Weil ich doch gehen muss...: Dr. Norden 31 – Arztroman
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Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist.
»Primärprävention bedeutet die Vermeidung der Entstehung einer Krankheit durch Beseitigung ihrer Ursachen. Sekundärprävention zielt dagegen darauf ab, eine Erkrankung im asymptomatischen Frühstadium zu erkennen«, murmelte Janine Merck vor sich hin, während sie in ihrer Wohnung hin und her eilte. Sie befüllte die Waschmaschine und schaltete sie ein, legte im Wohnzimmer eine Decke zusammen, räumte die Spülmaschine aus und schenkte sich bei dieser Gelegenheit einen Kaffee ein. »Logischerweise kommt danach die Tertiärprävention.« Während sie nachdachte, löffelte sie Zucker in die Tasse und öffnete den Kühlschrank, um Milch herauszuholen. »Tertiäre Prävention … Mist, sauer.« Ärgerlich betrachtete sie die Flocken, die im Kaffee schwammen. »Unter tertiärer Prävention versteht man das …, versteht man die … Mensch, Kopf, was ist los mit dir? So schwer ist das doch nicht.« Unwillig ging Janine hinüber zum Tisch, wo ein ganzer Stapel Bücher über-, auf- und nebeneinander lag. Es dauerte eine Weile, bis sie das richtige gefunden hatte. »Hier steht's ja! Tertiärprävention bedeutet das Aufhalten der weiteren Verschlechterung oder Verminderung von Komplikationen einer bestehenden Krankheit. Das ist doch nicht so schwer«, schalt sie sich selbst. »Warum kannst du dir das nicht merken?« In ihren Monolog hinein klingelte es an der Tür. Augenblicklich dachte sie an Peter Kern, den sie doch mit Hilfe ihrer Fortbildung ein für alle Mal aus ihrem Kopf verbannen wollte. Ein paar Monate lang hatte sie sich mit dem Witwer getroffen.
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Buchvorschau
Weil ich doch gehen muss... - Patricia Vandenberg
Dr. Norden
– 31 –
Weil ich doch gehen muss...
Patricia Vandenberg
»Primärprävention bedeutet die Vermeidung der Entstehung einer Krankheit durch Beseitigung ihrer Ursachen. Sekundärprävention zielt dagegen darauf ab, eine Erkrankung im asymptomatischen Frühstadium zu erkennen«, murmelte Janine Merck vor sich hin, während sie in ihrer Wohnung hin und her eilte. Sie befüllte die Waschmaschine und schaltete sie ein, legte im Wohnzimmer eine Decke zusammen, räumte die Spülmaschine aus und schenkte sich bei dieser Gelegenheit einen Kaffee ein. »Logischerweise kommt danach die Tertiärprävention.« Während sie nachdachte, löffelte sie Zucker in die Tasse und öffnete den Kühlschrank, um Milch herauszuholen. »Tertiäre Prävention … Mist, sauer.« Ärgerlich betrachtete sie die Flocken, die im Kaffee schwammen. »Unter tertiärer Prävention versteht man das …, versteht man die … Mensch, Kopf, was ist los mit dir? So schwer ist das doch nicht.« Unwillig ging Janine hinüber zum Tisch, wo ein ganzer Stapel Bücher über-, auf- und nebeneinander lag. Es dauerte eine Weile, bis sie das richtige gefunden hatte. »Hier steht’s ja! Tertiärprävention bedeutet das Aufhalten der weiteren Verschlechterung oder Verminderung von Komplikationen einer bestehenden Krankheit. Das ist doch nicht so schwer«, schalt sie sich selbst. »Warum kannst du dir das nicht merken?«
In ihren Monolog hinein klingelte es an der Tür. Augenblicklich dachte sie an Peter Kern, den sie doch mit Hilfe ihrer Fortbildung ein für alle Mal aus ihrem Kopf verbannen wollte.
Ein paar Monate lang hatte sie sich mit dem Witwer getroffen. Gemeinsam hatten sie neue Hobbys entdeckt, viel unternommen, geredet und gelacht. Nie hatte Peter Anstalten gemacht, ihr zu nahe zu kommen. Janine war das ganz recht gewesen. Nach einigen unerfreulichen Männerepisoden wollte sie es langsam angehen lassen. Wendys Warnung, auf diese Weise würde sie über kurz oder lang auf der Freundesliste landen, hatte Janine in den Wind geschlagen.
Bis eines Tages eine Frau die Tür seines Apartments geöffnet hatte.
»Du kennst doch Hettie?« Verliebt lächelnd hatte Peter den Arm um die andere gelegt. »Wir haben uns beim Klettern kennen gelernt, damals, als du überraschend absagen musstest wegen eines Notfall sin der Praxis.«
Dieser Satz hallte immer noch in Janines Kopf nach. Das Bild von Peter und seiner neuen Freundin war in ihren Kopf eingebrannt. Wendy hatte recht behalten. Doch Janine wollte sich nicht unterkriegen lassen. Nach ein paar Trauertagen beschloss sie, die neugewonnene Zeit gewinnbringend in eine Fortbildung zu investieren. In zwei Tagen stand die Prüfung an. Aber auch wenn sie dachte, Peter überwunden zu haben, blitzte die Erinnerung an ihn immer wieder unerwartet auf. So wie an diesem Mittag. Mit weichen Knien ging sie zur Tür.
