Die Katze muss weg: Dr. Norden 27 – Arztroman
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Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist.
»Und? Was sagt ihr?« Voller Stolz stand Felicitas Norden im Wohnzimmer und betrachtete ihren neuen Gardinen. Die Zwillinge Jan und Dési und ihr Mann hatten sich hinter ihr versammelt. Janni legte den Kopf schief. »Seit wann hängt man sich Spaghetti ans Fenster?« Fee verdrehte die Augen. »Das sind keine Nudeln, sondern Fadenvorhänge. Die faszinierendste Idee, seit es Gardinen gibt«, wiederholte sie die Worte des Verkäufers. Überzeugen konnte sie ihren Sohn damit jedoch nicht. »Für das Geld hätte man sicher jede Menge Nudeln bekommen.« »Banause!«, schimpfte Felicitas, wild entschlossen, sich nicht den Spaß verderben zu lassen. »Was ist mit dir, Dési? Was sagst du dazu?« »Warum braucht man überhaupt Vorhänge? Mir gefällt es viel besser, wenn man freie Sicht hat. Dann kann auch viel mehr Licht rein.« Sie ließ die Finger durch die dünnen Fäden aus weißem Nylon gleiten.
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Buchvorschau
Die Katze muss weg - Patricia Vandenberg
Dr. Norden
– 27 –
Die Katze muss weg
… auch wenn wir sie mögen
Patricia Vandenberg
»Und? Was sagt ihr?« Voller Stolz stand Felicitas Norden im Wohnzimmer und betrachtete ihren neuen Gardinen.
Die Zwillinge Jan und Dési und ihr Mann hatten sich hinter ihr versammelt.
Janni legte den Kopf schief.
»Seit wann hängt man sich Spaghetti ans Fenster?«
Fee verdrehte die Augen.
»Das sind keine Nudeln, sondern Fadenvorhänge. Die faszinierendste Idee, seit es Gardinen gibt«, wiederholte sie die Worte des Verkäufers. Überzeugen konnte sie ihren Sohn damit jedoch nicht.
»Für das Geld hätte man sicher jede Menge Nudeln bekommen.«
»Banause!«, schimpfte Felicitas, wild entschlossen, sich nicht den Spaß verderben zu lassen. »Was ist mit dir, Dési? Was sagst du dazu?«
»Warum braucht man überhaupt Vorhänge? Mir gefällt es viel besser, wenn man freie Sicht hat. Dann kann auch viel mehr Licht rein.« Sie ließ die Finger durch die dünnen Fäden aus weißem Nylon gleiten. »Wenn du sie mal nicht mehr leiden magst, kannst du sie mir geben. Daraus kann ich einen super Rock nähen.«
Seufzend wandte sich Fee an ihren Mann.
»Warum versuche ich eigentlich, euch ein schönes, stilvolles Heim zu bieten?«, beschwerte sie sich enttäuscht. »Wahrscheinlich wärt ihr in einem Bürogebäude genauso glücklich.«
»Das glaube ich nicht. Ein Bürohaus hat in der Regel keine anständig ausgestattete Küche«, entfuhr es Daniel.
Die Zwillinge sahen sich einen Moment lang verdutzt an, ehe sie in prustendes Gelächter ausbrachen.
Auch Fee konnte nur mit Mühe ernst bleiben.
»Schon recht. Fallt mir nur alle in den Rücken«, murrte sie mit lachenden Augen. »Ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt.«
Diese Drohung wirkte.
»Nicht böse sein, Mamilein«, umschmeichelte Janni seine Mutter. »Du kannst ja nichts dafür, dass ich kein ästhetisches Empfinden habe.«
»Das ist wahrscheinlich zugunsten deiner Fähigkeiten im Computerspielen zurückgeblieben«, entfuhr es Dési.
Janni grinste.
»Nobody’s perfect.«
Daniel lachte und legte den Arm um die Schultern seiner schmollenden Frau.
»Ich kann zwar nicht jedes kleine Detail würdigen, aber das Gesamtbild ist perfekt.« Sein Blick streichelte ihr Gesicht, und er schob ihr eine hellblonde Strähne aus der Stirn. »Noch nie hab ich mich irgendwo heimischer gefühlt als bei dir.«
»Wow, Dad! Du legst dich ja ganz schön ins Zeug!« Janni stieß einen anerkennenden Pfiff aus. »Was willst du damit bezwecken?«
Während ihn seine Frau misstrauisch musterte, wand sich Daniel vor Verlegenheit. Sein Sohn hatte ihn durchschaut.
