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Love & Songs: Der geerbte Mann
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eBook353 Seiten4 Stunden

Love & Songs: Der geerbte Mann

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Über dieses E-Book

Superzicke trifft auf Seelenversteher
Sarina braucht dringend Geld für ihre Zukunftspläne. Da kommt der jungen Dolmetscherin eine unerwartete Erbschaft gerade recht: Ein Haus an der Adria! Wenn sie das verkauft, kann sie endlich das Leben anfangen, von dem sie geträumt hat ... glaubt sie.

Vor Ort angekommen stellt sie fest, dass sie einen Freund ihrer Großmutter mitgeerbt hat, und plant dessen Umzug in ein Altersheim. Doch mit Dario erlebt Sarina die Überraschung ihres Lebens, und das nicht nur, weil er sich strikt weigert, das Feld zu räumen. Plötzlich ist nichts mehr wie zuvor, und sie muss sich fragen, wie viel ihr noch an dem Lebenstraum liegt, den sie zusammen mit allem anderen in Deutschland zurückgelassen hat.

Die romantische und herzerwärmende Komödie um Italien, Urlaub und die Liebe. »Love & Songs« ist Teil der »Liebe am Meer«-Reihe, ist aber in sich abgeschlossen. Alle Teile der Reihe können unabhängig voneinander gelesen werden.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum18. Juli 2022
ISBN9783755417514
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    Buchvorschau

    Love & Songs - Brina Gold

    Kapitel 1

    Obwohl ich spät in dem kleinen Lokal ankomme, in das Peter mich bestellt hat, ist er selbst noch nicht da. Also setze ich mich an unseren Lieblingstisch in der lauschigen Nische, in der man sich so schön ungestört fühlen kann, und warte. Ich bin ein bisschen nervös – es gibt wohl endlich Neuigkeiten. Seit er mich heute Nachmittag ganz überraschend hierher eingeladen hat, habe ich so eine gewisse Hoffnung …

    Da ich ungern Löcher in die Luft starre, während ich allein sitze und warte, hole ich meinen Reader aus der Tasche und fange an, zu lesen. Gestern Abend habe ich mir dieses Buch geladen, weil ich Lust hatte, mal wieder einen Roman auf Italienisch zu lesen. Eigentlich mehr aus Versehen wegen der guten Rezensionen, denn dass es eher ein Liebesroman als ein Thriller ist, hatte ich erst später bemerkt. Aber das Buch liest sich gut und ist spannend.

    ›Elenas Mann betrog sie seit Jahren, doch sie tat so, als würde sie das nicht bemerken, weil sie ihn liebte. Für seine politischen Aktivitäten hielt sie ihm in jeder Hinsicht den Rücken frei, er konnte tun und lassen, was immer er wollte, und war sich ihrer unreflektierten Loyalität dennoch zu jeder Zeit uneingeschränkt sicher. Und er war ebenso sicher, dass nichts jemals etwas daran ändern würde.

    Dennoch passierte an jenem Freitagmorgen etwas, das ihre Welt auf den Kopf stellen und ihn das Leben kosten sollte.

    Zuvor allerdings …‹

    Kopfschüttelnd nehme ich zur Kenntnis, was manche Frauen alles mitmachen, doch dann unterbricht Peters Ankunft meine Lektüre.

    Er beugt sich zu mir und küsst mich überraschend innig auf den Mund. »Entschuldige, dass ich dich habe warten lassen«, sagt er mit seinem charmantesten Lächeln.

    »Macht doch nichts. Ich war in guter Gesellschaft.« Ich deute auf den Reader, den ich jetzt in meiner Handtasche verstaue.

    »Prosecco wie immer?«, fragt er und nickt, ohne meine Zustimmung abzuwarten, dem Keller zu, der hinter ihm auftaucht.

    Er kennt mich eben und weiß, was ich mag. Dann erst setzt er sich, und ich sehe ihn erwartungsvoll an. Er erwidert meinen Blick mit verschmitzter Miene und leuchtenden Augen.

