Die Stimme ihrer Kinder: Dr. Norden 46 – Arztroman
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Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist.
»Ich mag Croissants«, stellte Tatjana Bohde fest und tupfte auch noch die letzten Krümel ihres Frühstücks mit der Spitze ihres Zeigefingers auf. Im Gegensatz zu ihren Mitessern hatte sie nicht weniger als drei Stück der knusprigen Leckerei verschlungen. Ihr Seitenblick auf das letzte Hörnchen verriet ihre Gedanken. »Und Croissants mögen mich. Nicht alle Beziehungen müssen kompliziert sein.« Tatjanas Vater Steffen, der ihr im Café des Münchner Flughafens gegenübersaß, warf ihr einen Blick zu, der Bände sprach. »Du meinst unsere Beziehung, nicht wahr?« Das schlechte Gewissen stand ihm ins Gesicht geschrieben. Es war noch immer gezeichnet von der schweren Krankheit, die er ihr verschwiegen und die die Wiedersehensfreude nach vielen Jahren getrübt hatte. Zu seiner großen Überraschung schüttelte Tatjana den Kopf. »Unsere Beziehung? Nein. Wie kommst du denn darauf?«, fragte sie zurück. Sie war nicht nachtragend und froh, dass die Behandlung angeschlagen hatte und ihr Vater nach einer Operation und dem Aufenthalt auf der Insel der Hoffnung endlich über den Berg war. »Ich dachte eher an Dannys und meine Beziehung.« Ihre Miene war undurchdringlich. Doch der Schalk blitzte aus ihren dunkelblauen Augen und zeugte davon, dass sie wie so oft nichts als Unsinn im Kopf hatte. »Was hab ich schon wieder falsch gemacht?«
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Buchvorschau
Die Stimme ihrer Kinder - Patricia Vandenberg
Dr. Norden
– 46 –
Die Stimme ihrer Kinder
Patricia Vandenberg
»Ich mag Croissants«, stellte Tatjana Bohde fest und tupfte auch noch die letzten Krümel ihres Frühstücks mit der Spitze ihres Zeigefingers auf. Im Gegensatz zu ihren Mitessern hatte sie nicht weniger als drei Stück der knusprigen Leckerei verschlungen. Ihr Seitenblick auf das letzte Hörnchen verriet ihre Gedanken. »Und Croissants mögen mich. Nicht alle Beziehungen müssen kompliziert sein.« Tatjanas Vater Steffen, der ihr im Café des Münchner Flughafens gegenübersaß, warf ihr einen Blick zu, der Bände sprach.
»Du meinst unsere Beziehung, nicht wahr?« Das schlechte Gewissen stand ihm ins Gesicht geschrieben. Es war noch immer gezeichnet von der schweren Krankheit, die er ihr verschwiegen und die die Wiedersehensfreude nach vielen Jahren getrübt hatte.
Zu seiner großen Überraschung schüttelte Tatjana den Kopf. »Unsere Beziehung? Nein. Wie kommst du denn darauf?«, fragte sie zurück. Sie war nicht nachtragend und froh, dass die Behandlung angeschlagen hatte und ihr Vater nach einer Operation und dem Aufenthalt auf der Insel der Hoffnung endlich über den Berg war. »Ich dachte eher an Dannys und meine Beziehung.« Ihre Miene war undurchdringlich. Doch der Schalk blitzte aus ihren dunkelblauen Augen und zeugte davon, dass sie wie so oft nichts als Unsinn im Kopf hatte. »Was hab ich schon wieder falsch gemacht?«, erkundigte sich Dr. Danny Norden, der eben nach dem letzten Croissant im Korb gegriffen hatte.
»Du setzt mich ohne mit der Wimper zu zucken der Gefahr aus, einen schrecklichen Hungertod zu erleiden«, beschwerte sich die Bäckerin. Sie sah ihrem Freund dabei zu, wie er das Blätterteiggebäck trotz ihrer Reklamation ungerührt mit Marmelade bestrich. »Ein Glück, dass ich die Bäckerei habe. Sonst hätten wir keine Zukunft.« Damit nahm sie Danny das Croissant aus der Hand und biss die mit Marmelade bestrichene Spitze ab. Kopfschüttelnd sah der Arzt ihr dabei zu.
»Ein Glück, dass es die Praxis gibt, wo mich wohlwollende Patientinnen mit dem Nötigsten versorgen, damit ich nicht vom Fleisch falle«, konterte er und holte sich sein Frühstück zurück.
Steffen sah den verliebten Neckereien des Paares zu und lächelte. Zwei Herzen schlugen in seiner Brust. Auf der einen Seite war er froh, sein Junggesellenleben in Dubai – er arbeitete dort als Ingenieur – wieder aufnehmen zu können. Auf der anderen Seite wusste er schon jetzt, dass er die Lebensfreude und Lebendigkeit seiner Tochter und ihre und die Gesellschaft ihrer neuen Familie vermissen würde.
Mit einem Blick auf die Uhr schob er diesen Gedanken gleich wieder beiseite. »Ein Glück, dass jetzt wieder ein Esser weniger im Haus ist«, versuchte auch er zu scherzen. Allmählich wurde es Zeit zum Aufbruch. »Dann müsst ihr euch beide nicht mehr vor dem Hungertod fürchten.«
Zu seiner Überraschung teilte Tatjana diese Ansicht nicht. Sie schüttelte den Kopf mit den streichholzkurzen, hellblonden Haaren und seufzte.
»Weit gefehlt. Die nächste Bedrohung für mein leibliches Wohl ist ja schon im Anmarsch«, erklärte sie todernst.
