Der Mann im Eis: Wyatt Earp 293 – Western
Von William Mark
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Es war noch früh. Mountains, dem Hancock Krater und den Gros Ventre Ranges lag. Von Südwesten her ritt ein Reiter auf das Seeufer zu. Es war ein hochgewachsener Mann mit dunklem Haar, wetterbraunem gutgeschnittenem, kantigem Gesicht, das von zwei tiefblauen Augen beherrscht wurde. Er trug schwarze Lederkleidung und ein rotes Berghemd. Um seine Hüften saß ein breiter schwarzlederner Büffelgurt mit zwei großen Revolvern. Das Pferd war ein hochbeiniger Schwarzfalbe, dem jeder Cowboy seinen Wert mühelos auf hundert Schritt hätte ansehen können. Der Mann hatte die Zügelleinen kurz gefaßt und hielt jetzt im leichten Trab über die dünne verwehte Schneedecke der Berghalde auf das nahe Seeufer zu. Vorm Uferrand blieb er stehen, sah einen Augenblick einer Tierfährte im Schnee nach und blickte dann über den See, der sich mit seiner Riesenfläche in gleißendem, blendendem Weiß vor ihm ausbreitete. Vorsichtig setzte das Pferd seine Hufe über das dicke Ufereis. Das Eis war stark genug, die Last zu tragen. Langsam entfernte sich der Reiter vom Ufer. Dennoch behielt er den Blick fest auf dem Eis. Er mochte vielleicht zwanzig Yards auf den See hinausgeritten sein, als der Falbe plötzlich scheute, vorn hochstieg und heftig schnaubte. Der Reiter hatte seinen Schrecken schnell überwunden, zügelte das Tier und glitt dann rasch aus dem Sattel. Das tänzelnde Pferd konnte immerhin eine Einbruchsgefahr herbeiführen, denn das Eis ist vor allem in Ufernähe niemals gleichmäßig dick. Der Mann hatte das Tier beruhigt, ließ es stehen und ging zu der Stelle, an der es hochgeschreckt war. Plötzlich verhielt er den Schritt, stand wie versteinert da und starrte auf den gläsernen Seespiegel. Nur wenige Handbreit unter der Oberfläche lag ein Mann. Ein Toter.
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Der Mann im Eis - William Mark
Wyatt Earp
– 293 –
Der Mann im Eis
William Mark
Es war noch früh. Ein eisiger Bergwind kräuselte die Wellen des Jacksonsees, der tiefeingebettet zwischen den Teton
Mountains, dem Hancock Krater und den Gros Ventre Ranges lag.
Von Südwesten her ritt ein Reiter auf das Seeufer zu.
Es war ein hochgewachsener Mann mit dunklem Haar, wetterbraunem gutgeschnittenem, kantigem Gesicht, das von zwei tiefblauen Augen beherrscht wurde.
Er trug schwarze Lederkleidung und ein rotes Berghemd. Um seine Hüften saß ein breiter schwarzlederner Büffelgurt mit zwei großen Revolvern.
Das Pferd war ein hochbeiniger Schwarzfalbe, dem jeder Cowboy seinen Wert mühelos auf hundert Schritt hätte ansehen können.
Der Mann hatte die Zügelleinen kurz gefaßt und hielt jetzt im leichten Trab über die dünne verwehte Schneedecke der Berghalde auf das nahe Seeufer zu.
Vorm Uferrand blieb er stehen, sah einen Augenblick einer Tierfährte im Schnee nach und blickte dann über den See, der sich mit seiner Riesenfläche in gleißendem, blendendem Weiß vor ihm ausbreitete.
Vorsichtig setzte das Pferd seine Hufe über das dicke Ufereis.
Das Eis war stark genug, die Last zu tragen.
Langsam entfernte sich der Reiter vom Ufer. Dennoch behielt er den Blick fest auf dem Eis.
Er mochte vielleicht zwanzig Yards auf den See hinausgeritten sein, als der Falbe plötzlich scheute, vorn hochstieg und heftig schnaubte.
Der Reiter hatte seinen Schrecken schnell überwunden, zügelte das Tier und glitt dann rasch aus dem Sattel. Das tänzelnde Pferd konnte immerhin eine Einbruchsgefahr herbeiführen, denn das Eis ist vor allem in Ufernähe niemals gleichmäßig dick.
Der Mann hatte das Tier beruhigt, ließ es stehen und ging zu der Stelle, an der es hochgeschreckt war.
Plötzlich verhielt er den Schritt, stand wie versteinert da und starrte auf den gläsernen Seespiegel.
Nur wenige Handbreit unter der Oberfläche lag ein Mann.
Ein Toter.
Wie gebannt starrte der Reiter durch die bläuliche schimmernde Masse auf den Mann im Eis. Endlich riß er sich von dem makabren Anblick los und sah nach seinem Pferd. Doch dann drehte er sich wieder um, sah genauer hin und kniete sich nieder.