    »Ich habe eine ganz besondere Überraschung für dich.«

    Mein Herz setzt einen Moment aus, dann galoppiert es los.

    Endlich!

    Nach drei langen Jahren wird er nun sein Versprechen einlösen. Ich kann es kaum fassen und muss mich beherrschen, nicht laut aufzulachen vor Glück und Anspannung.

    Fasziniert und atemlos sehe ich ihm zu, wie er in die Innentasche seines leichten Sakkos greift und einen flachen Umschlag herausholt.

    Was …

    »Hier!«, sagt er und schiebt mir das Kuvert über den Tisch hinweg zu.

    Hat er etwa bereits die Scheidungspapiere unterschrieben und zeigt mir jetzt eine Kopie davon? Dann hat er heimlich, ohne mir etwas davon zu sagen, weit mehr getan, als ich mir erhofft hatte. Er wollte doch nur mit ihr reden.

    Ich greife nach dem Umschlag und öffne ihn. Zwei lange, schmale Streifen bunt bedruckter Hochglanzkarton sind darin. Scheidungsunterlagen sehen anders aus, wird mir schlagartig klar.

    »Was … was ist das?« Ratlos schaue ich wieder hoch zu ihm. Noch wehre ich mich dagegen, meine Enttäuschung zu zeigen, die sich langsam von hinten anschleicht und mich anzufallen droht.

    »Stell dir vor: Ich habe die wahrscheinlich letzten Karten ergattert, die für das Mega-Event morgen Abend noch zu bekommen waren«, strahlt er mich an.

    Ich begreife nicht. »Morgen Abend?«

    »Ja natürlich! Sting im Schlosspark. Da wolltest du doch unbedingt hin, oder nicht?« Seine Miene wirkt mit einem Mal ein kleines bisschen gequält. Er weiß genau, warum mir gerade das glückliche Lächeln aus dem Gesicht gefallen ist.

    »Ja, wollte ich«, sage ich tonlos. Was ja auch stimmt. Zumindest war das mein großer Wunsch vor einem Jahr. Inzwischen haben sich meine Prioritäten etwas verschoben. »Du hast also wieder nicht mit ihr gesprochen, stimmt’s?«

    Meine Finger werden plötzlich kalt. Er hatte mir sein Wort gegeben.

    Mal wieder.

    Und ich hatte ihm geglaubt.

    Mal wieder.

    »Es … hat nicht gepasst.« Er meidet meinen Blick und schiebt die Eintrittskarten leicht nervös auf dem Tisch hin und her.

    »Nicht … gepasst«, wiederhole ich dümmlich. »Aber du hast mir doch versprochen … dieses Mal wolltest du …«

    »Es ging einfach nicht, okay?«, unterbricht er mich ein wenig unwirsch.

    Na gut. Sehr unwirsch.

    Ich weiß, dass ich ihn nerve, und greife zu dem Glas Prosecco, das der Kellner in der Zwischenzeit – ich hatte es gar nicht bemerkt – serviert hat. Obwohl ich versuche, meine Ungeduld nicht zu zeigen, steigt langsam Ärger in mir auf.

    »Es ging also nicht. Und warum diesmal wieder nicht?«

    »Jetzt sei nicht so«, höre ich Peter sagen und spüre ganz genau, dass er mir mit diesem Satz auf eine hinterhältige Weise den Schwarzen Peter – welch ein Wortspiel! – zuschieben will.

    »Wie bin ich denn?«, frage ich daher heftiger, als ich es eigentlich vorhatte.

    »Na ja … so zickig. Komm jetzt, es ist doch nur ein paar Tage verschoben. Wenn ich die Verträge mit unserem neuen Großkunden in der Tasche habe, dann rede ich mit ihr, okay?«

    In mir machen sich Kälte und Frustration breit. »Wenn … wenn … wenn …! Hätte ich für jedes Wenn von dir einen Euro bekommen, wäre ich jetzt Krösus!«

    »Herrgott noch mal, Sarina! Was soll das jetzt?«

    Ja, genau – was soll das jetzt?

