Um rotes Land: Wyatt Earp 274 – Western
Von William Mark
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Es regnete seit Tagen. Die gewaltigen Gipfel der Rocky Mountains verschwammen im düsteren Schwarzgrau. Wie aus Kübeln rann das Wasser von den Vorbaudächern und grub tiefe scharfe Rinnen neben den Stepwalkbohlen in die Erde. Über die aufgeweichte Straße stampfte ein Mann auf das Sheriff-Office zu. Einmal stolperte er und fiel der Länge nach mitten in eine große Pfütze. Keuchend erhob er sich und watete weiter vorwärts durch den Schlamm. Die Mainstreet der kleinen Coloradostadt Rockwood war sehr breit. Obgleich der Mann den kürzesten Weg hinüber gesucht hatte, war er durch und durch naß, als er drüben die schützenden Vorbaudächer erreichte. But Lumberace, der Sheriff, hob den Kopf und blickte mit zusammengezogenen Brauen dem Mann entgegen, der eben jetzt triefend vor Nässe ins Office stürzte. »Sheriff!« hechelte der Mann. »Sie müssen sofort kommen! In Jim Wolleys Saloon ist die Hölle los!« Lumberace, ein drahtiger, hartgesichtiger Mann in den Vierzigern fuhr sich durch sein angegrautes stoppeliges Haar und fragte gelassen: »Was gibt's denn, Mister?« Der andere riß sich den Hut vom Kopf und schleuderte die Regentropfen ab. Es war ein mittelgroßer Mann. Er hatte ein fleischiges rotes Gesicht, helle Augen und einen martialischen Schnurrbart. Seine Lederjacke war neu und gutgeschnitten. Ebenso schien die Hose und die Stiefel noch ziemlich neu zu sein. Um die Hüfte trug er einen patronengespickten Waffengurt, der an der rechten Seite einen Colt vom Kaliber Western 44 hielt.
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Um rotes Land - William Mark
Wyatt Earp
– 274 –
Um rotes Land
William Mark
Es regnete seit Tagen.
Die gewaltigen Gipfel der Rocky Mountains verschwammen im düsteren Schwarzgrau. Wie aus Kübeln rann das Wasser von den Vorbaudächern und grub tiefe scharfe Rinnen neben den Stepwalkbohlen in die Erde.
Über die aufgeweichte Straße stampfte ein Mann auf das Sheriff-Office zu. Einmal stolperte er und fiel der Länge nach mitten in eine große Pfütze. Keuchend erhob er sich und watete weiter vorwärts durch den Schlamm.
Die Mainstreet der kleinen Coloradostadt Rockwood war sehr breit. Obgleich der Mann den kürzesten Weg hinüber gesucht hatte, war er durch und durch naß, als er drüben die schützenden Vorbaudächer erreichte.
But Lumberace, der Sheriff, hob den Kopf und blickte mit zusammengezogenen Brauen dem Mann entgegen, der eben jetzt triefend vor Nässe ins Office stürzte.
»Sheriff!« hechelte der Mann. »Sie müssen sofort kommen! In Jim Wolleys Saloon ist die Hölle los!«
Lumberace, ein drahtiger, hartgesichtiger Mann in den Vierzigern fuhr sich durch sein angegrautes stoppeliges Haar und fragte gelassen: »Was gibt’s denn, Mister?«
Der andere riß sich den Hut vom Kopf und schleuderte die Regentropfen ab. Es war ein mittelgroßer Mann. Er hatte ein fleischiges rotes Gesicht, helle Augen und einen martialischen Schnurrbart. Seine Lederjacke war neu und gutgeschnitten. Ebenso schien die Hose und die Stiefel noch ziemlich neu zu sein. Um die Hüfte trug er einen patronengespickten Waffengurt, der an der rechten Seite einen Colt vom Kaliber Western 44 hielt.
»Was es gibt?« fragte der Mann fast fauchend. »Kommen Sie mit, dann zeige ich es Ihnen!«
Gelassen drehte sich Lumberace eine Zigarette, riß ein Zündholz unter der Tischkante an und sog eine dicke weißblaue Tabakwolke aus dem Glimmstengel. »Keine Aufregung, Mister –«
»Vanguard ist mein Name, Tom Vanguard!« rief der Mann und schob sich den grauen Stetson wieder auf das strähnige Haar. »Wir saßen in Wolleys Saloon und pokerten, als plötzlich ein Mann hereinkam. Ein langer, hagerer Kerl, dreißig vielleicht, blondhaarig und mit Händen wie ein Holzfäller oben aus den Bergen. Er trägt in seinem Dopppelgurt zwei schwere Colts…«
»Sind noch andere Leute im Saloon?« fragte der Sheriff gleichmütig.
