Ausreißer Ricci: Sophienlust Bestseller 130 – Familienroman
Von Marisa Frank
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Das Kinderheim Sophienlust erfreut sich einer großen Beliebtheit und weist in den verschiedenen Ausgaben der Serie auf einen langen Erfolgsweg zurück. Denise von Schoenecker verwaltet das Erbe ihres Sohnes Nick, dem später einmal, mit Erreichen seiner Volljährigkeit, das Kinderheim Sophienlust gehören wird.
»Ich glaube, jetzt kommen sie.« Frieda Bullinger sprang mit einer Behendigkeit von der Bank auf, die man ihr nicht mehr zugetraut hätte. Sie lief ums Haus herum, blieb dann aber enttäuscht stehen. Wieder einmal hatte sie sich geirrt. »Du bist so ungeduldig wie ein kleines Mädchen, das auf den Weihnachtsmann wartet.« Schmunzelnd war der alte Oberförster Bullinger seiner Frau gefolgt. »Oma Förster hat sich schon wieder getäuscht«, rief der sechsjährige Andi. Er war dem Ehepaar mit dem Roller nachgefahren. »Ich werde nach dem Möbelwagen Ausschau halten. Ich bin gleich wieder zurück und erstatte Bericht.« Er flitzte an dem Oberförster vorbei. Geschickt stieß er sich mit dem linken Fuß ab, um dann auch diesen Fuß zu dem rechten auf das schmale Brett zu stellen. Er war sehr stolz auf seine Balancierkunst. Sein Geschrei hatte Sabine Schröder ans Fenster gelockt. »Er wird schon noch kommen«, rief sie Frieda Bullinger zu. »Das sage ich dir schon den ganzen Tag«, brummte der alte Oberförster. Dabei strich er sich durch den langen weißen Vollbart.
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Sophienlust (ab 351)
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Buchvorschau
Ausreißer Ricci - Marisa Frank
Sophienlust Bestseller
– 130 –
Ausreißer Ricci
Marisa Frank
»Ich glaube, jetzt kommen sie.« Frieda Bullinger sprang mit einer Behendigkeit von der Bank auf, die man ihr nicht mehr zugetraut hätte. Sie lief ums Haus herum, blieb dann aber enttäuscht stehen. Wieder einmal hatte sie sich geirrt.
»Du bist so ungeduldig wie ein kleines Mädchen, das auf den Weihnachtsmann wartet.« Schmunzelnd war der alte Oberförster Bullinger seiner Frau gefolgt.
»Oma Förster hat sich schon wieder getäuscht«, rief der sechsjährige Andi. Er war dem Ehepaar mit dem Roller nachgefahren. »Ich werde nach dem Möbelwagen Ausschau halten. Ich bin gleich wieder zurück und erstatte Bericht.« Er flitzte an dem Oberförster vorbei. Geschickt stieß er sich mit dem linken Fuß ab, um dann auch diesen Fuß zu dem rechten auf das schmale Brett zu stellen. Er war sehr stolz auf seine Balancierkunst.
Sein Geschrei hatte Sabine Schröder ans Fenster gelockt. »Er wird schon noch kommen«, rief sie Frieda Bullinger zu.
»Das sage ich dir schon den ganzen Tag«, brummte der alte Oberförster. Dabei strich er sich durch den langen weißen Vollbart. Der Blick, den er seiner Frau schenkte, sprach aber von Verständnis und Zuneigung. Er wusste doch, wie sehr sie sich auf die neuen Möbel freute. Anfangs war er eigentlich nicht dafür gewesen. Sich auf ihre alten Tage neu einzurichten, hielt er für Geldverschwendung. Aber er hatte sich überreden lassen. Bisher hatten sie sich sowieso nur wenig geleistet.
»Komm, Frieda, du kannst nicht den ganzen Tag vor dem Haus stehen und warten. Lass uns etwas essen.«
Bestürzt sah die alte Frau auf ihren Mann. »Das habe ich ganz vergessen. Ich habe nichts gekocht.«
»Seht einmal dieses Weib an«, polterte der Oberförster los. »Da lässt sie mich glatt verhungern. Ich hätte mich noch rechtzeitig nach etwas Neuem umschauen sollen.« Seine Augen zwinkerten dabei gutmütig. Er liebte es, seine Frau auf den Arm zu nehmen.
Sabine verfolgte lächelnd das Streitgespräch. Sie fand es wunderschön, dass sich das alte Ehepaar oft noch wie ein verliebtes junges Pärchen neckte. Sie sah den beiden nach, als sie davongingen.
