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Das Verlangen der stolzen Lady
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eBook268 Seiten3 Stunden

Das Verlangen der stolzen Lady

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Über dieses E-Book

Die zierliche Kate Medhurst hat ein gefährliches Geheimnis: Sie befehligt eine Piratencrew in der Karibik. Als sie an Bord des Schiffes von Captain Kit North genommen wird, einem furchtlosen Piratenjäger, sollte sie ihn hassen. Er ist ihr Todfeind! Doch das ist bei dem ebenso charmanten wie schneidigen Kapitän unmöglich...

SpracheDeutsch
HerausgeberCORA Verlag
Erscheinungsdatum15. Jan. 2020
ISBN9783733729486
Das Verlangen der stolzen Lady
Autor

Margaret McPhee

Margaret McPhee lebt mit ihrem Ehemann an der Westküste Schottlands. Ganz besonders stolz ist sie auf ihre Kaninchendame Gwinnie, die mit ihren acht Jahren eine alte Lady unter ihren Artgenossen ist. Als Wissenschaftlerin ausgebildet, hatte sie trotzdem immer eine romantische Ader. Ihrem Mann begegnete sie zum ersten Mal auf der Treppe im Laborgebäude – sie ein paar Stufen über ihm, was sehr vorteilhaft war, denn Margaret ist klein und ihr Mann sehr groß. Es war Liebe auf den ersten Blick, und seitdem sind sie seit 15 Jahren unzertrennlich. Als Kind lebte Margaret die meiste Zeit in einer Traumwelt. Ihre Familie sagte zwar immer, da würde sie herauswachsen, doch darauf wartet sie immer noch. Seit sie bei ihrer Großmutter historische Liebsromane entdeckte – und diese förmlich verschlang – kommt sie nicht mehr davon los. Noch immer liest sie gerne Historicals, kauft sich jetzt aber ihre eigenen. Besonders die Romane von Georgette Heyer faszinierten sie und weckten in ihr den Wunsch, selbst Geschichten über aufregende Regency-Helden zu schreiben. Ihre ersten beiden Manuskripte wurden abgelehnt. Doch dank der Unterstützung anderer Autorinnen schaffte sie es, dass ihr Regency-Roman "The Captain's Lady" veröffentlicht wurde. Margaret genießt es Fahrrad zu fahren, verschönert sich den Nachmittag mit Tee und Keksen und erkundet gern mit ihrem Mann die herrliche Landschaft und die Natur der schottischen Inseln. Sie hofft stets darauf, eines Tages einen Riesenhai im Meer zu Gesicht zu bekommen und einen Seeadler am Himmel zu entdecken.

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    Buchvorschau

    Das Verlangen der stolzen Lady - Margaret McPhee

    IMPRESSUM

    Das Verlangen der stolzen Lady erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

    © 2015 by Margaret McPhee

    Originaltitel: „The lost Gentleman"

    erschienen bei: Mills & Boon, London

    Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

    © Deutsche Erstausgabe in der Reihe HISTORICAL SAISON

    Band 54 - 2018 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg

    Übersetzung: Barbara Kesper

    Umschlagsmotive: ElenaMedvedeva/GettyImages, angelinast/GettyImages

    Veröffentlicht im ePub Format in 01/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

    E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

    ISBN 9783733729486

    Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

    CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

    Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:

    BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

    Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

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    1. KAPITEL

    Mai 1812, im Karibischen Meer

    Das Meer schimmerte wie Seide, klar und türkisgrün, und darüber wölbte sich der Himmel in tiefem wolkenlosem Blau. Es war erst zehn Uhr am Morgen, doch die Sonne hatte schon ihre ganze Kraft entfaltet und erhitzte die Planken des kleinen amerikanischen Piratenschiffs „ Coyote " .

    Kate Medhurst spürte die Wärme unter ihren bloßen Füßen und war dankbar für das dunkle Sonnensegel, das einen Teil des Kommandodecks überspannte. Eine leichte Brise ließ die schwarzen Seidenbänder ihres Strohhuts flattern und schmiegte ihr die schwarzen Musselinröcke an die Beine. Ihre Aufmerksamkeit jedoch war nur auf eins gerichtet – auf das Schiff, das in Sicht kam und sich ihnen schnell näherte.