    Ausgerechnet jetzt?

    Was ist gerade jetzt anders als in den letzten drei Jahren? So lange sind wir nämlich schon zusammen. Und genauso lange warte ich darauf, dass mein verheirateter Liebhaber endlich mit seiner Frau redet und ihr sagt, dass es mich gibt und dass er die Scheidung will.

    »Du hältst mich doch nur hin!«, werfe ich ihm vor. Ich bin emotional sehr aufgewühlt.

    »Also weißt du …« Er nimmt die Speisekarte zur Hand und sieht hinein. »Lass uns lieber was essen. Das hier muss ich jetzt wirklich nicht haben. «

    Ich auch nicht. Demonstrativ greife ich nach meiner Handtasche und nehme sie auf den Schoß, als könnte ich mich dahinter verstecken. Plötzlich empfinde ich die Intimität unserer heimlichen gemeinsamen Abendessen als verlogen.

    Peter hat meine Geste registriert, sein Blick wandert zwischen meinen Augen und meiner Tasche, die ich mit beiden Händen festhalte, hin und her.

    »Und was soll das jetzt?«

    Ich trete die Flucht nach vorn an. »Wann wirst du endlich mit ihr reden?«

    »Warum setzt du mich plötzlich so unter Druck?«, kontert er scharf.

    »Plötzlich? Du redest seit Jahren davon, dass du dich scheiden lassen willst, aber du unternimmst einfach nichts. Du wolltest mit ihr reden – letztes Wochenende schon. Oder nicht? Ich habe tagelang gewartet, aber du hast keinen Mucks gemacht, also frage ich dich: Warum nicht?«

    »Ich habe dir doch gerade erklärt, dass es einfach nicht gepasst hat.«

    »Erklärt hast du mal gar nichts«, korrigiere ich ihn spitzfindig. »Du hast mich nur mit dieser Aussage abgespeist, mehr nicht. Erklärt wäre gewesen, wenn du mir gesagt hättest, was mal wieder nicht gepasst hat und warum. Idealerweise auch noch so, dass ich es verstehen und akzeptieren kann.«

    »Ach verdammt, Sarina!« Er lässt die Speisekarte auf den Tisch zurückfallen und verscheucht den eben wieder aufgetauchten Kellner mit einer ungeduldigen Handbewegung. »Du weißt doch inzwischen, dass das alles nicht so einfach für mich ist, oder?«

    »Das habe ich auch nie erwartet. Aber nach all dieser Zeit wenigstens einmal ein Zeichen deines guten Willens – ist das zu viel verlangt?«

    »Guter Wille? Ich verbringe jede freie Minute, die ich erübrigen kann, mit dir. Was erwartest du denn noch?«

    »Dass du dich endlich scheiden lässt, so wie du es mir von Anfang an versprochen hast. Das hast du doch, oder etwa nicht?«

    Peter lässt sich zurücksinken und fährt sich mit einer Geste irgendwo zwischen genervt und ratlos durch die Haare. »Habe ich, ja. Aber du hast mir dein Wort gegeben, mich nicht zu drängen und den richtigen Moment abzuwarten …«

    »… der jetzt nach drei Jahren immer noch nicht gekommen ist«, murre ich. Langsam mag ich das alles nicht mehr hören.

    »Willst du daran jetzt mir die Schuld geben?«

    Na, wem denn sonst? »Du willst also immer noch nicht mit deiner Frau reden«, hake ich frustriert nach.

    »Du hast von Anfang an gewusst, worauf du dich einlässt«, argumentiert er mit dem Offensichtlichen.

    Was soll ich darauf sagen – natürlich habe ich es gewusst. Selbst schuld, dass ich mich trotzdem auf ihn eingelassen habe.