»Ich muss gleich noch einmal in die Klinik«, gestand er zerknirscht. »Jenny hat mich um ein Gespräch gebeten.«
»Ausgerechnet heute?«, entfuhr es Felicitas. Seit sie selbst Chefin der Pädiatrie in der Behnisch-Klinik war, verstand sie ihren Mann zwar noch besser als ohnehin schon. Auch ihre Pläne wurden immer wieder von unvorhergesehenen Ereignissen und Notfällen durchkreuzt. Doch diesen Tag hatte sie sich extra freigehalten.
»Wir wollten doch mal wieder ins Kino und dann zum Essen gehen.«
»Ich weiß, und es tut mir wahnsinnig leid, mein Liebling. Aber sie hat darauf bestanden und wollte mir auch am Telefon nicht sagen, worum es geht.« Er beugte sich über sie und küsste sie. Einen ganz kurzen Moment huschte ein Schatten über sein Gesicht. Niemand bemerkte es, und als er sich von seiner Frau löste, war alles wie immer.
Fee lächelte ihn an und streichelte über seine Wange.
»Entschuldige. Ich wollte nicht egoistisch sein. Aber ab und zu ein bisschen Zweisamkeit …«
»Das holen wir nach. Versprochen!«, erklärte Daniel Norden mit Nachdruck.
»Schon gut.« Es war ihr anzusehen, dass sie nicht daran glaubte. Aber die Enttäuschung war bereits verflogen, und sie schmiedete neue Pläne. »Dann haben Dési und ich endlich mal Zeit, Maß für meine Bluse zu nehmen, die sie mir schon die ganze Zeit nähen will.«
»Super Idee!« Dési hängte sich bei ihrer Mutter ein, um mit ihr ins Nähatelier zu verschwinden. Bevor sie aus dem Zimmer gingen, schickte sie den neuen Gardinen einen sehnsüchtigen Blick.
»Kannst du wirklich nicht auf eine davon verzichten? So ein Rock wäre sicher todschick!«
*
»Wie bitte?« Entgeistert starrte Dr. Norden seine langjährige Freundin und Kollegin, die Klinikchefin Jenny Behnisch, an.
Zu zweit saßen Sie in der Besucherecke ihres Büros, jeder eine Tasse Kaffee vor sich. Zwischen ihnen stand ein Teller mit Tatjanas leckerem Gebäck. Doch Daniel war der Appetit vergangen. Er war blass geworden.
Jenny bedauerte, ihm keine besseren Nachrichten überbringen zu können.
»Es tut mir wirklich leid. Du hast alles getan, um Herrn Seibolds Leben zu retten. Aber du weißt selbst, dass eine Tollwut-Infektion innerhalb weniger Tage nach Symptombeginn tödlich verläuft.«
»Ich hätte erkennen müssen, dass es sich um diese Erkrankung handelt.«
»Selbst dann wäre er nicht zu retten gewesen. Die Impfung muss wenige Stunden nach einer möglichen Infektion erfolgen. Sonst gibt es kaum Chancen auf Rettung.«
»Ich weiß. Trotzdem verstehe ich nicht, warum ich nicht darauf gekommen bin.« Daniel machte sich bittere Vorwürfe.
»Wie denn auch?«, versuchte die Klinikchefin, ihn auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. »Der Patient hat selbst angegeben, nicht von einem Tier gebissen worden zu sein. Erst seine Ehefrau hat uns auf die richtige Spur gebracht. Sie hat uns von der Fledermaus erzählt, die die Katze der beiden vor ein paar Monaten nach Hause geschleppt hat. Bei dem Versuch, das Tier zu retten, muss Herr Seibold einen Biss davongetragen haben, von dem er nichts bemerkt hat.«
»Ich weiß schon, warum ich Katzen nicht leiden kann«, schimpfte Dr. Norden und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Seit Jahren war keiner seiner Patienten mehr gestorben. Selbst in schwierigen Fällen war es ihm immer gelungen, rechtzeitig die richtige Diagnose zu stellen. Dieses diagnostische Talent hatte ihm weltweiten Ruhm eingebracht. Doch diesmal war er kläglich gescheitert.
»Spätestens bei dem Ekel vor Wasser hätte ich hellhörig werden müssen.«
»Hör bitte auf, dir Vorwürfe zu machen«, bat Jenny inständig. »Sogar die erfahrenen Kollegen hier an der Klinik haben sich die Zähne an Herrn Seibold ausgebissen.« Nachdenklich nippte Jenny an ihrem Kaffee. »Nur einer hat den Verdacht auf Tollwut geäußert. Aber ihm hat keiner geglaubt.«
Überrascht blickte Daniel auf.
