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1803: Historischer Roman
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eBook273 Seiten3 Stunden

1803: Historischer Roman

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Über dieses E-Book

Um 1803: Benjamin McAllister und Richard Green, zwei Offiziere der britischen Marineinfanterie, treffen nach wochenlanger Fahrt auf stürmischer See am Kap der Guten Hoffnung ein. Nathan Uxbridge, der altgediente Kommodore des Afrikageschwaders, erwartet sie bereits mit großer Ungeduld. Seit Wochen ohne Nachricht aus London sieht er sich und seine Männer hilflos einer immer bedrohlicher werdenden Lage am Kap ausgesetzt. Die mit Napoleon verbündeten Holländer fordern offen den Abzug der Briten und berufen sich dabei auf den kürzlich geschlossenen Frieden von Amiens. Ohne ausdrücklichen Befehl der Admiralität kann sich Uxbridge jedoch nicht zurückziehen. Als wenig später zwei englische Farmer am Kap ermordet werden, scheint ein bewaffneter Konflikt unausweichlich. Auf Befehl von Nathan Uxbridge beginnen Benjamin und Richard zu ermitteln und geraten dabei immer tiefer in den Sog der Vergangenheit. Und plötzlich steht das Leben der beiden selbst auf dem Spiel.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum12. Juni 2019
ISBN9783748232230
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    Buchvorschau

    1803 - Bale C. Harding

    Kapitel 1

    Im Indischen Ozean des Jahres 1802:

    Die FLUNDER preschte durch die turmhohen Wellen. Der Monsun zeigte schon seit Tagen seine ganze Kraft. Benjamin und Richard hatten pünktlich das Schiff nach Afrika bestiegen und saßen nun inmitten einer bunten Crew unter Deck. Die Laternen schaukelten wild im Auf und Ab des Schiffsrumpfes. Nicht alle Seesoldaten der königlichen Marine galten bei den Matrosen als derart wetterfest. Viele litten gerade in den ersten Monaten schwer unter der Seekrankheit. Doch Benjamin McAllister hatte seine Laufbahn zur See in der Handelsmarine begonnen. Er war sehr schnell in der Hierarchie an Bord aufgestiegen und liebte das Meer bis zu jenem schicksalhaften Tag, der sein gesamtes Leben verändern sollte. Wirbelndes Wasser und das Tosen des bellenden Sturmes weckten nun erneut längst vergessen geglaubte Erinnerungen.

    Als einziger Überlebender der AALKMAR hatte er seinen dürren Leib nur mit Mühe über Wasser halten können.

    Der gebrochene Mast des Schiffes war damals sein einziger Halt in der wütenden See gewesen. Drei Tage hatte es gedauert, bis er schließlich halb tot von einem englischen Geschwader aufgesammelt worden war. Nach mehreren Wochen tief im Bauch eines großen 64-Kanonen-Schiffes der britischen Marine war er endlich stark genug, um die Sonne wiederzusehen. Geld für eine Rückkehr nach England hatte er nicht. Der erste Lieutenant des Schiffes hätte Benjamin damals am liebsten als einfachen Matrosen in seine Mannschaft gepresst. Doch seine Geschicklichkeit mit dem Gewehr erlaubte es ihm, freiwillig in den Dienst als Seesoldat im Indischen Ozean einzutreten.

    Nach ein paar guten Jahren würde er genug Sold zusammenhaben, um zurückzukehren. Benjamin erinnerte sich noch sehr klar an jene Zeit und seine Hoffnungen. Doch mittlerweile waren Jahre vergangen und das Schaukeln des Schiffes holte ihn jäh ins Hier und Jetzt zurück.

    Richard Green zupfte Benjamin am roten Ärmel seiner Uniform und blickte ihn fragend an. Die beiden hatten sich beim Indischen Geschwader kennengelernt und waren seitdem zu unzertrennlichen Freunden zusammengewachsen. Der jüngere Green bewunderte die scharfe, rationale Art seines Vorgesetzten und dieser wiederum fand die unkonventionelle Denkweise seines Freundes sehr erfrischend.