Well, der Schwarzlederne wäre weitergeritten, wenn der Tote nicht auf seiner linken Brust einen blinkenden silbernen Stern getragen hätte.
Der Reiter richtete sich wieder auf und blickte den Toten unter der Eisdecke so gründlich an, prägte sich sein Aussehen so fest ein, daß er es so leicht nicht mehr vergessen konnte.
Es war ein großer Mann, der da lag. Er hatte ein dunkles, hartes Gesicht, und seine starren Augen spiegelten trotz der Bläue des Himmels ein kaltes Schiefergrau wider. Viele scharfe Falten hatten dieses Gesicht gezeichnet. Unter dem schwarzen Hut, der noch fest auf dem Kopf des Toten saß, blickte strähniges Grauhaar hervor. Das blaue Kattunhemd wurde oben am Hals von einem roten Tuch zusammengehalten. Die Fellweste war verwaschen grau und trug links über dem Herzen den Stern. Und genau unter dem Stern war ein fingerdickes schwarzes Loch in der Weste, dessen Ränder dunkelrot gefärbt waren.
Er trug noch seinen Waffengurt, und rechts im abgegriffenen Halfter steckte ein alter Colt vom Kaliber 44.
Ganz klar und deutlich konnte der Reiter den Toten sehen, sein Bild in sich aufnehmen. Die dünne Eisdecke, die sich über ihn zog, ließ ihn wie durch ein Fenster oder eine dünne Wasserschicht erscheinen.
Endlich wandte sich der Schwarzlederne ab, ging zu seinem Pferd und führte es vom Eis. Am Ufer zog er sich in den Sattel, wandte sich um und warf noch einen Blick zurück, nahm dann die Zügel auf und ritt im scharfen Trab am Seeufer entlang nach Osten.
Gegen elf Uhr am Vormittag erreichte er Moran. Eine Kistenholzstadt wie all die anderen in den Middleweststaaten.
Der Reiter trabte durch die breite
Mainstreet und hielt vor dem kleinen Holzbau, der oben ein weit in die Straße hineinhängendes Schild mit der Aufschrift »Sheriffs Office« trug.
Als er die Tür des Sheriff-Büros öffnete, schlug ihm eine dicke, überhitzte, von einem scheußlichen Tabak verdorbene Luft entgegen.
Ein Gesicht, das eine frappierende Ähnlichkeit mit einem Seehund hatte, sah ihm entgegen.
»Morning!«
»Morning!«
Der Seehundskopf senkte sich wieder und vergrub sich in eine alte, vergilbte Gazette.
»Was gibt’s?« kam es hinter der Zeitung hervor.
»Ich suche einen Sheriff...« Und nun beschrieb der Falbreiter den Toten, den er im Eis gefunden hatte.
Der Mann mit dem Seehundschnäuzer schüttelte den struppigen Kopf. Ohne aufzublicken knurrte er: »Kenne ich nicht.«
»Sind Sie hier der Sheriff?«
»Yeah.«
»Haben Sie keinen Deputy?«
»Doch.«
»Und auf den paßt die Beschreibung nicht?«
»Nein.«
»Sie wissen es sicher?«
Unwillig hob sich der Kopf des Seehundmannes. »He, was wollen Sie? Ich werde doch noch Jim Bliff kennen! Er ist seit drei Jahren mein Deputy, mißt eins-sechzig und das auch nur mit doppelten Hacken. – Sonst noch was?«
»Kennen Sie sonst keinen Sternträger in der Umgebung, auf den die Beschreibung paßt?«
»Nein«, unterbrach ihn der Sheriff grob. »Und nun will ich Ihnen was sagen, Mister. Diese Zeitung ist fünf Wochen alt. Zuerst hatte sie der Bankier, weil er sie in Sheridan gekauft hat. Er hat nämlich das meiste Geld.
Yeah, und dann bekam sie der Mayor, weil er eben der Mayor ist. Sie müssen zugeben, daß ich naturgemäß dann an der Reihe gewesen wäre. Aber nichts da, Mister Dull kam mir zuvor und schwatzte sie dem Mayor ab. Ich mußte hinter dem verdammten Krauter herlaufen, und heute morgen, vor knapp einer Stunde erst, habe ich sie gekriegt. Sie werden zugeben, daß ich nun ein heiliges Anrecht darauf habe, sie zu lesen.«
Der Fremde wandte sich ab.
Hart fiel die Tür hinter ihm ins Schloß.
Drüben, schräg gegenüber, war ein Saloon.
Palace-Bar, stand in großen roten Lettern über der Balustrade.
Der Fremde ging auf die Schenke zu.
Es war ein enger, muffiger, schlauchartiger Raum, dessen vier Tische restlos besetzt waren.
Vorn rechts an der Theke lehnte ein halbes Dutzend Männer.
Der Schwarzlederne schob sich zwischen sie und wandte sich an den triefäugigen Keeper. »Mister, ich hätte eine Frage...«
Als er nach einigen Minuten die muffige Schnapshöhle verließ, war er nicht klüger als vorher.
