Jahrelang von der Mutter getrennt: Sophienlust 354 – Familienroman
Von Marisa Frank
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Über dieses E-Book
Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.
»Ich mache Schluß für heute«, rief Daniel Früh ins andere Büro hinüber. Er machte dabei einen sehr selbstsicheren Eindruck, denn er fand, es war ein herrliches Gefühl, seine Zeit so einteilen zu können, wie man gerade wollte. Niemand konnte ihm hier Vorschriften machen. Zufrieden rieb er sich die Hände. Das Geschäft lief ohne sein Zutun. Sein verstorbener Schwager hatte es geschickt aufgebaut. Ein langjähriger Mitarbeiter seines Schwagers steckte den Kopf ins Büro herein. »Vielleicht könnten Sie sich dieses Angebot noch ansehen«, sagte er nicht gerade freundlich. »Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Es könnte sein, daß wir das Projekt gewinnbringend erwerben können, nur, dann müßten wir noch heute zugreifen.« Daniel Früh runzelte die Stirn. Wieder einmal dachte er daran, daß er einen Grund finden mußte, um diesen Mann entlassen zu können. Doch jetzt tat er sehr geschäftig, indem er fragte: »Warum haben Sie die Unterlagen nicht gleich mitgebracht?« Spöttisch verzog sich das Gesicht des Angestellten. »Ich hatte das Gefühl, Sie haben es eilig.« »Das überlassen Sie gefälligst mir. Ich wünsche die Unterlagen zu sehen«, bellte Daniel Früh.
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Buchvorschau
Jahrelang von der Mutter getrennt - Marisa Frank
Sophienlust (ab 351)
– 354 –
Jahrelang von der Mutter getrennt
Was will die fremde Tante bloß von mir?
Marisa Frank
»Ich mache Schluß für heute«, rief Daniel Früh ins andere Büro hinüber. Er machte dabei einen sehr selbstsicheren Eindruck, denn er fand, es war ein herrliches Gefühl, seine Zeit so einteilen zu können, wie man gerade wollte. Niemand konnte ihm hier Vorschriften machen. Zufrieden rieb er sich die Hände. Das Geschäft lief ohne sein Zutun. Sein verstorbener Schwager hatte es geschickt aufgebaut.
Ein langjähriger Mitarbeiter seines Schwagers steckte den Kopf ins Büro herein. »Vielleicht könnten Sie sich dieses Angebot noch ansehen«, sagte er nicht gerade freundlich. »Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Es könnte sein, daß wir das Projekt gewinnbringend erwerben können, nur, dann müßten wir noch heute zugreifen.«
Daniel Früh runzelte die Stirn. Wieder einmal dachte er daran, daß er einen Grund finden mußte, um diesen Mann entlassen zu können. Doch jetzt tat er sehr geschäftig, indem er fragte: »Warum haben Sie die Unterlagen nicht gleich mitgebracht?«
Spöttisch verzog sich das Gesicht des Angestellten. »Ich hatte das Gefühl, Sie haben es eilig.«
»Das überlassen Sie gefälligst mir. Ich wünsche die Unterlagen zu sehen«, bellte Daniel Früh. Er richtete sich hoch auf, versuchte autoritär zu wirken.
Auf den Angestellten machte das keinerlei Eindruck. Nur aus Treue zu dem Verstorbenen hatte er bisher noch nicht gekündigt. Mit Fred Gardner hatte er sich stets gut verstanden. Aber Daniel Früh war ganz anders. Ein Blinder sah, daß er vom Maklergeschäft keine Ahnung hatte.
Auf dem Absatz drehte sich der Angestellte um und verschwand im anderen Büro. Aufgeregt lief Daniel Früh ihm nach. »Was soll das?« keifte er dabei.
»Ich soll Ihnen doch die Unterlagen bringen.« Unbekümmert grinste der Angestellte dem neuen Chef ins Gesicht. »Hier sind sie.« Er nahm eine dicke Akte vom Schreibtisch. »Darin ist genau verzeichnet, um wieviel die Grundstücke in der Nähe des uns angebotenen Projekts in den letzten Zahlen gestiegen sind. Die Zahlen gehen bis in die fünfziger Jahre zurück.«
Daniel Früh starrte auf die Akte. »Das soll ich alles ansehen?« Verwirrt wich er einen Schritt zurück.