    Benjamin lächelte Green an und erwiderte dessen stille Frage kurz: „Es ist alles in Ordnung. Keine Sorge, Richard." Erst jetzt bemerkte der Marine⁴ wieder bewusst die Szenerie um sich herum. Alkohol floss mittlerweile in rauen Mengen. Die Stimmung hatte sich in der letzten Stunde weiter aufgeheizt. Lautes Gegröle und Gesang mischten sich mit dem Stöhnen der seekranken Passagiere. Gerade in diesem Moment ergoss sich ein warmer Schwall dicht neben Benjamins Stiefeln. Doch das Würgen des kleinen Jungen neben sich wurde vom schmetternden Gesang der Seeleute übertönt. Aus tiefen Kehlen erklangen Geräusche, die nur entfernt an Lieder erinnerten und sich schnell im Gurgeln des nächsten Schluckes Rum wieder verloren. Das Schiff neigte sich stark und kippte unvermittelt nach Steuerbord. Die Männer verloren den Halt und purzelten wild fluchend durcheinander.

    Der Maat schrie von Deck; eine Glocke schlug. Im nächsten Moment stürzten alle um Benjamin herum in wilder Flucht nach oben. Richard, er und der Junge, der sich kurz zuvor übergeben hatte, blieben unter Deck zurück. Nicht weit entfernt ragten Arme und Beine unter den schaukelnden, hängenden Tischen hervor. Ein paar der Matrosen würden erst einmal ihren Rausch ausschlafen müssen, bevor sie wieder Hand an die kleine zähe FLUNDER legen konnten.

    „Zeit, ein neues Reff einzuschlagen", ertönte der Befehl des Masters⁵ von oben durch das Tosen des Sturms.

    McAllister und Green bewegten sich schwankend zum Niedergang und gingen die kurze Treppe nach oben an Deck. Wogende Wellenberge schlugen ihnen entgegen. Der Sturm hatte weiter aufgefrischt und blies jetzt beständig von achtern. Wenn es ihnen nicht die Masten wegfetzte, so würden sie dank der guten Fahrt, in weniger als drei Wochen Afrika erreicht haben, dachte Benjamin. Eine riesige Welle klatschte auf das Deck der FLUNDER.

    Die beiden Seesoldaten rutschten vom abfließenden Wasser getragen den Niedergang zurück in die trockene Geborgenheit des Rumpfes, wo Richard gegen Benjamin stieß und dieser den freien Fall seines Freundes so beendete.

    „Was meinst Du, wird uns erwarten, wenn wir das Geschwader erreichen?", fragte Lieutenant Green.

    „So, wie ich Major An kenne, glaube ich, dass uns zumindest nichts Schlimmeres als auf den Andamanen erwartet, Richard", antwortete Benjamin McAllister mit einem doch etwas gequält wirkenden Lächeln. Er verstand die Sorge des jungen Lieutenants nur zu gut.

    Richard Green war gerade einmal 25 Jahre alt, als er in Indien seine erste Schlacht gegen die Piratenhorden erleben musste. Wie gelähmt hatte er damals nur dagestanden, als Männer um ihn herum fielen. Und um ein Haar hätte auch Richard das Zeitliche gesegnet. Doch im schier letzten Moment hörte er hinter sich das Klirren von Metall gegen Metall – Benjamin im Zweikampf mit einem Piraten, der sich angeschickt hatte, Richards noch junges Leben auszulöschen. Gemeinsam drängten die beiden Marines anschließend den Feind zurück und machten das Ruder des feindlichen Schiffes funktionsunfähig. Richard Green stand seit jenem Tag tief in Benjamins Schuld. Doch viel wichtiger war, dass sie zusammen diesen Kampf bestanden hatten, füreinander eingetreten waren. Wohin Benjamin auch ging, Richard war seit damals immer mit dabei. Die beiden waren zu Freunden geworden, wenn auch Benjamin es gern im Scherz immer wieder auf den Punkt brachte: „Lieutenant, Sie begleiten mich! Irgendjemand muss ja auf Sie aufpassen."