*
Der Reiter hatte sich nach Süden gewandt.
Nur wenige Stunden später, an Nachmittag, ritt er in Elk ein.
Der Reiter hielt auch hier sein Pferd vor dem Office des Mannes an, der in dieser Stadt das Gesetz vertrat.
Jereboam Connidge hatte in den Sezessionskriegen die Zehen beider Füße verloren. Das gab ihm einen etwas sonderbaren Gang. Auch sein linkes Auge war auf »dem Felde der Ehre« geblieben. Aber jeder, der geglaubt hatte, ein Sheriff mit nur einem Auge sei eben kein Sheriff, der hatte sich gründlich geirrt. Connidge war einer der ganz scharfen Sternträger, die der Rinderstaat Wyoming damals hatte.
Als der Fremde jetzt ins Office trat, war Connidge damit beschäftigt, seine Blumen zu gießen.
»Was gibt’s?« fragte er über die Schulter.
Der Falbreiter trug ihm sein Anliegen vor.
»So, Freundchen, du suchst also einen Mann?« Ehe der Fremde noch etwas erwidern konnte, schnarrte der Sheriff: »Ich will dir mal was sagen, Amigo. Du bist hier in Elk. Und in Elk ist Jerry Connidge Sheriff. Was das bedeutet, solltest du wissen. Daß du es nicht weißt, beweist mir deine Quasselei. Du suchst also einen Mann?« Er stemmte die Arme in den Rücken und schob den kleinen Bauch vor. »Sieh mal an, was du nicht sagst! Das ist ja mal was ganz Neues: Eine prächtige Sache, nicht wahr? Vielleicht könnte Nat Buntline eine hübsche Story daraus machen.«
Der Fremde wollte zum Ende kommen und sich erklären, aber Connidge machte eine wegwerfende Handbewegung.
»Ruhe! Jetzt rede ich! Hör zu, Freund, ich habe dir bereits erklärt, daß hier in der Stadt seit einem vollen Jahrhundert Jerry Connidge den Stern trägt. Das bedeutet, daß hier niemand macht, was er will. Schon gar nicht sucht hier jemand einen Mann.
Hier wird kein Mann gesucht. Weil hier keiner ist, den Sie zu suchen haben, Mann. Scheren Sie sich raus, schwingen Sie sich auf Ihren Klepper, und sehen Sie zu, daß Sie einen dicken Fetzen Land zwischen sich und mich bringen.«
»Hören Sie, Sheriff, lassen Sie mich doch wenigstens aussprechen. Ich habe oben im...«
»Was Sie oben haben, Brother, will ich nicht wissen. Sie machen jetzt lange Beine, kriechen auf Ihren Gaul und machen blanke Hufe!«
»Well, Sheriff. Aber daß Sie ein Hammel sind, das möchte ich nicht für mich behalten. So long!«
Die rechte Hand des Mannes zuckte zum Colt. Ehe der Sheriff sein Schießeisen aus dem Halfter hatte, war der Mann drüben an der Tür in einer halben Pirouette herumgefahren; in seiner linken Faust blinkte ein langläufiger, sechskantiger Revolver.
»Aber, Sheriff, Sie wollten mir doch keine Kugel in den Rücken schicken?«
Connidge starrte den Mann verblüfft an.
Endlich öffneten sich seine Lippen. »He, Sie, was war denn das?«
Der Schwarzlederne ließ den übergroßen Revolver mit dem Bügel um den Mittelfinger rotieren, um die Waffe gleich darauf mit einem eleganten Handsalto ins Halfter gleiten zu lassen.
»Aha, so ist das? Ich habe mich also nicht geirrt. Sie sind Revolverschwinger! Ich habe es mir ja gedacht. Männer Ihresgleichen erkenne ich schon an der Nasenspitze!«
Der Fremde hatte die Arme über die Brust gekreuzt. Das Lächeln um seine Lippen hatte fast etwas Mitleidiges, als er jetzt sagte: »Sie sind ein netter Kerl, Connidge, aber leider etwas zu schrullig!«
»Was –«
Der Fremde sagte hart: »Jetzt rede ich! Was ich Ihnen zu sagen habe, ist –«
Flammende Zornesröte überflutete das Gesicht des Sheriffs. »Sie haben mir gar nichts zu sagen!«
Da geschah es wieder. Und diesmal schien es dem Sheriff noch schneller gegangen zu sein.
Der große Revolver lag wieder in der Linken des Fremden.
»Sie werden mir jetzt zuhören, Connidge! Ich habe keine Zeit, Ihrem Starrsinn nachzulaufen.«
Der Hüter des Gesetzes der Stadt Elk stand wie ein begossener Pudel da und starrte auf den Revolver, hob dann den Blick in die Augen des Fremden, die plötzlich etwas von der Eiseskälte eines zugefrorenen Bergsees zu haben schienen.
»Ich habe heute morgen oben