»Falls Sie eine Entscheidung treffen wollen, ist es notwendig.« Der Angestellte sah seinem jetzigen Chef ins Gesicht, ohne eine Miene zu verziehen.
Daniel Früh räusperte sich. Er wurde das Gefühl nicht los, daß sich der Mann über ihn lustig machte. Ich sollte ihn auf der Stelle hinauswerfen, dachte er. Gleichzeitig wußte er, daß er dazu nicht den geringsten Grund hatte. Der Mann hatte der Firma bereits großen Gewinn gebracht.
»Ja…«
Noch immer stand der Angestellte wartend vor Daniel Früh, der sich spöttisch gemustert fühlte.
»Sie kennen diese Akte doch, oder?« Daniel versuchte seiner Stimme Festigkeit zu geben.
»Natürlich. Das Projekt wurde uns bereits vor zwei Jahren einmal angeboten. Damals beschlossen wir zu warten.«
»Warum haben Sie das nicht gleich gesagt? Sie wissen doch, daß ich weggehen will. Und da Sie informiert sind, überlasse ich die Entscheidung Ihnen.« Daniel Früh sah arrogant über den Angestellten hinweg. Sein Blick glitt zu den beiden Schreibkräften hin. Befriedigt stellte er fest, daß sie ihre Köpfe gesenkt hatten.
»Bis morgen also.«
Die Köpfe der beiden Damen fuhren hoch. »Auf Wiedersehen, Herr Früh«, erklang es im Chor.
Daniel Früh nickte und lächelte jovial. Er hob sogar die Hand zum Gruß. Diese beiden wußten, daß sie ihre Stellung ihm zu verdanken hatten. Seine gute Laune kehrte zurück. Mit dem Stolz des Besitzers sah er sich nochmals um, dann verließ er das Maklerbüro.
Auch das Auto, in das er nun einstieg, hatte einst seinem Schwager gehört. Daniel setzte sich hinter das Lenkrad und strich dabei über die elegante Verkleidung. Ein wirklich toller Wagen war das, und trotzdem wurde es Zeit, daß er sich einen neuen zulegte.
Daniel Früh verließ die Heidelberger Altstadt und fuhr in Richtung Königstuhl. Dort bewohnte er mit seiner Frau ein geräumiges Landhaus, seit er nicht mehr Schuhverkäufer war. Es störte ihn wenig, daß dieses Haus eigentlich der kleinen Nichte seiner Frau gehörte. Er betrachtete es als sein Eigentum. Schließlich und endlich hatte Fred Gardner seiner Frau die Vormundschaft über sein einziges Kind übertragen.
Daniel Früh steigerte sein Tempo. Er hatte das Büro so früh verlassen, weil er mit seiner Frau sprechen wollte. Er wollte mit ihr reden, bevor diese Göre zu Hause war. Er verstand nicht, was Magda an diesem Kind fand. Zugegeben, mit seinen langen, blonden Haaren war es ein ausgesprochen hübsches Kind, aber es war auch eine Last. Keine Sekunde hatte man Ruhe. Und dann dieser Brief aus Amerika! Magda mußte endlich Vernunft annehmen.
Mit quietschenden Reifen bog Daniel in die Auffahrt des Grundstücks ein. Er nahm sich nicht die Mühe, den Wagen in die Garage zu fahren, sondern ließ ihn einfach stehen. Über den Kiesweg eilte er auf das Haus zu und wäre dabei beinahe über Sindy Gardner gestolpert. Sie saß friedlich am Rand des Weges und spielte mit den Steinchen.
»Au, du tust mir weh!« Die Sechsjährige sprang auf. »Hattest du die Augen zugemacht?« Neugierig sah sie ihrem Onkel ins Gesicht.
»Was tust du denn hier?« fuhr dieser sie an.