    Und als ob beide in diesem Moment an Bord der FLUNDER an die gleiche Geschichte dachten, lächelten sie sich jetzt vertraut zu. Benjamin fuhr fort: „Wir werden HMS CESARION zugeteilt. Ein gutes Schiff. Alt, aber zuverlässig. Ihr Kommandant, Captain Theodore Bentley, ist ein resoluter Mann. Streng und dennoch gerecht soll er sein. Ich glaube, wir werden uns schon irgendwie einleben. Zweifel zeichneten tiefe Furchen auf dem Gesicht des jungen Lieutenants der Royal Marines: „Glaubst Du, dass der neue Kommodore - wie war doch gleich sein Name? - sein Geschwader gegen Franzosen, Piraten, Sklavenhändler und neuerdings auch die Holländer verteidigen kann?

    Benjamin berührte sanft die Schulter seines Freundes und suchte ihn mit dieser Geste zu beruhigen, als er ihm antwortete: „Kommodore Nathan Uxbridge hat bereits einige Erfahrungen als Captain in Amerika gesammelt und war dort einer unserer erfolgreichsten Seeoffiziere, Richard!"

    Der junge Marineinfanterist seufzte und nahm einen großen Schluck Rum. Benjamin klopfte ihm sanft auf den Rücken und prostete ihm zu. In gut drei Wochen würden sie mehr wissen.

    Es lohnte nicht, sich über alles jetzt schon den Kopf zu zerbrechen. Wieder neigte sich das Schiff stark, dieses Mal nach Backbord.

    ⁴ Marine, Marinesoldat = Seesoldat der Royal Marines, charakteristisch war die rote Uniformjacke, die den britischen Seesoldaten auch ihren Beinamen „Lobster (Hummer)" einbrachte.

    ⁵ Master = Segelmeister, Steuermann

    Kapitel 2

    Mit letzten Kräften, so schien es, erreichte die FLUNDER schließlich nach einem halben Monat der Überfahrt die Inselgruppe der Amiranten. Diese Inseln gehörten seit 1794 der Britischen Krone und bildeten seitdem, etwas abseits des afrikanischen Kontinents gelegen, das Sprungbrett zum französischen Raum rund um Madagaskar.

    Die Sonne brannte heiß und Richard blinzelte gegen das Sonnenlicht in Richtung Hafen. Es bot sich ihm das vertraute Bild wie in jedem anderen Hafen der Welt. Die Matrosen winkten und grölten wie entfesselt den jungen Dirnen an der Kaimauer zu. Diese schwangen kokett ihre Hüte oder ließen das lange seidengleiche Haar wallen. Sobald sie einen der willigen Seemänner in ihren Fängen fest umschlungen hatten, würde sich der Arme bald um seinen gesamten Sold gebracht haben. Denn diese Frauen wussten nur allzu genau, was alte Seebären wirklich brauchten.

    Als Offiziere des Königs war diese Welt jedoch weder für Benjamin noch für ihn bestimmt. Sie hielten sich stets an Standesdünkel und orientierten sich an der geltenden Etikette. Dennoch wussten beide nur zu gut, dass auch mancher Offizier des Königs, Mätressen und eheliche Pflichten miteinander zu vereinbaren suchte. Die Affäre zwischen Lord Horatio Nelson und Lady Hamilton war weit über die Grenzen Londons hinaus bekannt.

    „Denkst Du wieder an sie?", fragte Benjamin ihn plötzlich. Richard Green schluckte hörbar und blickte seinem Freund in die Augen.

    „Seit Monaten habe ich nichts mehr von ihr gehört, Benjamin. Sie hatte zuvor regelmäßig an mich geschrieben. Es ist nicht Marys Art. Ich liebe sie", sagte der junge Lieutenant leise.

    Benjamin hatte Mary Prescot, Richards Angebetete, noch nicht kennengelernt. Aber der junge Marine erzählte oft von ihr, vom Gasthaus in Greenwich und von ihrem ersten Kuss, heimlich und in völliger Dunkelheit, damit die alte Mrs. Prescot es nicht sehen würde. Sie waren Anfang 20 gewesen und kurz darauf wurde Richard eingezogen, war seither nicht mehr in London bei ihr gewesen.