    Ein Rabe krächzte – ein unheimlicher Ton und hier mitten im Golf von Mexiko ganz fehl am Platze.

    „Ein Rabe auf dem Besanmast! Ein Omen – unser Glück wendet sich", brummelte einer der Männer und machte ein abwehrendes Zeichen. Wie jeder hier auf dem Schoner kannte auch sie diesen Aberglauben. Sie hielt nichts von solchen Omen, spottete jedoch nicht, denn für die meisten Seeleute war Aberglaube etwas ganz Reales.

    „Zum Guten, wenn ich richtig sehe, was da auf uns zukommt", sagte sie. Durch das Fernrohr, das sie ans Auge hielt, folgte sie dem Kurs des großen Handelsschiffs mit dem schwarzen Rumpf.

    Sie nahm das Teleskop herunter und wandte sich an Tobias, der neben ihr stand. Er war ein großer Mann, mehr als sechs Fuß, mit ledriger, von Sonne und Wind verwitterter Haut, höckeriger Nase und unter seinem Dreispitz hervorhängendem Haar. Mit seinem Äußeren und dem langen, mit Tressen versehenen Gehrock war Tobias das Muster eines Piratenkapitäns, und sein Wesen passte dazu.

    „Ich sehe den Union Jack, aber ich finde den Namen nicht. Kate wandte sich nicht an Tobias, sondern an Sunny Jim, den kleinen, knorrigen alten Mann zu ihrer Linken und reichte ihm das Fernrohr. „Siehst du ihn? Sie runzelte die Stirn. Sie kannte den Namen jedes britischen Schiffes, das sie je angegriffen hatten.

    Sunny Jim schaute noch düsterer als sonst und schüttelte den Kopf, während er das Fernglas pro forma an Tobias weiterreichte. „Noch nicht, Ma’am"

    „Was heißt das schon?", fragte Tobias, das Glas am Auge.

    „Vielleicht nichts." Trotzdem irritierte es sie mehr als der große schwarze Vogel, der sie immer noch von der Mastspitze aus beobachtete.

    Angesichts des Schiffes grinste Tobias breit und zeigte seine Zahnlücken. Sein goldener Ohrring glitzerte in der Sonne. „Hübsch", zischte er.

    „Zweifellos ein Nachzügler des Konvois der Handelsschiffe, die wir bei Sonnenaufgang entdeckt haben", meinte Kate.

    „Zurückgefallen, ganz allein, ohne den Schutz der Dreckskerle von der Royal Navy und ihren Fregatten. Sunny Jim verzog das Gesicht fast zu einem Lächeln. „Bei Neptun, die können wir doch nicht ganz allein da draußen lassen!

    „Ganz bestimmt nicht, stimmte Tobias zu. „Schlitzen wir ihnen die englischen Hälse auf!

    „Hier gibt’s kein Halsaufschlitzen!" Kate wechselte einen Blick mit Sunny Jim, dann sah sie Tobias scharf und mahnend an.

    Tobias verzog verächtlich die Lippen. „Du bist zu weich mit ihnen."

    „Überhaupt nicht, entgegnete sie. „Mach ihnen die Taschen leer und lass sie leben, damit sie schmerzhaft erfahren, dass die amerikanischen Gewässer genau das sind – nämlich amerikanisch!

    „Und wenn ich das anders sehe?" Wütend und herausfordernd funkelte er sie an.

    „Wieder einmal? Anscheinend siehst du das in letzter Zeit häufiger anders. Aber das ist nicht der richtige Zeitpunkt für Streit. Wir klären das, wenn wir zurück in Tallaholm sind. Jetzt bist du auf meinem Schiff, unter meinem Kommando, und du tust, was ich sage."

    „Ach, ja? Wo doch so viele denken, dass ich der Kapitän der ‚Coyote‘ bin." Drohend trat er näher an sie heran.

    „Und ob du gehorchst, du junger Hund", kam es von Sunny Jim, leise, tödlich, gefährlich. Er zog seinen Säbel aus der Scheide. „Du solltest dich besser erinnern, Tobias Malhone, dass du ein Niemand bist, der nur eine Rolle spielt. Dieses Schiff hat nur einen echten Kapitän, und trotz deines aufgeputzten Rocks bist nicht du das. Wenn also der Captain sagt, es reicht, dann reicht es. Klar?"