»Spielen«, gab die Kleine ungerührt zurück. »Mit den Steinchen kann man bauen. Soll ich es dir zeigen?« Ohne eine Antwort abzuwarten, ließ er sich wieder auf den Boden nieder.
»Solltest du nicht im Kindergarten sein?« Daniel Frühs Stimme klang gefährlich ruhig.
Seelenruhig hob Sindy ihr Köpfchen. »Ich wollte heute nicht hingehen.«
»Was fällt dir eigentlich ein?« Grob griff Daniel nach den Schultern des Kindes. »Glaubst du, daß du hier bestimmen kannst?«
Erschrocken riß Sindy ihre Augen auf. »Du tust mir weh«, klagte sie leise.
»Eine Ohrfeige sollte ich dir geben.« Daniel wurde immer lauter.
»Aua, aua, Tante Magda! Er tut mir weh. Er will mich schlagen«, Sindy schrie nun aus vollem Halse.
Daniel hob die Hand, aber da erschien seine Frau in der Haustür.
»Was ist denn los? Du bist schon da?«
Daniel ließ die Hand sinken. Gleichzeitig gab er dem Kind einen Stoß, daß es beinahe hingefallen wäre. »Verschwinde«, zischte er. »Ich will mit deiner Tante reden.«
»Tante, warum ist der Onkel so böse?« Weinend lief Sindy auf Magda Früh zu.
»Er ist nicht böse. Er muß nur sehr viel arbeiten«, sagte Magda. Sie warf ihrem Mann einen bittenden Blick zu, doch dieser beachtete ihn überhaupt nicht.
»Schick sie weg! Ich muß mit dir sprechen«, forderte er.
»Er ist doch böse«, stellte Sindy fest. Dabei schmiegte sie sich enger an ihre Tante.
»Höre dir das an!« Empört eilte Daniel heran. »Den Hintern sollte man ihr versohlen. Du läßt der Kleinen wohl alles durchgehen?«
»Ich habe doch gar nichts getan«, schluchzte Sindy. Jetzt bekam sie es mit der Angst zu tun. Als ihr Onkel erneut nach ihr griff, nahm sie ihren ganzen Mut zusammen und sagte: »Du darfst mich nicht schlagen. Wenn du das tust, dann sage ich es meinem Papi.«
»Hast du noch immer nicht begriffen, daß dein Vater tot ist?« höhnte Daniel. »Ihm kannst du gar nichts mehr sagen.«
»O doch«, trumpfte Sindy auf. »Ich bete jeden Tag zum lieben Gott. Er sagt meinem Papi alles, was ich ihm sage. Tante Magda hat gesagt, mein Papi ist im Himmel.«
»Wie kannst du dem Kind nur so einen Blödsinn erzählen.« Daniels Zorn richtete sich nun gegen seine Frau. »Da sieht man, es ist höchste Zeit, daß das Kind wegkommt. Du kannst nicht mit ihm umgehen.«
»Papi, Papi!« Dicht an die Tante gedrückt, schluchzte Sindy leise vor sich hin. »Ich will zu Papi. Der liebe Gott soll mich auch in den Himmel holen.«
Ungerührt fragte Daniel: »Warum ist das Kind nicht im Kindergarten? Wir haben ausgemacht, daß es hingeht. Es muß sich an andere Kinder gewöhnen.«
Magda, sie hatte die Vierzig gerade erreicht, senkte die Augen. »Wir haben heute spät gegessen, das weißt du ja, und dann haben wir einen Spaziergang gemacht.«
»Natürlich, für das Kind hast du ständig Zeit. Das wird in Zukunft anders.« Ohne die Kleine weiter zu beachten, ging er ins Haus.
Magda sah ihrem Mann nach. Da spürte sie die kleine Kinderhand, die sich langsam in ihre Hand schob. »Nicht wahr, ich habe nichts Böses getan?« hörte sie Sindy fragen. »Wollen wir nicht zusammen fortgehen?«
Kurz preßte Magda die Lippen zusammen. Dann versuchte sie ein Lächeln. Sie bückte sich zu dem Kind hinab und