    »Also hör auf, mir solchen Druck zu machen«, setzt er nach.

    Ein Gedanke drängt sich mir auf, mir wird heiß und kalt zugleich. »Sag mir eins, Peter – hattest du jemals wirklich vor, deine Frau zu verlassen?«

    Ich suche seinen Blick, fixiere ihn. Er weicht mir tatsächlich nicht aus.

    »Natürlich habe ich das vor! Aber eben nicht gerade jetzt. Die Firma ist in einer schwierigen Phase …«

    »Das war sie immer …«

    »… und ich kann mir im Moment keinen Ausfall leisten, das weißt du ganz genau. Und noch weniger kann ich mir leisten, Anita auszahlen zu müssen. Auch das weißt du.«

    Ja, ich weiß das alles seit drei Jahren. Aber ich gewöhne mich nicht daran, stumpfe nicht ab. Ich empfinde es im Gegenteil als immer belastender. Warum der Druck gerade heute raus muss – keine Ahnung.

    »Ja, ich weiß«, spreche ich es endlich aus. »Aber du erzählst mir jetzt seit drei Jahren dasselbe.«

    »Und was stört dich daran ausgerechnet heute Abend so sehr? Du weißt, dass ich an einem großen Kunden dran bin. Wenn ich den erst mal vertraglich unter Dach und Fach habe, sind wir endlich aus dem Schneider und brauchen Anita nicht mehr.«

    »Und wie lange wird das noch dauern?« Seit einem halben Jahr ist dieser neue Kunde der Silberstreif am Horizont, der ihm und damit uns immer wieder durch die Finger gleitet.

    »Bald.« Peter hebt besänftigend die Hände.

    »Wann bald?« Ja, ich weiß. Ich nerve. Aber irgendwie kann ich heute Abend nicht anders.

    »Nur noch ein paar Wochen, okay?«

    Ich lehne mich zurück und sehe ihn finster an. Dann stehe ich auf. »Okay.«

    »Was … was machst du da?«

    »Wonach sieht es denn aus?«

    Er zieht fragend die Brauen hoch. »Sag jetzt nicht, du gehst!«

    »Doch. Ich gehe, und zwar nach Hause.«

    »Aber – wir wollten doch zusammen essen!«

    »Wollten wir, ja. Ich aber jetzt nicht mehr. Mir ist der Hunger vergangen. Und weißt du was?« Ich gehe um den Tisch herum und bleibe vor ihm stehen. »Wir reden erst wieder, wenn du die Scheidung eingereicht hast.«

    Noch ehe ich mich zum Gehen wende, sehe ich ihn aus dem Augenwinkel breit grinsen.

    »Du weißt aber schon, dass wir uns im Büro sehen, Schatz? Da musst du ja wohl wieder mit mir reden.«

    Ich richte mich auf und werfe ihm einen vernichtenden Blick zu. »Keine Angst, so unprofessionell bin ich nicht. Aber private Gespräche und alles andere kannst du dir abschminken.«

    »Ach komm jetzt – sei nicht so! Zickig steht dir nicht, das weißt du doch!«

    »Peter?«

    »Ja?«

    »Du kannst mich mal!«

    Kapitel 2

    Ich laufe durch die Nacht. Na ja, ich laufe nicht wirklich, aber ich gehe zackig vor mich hin.

    Was soll das hier eigentlich werden?

    Seit drei Jahren vertraue ich auf Versprechungen, die dann immer wieder verschoben werden. Ja, klar, aufgeschoben ist nicht aufgehoben, aber … aufgeschoben bis an mein seliges Ende hat dann doch auf gewisse Weise dieselbe Bedeutung.