    Tobias nickte mürrisch und gab vorerst klein bei. „Wenn du es sagst, Captain." Er betonte den Titel leicht spöttisch.

    „Ja, ich sage es. Mit festem Blick sah Kate ihm in die Augen. „Wirst du mir heute Schwierigkeiten machen, Tobias?

    Eine ganze Weile musterte er sie, dann sagte er: „Nein. Und voller Hohn: „Nicht heute.

    Sie verstand ihn genau. Heute nicht, doch ein anderes Mal. Was sie jedoch beide nicht wussten, war, dass es dazu nicht mehr kommen würde. „Dann also wieder an die Arbeit, die auf uns wartet. Die liegen tief im Wasser."

    „Voll beladen mit Waren", sagte Sunny Jim.

    „Unsere liebsten Handelsschiffe. Sie wandte sich an Tobias. „Los geht’s. Erleichtern wir sie ein wenig um ihre Ladung, damit sie schneller vorankommen.

    „Aye, aye, Captain, murmelte Tobias und dieses Mal nicht sarkastisch. Er grinste in sich hinein, dann sagte er laut zu den Männern, die schon bereitstanden. „Vorwärts, Leute, wir haben eine Verabredung mit einem englischen Handelsschiff.

    Begeistertes Geschrei stieg zum Himmel auf, ehe die kleine treue Mannschaft sich in die Arbeit stürzte. Kate verdrängte ihre Besorgnis wegen Tobias, der vorn auf dem Kommandodeck seine Stellung hielt, und gab von ihrem Platz ihre Befehle. Die schwarzen Segel wurden entrollt und blähten sich im Wind; das Schiff nahm Fahrt auf.

    „Hisst die Flagge", befahl Kate.

    Sie lächelte, als die „Coyote" auf ihre Beute zuschoss.

    Kit Northcote – oder Captain North, wie er sich nun nannte –, schob das Fernrohr ineinander und steckte es in die Tasche seines abgeschabten ledernen Leibrocks. Den hatte einst ein Pirat getragen, nun trug ihn ein gänzlich anderer Mann – zäher, härter, gestählt, obwohl er immer noch mit dem schwarzen Hemd bekleidet war, den schäbigen Wildlederhosen und den hohen Stiefeln.

    „Sie kommen." Sein Blick war auf das ferne Schiff geheftet.

    „Ist es La Voile?", fragte sein Freund, der Reverend Dr. Gabriel Gunner.

    „Der Rumpf ist schwarz-braun gestreift, das Segel schwarz, und sie haben das Sternenbanner und La Voiles eigene Flagge gehisst."

    „Ein Totenkopf mit dem Mund in Form eines liegenden Säbels, rot, mit tropfendem Blut. Er hat eine künstlerische Ader, das muss man ihm lassen."

    „Viel mehr werde ich ihm nicht lassen, wenn er hier ankommt."

    Gunner lachte. „Der Kapitän wird die hübsche kleine Überraschung erleben, die er verdient. Glaubt er, er kann auf Dauer die britischen Handelsschiffe angreifen und damit durchkommen?"

    „Das glaubt er wohl wirklich. Weißt du, dass man La Voile anlastet, ganz allein den britischen Transatlantikhandel um fast zwanzig Prozent verringert zu haben?"

    „Wie kann das sein? Ist das überhaupt möglich?", fragte Gunner. Er war groß und erstaunlich schmächtig für einen Mann, der viele Jahre auf See zugebracht hatte. Er hatte lange knochige Finger, die das Gebetbuch ebenso präzise handhaben konnten wie Skalpell und Säbel.

    „La Voile wird protegiert von einem mächtigen Piratenpaar sowie einem hohen Beamten, der gegenüber seinem illegalen Tun ein Auge zudrückt. Er hat nur ein Schiff und eine kleine loyale Mannschaft, also niedrige Kosten. Er schlägt rasch und unbarmherzig zu, nimmt sich von der Ladung, was er will, und lässt Kaufleute und Mannschaft unversehrt – ein ganz neues Konzept für einen Piraten. Er ist gerissen. Gerissen genug, sich nur einfache Ziele auszusuchen. Er überlässt die großen, unter Begleitschutz fahrenden Schiffe anderen. Gerissen genug, um sich den unvermeidlichen Nachzügler auszusuchen, den es bei jedem Konvoi gibt. Und gerissen genug, sich nicht erwischen zu lassen, so sehr sich unsere Königlichen Marine anstrengt."

