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Herrschaft der Clans - Die Rastlosen (Buch 5): LitRPG-Serie
Herrschaft der Clans - Die Rastlosen (Buch 5): LitRPG-Serie
Herrschaft der Clans - Die Rastlosen (Buch 5): LitRPG-Serie
eBook451 Seiten6 Stunden

Herrschaft der Clans - Die Rastlosen (Buch 5): LitRPG-Serie

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Über dieses E-Book

Rosgard ist in den Besitz des einzigartigen Zaubers gelangt, der den Weg zum verlorenen Kontinent bahnt. Ihm bleibt also keine andere Wahl. Sein Charakter muss sehr viel stärker werden, bevor die Große Expedition beginnt. Oder er muss den Zauber aufgeben und ihn an jemand anderen weitergeben. Doch die Chance darauf, eine Legende Waldyras zu werden, einfach verspielen? Niemals. Das Spiel stellt Rosgard und sein Team jedoch vor eine neue Herausforderung: Sie müssen das Ultimatum der Krabber, einer aggressiven Unterwasserrasse, annehmen und sich auf eine schwierige und gefährliche Mission begeben. Ein Scheitern würde schreckliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Gleichzeitig gelingt es kaum noch, die Identität des Großen Navigators geheim zu halten. Immer mehr Menschen erfahren, dass niemand anderer als Rosgard der Navigator ist. Die Lage spitzt sich zu. Unser Held muss sich sowohl in der realen Welt als auch im Spiel bedeckt halten. Schließlich geht es um Millionen von Dollar. Könnte dies der Zeitpunkt sein, an dem Rosgard wieder Kontakt zu seinem Vater aufnimmt, um ihn um Hilfe zu bitten? Die Vater-Sohn-Beziehung ist zerrüttet, nachdem beide jede Verbindung zueinander gekappt haben. Ros könnte die Hilfe seines Vaters aber wirklich gut gebrauchen.

Dann sind da noch die Rastlosen, die Rosgard unter allen Umständen auf ihre Seite ziehen wollen. Doch der Navigator hat kein Interesse an einem Konflikt mit dem mächtigsten Clan des Spiels, auch wenn er seine eigene Freiheit über alles schätzt. Soll er weiter seine eigene Strategie verfolgen oder sich dem starken Clan anschließen? Ros steht vor einer schwierigen Entscheidung. Und die Zeit bis zur Großen Expedition vergeht immer schneller.
SpracheDeutsch
HerausgeberMagic Dome Books
Erscheinungsdatum30. Mai 2022
ISBN9788076196773
Herrschaft der Clans - Die Rastlosen (Buch 5): LitRPG-Serie

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    Buchvorschau

    Herrschaft der Clans - Die Rastlosen (Buch 5) - Dem Mikhailov

    Erstes Kapitel

    Ein Riesentrottel. Und meine Freunde erst. Zu Boms Verzückung.

    DAS ULTIMATUM!

    Anforderungen: Finde Digratius!

    Finde Digratius, den in den Wahnsinn getriebenen göttlichen Beschützer der Krabber Waldyras, und bringe ihn entweder zu den Krabbern oder verrate ihnen seinen genauen Aufenthaltsort!

    Zeit, um die Bedingungen des Ultimatums zu erfüllen: fünf Tage!

    Werden die Bedingungen des Ultimatums nicht fristgerecht erfüllt, so werden Crack-Krabber-Truppen in die Lebensräume der Tucker-Ausgestoßenen eindringen und eine Ausrottungskampagne gegen sie beginnen.

    Werden die Bedingungen des Ultimatums fristgerecht erfüllt, belästigen die Krabber keine der großen Städte Waldyras mehr. Ehren und Geschenke, die der ältesten Krabberhäuptlinge würdig sind, werden jenen zuteil, die die Bedingungen erfüllen.

    Wird das Ultimatum rundweg abgelehnt, so werden Crack-Krabber-Truppen in die Lebensräume der Tucker-Ausgestoßenen eindringen und eine Ausrottungskampagne gegen sie beginnen. Du und alle anderen Mitglieder deiner Gruppe (alle, die in den letzten 60 Minuten dabei waren) werden auf ewig zu Todfeinden der Krabber erklärt.

    Das Ultimatum wurde ANGENOMMEN!

    Für die Annahme verantwortlicher Spieler: Rosgard. Höchste Verantwortung.

    Countdown bis zum Ende des Zeitlimits: 4 Tage, 23 Stunden und 36 Minuten.

    ICH SASS IN einer Pfütze mit abgestandenem Wasser, die Beine an die Brust gezogen, den Kopf in die Hände gestützt, und wiegte mich sanft hin und her. Oh Mann. Was hatte ich nur verbrochen, um von so viel Pech verfolgt zu werden?

    Die letzten drei Zeilen waren besonders ermutigend. Deutlicher konnte man eine Drohung wohl nicht aussprechen.