Von ihr unbemerkt war der junge Revierförster ins Zimmer gekommen. Er trat zu seiner Frau und küsste sie zärtlich in den Nacken. »Mir gefallen sie auch. Der alte Oberförster ist mein Vorbild. Er hat seinen Beruf meisterhaft beherrscht. Aber auch sonst wollen wir den beiden nacheifern. Auch wir wollen im Alter noch so glücklich sein wie sie.«
»Könnten wir es nicht schon jetzt sein?«, fragte Sabine und blickte ihn schelmisch an.
Die junge Frau war sehr zierlich. Sie reichte ihrem Mann gerade bis zur Schulter. Für die beiden versank im Moment die Welt. Erst Andi brachte sie wieder in die Wirklichkeit zurück.
»Jetzt kommt er wirklich«, schrie der Junge, und als Sabine einen
Blick aus dem Fenster warf, sah sie, dass ihr Sohn recht hatte. Ein riesiger Möbelwagen hielt vor dem Forsthaus.
»Es ist höchste Zeit, dass Sie kommen«, hörte das Ehepaar Schröder den Oberförster mit seinem tiefen Baß brummen. »Wir warten schon seit gestern.«
»Es tut uns leid«, sagte der Fahrer. »Sie standen erst heute auf unserer Liste, und für heute ist Wildmoos unsere letzte Station.«
»Ist schon gut«, mischte sich Frieda Bullinger ein. Ungeduldig trat sie an den Transporter heran. Sie konnte es kaum erwarten, die neuen Wohnzimmermöbel zu sehen.
Die Möbelpacker, zwei kräftige junge Männer, griffen auch sofort beherzt zu. Als ihnen der Oberförster zwei Bierflaschen brachte, schüttelten sie entschieden die Köpfe. »Zuerst die Arbeit!« Um zu zeigen, wie ernst es Ihnen war, spuckten sie kräftig in ihre Hände.
Der alte Mann zog seine Frau zur Seite, dann wies er den Arbeitern den Weg zum Wohnzimmer. Eifrig bestimmte Frieda Bullinger, wohin die Sachen kommen sollten. »Die Couch kommt auf diese Seite und vor das Tischchen. Den Schrank stellen wir dorthin. Wir haben alles genau ausgemessen.«
Nur Andi war beim Möbelwagen stehen geblieben. Ihn faszinierte das riesige Auto. Staunend sah er zu, wie die Möbelpacker ein Stück nach dem anderen herausholten. Was der Wagen alles in seinem Bauch hatte! Vorsichtig schlich Andi noch näher.
»So, nun noch das Büfett, dann haben wir es geschafft. Dann haben wir Feierabend.« Der eine Mann lachte.
Der zweite Mann kam heran, und als auch der Fahrer hilfsbereit zugriff, hoben die drei das schwere Stück aus dem Auto und trugen es ins Haus.
Andi stellte sich auf die Zehenspitzen und versuchte ins Wageninnere zu sehen. Er reckte und streckte sich, doch er war zu klein. Da stieg er kurz entschlossen auf das kleine Laufbrett, das hinten lehnte, empor. So konnte er in das Innere blicken.
Andi war enttäuscht. Viel war nicht zu sehen. So viel er in dem Dämmerlicht erkennen konnte, war der Wagen leer. Nur Stricke und Decken lagen auf dem Boden.
Aber was war das? Bewegte sich da nicht etwas? Andi erschrak, obwohl er eigentlich ein sehr mutiger Junge war. Vor Finsternis fürchtete er sich überhaupt nicht. Sein Vater nahm ihn sehr oft früh am Morgen in den Wald mit. Da raschelte es auch oft verdächtig.
Gewohnt, den Dingen auf den Grund zu gehen, ging Andi noch weiter. Furchtlos spähte er ins Wageninnere. Da lag doch wirklich noch etwas. Hatte der Mann nicht gesagt, dass sie fertig wären?
Andi sah sich um. Niemand war da, den er hätte fragen können. Auch seine Eltern waren in der Wohnung des Oberförsters und bestaunten die neuen Möbel.
Andi handelte. Er ging tiefer ins Wageninnere. Ganz hinten in der Ecke lag etwas, was er nicht erkennen konnte. Doch jetzt hörte er seinen Vater rufen.
»Andi, wo steckst du denn?«
»Hier, Papi.« Andi steckte den Kopf aus dem Möbelwagen.
»Komm sofort herunter.« Klaus Schröder streckte seine Arme aus, um seinen Sohn herunterzuheben.