    „Zu unserem Glück!"

    „Aber ja", stimmte Kit zu und dachte an die astronomische Summe, die sie für diese Aktion bekommen würden.

    Inzwischen war La Voiles Schiff ein gutes Stück näher gekommen. „Du meine Güte, die sind aber auch schnell!", sprach Gunner aus, was Kit dachte.

    „Fast so schnell wie wir."

    Gunner lächelte. „Fangen wir ihn tot oder lebendig?"

    „Lebendig. Dann ist die Prämie höher. Die Admiralität will ein Exempel statuieren und ihn an den Galgen bringen. Geh also mit diesem speziellen amerikanischen Piraten sanft um, Reverend."

    Die beiden Männer tauschten ein schiefes, verständnissinniges Lächeln.

    Am Heck flatterte die britische Flagge mit ihren leuchtenden Farben in der karibischen Sonne.

    „Ist alles bereit?", fragte Kit.

    „Ganz, wie du es erklärt hast."

    Kit nickte, zog das Fernrohr erneut hervor und musterte die sich nähernde „Coyote".

    „Interessant, murmelte er, die drei Gestalten ins Auge fassend, die unter dem schwarzen Sonnensegel auf dem Kommandodeck standen. „Sie scheinen sich wegen einer Frau zu streiten.

    „Eine Frau?" Ungläubig verzog Gunner das Gesicht.

    „Und dazu eine sehr ansehnliche!"

    „Eine Geisel?"

    „Sie ist weder gefesselt noch geknebelt."

    „Entführt!"

    „Schon eher", meinte Kit. Der größere Pirat nahm der Frau gegenüber eindeutig eine drohende Haltung ein. Das Sonnenlicht ließ die halb gezogenen Säbel der beiden Männer aufblitzen.

    „Ist einer von ihnen La Voile?"

    „Ich glaube. Sieh selbst." Er reichte Gunner das Fernrohr.

    „Um wie viel verringert sich das Kopfgeld, wenn wir ihn tot abliefern?"

    „Um einiges."

    „Du überzeugst mich, trotzdem würde ich eine persönlichere, blutigere Herangehensweise vorziehen, knurrte der Reverend. „Ich kann es kaum erwarten, dass La Voile uns in die Falle geht.

    Als sie den Kapitän des Handelsschiffs erblickte, lief Kate zum ersten Mal ein ahnungsvoller Schauer über den Rücken. An dem dunklen, unbeirrten, konzentrierten Blick seiner Augen war etwas, das sie an das entnervende Starren des Raben erinnerte, der vorhin auf dem Besanmast gesessen hatte. Sie verdrängte den absurden Gedanken und versuchte, die Beklemmung zu ignorieren, die wie ein böser Hauch über ihr hing. Es ist ein Beutezug wie jeder andere, sagte sie sich, dennoch hielt sie erneut nach Bordkanonen Ausschau, obwohl ihr der Blick durch das Fernrohr schon gezeigt hatte, dass es keine gab.

    „Nicht eine Kanone zu sehen. Tobias’ Worte waren ein Widerhall ihrer Gedanken. „Keine Spur von Widerstand. Sie ergeben sich genau wie die anderen britischen Memmen! Würden sie uns bloß nur ein einziges Mal einen richtigen Kampf liefern! Er spuckte angewidert aus.

    „Unbewaffnet und angesichts unserer auf sie gerichteten Kanonen? Sei nicht albern, Tobias. Wir sollten dankbar sein, dass sie vernünftig genug sind, es uns leicht zu machen."

    Diese Wirkung hatten die Kanonen der „Coyote" stets auf die britischen Handelsschiffe, die Kate auswählte. Jedes Mal ließ man den Piraten ungehindert herankommen, bis die Enterhaken in die Bordwand schlugen und die Gehplanken ausgelegt werden konnten. Diese Besatzung machte keine Ausnahme.