»Ja!« knurrte der Mann an der Tür. »Wenigstens noch ein Dutzend Männer.«
»Und weiter? Wieso soll die Hölle los sein?«
»Der Kerl wandte sich plötzlich mit dem Rücken gegen die Theke, zog einen Fuß an und stemmte ihn an das Tresenholz. Dann fing er an, uns zu beschimpfen. Dabei blieb es nicht. Er kam an den Tisch und stieß meinen Freund Clint Jeffries an, und einen Augenblick später war die Schlägerei im Gange. Der Kerl ist bärenstark und wild wie ein Puma. Selbst Sam Coppers konnte ihn nicht aufhalten.«
»Wer ist Sam Coppers?« erkundigte sich der Sheriff ohne Hast.
»Unser Boß. Wir sind Landmesser, Sir. Verstehen Sie, Leute, die arbeiten!«
»Sieh an!« spöttelte Lumberace. »Gibt es so was auch?«
»Kommen Sie nun mit?«
»Weshalb nicht?« Langsam erhob sich der Sheriff, und während er den Hut vom Bord nahm und sich den Waffengurt von der Stuhllehne angelte, meinte er: »Sie müssen das einsehen, Mister Vanguard. Hier ist immer die Hölle los. Jedenfalls sagen das die Leute, die hier hereinkommen. Jeden Tag knistert es irgendwo in diesem verdammten Bergnest. Die Leute, die ich nicht kenne, muß ich erst anhören. Ich habe schließlich keine Lust, auf jedes Hundegebell meinen Bau bei diesem Wetter zu verlassen.« Er warf einen betrübten Blick zur Wanduhr. »Schade, in einer halben Stunde hätte mein Deputy hier gesessen, und ich wäre daheim und könnte die Stiefel ausziehen und die Beine von mir strecken.«
Der Landmesser verzog das Gesicht, als habe er auf eine Schlehe gebissen.
Lumberace grinste trübe, als er zur Tür ging. Er hatte auf einmal ein sehr altes und müdes Gesicht. »Die Leute sagen immer: In Kansas dampft es. Schön und gut. Deshalb bin ich damals nach Colorado gegangen. Aber Sie können mir glauben, Mister: Hier qualmt es…« Damit stieß der Sheriff die Tür auf und ging mit harten Schritten hinaus.
Der Regen hatte noch nicht nachgelassen, und obwohl es erst sechs Uhr am Nachmittag war, sah es aus, als wolle die Nacht schon hereinbrechen.
Als die beiden Männer die Straßenmitte erreicht hatten, flog drüben die mit Buntpapier verklebte Glastür des Saloons auf, und ein Mann stolperte über den Vorbau auf die Straße. Er stürzte und blieb mitten in einer riesigen Pfütze vor den Stepwalks liegen.
Der Landmesser war stehengeblieben.
»Jeffries!«
Gleich darauf wurde noch ein Mann durch die Tür gestoßen, und zwar mit solcher Wucht, daß er noch zwei Yards weiter als der erste im Straßenmatsch landete.
»Coppers«, sagte der Sheriff gelassen.
»Yeah!« knurrte der Landmesser. »Coppers!« Dann starrten sie beide zu dem Mann hinauf, der oben in der Saloontür erschien, einen Revolver in der Hand hatte und zwei Schüsse abfeuerte.
Dicht neben den Köpfen der Gestürzten schlugen die Geschosse in die Erde.
Lumberaces Rechte tastete zum Colt.
Da rief der Mann oben in der Saloontür: »Lassen Sie die Kanone stecken, Sheriff, sonst wird Sie meine nächste Kugel besuchen!«
Der Sheriff sah mit halbgeschlossenen Augen zu dem Mann hinauf. »Was wollen Sie hier, Oakland?«
»Was ich hier will?« röhrte der riesige, hagere Bursche aufgebracht. »Diese Kerle da fertigmachen! Sie haben oben Pfähle mit gelben Köpfen in mein Land gesteckt. Ich werde sie fertigmachen, diese Banditen. Landmesser! Ha, wo gibt es so was? Mein Land abstecken und an die Roten vergeben! Das ist das Verrückteste, was ich je gehört habe! Neun Jahre habe ich den steinigen Boden oben auf dem Plateau bearbeitet. Und jetzt kommen so ein paar Verrückte daher und wollen das Land abstecken, weil sie es den Indianern geben wollen.«
Lumberace behielt die Hand in der Nähe des Coltgriffs. »Die Leute tun nichts als ihre Pflicht, Oakland. Nicht sie haben bestimmt, wo das Navajo-Reservat liegen soll, sondern die Regierung.«
»Die Regierung?« fragte der Riese grölend. »Was habe ich mit der Regierung zu schaffen? Die hat sich nicht bei mir angemeldet. Ich habe es mit diesen drei Banditen zu tun, die Pfähle in mein Land gesteckt haben!« Wieder bellte ein Schuß auf und riß ein Loch in den ledernen Jackenärmel Sam Coppers’.
Blitzschnell sprang Coppers auf. In seinen Augen funkelte der Zorn. »Oakland, wenn Sie noch einen Schuß abgeben…«
Der Schuß fiel und zerfetzte den anderen Jackenärmel des Landmessers.