    Doch das Ultimatum war nun angenommen. Und unabhängig davon, ob meine Entscheidung von meinen Freunden beeinflusst worden war oder nicht, würde ich, wenn ich die Bedingungen des Ultimatums nicht erfüllte, für die Konsequenzen verantwortlich sein. „Höchste Verantwortung" eben.

    Wenn die geächteten Tucker umkämen, würde ich die ganze Schuld auf mich nehmen müssen. Andere Teilnehmer waren in weitaus geringerem Maße involviert und durften damit rechnen, dass ihr Ruf bei der einen oder anderen Fraktion viel weniger leiden würde, falls wir scheiterten.

    Jetzt konnte ich nachvollziehen, was mein Vater, der Marineoffizier, mir immer gesagt hatte: „Jede Entscheidung ist eine große Verantwortung."

    „Nichts als Zoff", murmelte ich, während ich den Text des Ultimatums noch einmal las.

    „Sprichst du mit mir?", fragte Kyrea und wischte sich mit einer schmutzigen Hand über ihr noch schmutzigeres Gesicht.

    „Du geh mir lieber aus der Sonne!", blaffte ich.

    „Ros! Man muss doch Mitleid mit den Tuckern haben!"

    „Genau! Mitleid mit uns!", wiederholte Glupsch Klotz, der mit einem Platschen aus einer nahegelegenen Pfütze aufgetaucht war, wie ein Papagei.

    „Und du hältst den Mund!, rief ich. „Du … Schildkrötensnack!

    „Ros, du hast das Ultimatum bereits akzeptiert, jetzt brauchst du dich auch nicht mehr aufzuregen, sagte Kyrea die Beschützerin beschwichtigend. „Wir werden uns etwas einfallen lassen. Lasst uns die Loot einsammeln, uns in irgendein Fischrestaurant teleportieren und ein bisschen nachdenken!

    „Hach. Fisch", seufzte der Tucker verträumt.

    „Mitleid. Von wegen, grummelte ich. „Wenn ich jeden Trottel, äh, jeden Tucker meine ich, bemitleiden würde, wäre mir das Mitleid schon längst ausgegangen. Stimmt’s, Tyrann?

    „Rrrwuff!" Das extrem schmutzige, triefend nasse Fellknäuel an meinen Knien war eindeutig meiner Meinung. Armer Tyrann, man sah ihm weder an, dass sein Fell tatsächlich schwarz und weiß war, noch, dass er Legendenstatus besaß. Dann machte sich das Wolfsjunge wieder daran, irgendein halb totes Geschöpf zu malträtieren – einen Aal vielleicht oder ein Neunauge.

    „Wenigstens einer hier, der auf meiner Seite ist. Ich seufzte. „Also gut. Bom! Leute! Meine Geduld ist langsam zu Ende, wie lange wird es noch dauern?

    „Boss! Also hör mal! Wir haben gerade erst angefangen, röhrte der riesige Halbork, der bis zu den Knien im zähen Schlamm stand und diesen mit bloßen Händen durchwühlte. „Es gibt hier noch verdammt viel auszugraben! Sachen zum Mitnehmen, Sachen, die wir in die Rucksäcke packen müssen! Es gibt noch jede Menge!

    Unsere kleine Gruppe sammelte überall auf dem Schlachtfeld Beute ein – hier lag so viel, dass wir tatsächlich ständig darüber stolperten.

    „Du gräbst hier schon seit einer halben Stunde herum und machst alle möglichen anderen Sachen!", protestierte ich.

    „Und es gibt keine Fische!", mischte sich der vermaledeite Tucker wieder ein, der gerade wieder aus dem Matsch aufgetaucht war.

    Der kleine Mistkerl log wie gedruckt. An Fischen mangelte es ihm nicht. Im Gegenteil, die Höhle sah aus, als hätte hier jemand sehr erfolgreich dynamitgefischt.

    Bom zuckte mit den breiten Schultern und ignorierte die Sumpfkreatur.

    „Was würdest du denn tun? Wir müssen weitergraben! Schau dir die Beute hier an! Denkst du etwa, wir sollten sie einfach liegen lassen, Ros? Bleib du nur dort in deiner Pfütze sitzen und mach den Chef: kopflos und die Hosen nass vom Stress."

    „Sehr witzig!", brummte ich und ignorierte Kyres Gelächter.

    Sie hatte gut lachen. Ihrer Hartnäckigkeit war es zu verdanken, dass ich das idiotische Ultimatum der Krabber akzeptiert hatte. Die Beschützerin der Mittellosen und Unterdrückten? Ich schnaubte. Die Suppe auslöffeln durfte am Ende ich. Oder besser gesagt, wir alle. Das Ultimatum betraf jeden einzelnen von uns. Immerhin eine willkommene Abwechslung, dass ich diesmal Gesellschaft hatte. Zuvor war ich meistens mutterseelenallein in der Jauchegrube gelandet. Aber die anderen steckten nur bis zum Hals in der Scheiße. Mir reichte sie bis weit über die Ohren.