    Nicht, dass ich eine Frau wäre, deren biologische Uhr Alarm schlägt. Kinder und Familie stelle ich mir nicht so prickelnd vor. Aber was vor drei Jahren noch spannend und aufregend war, entwickelt sich langsam, aber sicher zum Lust- und Liebeskiller. Die Heimlichtuerei, das Versteckspiel – und die Tatsache, dass ich immer nur die zweite Geige spiele. Um ehrlich zu sein – früher war eine Frau in meiner Lage für mich entweder hoffnungslos naiv oder einfach nur ein rücksichtloses Miststück. Jetzt stecke ich selbst in so einer Situation und finde, dass ich weder das eine noch das andere bin. Ich habe mich einfach nur verliebt. Wie Peter vorhin sagte: Ich wusste, worauf ich mich einlasse.

    Er gefiel mir bereits beim Vorstellungsgespräch, aber nie hätte ich mich dazu verstiegen, meinen verheirateten Chef anzubaggern. Die Initiative ging von ihm aus, und auch das erst nach zwei Jahren Zusammenarbeit.

    Mir rinnt der Schweiß über die Stirn, ich bleibe stehen und orientiere mich. Rechter Hand liegt der Stadtpark, ich habe mich also ziemlich weit vom Restaurant und meinem Auto entfernt.

    Von Peter auch.

    Etwas langsamer gehe ich weiter auf den Park zu, das Kleid klebt unangenehm am Körper.

    Die Sonne ist längst untergegangen und der rote Sommerabendhimmel strahlt geradezu spöttisch auf mich herab. Eigentlich will ich nur noch nach Hause. Trotzdem gehe ich weiter. Der gekieste Weg ist beleuchtet, die feuchten Rasenflächen daneben flirren noch in leichtem Rot, das sie vom Himmel reflektieren. Ich höre das leise Plätschern des Springbrunnens, der nicht mehr weit entfernt sein kann. Schließlich stehe ich vor dem altmodischen, runden Bassin.

    Was soll ich jetzt machen?

    Nach Hause fahren? Umkehren und mich entschuldigen?

    Danach ist mir im Moment wirklich nicht, auch wenn ich meinen spontanen Aufbruch von vorhin nicht mehr so toll finde. Aber ich mag an diesem Punkt einfach nicht schon wieder klein beigeben.

    Frustriert lasse ich mich auf eine der Parkbänke fallen, die um den Brunnen stehen, betrachte die fröhlich plätschernde Fontäne, die eigentlich so gar nicht zu meiner momentanen emotionalen Verfassung passt, und versuche, meine Situation nüchtern zu betrachten.

    Dass Peter mir damals ganz unerwartet an der Bar in einem Messehotel sein Leid über die lieblose und kaputte Ehe klagte, in der er gefangen war, hatte mich zuerst unangenehm berührt. Dann aber siegten die Emotionen über meinen Verstand, und es schmeichelte mir, dass gerade ich es war, der er erst dieses Vertrauen und dann neu erwachte Gefühle schenkte.

    Er – Peter, der Große.

    Peter Weinmann, Inhaber und Manager der größten Dolmetscheragentur unserer Stadt. Übersetzungen und Simultanservices. Eine erlesene Handvoll fest angestellter Dolmetscher und ein ganzes Heer an freiberuflichen Dienstleistern unter seinen Fittichen. Ich war eine aus dem kleinen, elitären Kreis, die es geschafft hatte, eine Festanstellung bei ihm zu ergattern. Was war ich damals stolz! Peters Ruf eilte ihm voraus bis an die Uni, an der ich studierte. Und als zweisprachig aufgewachsenes Kind italienischer Pizzabäcker war eine Festanstellung bei ihm für mich ein Ritterschlag erster Güte.

    Dann auch noch seine Aufmerksamkeit als Mann zu erregen.

    Ich!

    Verflixter Hang zur Romantik aber auch!

    Dass der Traummann einige Jahre älter ist als ich, hat mich nie gestört. Seine Frau störte mich schon … aber an jenem Abend glaubte ich ihm aufs Wort, dass seine Ehe eine Farce war, die nur noch auf dem Papier bestand und die er möglichst bald beenden wollte. Leider gab es geschäftliche Gründe, warum eine Trennung immer wieder unmöglich war. Und es immer noch ist, wie man sieht.

