Nachts, wenn ich nicht schlafen kann: Dr. Norden Extra 174 – Arztroman
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Über dieses E-Book
Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben.
Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Auf sie kann er sich immer verlassen, wenn es darum geht zu helfen.
Patrick Seibold hatte nichts übrig für diese Firmenfeiern, die sich ewig hinzogen, und es war wieder mal sehr spät geworden. Da er sich sonst gut mit seinen Kollegen und Kolleginnen verstand, wollte er sie aber nicht vor den Kopf stoßen und hatte bis nach Mitternacht ausgeharrt. Jetzt hatte er aber genug und wollte gehen. Elisa Brucker hielt ihn am Arm fest. »Sei doch kein Spielverderber, lieber Patrick«, versuchte sie ihn umzustimmen. »Jetzt ist es doch erst richtig nett.« »Und du hast auch schon ein bißchen zu tief ins Glas geschaut«, meinte er nachsichtig. »Geh lieber nach Hause.« »Du bist immer so schrecklich konsequent«, schmollte sie. »Kannst du nicht mal eine Ausnahme machen?« »Nein«, erwiderte er kurz, denn er wußte genau, was sie ihm verständlich machen wollte. Er zog sich immer aus der Affäre, wenn es prekär für ihn wurde. Er ließ sie mit enttäuschter Miene zurück, und mit schwankenden Schritten ging sie zur Bar, wo ihre Freundin Uschi trübsinnig ins leere Glas schaute. »Ein Trost, daß du auch keinen Erfolg bei ihm hast«, murmelte Uschi. »Was ist bloß los mit diesem Mann, daß man gar nicht an ihn herankommt?«
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Buchvorschau
Nachts, wenn ich nicht schlafen kann - Patricia Vandenberg
Dr. Norden Extra
– 174 –
Nachts, wenn ich nicht schlafen kann
Patricia Vandenberg
Patrick Seibold hatte nichts übrig für diese Firmenfeiern, die sich ewig hinzogen, und es war wieder mal sehr spät geworden. Da er sich sonst gut mit seinen Kollegen und Kolleginnen verstand, wollte er sie aber nicht vor den Kopf stoßen und hatte bis nach Mitternacht ausgeharrt. Jetzt hatte er aber genug und wollte gehen.
Elisa Brucker hielt ihn am Arm fest. »Sei doch kein Spielverderber, lieber Patrick«, versuchte sie ihn umzustimmen. »Jetzt ist es doch erst richtig nett.«
»Und du hast auch schon ein bißchen zu tief ins Glas geschaut«, meinte er nachsichtig. »Geh lieber nach Hause.«
»Du bist immer so schrecklich konsequent«, schmollte sie. »Kannst du nicht mal eine Ausnahme machen?«
»Nein«, erwiderte er kurz, denn er wußte genau, was sie ihm verständlich machen wollte. Er zog sich immer aus der Affäre, wenn es prekär für ihn wurde. Er ließ sie mit enttäuschter Miene zurück, und mit schwankenden Schritten ging sie zur Bar, wo ihre Freundin Uschi trübsinnig ins leere Glas schaute.
»Ein Trost, daß du auch keinen Erfolg bei ihm hast«, murmelte Uschi. »Was ist bloß los mit diesem Mann, daß man gar nicht an ihn herankommt?«
»Ich weiß es auch nicht«, sagte Elisa ärgerlich. »Es ist, als hätte er eine Mauer um sich gebaut.«
»Das hast du sehr poetisch formuliert«, sagte Uschi voller Bewunderung, »das müßte ihm doch eigentlich gefallen. Er ist bestimmt mehr für geistige Qualitäten. Aber vielleicht hat er eine heimliche Liebe.«
Elisa ließ sich noch ein Glas Sekt einschenken und trank es auch gleich aus.
»Ich habe gehört, daß er geschieden ist. Peter weiß es, ich muß ihn mal ausfragen. Es scheint noch nicht lange her zu sein. Ich will aber nicht, daß er denkt, ich würde mich ernsthaft für ihn interessieren.«
»Das tust du aber doch«, sagte Uschi anzüglich.
Da kam Peter und legte weinselig seine Arme um beide.
»Was habt ihr denn zu tuscheln, ihr beiden Hübschen, anstatt mich zu beglücken?« Mit ihm konnten sie schmusen, er war dafür immer zu haben.
*
Patrick Seibold wanderte unterdessen durch die dunkle Nacht. Obwohl er nicht viel getrunken hatte, war er zu dem Entschluß gekommen, daß ein Spaziergang nicht schaden konnte. So hatte er seinen Wagen stehen lassen und machte sich zu Fuß auf den Nachhauseweg.
Es war lange her, daß er zu Fuß durch eine Sommernacht gewandert war. Damals war er noch mit Elaine verheiratet gewesen und hatte sich zu den glücklichsten Männern der Welt gezählt. Aber dann war der Traum vom Glück jäh zerbrochen. Es schmerzte ihn immer noch, wenn ihn die Erinnerung an jene Stunde überkam, als er von einer Geschäftsreise früher als von seiner Frau erwartet zurückkam und sie in den Armen eines anderen Mannes vorfand. Eine Welt war für ihn zusammengebrochen, und nichts konnte ihn bewegen, ihr zu verzeihen. Keine Tränen, kein Flehen, daß es nie wieder geschehen würde, konnten ihn versöhnlich stimmen. Er war zu tief verletzt.
Er sah keinen Sinn darin, einen Versuch zu unternehmen, die Scherben zu kitten, und nach ihrem ersten mißglückten Bemühen, ihn versöhnlich zu stimmen, schien sie jedes Interesse an ihm verloren zu haben. Er reichte die Scheidung ein, sie stimmte zu. Sie hatten keinerlei Kontakt mehr bis zum Scheidungstermin.