    „Da ist mehr! Und noch mehr! Und noch viel, viel mehr!", frohlockte Bom, während er sich durch den Schlamm harkte.

    Ich hoffte inständig, dass unseren Mule nicht vor lauter Aufregung der Schlag traf. Der Rest freute sich ebenfalls, blieb aber relativ zurückhaltend. Der kahlköpfige Elf scherte sich nicht um materielle Dinge. Er schob träge einen Haufen Knochen mit seinem Fuß hin und her. Er war meinem Rat gefolgt und hatte sich einen mächtigen Geisterdiener zugelegt. Das Ding, das hinter seinem Rücken lauerte, übersah ich großzügig, sonst hätte ich auch noch den Verstand verloren.

    Es lag mehr Beute herum, als wir schleppen konnten. Wir hatten ganze Scharen von Feinden ausgerottet. Richtig mächtige und eine Menge kleinerer. Ein buchstäbliches Massaker, wie ein taktischer Atomschlag, der eine dicht besiedelte Lagune traf. Selbst ich fischte immer wieder Gegenstände aus dem Schlamm, ohne auch nur mein Hinterteil aus meiner Pfütze bewegen zu müssen. Da waren Knochen, Schädel, Zähne, Schwänze, Eingeweide, winzige Fläschchen gefüllt mit nicht identifizierbaren Flüssigkeiten, die Reißzähne unbekannter Arten, Schuppen, Augäpfel, Flossen. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, wie viele leere Fläschchen meine Gefährten mitgebracht hatten, aber es gab mehr als genug von dieser „flüssigen Loot".

    Callen und Orbit sammelten gelegentlich Gegenstände ein, warfen mir aber immer wieder erwartungsvolle Blicke zu. Sie langweilten sich wohl bereits und sehnten sich nach etwas „Interessaaantem".

    „Na, woran denkst du?", fragte Kyre und streckte mir einen widerlich gelben Augapfel entgegen, dessen Pupille direkt auf mich gerichtet war.

    „Daran, wie viel Zeit uns bleibt, antwortete ich abwesend. Mit einiger Mühe sammelte ich mich. „Und welche Informationen wir brauchen. Und ans Geld. Was Ersteres betrifft, kommt es auf das richtige Timing an. Es gibt viele Informationsquellen. Wir sollten auf keinen Fall Gasthäuser und Bibliotheken vergessen. Was das Geld angeht … Verdammt, wir brauchen einen Haufen davon. Irgendeine Idee, wo wir eine riesige goldene Statue oder so was stehlen und an den nächstbesten Hehler verkaufen könnten?

    „Du sollst nicht stehlen, entgegnete unser tapferer Paladin scharf. „Das gilt auch für die Zerstörung von Kunstwerken. Was das Geld angeht, ach, ich bin sicher, dass uns etwas einfallen wird.

    „Ich habe nicht die geringste Absicht, den Goldschatz deines Clans auszugeben", sagte ich mit einem Schnauben und schüttelte den Kopf.

    „Musst du auch nicht, sagte Zoff und grinste. „Kein Grund dazu. Wir haben Loot und wir haben dich. Mir ist sogar schon ein Plan eingefallen. Wir werden uns hier rausteleportieren, sobald unsere Säcke voll sind. Hey, Bom!

    „Ja?"

    „Du kannst gut verhandeln, nicht wahr? Leugnen zwecklos, ich habe dich schon in deinem Element gesehen."

    „Klar kann ich das!, sagte der Halbork schroff. „Wenn du letztens nicht mit einer Tasche voller Geld in den Laden gestürmt wärst, hätten wir ein besseres Geschäft machen können. Da stehe ich und beschwere mich darüber, wie arm ich bin und heule fast, und dann spazierst du herein und sagst: ‚Bist du der Typ, dem ich diesen Sack voll Gold geben soll?‘ Verdammt! Wir hätten das Zeug zu viel besseren Bedingungen bekommen können, weißt du?

    „Sehr gut, sagte Kyre und nickte nachdenklich. „Als Nächstes gehen wir also zum Alchemiemarkt. Höchste Zeit, uns an die Arbeit zu machen. Zumal wir ja den großen Rosgard dabei haben.

    „Könntest du dich vielleicht genauer ausdrücken?, fragte ich, von einer unheilvollen Vorahnung überkommen. „Der Teufel steckt bei dir immer im Detail.

    „Das wirst du alles schon selbst sehen, sagte Kyre beiläufig und schenkte mir ein breites Lächeln, das wirklich alles hätte andeuten können. „Du musst dich auch nicht anstrengen. Nur dastehen und lächeln.

    „Aha. Und wieso genau?"

    „Habe ich nicht gerade gesagt, dass du bald alles selbst sehen wirst? Ich zeige dir, wie man auf ehrliche Weise Geld verdient, indem man einfach nur dasteht und lächelt. Alles legal. Nur ein bisschen unverschämt vielleicht."

    „Oh, Ros, komm schon! Einfach dastehen und lächeln!"