    Frau Weinmann hält – neben einem interessanten und einflussreichen Posten in der Chefetage eines großen Industrieunternehmens, das uns jede Menge Aufträge sichert – einen großen Anteil an Peters Firma. Scheidung bedeutet, dass sie ihren Anteil ausgezahlt haben will – was derzeit nicht möglich ist, aus verschiedenen Gründen. Also appelliert Peter seit Jahren an meine Geduld, denn verlassen will er sie auf jeden Fall.

    Früher oder später.

    Und es wird immer später …

    Nun hatte er mir also wieder mal hoch und heilig versprochen, mit ihr zu reden. Er wollte endlich Nägel mit Köpfen machen … und dann speist er mich mit einer Konzertkarte ab.

    Sting gegen mein privates Glück.

    Ich spüre, wie ein schiefes Lächeln über mein Gesicht huscht.

    Wäre es tatsächlich Sting persönlich gewesen, würde ich vielleicht mal drüber nachdenken.

    Noch immer starre ich auf die beleuchtete Fontäne, als diese plötzlich in sich zusammenfällt. Die letzten Tropfen plätschern noch ins Becken, die letzten Ringe ziehen ihre Kreise auf dem Wasser, dann beruhigt sich die Oberfläche. Ich schaue auf die Uhr. Es ist halb zehn.

    Zeit, die Wasserspiele abzuschalten. Zeit, nach Hause zu gehen. Dort angekommen, ist meine Laune am absoluten Nullpunkt. Ich werfe meine Handtasche in die sprichwörtliche Ecke, streife achtlos die Sandalen von den Füßen und das Kleid von meinem klebrigen Körper. Jetzt kann mir nur noch eine lauwarme Dusche wieder etwas auf die Beine helfen.

    Eigentlich möchte ich schreien vor Frust, aber natürlich tue ich es nicht, sondern bleibe beherrscht, wie ich eben immer bin. Angetan mit einem leichten Pyjama räume ich anschließend die Unordnung auf, die ich hinterlassen habe, und krame in meiner Tasche nach dem Handy. Vielleicht hat Peter ja in der Zwischenzeit angerufen – reumütig, einsichtig und voll guten Willens, das Versäumte nachzuholen.

    Als ich das Display aktivieren will, stelle ich nur noch den Scheintod meines nicht mehr smarten Phones fest – der Akku ist leer, und wer weiß, wie lange schon. Genervt schließe ich das Ladekabel an und trockne mir dann die Haare. In etwa zehn Minuten dürfte der Akku so weit sein, dass ich das Gerät wenigstens einschalten kann.

    Eine Unmenge an verpassten Anrufen und Nachrichten blinkt mir entgegen und mein Herz macht einen unvernünftigen Satz. Peter! Er hält es ja doch nicht aus ohne mich!

    Beim Öffnen der Anruferliste sehe ich auf den ersten Blick, dass ich mich getäuscht habe, denn ausnahmslos alle Anrufe und SMS sind von meiner Mutter. Von Peter kein Wort. Kein Anruf, keine Nachricht.

    Mein Magen zieht sich zusammen. Zum einen aus ernüchterter Frustration, zum anderen aus bangem Erschrecken.

    Was will meine Mutter so geballt von mir? Wir haben doch erst vorgestern lang und ausgiebig geskypt – warum meldet sie sich heute schon wieder? Und in dieser Vehemenz? Mein Instinkt sagt mir, dass das nichts Gutes bedeuten kann.

    Seit meine Eltern ihre Pizzeria aufgegeben, sich ihren – Mutters – Lebenstraum erfüllt haben und nach Florida gezogen sind, hören wir uns regelmäßig zweimal im Monat. Wegen der Zeitverschiebung müssen wir feste Termine haben, damit es auch klappt mit den Telefonaten.

