf und warf ihre Handtasche auf den Beifahrersitz. Dann drehte sie sich mit einer entschlossenen Bewegung zu ihm und streckte ihm zum zweiten Mal innerhalb weniger Minuten die Hand zum Abschied entgegen.

    »Also dann – danke für den netten Abend. Hat mich gefreut, dich kennenzulernen.«

    »Gern geschehen«, antwortete er mit belegter Stimme. »Komm gut nach Hause, und vielleicht treffen wir uns ja mal wieder.« Mehr fiel ihm im Moment nicht ein.

    »Ja. Vielleicht.«

    Einen Moment lang sah es so aus, als wollte sie noch etwas sagen, aber sie tat es dann doch nicht. Daher ließ er ihre Hand los und trat einen Schritt zurück. Carlotta stieg ein, schloss die Tür, winkte ihm noch einmal zu und ließ den Wagen an. Dann war sie fort.

    ZWEI

    Den Samstagmorgen erlebte Carlotta wie in Watte gepackt. Nach einer unruhigen Nacht mit wirren Träumen zwang sie sich am frühen Vormittag endlich dazu, aufzustehen, und haderte auch während eines flüchtigen Frühstücks noch mit ihrer Entscheidung des vergangenen Abends.

    Wenigstens das Lektorat hätte sie versuchen können. Aber je mehr sie darüber nachdachte, desto klarer kehrte ihre Überzeugung zurück, dass es eben doch besser gewesen war, sich nicht darauf einzulassen.

    Es war richtig gewesen so.

    Punkt.

    Trotzdem spürte sie eine unerklärliche Unruhe. Automatisch erledigte sie die nötigsten Einkäufe und Hausarbeiten. Und dann, nachdem sie es sich den ganzen Tag verboten hatte, konnte sie nicht mehr länger widerstehen, ging zu ihrem Bücherregal und zog wahllos einen Mantovani heraus.

    Neugierig las sie den Titel.

    Süchtig nach dir

    Sie konnte sich noch daran erinnern, als das Buch herausgekommen war. Es war wochenlang auf Top-Platzierungen in allen Bestsellerlisten gewesen, war hochgelobt und viel geschmäht worden, hatte aber niemanden kalt gelassen. Willkürlich schlug sie es an irgendeiner Stelle auf und begann zu lesen.

    Es war die Szene, in der der Held seiner Angebeteten einen Lamborghini schenkte, um sie von der Aufrichtigkeit seiner Gefühle zu überzeugen. Der Protagonist war eine etwas spröde Figur, erinnerte sie sich. Ein Mann, unfähig, seine Gefühle in Worte zu fassen, der beinahe daran scheiterte, dass er seiner geliebten Partnerin die drei Zauberworte nicht sagen konnte. Daher versuchte er mit allen nur möglichen Mitteln, sie zu überzeugen, obwohl er sie des Mordes an ihrem ersten Ehemann verdächtigte.

    Carlotta ließ ihre restliche Hausarbeit liegen – morgen war schließlich auch noch ein Tag – und verzog sich mit einem Glas Saft und dem Buch auf die Terrasse. Einmal mit der Lektüre angefangen, konnte sie nicht mehr aufhören.

    Wieder einmal versank sie in Damianos eindringlichen Worten. Die Bilder, die er mit seiner Sprache zeichnete, erstanden so plastisch vor ihren Augen, als würde sie einen Film ansehen, der sie mehr und mehr ins Geschehen zog …

    Er sah sie an. Der feine weiße Sand, in dem sich ihr makelloser Körper rekelte. Ihre perfekten Apfelbrüste, ihre Nippel wie Kirschen auf einem Bett aus Sahne.

    Ein kühler Wind strich über seinen erhitzten Körper und ließ die Palmen leise rascheln.

    »Warst du’s?«, fragte er leise.

    Sie drehte sich zu ihm, ließ die Fingerspitzen über seine Brust gleiten. Winzige Sandkörner rieben über seine Haut.

    »War ich was?«, schnurrte sie.

    Er nahm ihre Hand, ein wenig unsanft. Sie sah ihn erstaunt an.

    »Hast du Mario umgebracht?«

    Mit einer geschickten Drehung schwang sie sich auf ihn, umschloss seine Mitte mit ihren glatten Schenkeln. Seine Lust erwachte aufs Neue, und er stöhnte zwischen zusammengebissenen Zähnen.

    »Und wenn?«, murmelte sie an seinem Ohr. »Was würde das ändern?«

    Carlotta ließ das Buch sinken und starrte vor sich hin. Bei der Lektüre der Ideen, mit denen der Romanheld seine Liebste überzeugen wollte, hatte sie sich unwillkürlich gefragt, wie viel wohl vom echten Damiano Mantovani in dieser Romanfigur stecken mochte. Oder wie viel überhaupt von ihm in seinen Büchern zu finden war. Müsste sie ihn kennen, wenn sie seine Bücher nur mit dem richtigen Auge lesen würde? Oder gab es nichts von ihm in den Sätzen, die er schrieb? Brachte nicht jeder Schriftsteller Teile seiner Persönlichkeit in seine Arbeit ein?

    Da sie zu keinem Schluss kam, begnügte sie sich wieder damit, sich von der Geschichte unterhalten zu lassen. Als sie mit dem Buch endlich fertig war, dämmert es bereits. Sie bereitete sich einen Imbiss zu, dann setzte sie sich mit dem nächsten Buch an den Tisch und aß nebenbei. Anschließend machte sie es sich mit einem Glas Rotwein auf der Couch bequem und las weiter.

    Warum eigentlich hatte sie schon so lange keinen Mantovani mehr gelesen? Sein Stil und seine Sprache waren wunderbar, die Darstellungen des Liebesaktes für einen Mann außerordentlich geschmackvoll und sensibel. Natürlich waren die expliziten Szenen inzwischen längst nicht mehr provokativ, doch immer noch anregend, und Carlotta spürte auch dieses Mal wieder das bekannte Prickeln, als sie atemlos die Beschreibung einer erotischen Verführung verfolgte. Dabei hatte sie diese Stelle bestimmt schon ein Dutzend Mal gelesen, wenn nicht öfter. Der Charme nutzte sich nicht ab, der Reiz verpuffte nicht.

    Vor ihrem inneren Auge schob sich das Bild des Autors vor sein Werk. Der Protagonist trug mehr und mehr Damiano Mantovanis Züge, während die verführte Dame ihr selbst immer ähnlicher wurde. So war es ihr auch früher schon gelegentlich ergangen, nur dass sie damals natürlich kein so deutliches Bild ihres

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