    „Das tu ich doch", knurrte ich und versuchte, meine frustrierte Grimasse in ein breites Grinsen zu verwandeln, bei dem alle meine virtuellen Zähne schimmerten. Meine Wangen fühlten sich bereits an, als stünden sie kurz vor einem Krampf.

    „Dann bleib ruhig stehen!"

    „Das ist genau das, was ich tue! Sehe ich vielleicht aus wie eine Werbetafel?"

    „Absolut! Eine wandelnde Werbetafel! Bitte schön lächeln!"

    „Cheese! Der muskulöse Arm eines mir unbekannten Halbork-Spielers mit einem knallroten Irokesenschnitt und mindestens einem Kilo Piercings im Gesicht legte sich um meine Schultern. „Ein Lächeln und ein Peace-Zeichen, bitte! Super, und jetzt der Schnappschuss!

    „Erledigt, zwitscherte Callen. „Gleich hast du den Screenshot. Danke!

    Der Halbork nahm seine Pranke weg, klopfte mir auf die Schulter und sagte: „Du bist schwer in Ordnung, Alter", bevor er ging.

    „Ebenso!", antwortete ich mit rauer Stimme, mein steifes Lächeln immer noch im Gesicht.

    Was für eine lächerliche Aktion. Heiliger Bimbam. Wozu hatte ich mich da wieder überreden lassen?

    Nun, wozu ich mich hatte überreden lassen, war, auf einer kanzelartigen Holzkonstruktion zu stehen, die von einem smaragdgrünen Teppich bedeckt war. Daran prangte ein riesiges Schild, auf dem stand: „ROSGARD! Hol dir dein Foto mit einer lebenden Legende!"

    Das Schild war von einem professionellen Künstler, den Kyre angeheuert hatte, in einer fetten Schrift gemalt worden, die sofort jedermanns Aufmerksamkeit erregte. In der unteren rechten Ecke eine kleine gedruckte Zeile, die den bescheidenen Preis angab. Nur drei Goldstücke.

    Kyre höchstpersönlich hatte dafür gesorgt, dass ich halbwegs kultiviert aussah. Sie hatte mir befohlen, mich zu waschen, hatte mir eine Frisur verpasst und einen schicken Anzug gefunden. Ich war ganz in Samt gekleidet, der der Charakterstatistik keine Boni gab, aber auffällig war und von Weitem sichtbar. Ein dunkelrotes Wams mit einer doppelten Reihe versilberter Knöpfe und Stickereien in passender Farbe und gut polierte Stiefel, die sie ebenfalls eilig irgendwo aufgetrieben hatte. Sie waren groß und hatten, den Sporen nach zu urteilen, eindeutig einem Kavallerieoffizier gehört. Tyrann, mein schwarz-weißes Wolfsjunge, war gründlich gewaschen und adrett gebürstet. Er saß neben meinem rechten Bein und genoss hechelnd die Aufmerksamkeit. Das legendäre Haustier eines legendären Haustierbesitzers. Links von mir saß der Tucker, ebenso gründlich gewaschen und adrett gebürstet, sein kahler Schädel sauber poliert. Er kaute an einem riesigen Fischschwanz und lächelte selig.

    Doc und Callen, unsere beiden Marktschreier, waren damit beschäftigt, immer mehr Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Und sie taten es laut und ohne Unterlass. Sie leierten eine ständige Litanei meiner Erfolge in Waldyra herab. „Das ist der Rosgard!, oder „Rosgard der Einzigartige. Sie nannten mich „erstaunlich, „wunderbar und „großartig". Ich kam mir bald vor wie der sagenhafte Zauberer von Oz, der in der Smaragdstadt saß und darauf wartete, dass Vogelscheuche erschien, gefolgt von Blechmann mit bluttriefender Axt … Verdammt!

    Orbit schlurfte auch irgendwo herum und rief gelegentlich etwas nach dem Motto: „Er ist interessaaant, das könnt ihr mir glauben!" Ich konnte nicht behaupten, dass mich das aufheiterte, aber er trug definitiv seinen Teil zur Zirkusatmosphäre bei. Weniger durch seine besonders exzentrische Art der Marktschreierei, sondern eher dank der riesigen gespenstischen Gestalt, die ihm auf Schritt und Tritt folgte.

    Ich hatte es immer vorgezogen, nicht aufzufallen, also war mir das Theater gerade zehnfach unangenehm. Es half aber alles nichts, denn wir brauchten richtig viel Geld. Augen zu und durch. Ich setzte mein Grinsen wieder auf.

    Etwa fünf Schritte weiter lag ein riesiges Stück Stoff auf dem Boden – unser improvisierter Marktstand. Noch lag dort nichts, aber das würde nicht lange so bleiben. Bom und Kray waren damit beschäftigt, den Inhalt ihrer Säcke zu durchwühlen. Hinter ihnen hatten sich zwei Stadtwächter aufgebaut, die einschüchternde Blicke nach links und rechts warfen und die meisten potenziellen Diebe allein durch ihr Aussehen abschreckten. Diese Wachen waren ebenfalls von Kyrea der Beschützerin angeheuert worden. Sie selbst wuselte geschäftsmäßig von hier nach dort.