»Kenne ich ihn?«
»Ich weiß nicht«, erwiderte sie wahrheitsgemäß. Im Gegensatz zu Daniel war sie hungrig. Wie so oft war sie ohne Frühstück in die Klinik gefahren und bis zum späten Vormittag von den Ereignissen in Atem gehalten worden. Sie musterte den Teller mit den Köstlichkeiten aus der Bäckerei ›Schöne Aussichten‹. Die Freundin von Daniels ältestem Sohn Danny war eine begnadete Bäckerin und Konditorin. Ihre Bäckerei mit dem angeschlossenen kleinen Café war stadtbekannt. Zu Recht, wie sich die Klinikchefin wieder einmal selbst überzeugen konnte. Die Kirsch-Schaum-Rolle war ein Gedicht. »Amir Merizani ist Iraner und erst vor ein paar Monaten zu uns an die Klinik gekommen. Angeblich ein begnadeter Neurologe. Leider konnte er seine Fähigkeiten bis jetzt noch nicht so sehr entfalten.«
Seit Daniel Norden mit einem Teil seiner Familie ein paar Monate im Orient verbracht hatte, um dem Sohn eines Scheichs zu helfen, faszinierten ihn die Länder am Persischen Golf. Daran änderte auch der tragische Tod von Rupert Seibold nichts.
»Wie ist Herr Merizani nach Deutschland gekommen?«, erkundigte er sich interessiert.
»Sein Studium in Mainz und Hannover wurde durch ein iranisches Austauschprogramm finanziert«, wusste Dr. Behnisch zu berichten. »Danach hat er einige Jahre sehr erfolgreich im Iran praktiziert und ist jetzt hierher zurückgekommen, um uns etwas von dem zurückzugeben, was er hier gelernt hat«, wiederholte Jenny das, was ihr der Neurologe selbst erzählt hatte. »Leider fällt es ihm offenbar schwer, sich bei den Kollegen ein Ansehen zu verschaffen.«
»Schade.« Dr. Nordens Bedauern war echt. »Der Grund, warum er hier arbeitet, klingt sympathisch. Und seine Diagnose war richtig, auch wenn sie leider zu spät kam.« Daniel sah auf die Uhr und erhob sich. Die Mittagspause war bald vorbei, und es wurde Zeit, in die Praxis zurückzukehren. »Kannst du ihm meinen Dank ausrichten?«
»Natürlich.« Die Klinikchefin begleitete ihren Freund zur Tür. »Und bitte nimm dir die Sache nicht zu sehr zu Herzen. Manchmal müssen wir akzeptieren, dass die Uhr einfach abgelaufen ist.«
An der Tür blieb Daniel noch einmal kurz stehen und ließ sich ihre Worte durch den Kopf gehen.
»Mag sein, dass du recht hast. Aber ich hätte Herrn Seibold trotzdem noch ein paar unbeschwerte Jahre gegönnt.«
»Es ist immer zu früh!«, gab Jenny zu bedenken.
Dem gab es nichts hinzuzufügen, und Dr. Daniel Norden machte sich bedrückt und mit gesenktem Kopf auf den Weg in die Arbeit.
*
Nach dem Mittagessen gönnte sich Dési Norden mit April, dem Gast der Familie, eine Verschnaufpause im Wohnzimmer. Die beiden teilten die Leidenschaft für ausgefallene Kleidung. Schon deshalb gab es immer was zu reden. Sie hatten es sich nebeneinander auf dem Boden gemütlich gemacht und blätterten in einer Modezeitschrift.
»Dieses Fellteil sieht ja mal rattenscharf aus!« April deutete auf das Foto einer weißen Weste aus kuscheligem Fell.
Tadelnd zog Dési die Augenbrauen hoch.
»Erstens sagt man nicht rattenscharf, sondern sehr gut oder toll«, verbesserte sie die junge Frau, die aus einfachsten Verhältnissen stammte und in der Abendschule ihr Abitur nachholen wollte. April selbst hatte um Hilfe gebeten. Seither kümmerte sich Anneka, die älteste Tochter der Nordens, um ihre Manieren, während alle anderen Familienmitglieder an ihrer Ausdrucksweise feilten. »Und zweitens mussten für diese Weste ein paar Tiere sterben.«
»Quatsch. Das ist Kunstfell!«, entnahm April dem Text neben dem Bild.