Sie erschien elegant gekleidet in provozierender Aufmachung, und sie hatte es sichtlich darauf abgesehen, ihm klarzumachen, was er aufgegeben hatte, ohne ihm versöhnlich die Hand zu reichen.
Sie gab beiläufig zu verstehen, daß sie keinen Unterhalt verlange, da sie einen Partner gefunden hätte, der ihr jeden Wunsch erfüllen könne. Es war ein Seitenhieb für Patrick, dem sie manchmal vorgeworfen hatte, zuwenig Ehrgeiz zu haben.
Mit spöttischem Lächeln und hochgezogenen Augenbrauen quittierte sie seine Bemerkung, daß er inzwischen Chefredakteur geworden sei.
Von einer Zugewinnteilung war nicht zu reden, es war nichts vorhanden, von der Wohnungseinrichtung abgesehen, und das, was Elaine gefallen hatte, hatte sie bereits mitgenommen.
Nachdem das Urteil verkündet und die Scheidung wegen unüberbrückbarer Gegensätze vollzogen war, verschwand Elaine aus seinem Leben. Wie er später von Bekannten erfuhr, lebte sie in Italien mit einem reichen Geschäftsmann zusammen.
All dies ging Patrick durch den Sinn bei seinem nächtlichen Marsch durch stille Straßen, bis er in die immer noch belebte Leopoldstraße einbog. Der Himmel hatte sich bewölkt, es kam ein kühler Wind auf. Es reute ihn jetzt doch, zu Fuß gegangen zu sein, denn er war müde, und seine Beine hatten eine bleierne Schwere bekommen. Er schaute auf seine Armbanduhr, und ihm wurde bewußt, daß er schon fast vierzig Minuten gelaufen war. Er war die Strecke sonst immer mit dem Auto gefahren und hatte nicht gedacht, daß es soweit bis zu seiner Wohnung war, in die er nach der Scheidung umgezogen war.
Plötzlich vernahm er ein Geräusch, das wie das Schluchzen eines Kindes klang. Er verhielt den Schritt und lauschte, woher das Schluchzen kommen könnte. Es war leise, aber doch deutlich zu vernehmen. Es kam aus einem
Hauseingang.
»Hallo, ist da jemand, kann ich irgendwie helfen?« fragte er. Das Schluchzen verstummte, aber es war ihm, als würde etwas zu Boden fallen. Ein Auto fuhr vorbei, und in dem kurzen Augenblick fiel das Licht des Scheinwerfers auf eine zusammengekauerte Gestalt, die die Hände vor das Gesicht geschlagen hatte. Es war kein Kind, es war eine Frau, aber ihr Alter konnte er nicht schätzen.
»Lassen Sie mich in Ruhe!« stieß sie hervor, als er sie wieder fragte, ob er ihr behilflich sein könnte.
»War ja nur eine Frage«, brummte er. »Ich dachte nur, daß Ihnen etwas zugestoßen sei.«
»Es ist alles in Ordnung, ich habe mich nur verlaufen«, stammelte sie bebend.
»Dann kann ich Ihnen vielleicht den richtigen Weg zeigen«, sagte er, eigentlich gegen seinen Willen, denn er wollte keinesfalls den Eindruck erwecken, daß er sie belästigen wolle.
Sie schien es zu begreifen, denn jetzt richtete sie sich auf. Weil sie schwankte, stützte er sie. Jetzt endlich sah er ihr Gesicht, ein schmales, blasses verweintes Gesicht. In den Augen war Angst zu lesen.
War sie belästigt worden, war sie vor einem Mann geflohen? Er wollte ihr keine Fragen stellen, da ihre Haltung pure Abwehr ausdrückte. Sie war nicht mehr ganz jung, wirkte gehetzt und verzweifelt, und obgleich er nach seiner Enttäuschung über Elaine beschlossen hatte, zu allen Frauen Distanz zu halten, siegte sein Mitgefühl. Vielleicht war sie von einem Mann so enttäuscht worden wie er von Elaine.
Sie suchte jetzt nach ihrer Tasche, die anscheinend vorhin heruntergefallen war. Er bückte sich und ertastete sie.
»Bitte, das ist doch Ihre Tasche«, sagte er rauh. »Ich bin kein Straßenräuber.«
»Entschuldigen Sie, daß ich so abweisend war«, flüsterte sie, »aber wem kann man schon in der Dunkelheit trauen. Wissen Sie, wo der nächste Taxistand ist?«
»Schauen wir mal«, sagte er aufmunternd. Im Schein der Straßenlaterne konnte er sie deutlicher erkennen und stellte fest, daß sie große dunkle Augen hatte, die das von Kummer gezeichnete Gesicht beherrschten.
»Ist es noch weit bis zu Ihrer Wohnung?« fragte er.
Sie nickte nur.
»Da ist ein Taxistand«, stellte er fest, »und es kommt gerade eins.«
»Vielen Dank«, sagte sie leise, und schon stieg sie ein.
Er lief jetzt so schnell, wie er nur konnte zu seiner Wohnung. Er ärgerte sich, weil er an die Fremde denken mußte, da er sich doch geschworen hatte, sich nie mehr für eine Frau zu interessieren. Und sie hatte ja wirklich nichts von ihm wissen wollen.
Aber er konnte es nicht verhindern, daß er auch von ihr träumte.
*
Nach einer unruhevollen Nacht faßte Alexandra Welser den Entschluß, Dr. Norden aufzusuchen. Er war der einzige, dem sie vertraute, der ihr in ihrer Verzweiflung geholfen hatte, wenn auch nur mit mäßigem Erfolg, weil die Ängste zu tief in ihr saßen.
Wendy war erstaunt, daß sie so früh kam,