»Mein Name ist Lauer von der Telefongesellschaft.« Der Mann vor der Tür lächelte sie an. »Sie haben eine Störung gemeldet.«
»Richtig! Sie hatte ich völlig vergessen.« Janine atmete tief ein und aus, ehe sie zur Seite trat und ihn einließ.
»Wirklich?« Er lachte. »Warum sind Sie dann um diese Uhrzeit zu Hause?«
»Eins zu null für Sie!« Janine schnitt eine Grimasse. »Diese Prüfung bringt mich völlig durcheinander. Hier lang! Da drüben ist mein Telefonanschluss.« Sie winkte ihn mit sich.
»Sie haben eine Prüfung vor sich?« Thomas Lauer machte vor dem Anschluss im Flur Halt und stellte seine Tasche ab.
»Ich weiß auch nicht, welcher Teufel mich geritten hat, als ich mich für die Fortbildung angemeldet hab«, erzählte Janine, während sie ihm dabei zusah, wie er sich an der Telefonbuchse zu schaffen machte, Kabel und Kontakte prüfte.
»Mit dem Kopf verhält es sich wie mit den Muskeln. Ohne Training geht nicht viel.« Er griff zum Telefon und hielt den Hörer ans Ohr. »Und ohne Internet geht Ihr Festnetztelefon nicht.«
»Weil ich das erkannt habe, sind Sie heute hier.«
»Damit steht es unentschieden«, bemerkte Thomas vergnügt. Er öffnete den Koffer und holte ein paar Messinstrumente heraus. »Dann wollen wir mal.« Er steckte eines der Geräte an der Telefonbuchse an und begann mit seiner Arbeit.
»Stört es Sie, wenn ich in der Küche noch ein bisschen Krankheitsprävention lerne?«, erkundigte sie sich.
»Nur zu. Wenn Sie mich nett bitten, frage ich Sie auch später ab.«
»Geht leider nicht. Wenn Sie hier fertig sind, muss ich zurück zur Arbeit.« Janine war schon auf dem Weg in die Küche, als sie sich noch einmal umdrehte. »Wollen Sie einen Kaffee? Aber nur ohne Milch. Die ist mir sauer geworden.«
»Auch ein Prüfungsopfer?«, neckte der Techniker sie gut gelaunt. »In diesem Fall verzichte ich und werde mich beeilen, damit ich Sie nicht länger als unbedingt nötig von Ihrer Arbeit abhalte«, versprach er und beugte sich über sein Messgerät.
Janine blieb noch einen Moment in der Küchentür stehen und sah ihm zu. Dann kehrte auch sie zu ihren Büchern zurück, um vor Ende der Mittagspause wenigstens die Präventionen zuverlässig zu lernen.
*
Um die Mittagszeit war das Café ›Schöne Aussichten‹ immer gut besucht. Schnell hatte es sich herumgesprochen, dass es hier nicht nur den besten Kuchen der Stadt gab. Auch Gemüsequiche, fantasievoll belegter Flammkuchen und kleine Mahlzeiten wie Suppen und Salate erfreuten die Mägen der arbeitenden Bevölkerung.
Seitdem musste Tatjana Bohde einen Platz reservieren, wenn ihr Freund Danny Norden seine Mittagspause mit ihr verbringen wollte. Hektisch, wie es an diesem Montag seit dem frühen Morgen zuging, dachte sie aber erst wieder an ihn, als er durch die Tür der Bäckerei trat.
»Ach, du Schreck, Danny! Was machst du denn heute hier?«
»Super! Ich freu mich auch, dich zu sehen!« Er beugte sich zu ihr hinab und drückte ihr einen Kuss auf den Mund.
»Jedem, wie er’s verdient.« Tatjana ließ ihren unvollkommenen Blick schweifen.
Nach einem Autounfall war sie viele Jahre blind gewesen, bis eine Operation ihr einen Teil des Sehvermögens zurückgegeben hatte. In dieser Zeit hatte sie mithilfe der verbliebenen Sinne eine fast mystische Verbindung zu ihrer Umwelt aufgebaut. Tatjana fühlte und erinnerte mehr, als gesunde Menschen wahrnahmen. Manchmal war sie selbst ihrem Freund Danny unheimlich.
»Du hast mir nachts mindestens drei Mal die Bettdecke geklaut. Deshalb wollte ich heute nicht an dich denken.« Sie zwinkerte ihm zu, nahm ihn bei der Hand und schlängelte sich geschickt vorbei an Stühlen und Tischen, bis sie – ohne sich auch nur ein einziges Mal zu stoßen – vor einem freien Platz Halt machte.
»Haben Sie was dagegen, wenn Ihnen dieser gut aussehende, wohlerzogene junge Mann Gesellschaft leistet?«,