    Als Nächstes kam eine lächelnde Elfe in einem äußerst provokativen Outfit aus mehrfarbigen Blütenblättern herangehüpft und lehnte sich an meine Schulter. Ich setzte mein unbeholfenes Lächeln gern wieder auf, als ich den flüchtigen, aber äußerst eifersüchtigen Blick bemerkte, den Kyre mir zuwarf, während sie wie ein Meteor an mir vorbeizog. Sah mich diese Frau doch tatsächlich an, als hätte sie mich in flagranti erwischt! Dabei war das Ganze ihre Idee gewesen. Dachte sie wirklich, nur männliche Spieler würden ein Foto mit mir wollen?

    Es war gesteckt voll – der Alchemiemarkt, ein provisorischer Markt auf einem der nicht zentralen Plätze Algoras, war nie leer. Wir hätten es am Platz der Sieben Brunnen versuchen können, aber es gab dort nie Händler, die es auch ernst meinten. Und solche brauchten wir, um all unsere Beute zu verkaufen. Das meiste davon waren nämlich Zutaten für die Alchemie. Molchaugen, Froschzehen und dergleichen.

    Hier waren überall Stände, deren Besitzer laut ihre Waren anpriesen. Ihr Geschrei erfüllte die Luft, alle waren in Eile, ihre Bestände so schnell wie möglich zu verkaufen. Alchemiezutaten waren schließlich verderblich. Einige verkauften nur Sachen, die sie von Mobs bekommen hatten, während andere zuerst die Zutaten kauften und verarbeiteten und dann fertige Tränke verkauften. Das Geschäft florierte hier, ganz wie in einer Markthalle.

    „Heilkräuter! Frisch! Schnell zugreifen!"

    „Zwei Nashornhörner! Teuer und wertvoll! Ein schwarzer Stoßzahn vom Wollhaarmammut!"

    „Jede Menge Loot aus den Moderlanden!"

    „Hängmoos-Sekretionsdrüsen und Schnellstampfer-Knochen! Kommt, kommt! Mengenrabatt!"

    „Elfengrün aller Art! Kommt und holt es euch!"

    „Lebende Blutegel aus dem Schwarzrabensumpf! Alle von ihnen sind von Ausstrahlungen göttlicher Wut durchdrungen! Guter Preis! Der Verkäufer war ein stämmiger Zwerg, dessen Erscheinungsbild darauf hinwies, dass er ein Tank mit jeder Menge HP sein musste. „Holt sie euch hier!

    Mehrere Spieler stürmten gleichzeitig auf den Blutegel-Typen zu. Alle redeten sie auf ihn ein und feilschten, was das Zeug hielt. Ausstrahlungen göttlicher Wut waren teuer. Außerdem musste man sie erst noch aus den Blutegeln extrahieren.

    „Seerosenblätter und -blumen aus dem Abrahamoss! Das Angebot ist begrenzt! Heute Morgen gesammelt!"

    „Schneckenschleim! Ganz frischer Schneckenschleim!"

    „Tuckeraugen, drei Dutzend!, platzte ein menschlicher Spieler in einem dunklen Umhang heraus. „Oha …

    „Schnappt ihn euch!, röhrte eine der Wachen. „Schnappt euch den Verbrecher!

    Zwei weitere Wachen hefteten sich an die Fersen des Spielers. Die Menschenmenge auf dem Platz teilte sich. Der glücklose Tuckeraugenverkäufer rannte in halsbrecherischer Geschwindigkeit davon. Was für ein Idiot. Was zum Teufel hatte er erwartet? Tucker waren eine empfindungsfähige Rasse, die die Gottheiten des Lichts verehrte, daher war der Verkauf ihrer Körperteile auf einem offiziellen Markt strengstens verboten. Jemand, der einen solchen Handel versuchen wollte und auch nur einen Funken Verstand besaß, hätte das auf dem Schwarzmarkt getan, wo jede Sekunde Dutzende ähnlicher Geschäfte abgeschlossen wurden. Er musste ein absoluter Newbie sein, der nicht wusste, wie die Dinge hier in Waldyra liefen. Den Wachen würde er niemals entkommen, es sei denn, er besaß eine Teleportationsrolle. Ich war froh, dass Glupsch Klotz nichts gehört hatte, sonst hätte auch er den Spieler gejagt, und den Tucker anschließend in der Menge wiederzufinden, wäre ein schönes Stück Arbeit gewesen.

    Die Elfe, die mich gerade umarmt hatte, drückte mir einen Kuss aufs Ohr und eilte dann fröhlich lachend davon. Kyre funkelte mich an. Ich seufzte. Frauen!

    „Hey!, schnurrte eine Stimme dicht an meinem Ohr. „Ich interessiere mich auch für die lebende Legende! Hallo!