Da umkrampfte die braune Faust Lumberaces den Colt.
Oakland setzte ihm eine Kugel genau vor die linke Stiefelspitze. »Stopp, Sheriff! Ich durchlöchere euch alle miteinander, ihr Halunken! Einer ist von euch so gut wie der andere!«
Oakland hatte auch den linken Colt aus dem Halfter gerissen. Breitbeinig und den Oberkörper ein wenig vorgeneigt, stand er da. Eine geballte Ladung von Zorn und Kraft.
»Fertigmachen werde ich euch und jeden der…«
»Zwei helle Revolverschüsse peitschten über die graue Mainstreet. Fast hatten sie sich wie ein einziger Schuß angehört.
Die beiden Colts waren Oakland aus den Händen gerissen worden und lagen einige Yards neben ihm auf den nassen Vorbaubohlen.
Der Riese wandte langsam den Kopf. Mit ungläubigem Gesicht sah er dahin, wohin auch die anderen Männer sahen.
Etwa fünfzehn Yards entfernt hielt mitten auf der Mainstreet ein Reiter. Ein hochgewachsener breitschultriger Mann. Er saß auf einem Falben und hatte in der linken Faust einen langläufigen Buntline Revolver, aus dessen Mündung ein dünner Rauchfaden kroch.
Aus dem Saloon waren hinter Oakland noch andere Männer getreten, die es aber nicht gewagt hatten, sich gegen den Riesen zu stellen. Sie alle, auch die Landmesser und der Sheriff, starrten den fremden Reiter fassungslos an. Wer war der Mann? Was hatte er da gewagt? Den gefährlichen Pat Oakland hatte er angegriffen. Und wie. Mit zwei Meisterschüssen.
Oakland öffnete die Lippen und bellte heiser: »He, was war das, Brother?«
Der Reiter ließ den Colt in das sehr tiefhängende Halfter gleiten, ritt auf den Vorbau zu und sprang vom Pferd. Ruhig schlang er die Zügelleine um den Querholm und betrat den Vorbau.
Er war ein großer, sehniger Mann mit ernstem tiefgebräuntem Gesicht und seltsam eindrucksvollen Augen. Er trug einen schwarzen Hut, von dessen breiter Krempe in kleinen Bächen der Regen rann. Um seine Schultern hing ein breiter Cleveland, einer jener Regenumhänge, wie sie auch die Männer draußen auf der Weide trugen.
Oakland starrte den Fremden an wie ein Gespenst.
Der kümmerte sich nicht um ihn, ging mit harten Schritten an ihm vorbei auf die Saloontür zu.
Scheu wichen die Männer zur Seite.
Jetzt erst kam Bewegung in die anderen. Die beiden Landmesser erhoben sich und gingen zusammen mit dem Sheriff und ihrem Kameraden Vanguard auf den Vorbau zu.
»Halt!« dröhnte ihnen da die Stimme Oaklands entgegen. »Ich zerquetsche euch, Leute!« Er breitete die Arme aus und zog sie zusammen. »Ich werde euch zermalmen, ihr verdammten Maulwürfe! Bleibt auf der Straße! Ich bin in Fahrt, verlaßt euch drauf!«
Unwillkürlich waren die vier Männer stehengebleiben.
Da fühlte Oakland, wie ihm jemand auf die Schulter tippte.
Er hatte in diesem Moment vor Ärger die Augen verdreht und seine riesigen Hände zu Fäusten geballt.
Langsam wandte er sich um und blickte in das ruhige, harte Gesicht des Fremden, der ihm die Colts aus den Händen geschossen hatte.
»By Gosh!« stieß er heiser hervor. »Er ist schon wieder da!«
Da versetzte der Fremde mit sonorer Stimme: »Brother, ich will hier zu Abend essen und kann es nun einmal nicht leiden, wenn dabei geschossen, gebrüllt oder geschlagen wird. Klar?«
Oakland richtete sich auf. Sein Mienenspiel war einfach unbeschreiblich. Plötzlich stieß er den Kopf vor. »Mann, verschwinden Sie, sonst breche ich Ihnen das Genick! Ich bin der Rancher Pat Oakland, verstanden!«
Ein kleines Lächeln zuckte um die Mundwinkel des Fremden. »Hören Sie, Mister Oakland. Ich habe Hunger. Und wenn Sie jetzt keine Ruhe geben, gebe ich sie Ihnen.« Er wollte sich umwenden und zum Saloon zurückgehen.
Da packte ihn der Riese an der Schulter und riß ihn herum. Ein pfeifender Schwinger zischte über den abgeduckten Kopf des Fremden.
Unter dem lang ausgstreckten rechten Arm Oaklands her krachte ein linker Uppercut an den Kinnwinkel des Tobenden. Er riß den Mann sofort von den Beinen.
Und ganz plötzlich war alles vorüber. Die angespannte Stimmung löste sich. Die Männer bewegten sich wieder, redeten miteinander und blickten hinter dem Fremden her, der jetzt im Saloon verschwand,