    Wahrscheinlich erwartete Richard jetzt von ihm ein paar tröstende Worte. Doch Benjamin schwieg einfach und drückte die Schulter des Freundes. Er hoffte, dies würde Richard etwas Halt und Zuversicht geben. Doch er war sich da nicht so sicher. Frauen und die Liebe waren nicht die Stärke des Captains der Marines⁶, wenn er sich auch in den vielen einsamen Nächten an Bord der Kriegsschiffe nach einem Zuhause und einer liebenden Frau sehnte. Vielleicht würde er dann auch Kinder haben? Aber noch nicht jetzt. Benjamins Blick glitt zurück zu den gebrochenen Maststengen der FLUNDER.

    Das Schiff würde hier für dringend nötige Reparaturen festmachen, sodass er und sein treuer Freund sich schnell nach einer anderen Mitfahrgelegenheit in Richtung Kap umsehen mussten. Ein englisches Postschiff wäre seine erste Wahl gewesen, doch Benjamin wusste, es könnte eine lange Suche werden. Ein einzelnes Postschiff versorgte ein sehr großes Gebiet des Ozeans und würde nur alle paar Monate wieder im gleichen Hafen Station machen.

    Dies erinnerte ihn an das dunkelste Kapitel der vergangenen Jahre seit dem Unglück der AALK-MAAR. Als einziger Überlebender nach dem Schiffbruch von einem britischen Geschwader aufgesammelt, wollte er gleich nach seiner Genesung nach Hause schreiben, dass er überlebt hatte und wohlauf war. Doch das letzte Postschiff war bereits vor Wochen in der andamanischen See vor Indien gewesen und wurde nicht vor einem dreiviertel Jahr zurückerwartet. Ein Aufschub mit dramatischen Folgen, wie Benjamin heute wusste. Ein Kloß schnürte ihm merklich die Kehle zu.

    Green hatte in der Zwischenzeit den Kapitän der FLUNDER großzügig entlohnt. Er tippte nun an Benjamins linken Arm, holte ihn dadurch wieder zurück in die Gegenwart.

    Vom Pier aus bot die FLUNDER einen noch weitaus traurigeren Anblick. Ihre Segel hingen in Fetzen, beinahe alle Maststengen waren gebrochen, und die letzten der Mannschaft packten gerade noch eilig die Sachen, um sich bei den winkenden Hafendamen verwöhnen und wieder aufpäppeln zu lassen.

    Zwischen all den Dirnen und dem Gesindel fielen die beiden Seesoldaten in ihren roten Uniformröcken sehr schnell auf. Neugierig wurden Green und Benjamin von den umher stehenden Schwarzen beäugt, die im Hafengelände die Ladung der Händler löschten⁷.

    Aus dem Schatten eines Kutters trat unvermittelt ein Mann auf sie zu und Benjamin zuckte merklich zusammen. Die Hand am Griff seines Degens bedeutete er Richard, ihm Deckung zu geben und die anderen nicht aus den Augen zu lassen.

    Doch anstatt sich auf ihn zu stürzen, lächelte der Schwarze Benjamin an und sprach in einem unverständlichen Dialekt: „Hujambo, Bwana? Unasema Kiswahili? Mimi ninaitwa Mose. Unataka kwenda wapi baada ya kuondoka hapa?" Der junge Mann war vielleicht 20 Jahre alt und von großer, kräftig gebauter Statur. Nichts an ihm wirkte bedrohlich und der Klang seiner Worte war ruhig und freundlich. Die Augen des Schwarzen glänzten feucht und strahlten eine offene Neugierde aus. Verstehen konnten ihn die beiden Briten dennoch nicht.

    Er bedeutete ihnen, ihm zu folgen. Benjamin fühlte sich ein wenig unbehaglich. Als er Richard ansah, bemerkte er die gleichen Zweifel auch im Gesicht des jüngeren Marine.

    Hatte der Junge hier auf sie gewartet? Doch woher wusste er dann von ihrer Reise? Vielleicht war der Schwarze aber auch nur hilfsbereit, dachte sich Benjamin. Dennoch, ein wachsames Auge oder Ohr konnte in Situationen wie dieser niemals schaden. Die beiden folgten dem Jungen langsam und mit einigem Abstand, um sich im Notfall auch mit dem Degen verteidigen zu können.