    Ich drehte meinen Kopf in Richtung der Stimme und zuckte zusammen. Die Person, die mir eben den Arm um die Schulter gelegt hatte, war keine andere als die Schwarze Baronin. Sie stand in voller Ledermontur da und hatte ein breites Grinsen aufgesetzt. Ihr Haar wallte über eine Schulter und ihre Augen leuchteten keck. Bevor ich etwas sagen konnte, fing die Menge an, mit beachtlicher Lautstärke zu tuscheln.

    „Die Baronin!"

    „Es ist die Baronin!"

    „Wer ist das?"

    „Bist du ein totaler Noob, Mann? Die Baronin!"

    „Wow, der Clan-Anführer der Rastlosen! Und der Blutrote Luchs ist auch da! Dort neben ihr, siehst du ihn nicht?"

    „Leute! Die Schwarze Baronin kuschelt dort oben mit Rosgard! Zwei Legenden zum Preis von einer, mit einem seltenen Haustier als Zugabe! Darf ich ein Foto mit euch machen? Was kostet es? Ich werde nicht feilschen!"

    „Du wirst immer bekannter", flüsterte die Baronin und zeigte immer noch ihr strahlendes Lächeln.

    Ich riss mich zusammen und grinste ebenfalls wieder in die Menge. „Zu deiner Information: Wir sind nur auf die Kohle aus."

    „Hey, warum hast du dann nicht mich gefragt?, sagte die Anführerin der Rastlosen mit sehr leiser Stimme. „Wie viel brauchst du?

    „Wir kommen allein zurecht", schnaubte ich.

    „Beeessie! Lass ihn in Ruhe!", sagte Orbit verärgert. Seine zerfetzten Ohren zuckten bedrohlich.

    „Ich bin nur kurz vorbeigekommen." Die Baronin schenkte ihrem Bruder ein liebevolles Lächeln.

    Kyrea die Beschützerin rollte die Augen. „Also wirklich ..."

    „Sag schon, Rosgard, wie viel Gold brauchst du?" Die Baronin ließ nicht locker.

    „Ich hab‘ es dir doch gerade gesagt. So ist es viel interessanter. Wir schaffen es mit den Ressourcen, die uns zur Verfügung stehen."

    „Oh, ganz bestimmt. Sag, hast du meine Einladung bekommen?"

    „Ja."

    „Ja und weiter?"

    „Ich bin auf jeden Fall dabei. Mit ein paar Freunden."

    „Freunde sind immer willkommen. Die Baronin warf mir ein Lächeln zu und drehte sich anmutig weg. „Also, geben wir der Menge, was sie will? Hallo, Freunde! Wer sich mit uns fotografieren lassen möchte, kann dies gern gleich jetzt tun! Es ist kostenlos! Nur du allein oder bring deine Freunde mit!

    „Kostenlos?", entrüstete Bom sich, doch er verstummte, als er den Blutroten Luchs auf sich zukommen sah, der ihm prompt einen Beutel in die Hand drückte, dessen Inhalt verheißungsvoll klimperte.

    Die Menge brüllte und wurde noch aufgeregter. Ich nahm nichts mehr eindeutig wahr. An die nächste halbe Stunde konnte ich mich kaum erinnern. Händeschütteln, Schulterklopfen, Umarmungen. Spieler, die sich an mich drückten und mit dröhnenden bis flötenden Stimmen mit mir sprachen. Ich behielt immer noch mein gespreiztes Lächeln auf den Lippen und fing sogar an, dem Publikum Küsschen zuzuwerfen.

    Als die Qual endete, war ich völlig ausgelaugt. Die Baronin hingegen sah frisch und munter aus und lächelte immer noch genauso strahlend wie zuvor. Übung macht den Meister, dachte ich.

    „Ich freue mich so auf deine Anwesenheit später", schnurrte die Baronin und trat zur Seite.

    „Baronin! Baronin! Wir sind vom Waldyra Boten! Können wir dir bitte eine Frage stellen?" Eine sommersprossige Frau mit unnatürlich blauen Augen hüpfte vor Ungeduld beinahe auf und ab. Der Elf mit dem seltsam malvenfarbenen Haar neben ihr nickte bekräftigend. Seine etwas glasigen Augen starrten uns direkt an. Offenbar war er der Kameramann, der keine andere Ausrüstung als seine eigenen bernsteinfarbenen Augen benutzte.

    „Solange es nur eine Frage ist."

    „Kennst du Rosgard?"

    „Oh, natürlich, antwortete das Oberhaupt der Rastlosen. „Wir sind gute Freunde. Rosgard steht in einem freundschaftlichen Verhältnis mit unserem Clan. Das ist meine offizielle Stellungnahme.

    Die Stimme in meinem Kopf lief schreiend im Kreis, der Rest von mir stand immer noch da, mit einem aufgesetzten Lächeln im Gesicht.

    Die Schwarze Baronin hatte es gerade allen verkündet: Rosgard stand unter dem offiziellen Schutz der Rastlosen.

    Verdammt! Ganz Waldyra würde davon Wind bekommen – zumindest alle Spieler, die auch nur im Entferntesten an der Sache interessiert waren.