»Kann sein. Aber wusstest du, dass der Absatz von echtem Fell inzwischen wieder steigt?«, verharrte Dési bei diesem Thema, das sie schon seit einer Weile beschäftigte.
April zuckte mit den Schultern.
»Kann ich mir nicht vorstellen. Vielleicht bin ich ja blind, aber ich seh keine Pelzmäntel auf der Straße rumlaufen.«
»Jetzt ist ja bald Frühling. Mal abgesehen davon, dass der Trend zu ganz anderen Sachen geht. Pelzpommelchen als Schlüsselanhänger, Handtaschen aus Pelz, Bommel für Wintermützen aus echtem Pelz«, zählte Dési auf. Ihre Miene wurde immer düsterer. »Statt dass die Leute ihr Geld für wohltätige Zwecke spenden, hauen sie es auf so eine dämliche Art und Weise raus.«
April grinste verschmitzt.
»Raushauen ist jetzt aber auch nicht gerade ein intellektueller Ausdruck.«
Dési klappte die Zeitschrift zu und lehnte sich an die Couch.
»Hast recht.« Sie erwiderte Aprils Lächeln. »Aber wenn ich solche Sachen erfahre, platzt mir der Kragen. Immer, wenn man denkt, dass man einen Schritt vorangekommen ist, machen andere garantiert zwei Schritte zurück.«
April saß im Schneidersitz neben Dési auf dem Boden und sah sie nachdenklich an.
»Stimmt schon. Aber das ist halt so. Da kann man nichts machen.«
Doch davon wollte die jüngste Tochter der Familie Norden nichts wissen.
»Und ob! Wir können auf die Straße gehen und unsere Meinung sagen, statt uns immer alles stillschweigend gefallen zu lassen.« Mit einem Satz sprang sie auf die Beine und lief aus dem Zimmer. Ein paar Minuten später kam sie mit einem Flugblatt zurück. »Hier!« Sie hielt April die Ankündigung hin.
»Menschen für Tierrecht! Demonstration mit Kundgebung auf dem Münchner Marienplatz«, las April laut vor. »Das ist ja schon morgen!«
»Und ich gehe hin. Komm doch auch mit.«
April zögerte.
»Ich weiß nicht. Ich war noch nie auf einer Demonstration. Was muss ich da tun?«
»In erster Linie da sein«, erwiderte Dési und setzte sich wieder auf den Boden. »Je mehr Leute zu so einer Demo gehen, umso mehr Aufmerksamkeit erregt die Veranstaltung in der Öffentlichkeit. Es geht darum, die Menschen wachzurütteln und mal wieder zum Nachdenken zu bringen.«
»Klingt gut. Aber morgen hab ich leider keine Zeit. Ich muss noch einen Aufsatz für Deutsch schreiben. Und mir von Janni Mathe erklären lassen.«
»Macht nichts!«, winkte Dési entspannt ab. »Dann eben das nächste Mal.«
»Einverstanden!« April nickte und sprang dann auf die Beine. »Und jetzt muss ich Bio lernen. Wenn ich gewusst hätte, dass so sein Abi so schei … ähm, wahnsinnig viel Arbeit ist, hätt ich es wahrscheinlich gelassen.«
»Gut, dass man die meisten Sachen vorher nicht weiß. Sonst würde man einfach gleich im Bett bleiben«, lachte Dési und folgte Aprils vorbildlichem Beispiel.
*
Eine Zeit lang war es für alle Mitglieder der Familie Norden zu einer liebgewordenen Gewohnheit geworden, sich abends zum Essen um den gemütlichen Esstisch zu versammeln. Doch die Veränderungen hatten auch hier ihren Tribut gefordert. Seit Felix für seine Pilotenausbildung weggegangen war, Annekas Freund Noah eine eigene Wohnung hatte und Tatjana noch mehr arbeitete als sonst, waren die Zusammenkünfte selten geworden. Umso mehr freute sich Lenny, zumindest einen Teil ihrer Lieben wieder einmal richtig verwöhnen und bekochen zu können.
»Dann wünsche ich einen guten Appetit!« Töpfe und Schüsseln standen auf dem Tisch und verströmten einen betörenden Duft.
»Oh, wie wunderschön!« Vor Freude klatschte Tatjana in die Hände wie ein kleines Kind.
»Man könnte meinen, du hättest seit drei Tagen nichts zu essen bekommen. Dabei hast du immer was im Mund, wenn ich dich sehe«, bemerkte ihr Freund Danny kopfschüttelnd. »Was machst du