    Durch das bunte Treiben am Hafen gingen sie auf ein kleines Gebäude zu. Die Außenwände waren gelblich-weiß, um das Sonnenlicht zurückzuwerfen. Die Fenster glotzten leer und schwarz in Richtung der beiden Seesoldaten. Das Dach war spitz zulaufend und ein alter, windgepeitschter Schornstein ragte an seinem höchsten Punkt daraus hervor. Der Junge stoppte vor einer alten hölzernen Tür. Er klopfte dreimal und öffnete dann die Tür, die widerstrebend und mit einem lauten Quietschen aufschwang. Das entstandene dunkle Loch in der hellen Fassade verschlang augenblicklich den jungen Mann vor ihnen.

    Angespannt, aber nicht minder wachsam, folgten die beiden Marines dem Schwarzen und traten ein. Die Dunkelheit im Inneren bildete einen sehr schneidenden Gegensatz zum gleißenden Licht vor dem Haus. Die Augen brauchten einen Moment, um sich daran anzupassen. Benjamin und Richard taumelten ins Innere. Es roch sehr würzig nach Zimt, Anis und ein wenig nach Tabakrauch. Auch Kaffeebohnen schienen in dem Duftgemisch enthalten zu sein. Benjamin erinnerte sich kaum noch daran, wann er das letzte Mal echten Kaffee getrunken hatte. Die beiden Marines hofften, dass sie gleich etwas mehr sehen konnten.

    „Bwana!, erklangen wieder die seltsamen Worte vor ihnen. Im Halbdunkel, welches durch das einfallende Sonnenlicht verursacht wurde, bewegte sich jemand hinter einem großen und schweren Holztisch. Ein Stuhl knarrte. Daraufhin ertönte eine durchaus freundlich und ruhig klingende Stimme: „Sie sollten sehr schnell Swahili lernen, Gentlemen! Guten Tag. Entspannen Sie sich bitte. Darf ich Ihnen etwas anbieten? Der Mann trat auf die beiden Marines zu und seine Zähne zeichneten sich hell vor den Schatten auf dem Gesicht ab, als er lächelte.

    „Mein Name ist Peer Pappensteel, fuhr er fort. „Ich bin - sagen wir einmal - ein Händler. Dies hier ist Moses, der Sohn meines Geschäftspartners, deutete die kleine untersetzte Gestalt auf den jungen Schwarzen, dem sie hierher gefolgt waren.

    „Wohin wollen Sie denn? Moses sah Ihnen wohl förmlich an, dass Sie nicht hierzubleiben gedenken?" Der Holländer bot ihnen einen Platz an und schenkte den beiden Seesoldaten Tee ein.

    Als Benjamin sich etwas mehr mit dem weichen Polster des Stuhles arrangiert hatte, ergriff er das Wort: „Mein Name ist Captain Benjamin McAllister, Royal Marines. Mein Begleiter hier ist Lieutenant Richard Green. Wir danken Ihnen sehr für Ihre Gastfreundschaft, Mr. Pappensteel. Und Sie haben tatsächlich recht. Wir müssen noch heute weiter nach Kapstadt reisen. Sehen Sie da noch eine Möglichkeit?"

    Der Holländer lächelte Benjamin verschmitzt an, ließ eine Hand auf seinem runden Bauch ruhen und erwiderte: „Ich denke, das ließe sich einrichten, meine Herren. Ich habe eine kleine Kutterflotte - in aller Bescheidenheit - und werde sofort aufbrechen, sofern sie den geeigneten Preis entrichten. Was können Sie also zahlen?"

    Benjamin zog die Augenbraue hoch. „Mehr als ein halbes Pfund besitzen wir im Moment nicht mehr." Der Holländer willigte ein.

    Er hätte doch sicher mehr verlangt? Was ging hier vor, dachte sich Benjamin McAllister stumm. Sein Instinkt sagte ihm, dass hier etwas faul war. Zufälle mochte es im Leben durchaus geben, aber irgendwie widerstrebte es Benjamin daran zu glauben, dass das alles hier ein Zufall sein konnte. Nichtsdestotrotz, er und sein junger Freund mussten weiter nach Kapstadt und Pappensteel bot ihnen eine Möglichkeit.