    Die Baronin schenkte uns allen zum Abschied ein Lächeln und verschwand im schillernden Strudel ihres Teleports, gefolgt vom wortkargen Blutroten Luchs.

    Ich stand da und begriff nicht ganz, was da gerade passiert war. Halb Waldyra würde sich nun fragen, warum ich unter dem Schutz der Baronin höchstpersönlich stand. Wozu in aller Welt hatte sie so viel Aufmerksamkeit auf meine unbedeutende Wenigkeit lenken müssen?

    Andererseits war die Tatsache, dass es zwischen den Rastlosen und mir eine gewisse Verbindung gab, kaum ein Geheimnis – jeder, der das Video gesehen hatte, in dem Flüsterer und ich Hackfleisch aus Madame Fäulnis machten, wusste das.

    Wahrscheinlich nahm man einfach an, dass die Baronin den legendären Rosgard in den Clan aufnehmen wollte. Jeder Clan war schließlich erpicht darauf, so viele prominente Spieler wie möglich in seinen Reihen zu haben. Das hätte sie sich bei mir wirklich sparen können. Ich jedenfalls hätte gut überlegt, bevor ich unnötige Aufmerksamkeit auf den Navigator lenkte.

    „Dein Freund ist hier", sagte Callen und riss mich aus meinen Träumereien.

    Ich drehte mich um und sah Tapferlicht, den Alchemisten, der sich gerade seinen Weg durch die Menge bahnte.

    „In Ordnung, Leute! Mittagspause!, verkündete ich allen und stieg umständlich von der bühnenartigen Konstruktion ab. „Hey, na, wie geht’s?

    „Hallo! Der Alchemist schenkte mir ein strahlendes Lächeln. „Hier bin ich!

    „Schön, dich zu sehen. Du kommst gerade rechtzeitig. Hier sind die Säcke mit der Beute. Du bist mein VIP-Kunde und hast die erste Wahl, wie versprochen."

    „Bin schon gespannt! Tapferlicht rieb sich erwartungsvoll die Hände. „Alsdann, rein in den Schleimhaufen!

    „Tob dich aus!", sagte ich und hielt Bom zurück, der gerade empört aufspringen wollte und schon seine Faust in Richtung des unverschämt in seiner heiligen Loot stöbernden Alchimisten reckte.

    Ich hatte darauf bestanden, dass mein Bekannter, Tapferlicht der Alchemist, als Erster einen Blick auf die Beute werfen durfte. Er bekam nichts geschenkt, aber er hatte erste Wahl. Ich wollte mit ihm eine gute Geschäftsbeziehung aufbauen, und alle meine Begleiter wussten das. Bom hätte mit seinen Feilschkünsten zweifellos mehr für uns herausgeschlagen, aber so knapp bei Kasse waren wir auch wieder nicht und genug zu verkaufen hatten wir allemal. Ich hoffte, dass wir ein paar seltene Gegenstände in unseren Säcken hatten. Es war nicht alle Tage, dass man als Alchemist Beute aus dem Ozean in die Hände bekam, und Tapferlicht rechnete bestimmt damit, dass ihm das Zeug nicht billig kommen würde.

    „Ist er denn so ein guter Alchemist?", fragte Kyre leise und kam näher.

    „Noch ein Anfänger, antwortete ich mit einem Achselzucken. „Aber er ist ein tüchtiger Geschäftsmann und nicht dumm.

    „Ich verstehe. Du investierst in die Zukunft?"

    „Zumindest versuche ich das."

    „In Ordnung, aber was ist mit unserem dringendsten Anliegen?"

    „Da habe ich ein paar Ideen. Aber das können wir besprechen, wenn wir uns ausgeloggt haben."

    „Alles klar. Noch fünf Minuten, dann gehst du zurück auf die Bühne und lächelst brav."

    „Ach, verdammt, Kyre!"

    „Du kannst mich ruhig beschimpfen, aber dein schiefes Grinsen hat uns schon einen Hunderter eingebracht, und da ist das Geld, das der Leibwächter der Baronin dem Halbork zugesteckt hat, noch nicht mitgerechnet! Da fällt mir ein, ich muss ins Gasthaus und ein paar Spuren überprüfen, die zu Digratius führen könnten. Und unsere Kostüme aussuchen!"

    „Kostüme?"

    „Ja, für den Maskenball der Rastlosen!"

    „Aber die haben doch ihre eigenen, und die Gäste können sie sich aussuchen!"

    „Ja, aber ich habe keine Ahnung, wie die aussehen. Vielleicht sind es Lumpen! Ich ziehe mir lieber etwas an, das mir auch gefällt. Ihr Männer kümmert euch doch sowieso nie um eure Kleidung."

    „Du bringst mich noch ins Grab, Zoff!"

    „Abwarten! So, deine fünf Minuten sind um. Los, ab auf die Bühne mit dir und lächeln, was das Zeug hält."

    „Noch drei Minuten!"