    Ihre Leute folgten der üblichen Routine; sie waren so geübt darin, dass sie das Manöver im Schlaf hätten ausführen können. Kate beobachtete, wie ihre Mannschaft das Schiff enterte. Einige blieben an Deck, um die englischen Seeleute in Schach zu halten, während die anderen im Laderaum verschwanden, wo die Beute wartete. Sie brauchten nur auszuwählen, was sie mitnehmen wollten, und dann konnte die „Coyote" davonsegeln. Wie stets. Kinderleicht. Dennoch empfand Kate abermals jene befremdliche Vorahnung und Sorge, stärker als zuvor.

    Sie ließ den Blick über das Deck schweifen, fand jedoch nichts Ungewöhnliches, wandte sich dann wieder dem Kapitän des Handelsschiffs zu. Etwas war an ihm, etwas, aus dem sie nicht so recht klug wurde. Sie musterte ihn eindringlicher. Er war schlank und doch hatte er jenes kraftvollen Äußere, wie Jahre harter Arbeit es bewirkten. Sie sah es an seinen breiten, von dem abgeschabten Leibrock umspannten Schultern, an seiner ganzen Haltung. Hohe Wangenknochen und eine wie gemeißelte Kinnlinie ließen sein Gesicht markant wirken.

    Sein Haar war dunkel, und seine Haut von der tiefgoldenen Bräune eines Mannes, der viele Jahre auf See verbracht hatte. Unter dem Rock trug er Hemd und Halstuch, schwarz wie bei den Piraten. Raulederne Hosen schmiegten sich eng an muskulöse Schenkel, und seine hohen Stiefel waren ehemals braun, nun jedoch von Sonne und Salz völlig ausgeblichen. Die lange Säbelscheide an seiner linken Seite war leer, seine Waffe lag bei den anderen, die ihre Leute ihm und seiner Mannschaft abgenommen hatten. Der junge John Rishley hielt dem Mann die Spitze seines Säbels an die Brust. Obwohl John sich mittlerweile als wertvolles Mitglied der „Coyote" erwiesen hatte, wünschte Kate, Tobias hätte einen älteren, erfahreneren Mann ausgewählt, um den Kapitän des Handelsschiffs in Schach zu halten.

    Für all diese Beobachtungen und Überlegungen brauchte sie nur wenige Momente, ehe ihr Blick wieder zu den Augen des Mannes zurückkehrte – dunkle Augen, Augen, die den ihren nicht auswichen. Abermals rann ihr ein Schauer über die Haut. Sie schaute nicht fort, denn diese Augen ließen alle Alarmglocken in ihr klingeln. Irgendetwas war damit. Was nur …? Während sie noch tief in sie hineinsah, wusste sie es plötzlich. Er wirkte nicht wie ein Mann, der um sein Leben oder seine Einkünfte fürchtete. Es war nicht eine Spur von Furcht an ihm. Seine Haltung war entspannt und lässig. Zu lässig. Eine Aura stiller, beinahe unnatürlicher Ruhe, die sie selbst über die Entfernung zwischen ihnen spürte – er auf dem Deck des Handelsschiffs, sie, die ihn unter dem Sonnensegel hervor beobachtete. Was sie in dem entschlossenen, festen Blick las, war kalte, harte, reale Gefahr. Sie blickte zu Tobias.

    „Da stimmt etwas nicht, ruf die Männer zurück!"

    „Was? Verflucht, Weib, da ist nichts!" Ungläubig sah Tobias sie an, als wäre sie verrückt geworden.

    „Mach’s einfach!", drängte sie.

    Wütend funkelte er sie an, gab aber widerwillig das Kommando.

    Doch zu spät. In diesem kurzen Augenblick änderte sich alles. Es geschah so schnell, dass sie nichts mehr tun konnte. In der einen Minute war auf dem Handelsschiff alles ruhig. Wie gewohnt. In der nächsten brach die Hölle los. Die Briten hatten Waffen – und eine solche Menge, wie sie sie noch nie auf einem Handelsschoner gesehen hatte. Sie kämpften hart und entschlossen und so meisterlich, dass die Mannschaft der „Coyote" nicht mithalten konnte. Es war schneller vorbei, als es begonnen hatte. Innerhalb einer Minute lagen ihre Leute lang auf ihren Bäuchen auf dem Deck; alle, außer dem jungen Rishley, den der fremde Kapitän an den Haaren gepackt hatte und wie einen Schild vor sich hielt. Plötzlich blitzte ein Säbel in seiner Hand, dessen mörderische Klinge sich gegen die Kehle des Jungen drückte.