    Benjamin willigte also ein, übergab dem Holländer ein Säckchen ihres Soldes aus Indien und blickte nachdenklich hinüber zu Richard. Dessen Gesicht bestätigte ihm seine Bedenken, aber hatten sie denn eine andere Wahl?

    „Trinken Sie doch bitte erst Ihren Tee, Gentlemen. Moses wird sich um Ihr Gepäck kümmern", sagte Pappensteel und zwinkerte dem schwarzen Jungen kurz zu. Sofort schnappte dieser das karge Gepäck der Briten und wartete, bis Benjamin und Richard ihren Tee geleert haben würden. Danach verließen sie gemeinsam das Haus.

    Der Weg zum Anleger war nicht sehr weit, doch die gleißende Sonne trieb die Feuchtigkeit auf Benjamins Stirn. Richard ging direkt neben ihm und ließ seinen Kopf mit jedem Schritt von rechts nach links schweifen. Sie mussten weiterhin vorsichtig sein.

    Als Benjamin das kleine Schiff ZEEMIEUW erblickte, welches sie die kommenden Tage bis nach Kapstadt bringen sollte, musste er hörbar tief einatmen. Ein Seufzer entwich seiner Brust. Das Schiff war zwar klein, machte aber trotzdessen einen kräftigen Eindruck. Seine Reaktion war vielmehr dem Umstand geschuldet, dass es fast fertig beladen war und kaum noch Platz für zwei weitere Passagiere hatte. Nun lag es vollgepackt mit Handelsgut und Menschen da. Lauthals gackernd wurden soeben die letzten Kisten an Bord genommen, lebendes Geflügel. Benjamin und Richard konnten sich bereits jetzt ausmalen, wie sie bald nach einer Woche Überfahrt riechen mussten. Die beiden Marines, Moses und Pappensteel gingen geradewegs an Bord.

    Pappensteel lebte förmlich auf, als er die kleine ZEEMIEUW unter seinen schwarzen Lederstiefeln spürte. Wie ein Musiker auf seiner geliebten Violine verstand er es, dem Schiff und seiner Mannschaft ganz eigene melodische Töne zu entlocken. So fand die Beladung rasch ihr Ende.

    Mit einem lauten ‚Rums‘ wurden die hölzernen Klappen zum Niedergang geschlossen. Das wilde Gackern der Hühner klang nur noch sehr gedämpft an die Ohren der beiden Marines. Die hektische Betriebsamkeit an Deck war mit einem Mal verschwunden. Pappensteel zog an seiner Jacke, um seiner Stellung als Eigner und Kapitän des Schiffes etwas mehr Nachdruck zu verleihen. Doch der dicke Bauch ließ das Kleidungsstück alsbald wieder zurückschnappen. Sich vergewissernd, dass niemand ihn beobachtete, richtete Pappensteel schließlich den Hut und befahl, das Schiff zum Ablegen klarzumachen: Leinen los und Segel setzen!"

    An Benjamin und Richard gewandt fügte er leiser hinzu: „In wenigen Tagen werden wir Kapstadt erreichen. Das Wetter ist sehr gut im Moment, meine Herren."

    Die Zeit bis dahin wollten die beiden Freunde nutzen, mehr über dieses geheimnisvolle Land Afrika zu erfahren und eventuell die Sprache Moses besser kennenzulernen, soweit das eben möglich war.

    Seit ihrem ersten Zusammentreffen im Hafen war der junge Mann eigentlich nicht mehr von ihrer Seite gewichen. Moses hielt sich stets etwas hinter Benjamin und beobachtete die zwei Seesoldaten aufmerksam. Seine klaren braun-schwarzen Augen klebten dabei an ihren Lippen. Hin und wieder erklangen leise, sehr tiefe Laute, wenn seine wulstigen Lippen Benjamins und Richards Worte nachahmten.

    Immer öfter ertappte sich Captain McAllister dabei, es ihm gleich zu tun. Es schien fast, dass beide Seiten gleichermaßen neugierig auf die jeweils andere waren. Und Moses war dabei ganz bestimmt nicht minder wissbegierig

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