Danny wusste sofort, woran sie dabei dachte.
»Tatjanas Mitarbeiterin Marla erwartet demnächst ihr erstes Baby«, klärte er seinen Schwiegervater in spe auf, ehe er sich an seine Freundin wandte. »Aber ich glaube kaum, dass dir der kleine Mann in nächster Zeit was wegisst.« »Aber du sagst es selbst. Kleiner Mann! Das ist das entscheidende Stichwort«, gab Tatjana zurück. »Du bist das lebende Beispiel dafür, was so ein Mann alles essen kann. Und ich hab mir sagen lassen, dass das schon in frühester Jugend anfängt.« Eine steile Falte stand auf ihrer Stirn, während sie über ihre düstere Zukunft nachdachte. »Tja, da bleibt dir wohl nichts anderes übrig, als demnächst über die Eröffnung einer zweiten Bäckerei nachzudenken«, machte Danny einen nicht sehr ernst gemeinten Vorschlag und stand auf. Er hatte Steffens Blick auf die Uhr bemerkt und zückte den Geldbeutel, um die Rechnung zu begleichen.
Tatjanas Miene hellte sich auf. »Gute Idee. Die werde ich gleich mal mit Marla diskutieren, damit sie Fynn frühzeitig auf seine Rolle als Geschäftsführer vorbereiten kann. Man kann das Leben von Kindern nicht früh genug in die richtigen Bahnen lenken.« Auch sie war aufgestanden, um ihren Vater zum Gate zu begleiten.
Nachdem Danny bezahlt hatte, übernahm er den Kofferkuli. Vater und Tochter schlenderten Arm in Arm neben ihm her. Langsam verebbte das muntere Plaudern zwischen den Dreien, und der Abschiedsschmerz hielt Einzug in die Herzen. Da das nächste Wiedersehen aber schon in nicht allzu weiter Ferne stattfinden sollte, gewann schließlich die Vorfreude Oberhand, und das junge Paar stand Arm in Arm in der Abflughalle und winkte und lachte Steffen nach, bis er durch die Sicherheitsschleuse verschwunden war.
*
»Seit wann sind wir denn eine Hamburgerbude?« Marla stand in der Backstube. Ihr ungläubiger Blick ruhte auf dem Teller mit den amerikanischen Brötchen, der auf der Arbeitsplatte stand. Schon wollte sie die Hand nach einem der Hamburger ausstrecken, als hinter ihr ein Schrei ertönte.
»Finger weg!«
Im ersten Moment erstarrte Marla vor Schreck. Sie spürte, wie ihr das Adrenalin ins Blut schoss. Instinktiv legte sie die Hand auf den hochschwangeren Bauch. Erst dann drehte sie sich um und sah ihre Kollegin, die Tortenkünstlerin Marianne, an. »Bist du verrückt? Du hast mich zu Tode erschreckt«, klagte sie vorwurfsvoll. Gleichzeitig spürte sie, wie ihr Bauch hart wurde. »Tut mir leid«, entschuldigte sich Marianne sofort. »Aber das ist eine Geburtstagstorte, die eine Mutter für ihren Sohn bestellt hat. Du kannst dir nicht vorstellen, was das für eine Arbeit war.«
»DAS soll ein Kuchen sein?« Marla beugte sich über das Kunstwerk, das ihre Kollegin geschaffen hatte. Erst beim zweiten Hinsehen stellte sie fest, dass Frikadellen, Salatblätter und geschmolzener Käse aus gefärbtem Fondant modelliert waren. Die Hamburgerbrötchen waren aus Biskuitteig geformt, den Marianne mit Lebensmittelfarbe zum richtigen Bräunungsgrad verholfen hatte. Die hellen Kuchenkrümel auf der Oberseite sahen echten Sesamsamen zum Verwechseln ähnlich und nur der süße Duft verriet die Sinnestäuschung. »Sensationell!«, murmelte Marla. Selbst Künstlerin wusste sie um die Begabung und Kreativität, die nötig waren, um solche Kunstwerke zu schaffen. Trotzdem hielt sich ihre Begeisterung in Grenzen. Sie hatte kaum ausgesprochen, als ihr Bauch wieder hart wurde, diesmal begleitet von einem unangenehmen Schmerz. Nur mit Mühe gelang es ihr, ein Stöhnen zu unterdrücken.
Marianne war so versunken in die kritische Betrachtung des Hamburgerstapels, dass ihr die Qualen der Kollegin verborgen blieben.
»Begeisterung stelle ich mir ehrlich gesagt anders vor«, tat sie ihren Unmut kund. »Du findest die Torte nicht gut, stimmt’s?«
»Ich glaub, ich finde es nicht gut, dass Kinderkriegen wehtut.« Marla atmete tief ein und aus, bis der Schmerz langsam wieder verebbte. Sie fühlte, wie sie an den Schultern gepackt und herum gedreht wurde. Marianne sah ihrer Kollegin ins Gesicht. Sie war selbst Mutter eines fast erwachsenen Sohnes und hatte der jungen Marla ein paar Erfahrungen voraus.
»Du meinst, es geht los?« Ihre Augen funkelten, aber ihre Stimme war ruhig. »Zumindest hatte ich so ein Ziehen im Bauch«, gestand die werdende Mutter und konnte sich endlich wieder aufrichten. Der Schmerz war vorüber und sie fühlte sich wie immer. »Als wäre nichts gewesen«, stellte sie kopfschüttelnd fest.
»So ist das nun mal mit Wehen«, stellte