    „Zeit ist Geld! Leg einen Zahn zu!"

    Ich seufzte niedergeschlagen, warf einen Blick auf Tapferlicht, der emsig seine gewünschten Beutestücke auswählte, und setzte meine Karikatur von einem Lächeln wieder auf. Dann stakste ich zurück zu der verfluchten Bühne. Zeit, Kohle zu scheffeln. Ich lächelte, bedankte mich, winkte und verbeugte mich. Auch andere waren beschäftigt, und ich hatte keinen Grund, mich zu beschweren.

    „Lach mal, Rosgard!" Der nächste Spieler kam auf mich zugeeilt, kaum, dass er Callen die drei Goldstücke in die Hand gedrückt hatte.

    Also ging ich zurück auf die Bühne, mit dem strahlendsten Lächeln, das ich aufbringen konnte. Frei nach Freddie Mercury, dachte ich, the show must go on.

    Zweites Kapitel

    Spaß IRL und Realitätsreue

    MEINE PROBLEME BEGANNEN in dem Moment, in dem ich mein Handy einschaltete.

    Geistig und körperlich ausgelaugt kroch ich aus meinem Kokon, schleppte mich in die Küche und setzte Wasser auf. Dann drückte ich auf die Einschalttaste meines alten Mobiltelefons und dachte dabei gar nicht darüber nach, dass jemand meinen Standort per GPS verfolgen könnte. Ich war zu müde, um mich um solche Kleinigkeiten zu kümmern, und hatte außerdem nicht die Absicht, das Telefon länger als zwei Minuten eingeschaltet zu lassen.

    Sobald ich jedoch einen Blick auf den Bildschirm geworfen hatte, war meine Müdigkeit wie weggeblasen.

    318 verpasste Anrufe. Wer versuchte da so hartnäckig, mich unter meiner alten Nummer zu erreichen?

    Noch bevor ich es geschafft hatte, einen genaueren Blick auf die Nummern des Anrufers zu werfen, vibrierte das Telefon in meiner Hand und zeigte ebendiese Nummer an.

    Mein Vater! Es war mein Vater.

    Verdammt. Ich hoffte inständig, dass er nicht derjenige gewesen war, der über 300 Mal versucht hatte, mich zu erreichen. Wenn er es gewesen war, musste er inzwischen richtig wütend sein. Meine Hände begannen so heftig zu zittern, dass mir das Telefon fast aus den ungeschickten, vor Angst beinahe tauben Fingern geglitten wäre. Diese Reaktion war wie ein Pawlowscher Reflex, auch wenn mein Vater mittlerweile nicht mehr so ein Kontrollfreak war wie früher. Dennoch hallte der arktische Wind jedes Mal in meinen Ohren wider, wenn ich an meinen Vater dachte.

    Ich tippte unbeholfen auf die Annahmetaste und hielt das Telefon an mein Ohr.

    „Hallo?"

    „Hallo!, sagte eine mir unbekannte Stimme, die jung klang und in der eine verschleierte Feindseligkeit mitschwang. „Ist da Rostislaw Grokhotov?

    „Ja, sagte ich, jetzt besorgt. „Aber wer zum Teufel sind Sie und warum benutzen Sie das Telefon meines Vaters?

    „Eine Sekunde! Bitte leg nicht auf, ich gebe ihm das Telefon."

    Nach ein paar bangen Sekunden hörte ich das Echo eiliger Schritte in einem geschlossenen Raum. Es gab ein kurzes Rascheln, etwas Gemurmel, und dann hörte ich eine vertraute Stimme. Sie klang zugleich wütend und unerwartet erleichtert. Die Stimme meines Vaters.

    „Rostislaw!"

    „Papa?"

    „Bist du es?"

    „Was genau meinst du? Wer sollte es sonst sein?"

    „Hast du eine Ahnung … äh … weißt du denn nicht, was du ..., begann mein Vater, doch dann unterbrach er sich. „Sohn? Wo bist du? Bist du am Leben? Gesund? Frei? Mobil?

    „Hä?", fragte ich verdattert.

    „‚Hä‘? Was soll das für eine Antwort sein? Auf der Brücke melden! Und zwar sofort!"

    „Hey, ja, mir geht's gut, Papa! Ich sitze zu Hause und bin kerngesund. Wenn du mit ‚frei‘ meinst, ob ich gerade Freizeit habe, dann ja, habe ich. Und mobil? Was ist das für eine seltsame Frage?, antwortete ich der „Brücke mit einiger Verwirrung. „Was ist denn passiert? Wie geht es Mama? Geht es ihr gut?"

    „Es geht ihr gut, aber sie ist sehr besorgt, dass das klar ist! Also! Du hast mir gesagt, du wärst zu Hause, aber du bist nicht in deiner Wohnung. Wo bist du?"

    „Zu Hause, sag ich doch!"

    „Nein, du bist nicht zu Hause! Wo bist du?"

    „Zu Hause, verflixt noch mal! Ach so. Moment, das habe ich völlig vergessen. Ich bin

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