    Ich sehe, dass ihr erster Anruf von heute Nachmittag um vier ist. Da hatte ich gerade das Büro verlassen, um das Auto aus der Werkstatt zu holen. Offensichtlich hat das Telefon bereits da den Geist aufgegeben.

    Mist.

    Die Textnachrichten strotzen nur so vor Ungeduld. Ich soll mich unbedingt sofort dringend melden, sobald ich das hier lese und wieder erreichbar bin.

    »Ciao, Mamma, was ist denn los?«

    Statt einer Antwort heult sie ins Telefon. Mir bleibt fast das Herz stehen.

    »Mamma, ist irgendwas mit Papà?«

    Endlich beruhigt sie sich so weit, dass sie ein paar klare Sätze herausbringt. »Wo warst du die ganze Zeit? Ich versuche seit Stunden, dich zu erreichen!«

    Also geht es meinem Vater gut. »Was ist passiert?«, hake ich geduldiger nach, als ich eigentlich bin. Nach diesem Abend hat mir so ein Telefonat gerade noch gefehlt!

    »Meine Cousine Sonia hat heute Nachmittag bei mir angerufen – deine Großmutter ist gestorben.«

    Ich sitze erst mal da wie erstarrt.

    Nonna Sara, meine Großmutter … gestorben? Ich wollte sie doch diesen Herbst endlich mal wieder besuchen!

    »Aber … wie … warum … was …«, stammle ich, ohne recht zu wissen, was ich ihr nun sagen soll.

    »Herzinfarkt, sagt Sonia.« Mamma schnieft noch einmal kräftig auf, dann beruhigt sie sich wieder etwas. »Sie muss in der Nacht einfach eingeschlafen sein, und als sie nicht wie sonst zum Frühstück zu ihnen kam, hat Sonia nachgesehen und sie im Bett gefunden.«

    »Oh Gott. Das tut mir aber wirklich leid.«

    »Hast du denn in letzter Zeit noch mal mit ihr telefoniert?«, fragt mich Mamma und trifft damit einen wunden Punkt.

    »Nein«, gestehe ich reumütig und mit wirklich schlechtem Gewissen. »Ich habe es immer wieder vor mir hergeschoben, wollte es morgen machen, immer wieder morgen, weißt du …?«

    »Certamente. Sai, che ti conosco bene – ich kenne dich ja so gut, tesoro«, seufzt sie nachsichtig und fällt dabei automatisch in ihre Muttersprache zurück.

    »Und jetzt ist es zu spät!« Gerade noch rechtzeitig bringe ich den kurzen Satz zu Ende, ehe auch mich die Emotionen ein wenig packen. Ich kann es nicht haben, wenn andere weinen – da bin ich sofort mit dabei. Und wenn ich bedenke, dass ich meine Nonna nun nie wieder anrufen kann …

    Nicht, dass ich es besonders oft getan hätte in letzter Zeit. In den letzten Jahren. Trotzdem ist das jetzt ein beschissenes Gefühl. Irgendwie war sie ja doch immer da – im Hintergrund zwar, aber dennoch präsent.

    Nun ist sie es nicht mehr. Einfach so.

    An diesen Gedanken werde ich mich erst noch gewöhnen müssen. Jetzt treibt er mir erst mal die Tränen in die Augen.

    »Du musst hinfahren, Sarina«, höre ich meine Mutter weiterreden. »Wir können nicht kommen und die Beerdigung ist schon morgen.«

    Meine Trauer wird von Fassungslosigkeit abgelöst. »Morgen? Hättet ihr mir das nicht ein bisschen früher sagen können? Wann ist es denn passiert?«

    »In der Nacht auf gestern, aber sie konnten uns auch erst einen Tag später erreichen, weil ich mit deinem Vater in der Notaufnahme der Orthopädie war …«

    »Notaufnahme?« Das wird ja immer schöner!