    „Guter Gott", flüsterte Kate entsetzt.

    Im gleichen Moment tauchten die englischen Matrosen aus den Laderäumen auf und führten die Männer, die dort die Waren hatten an sich bringen wollen, gefesselt und geknebelt vor sich her.

    Nie zuvor hatte Kate sich in einer solchen Lage befunden. Ihre Gedanken rasten, hektisch sah sie umher, suchte einen Ausweg. Doch es gab keinen, nicht solange der Kapitän John Rishley als Geisel hielt.

    Der Junge war siebzehn. Kate kannte seine Mutter, seine ganze Familie. Und sie hatte geschworen, sie würde ihn sicher wieder heim nach Tallaholm bringen. Nun weckte der Anblick der Klinge an seiner Kehle düstere, schreckliche Erinnerungen in ihr, die sie vor Angst beinahe lähmten.

    Der Fremde trieb John vor sich her auf die „Coyote", über eben die Planke, die ihre eigene Mannschaft kurz zuvor völlig arglos überquert hatte. Den beiden folgte ein schlaksiger blonder Mensch, der wie ein Geistlicher gekleidet war.

    „Seit wann bist du nicht nur Pirat, sondern verschleppst auch Frauen, La Voile?"

    Der Kapitän des Handelsschiffs fixierte Tobias. Sein englischer Akzent klang ihr fremd in den Ohren, doch selbst sie hörte, dass sein Tonfall der eines gebildeten Mannes war. Seine Stimme klang ausdruckslos.

    Sie denken, er hat mich entführt? Schon öffnete sie den Mund, wollte sich zu ihrer Verantwortung bekennen, denn alles an ihm sprach dafür, dass er ihr Schiff samt ihren Leuten nicht einfach davonsegeln lassen würde. Die Lage war ernst. Die Maskerade war vorbei.

    Doch Tobias trat vor. „Wer zum Teufel sind Sie, dass Sie mir Fragen stellen?", knurrte er und übernahm die Rolle des Kapitäns, der zu sein er langsam selbst glaubte.

    Unter ihren und Tobias’ und Sunny Jims Blicken flog der Rabe von der höchsten Mastspitze hinab und landete sanft auf der Schulter des englischen Kapitäns. Der zuckte nicht mit der Wimper. Der Vogel saß dort ganz vergnügt, als wäre es sein gewohnter Platz, und putzte sich das Gefieder, das im Sonnenlicht blauschwarz schimmerte.

    Kate stockte der Atem. Ihr Herzschlag setzte kurz aus und begann dann zu rasen. Ihr wurde ganz übel. Also war er nicht der Kapitän eines Handelsschiffs. Sie wusste, wer er war. Sie hätte es auf den ersten Blick wissen müssen.

    „Er ist der, den sie North nennen", presste sie hervor. Denn sie wusste genau, was es mit dem Mann, der da vor ihnen stand, auf sich hatte – und was es für ihre Mannschaft und für sie selbst bedeutete.

    „Gott helfe uns!", flüsterte Sunny Jim, der neben ihr stand.

    Sie hörte das Murmeln, das sich unter ihren Leuten ausbreitete, sah deren Schrecken und hörte, wie jemand leise zu beten begann.

    In der Tat, nur Gott konnte ihnen helfen.

    Jene dunklen Augen richteten sich auf sie. Nun, da Kate wusste, wer er war, hätte sie dem intensiven Blick nicht standhalten müssen, doch das verbot ihr der Stolz.

    „Zu Diensten, Ma’am, sagte er und schenkte ihr eine knappe Verbeugung, eigentlich nur ein kurzes Nicken, ehe er sich Tobias zukehrte. „Lassen Sie die Frau gehen.

    Tobias lachte. „Sie können sie haben … wenn Sie mein Schiff verlassen."

    „Ich werde Ihr Schiff verlassen. North lächelte, und dieses Lächeln war kälter und schärfer als bei anderen Männern ein eisiger Blick. „Sie sind der Pirat La Voile?

    „Ich bin La Voile, ganz recht."

    „Gut. Ich nähme nicht gerne den falschen Mann mit."

    „Zum Teufel, ich komme nicht mit Ihnen!"

    North drückte die Klinge fester gegen Rishleys Hals. „Möchten Sie zusehen, wie ich ihm die

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