Andi wollte nicht. »Ich muss noch etwas nachsehen«, erklärte er eifrig. »Da hinten liegt etwas.«
»Das geht dich nichts an, komm!«, forderte sein Vater energischer.
»Schade! Du kommst immer im verkehrten Augenblick. Ein bisschen später, und ich hätte gewusst, was die Männer vergessen haben.« Bevor sein Vater ihn hochhob, sah er noch einmal zurück. »Da! Jetzt bewegt es sich«, rief er aufgeregt. »Papa, es ist ein Junge.«
»Unsinn«, sagte Klaus Schröder. Er wollte Andi auf den Boden stellen, doch dieser klammerte sich an seinem Hals fest.
»Guck doch, Papi. Der Junge ist nicht viel größer als ich. Darf ich mit ihm spielen?«
Ungläubig sah der junge Revierförster ins Wageninnere. Nachdem sich seine Augen an die Dämmerung gewöhnt hatten, sah auch er den Jungen, der sich gerade aufsetzte und herzhaft gähnte.
»Was gibt es denn hier zu sehen?«, erkundigte sich Oberförster Bullinger.
»Sie haben nicht zufällig auch einen kleinen Jungen bestellt?«
»Papi! Der ist für mich«, rief Andi und zappelte ungeduldig. »Ich wünsche mir ja schon lange ein Brüderchen. Lass mich los, ich will den Jungen herausholen.«
Der Fahrer und die zwei Möbelpacker stellten die Bierflaschen weg und kamen heran. Der eine Mann öffnete die Flügeltüren weit, sodass der fremde Junge nun deutlich zu sehen war. Er saß zusammengekauert an der hinteren Wand und starrte mit großen Augen, in denen Angst stand, auf die Menschen.
»Wo kommt denn der her?« Die drei Männer, die den Möbelwagen begleiteten, sahen sich ratlos an.
»Keine Ahnung.« Der Fahrer kratzte sich am Hinterkopf, wobei seine Mütze verrutschte. »Ich habe ihn noch nie gesehen.«
»Ich habe ihn gefunden«, rief Andi. Er begriff, dass sich irgendetwas Ungewöhnliches anbahnte. »Er soll herauskommen.«
»Ein vernünftiger Vorschlag.« Oberförster Bullinger nickte Andi zu. »Komm heraus, mein Junge«, rief er dann ins Wageninnere. »Hier ist Endstation.«
Doch er hatte keinen Erfolg. Der Junge presste sich ängstlich an die Wagenwand. Kein Ton kam über seine Lippen.
»Kann er nicht sprechen?«, erkundigte sich Andi. Als niemand antwortete, fragte er weiter: »Warum hat er denn Angst? Schau nur, wie komisch er guckt. Papi, sag ihm, dass wir ihm nichts tun.«
Die Männer waren ratlos.
»Lass mich los«, forderte Andi energisch. »Ich will zu dem Jungen.« Er zappelte heftig in den Armen seines Vaters, und schließlich setzte Klaus Schröder ihn auf die Ladefläche.
Sofort stand Andi auf und lief auf den Jungen zu. »Du bist mit dem Auto mitgefahren. War es toll? Ich möchte auch einmal in einem so großen Auto fahren.«
Der Junge antwortete nicht, und Andi drehte sich zu seinem Vater um. »Ich glaube, der kann nicht sprechen«, sagte er enttäuscht. Jetzt bemerkte er auch, dass der fremde Junge größer war als er selbst. »Papi, er ist sicher älter als ich. Aber das macht nichts. Ich behalte ihn trotzdem.« Er ergriff den Jungen am Arm und versuchte ihn mitzuziehen.
Der alte Oberförster lachte schallend, und schließlich stimmten die Möbelpacker mit ein. »Siehst du«, sagte Andi, »sie lachen. Du brauchst wirklich keine Angst zu haben.« Er zog den widerstrebenden Jungen hinter sich her.
»So, mein Junge, da bist du ja.« Oberförster Bullinger griff nach dem kleinen blinden Passagier und hob ihn aus dem Wagen.
Mit aufgerissenem Mund sah der fremde Junge dem Oberförster ins Gesicht. Dann streckte er zögernd die Hand aus und berührte den langen weißen Bart des alten Mannes.
Der Oberförster lächelte. Er war solche Reaktionen gewöhnt. Oft waren die Kinder vom nahen Kinderheim Sophienlust hier zu Besuch, und jedes Mal wurde sein Bart aufs Neue bestaunt.
Schüchtern erwiderte