    »Nichts Schlimmes« beruhigt sie mich, »nur wieder sein Knöchel. Diesmal mussten sie ihn eingipsen. Er läuft eben zu viel über Stock und Stein. Und das in seinem Alter. Na, wie auch immer …« Sie schnieft noch einmal. »Ich musste dort das Handy ausschalten und da konnten sie mich heute erst informieren. Und deins war ja auch den ganzen Nachmittag aus.«

    Na, das ist ja nett. Da sind wir technisch ausgerüstet bis an die Zähne und wenn es doch mal Ernst wird, klappt trotzdem nichts.

    »Und ich soll jetzt …«, greife ich das Unfassbare wieder auf.

    »Ich bitte dich! Du bist schließlich ihre einzige Enkelin! Jemand von uns muss sich doch um den Nachlass kümmern, und wir können jetzt mit dem eingegipsten Fuß deines Vaters unmöglich fliegen. Außerdem würden wir das sowieso nicht mehr schaffen …«

    Ja, das ist allerdings wahr. Aber … »Und wie soll ich das schaffen?«, maule ich.

    »Ach, tesoro – bitte! Tu mir den Gefallen, ja?« Ihre Stimme wird weich und geradezu flehend. Der vorwurfsvolle Ton von vorhin ist verschwunden.

    »Aber – du bist doch ihre Erbin«, werfe ich hoffnungsvoll ein.

    »Ich habe dir bereits alle nötigen Vollmachten ausgestellt und per Mail geschickt, damit du alles in die Wege leiten kannst.«

    »Was meinst du mit alles?« Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, und dieses Wörtchen macht mich plötzlich misstrauisch.

    »Na, ihr Haus zu verkaufen zum Beispiel. Die ganzen Behördengänge. Gas, Strom, Wasser abmelden und so weiter.«

    Ach du Schande! »Sonst noch was?« Es klingt schnippischer, als ich eigentlich wollte, aber mit einem Mal fühle ich mich ziemlich überfordert. Warum kann mein Leben nicht einfach so weiterlaufen wie bisher? Ruhig und in geordneten Bahnen.

    Geordnet? Na ja …

    Ich puste mir eine Strähne aus der Stirn. Eigentlich hätte ich nächste Woche einen Friseurtermin, schießt es mir durch den Kopf.

    Hoffentlich bin ich rechtzeitig wieder zurück!

    »Amore, ich habe mir gedacht, du kümmerst dich um alles und dafür darfst du das Geld, das du für das Haus bekommst, behalten. Ist das ein faires Angebot? Wir brauchen es schließlich nicht, weißt du?«

    »Hm«, brumme ich, während mein Gehirn anfängt zu rattern.

    Ganz unerwartet erscheint ein Lichtstreif am Horizont. Wenn ich das Haus gut verkaufen kann …

    Meine Gedanken schlagen urplötzlich Purzelbäume. Im Geiste sehe ich mich als Peters neue Teilhaberin in der Firma, denn damit könnte ich vielleicht die Anteile seiner Frau ablösen und selbst einsteigen. Dann hätte dieses ganze Theater schlagartig ein Ende.

    »Ja, wenn das so ist …«, höre ich mich schließlich murmeln.

    »Also fährst du? Ich kann mich auf dich verlassen?«, hakt meine Mamma nach.

    »Ja, kannst du«, seufze ich ergeben. Nicht, dass ich geldgierig wäre – aber Nonnas Haus würde nach Mammas Tod ohnehin ich erben. Hoffentlich erst in ungefähr hundertfünfzig Jahren oder so, aber vom Prinzip her, meine ich. Und ich würde es sowieso nie im Leben behalten wollen, das steht auch schon ewig fest.

    »Dann solltest du jetzt unbedingt noch schnell Sonia anrufen und ihr Bescheid geben, beziehungsweise dir sagen lassen, wann und wo die Beisetzung stattfindet«, rät sie mir.

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