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THE DIVINE CHRONICLES 4 - ERLÖSUNG
THE DIVINE CHRONICLES 4 - ERLÖSUNG
THE DIVINE CHRONICLES 4 - ERLÖSUNG
eBook439 Seiten6 Stunden

THE DIVINE CHRONICLES 4 - ERLÖSUNG

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Über dieses E-Book

WILLKOMMEN IN DER HÖLLE!

Mein Name ist Landon Hamilton. Die Welt ist gerettet, aber ich bin dafür in der Hölle gelandet.
Damit komme ich klar, nicht aber damit, dass die Liebe meines Lebens jetzt auch hier festsitzt. Mit mir und noch jemandem, der auf Rache aus ist.
Vielleicht kommen wir hier nie wieder heraus, denn unsere einzige Hoffnung ist ein gewisser Vampir, der uns all das überhaupt erst eingebrockt hat. Hoffentlich war es das wert…

"Erlösung" ist der vierte Band der Urban-Fantasy-Reihe von Michael R. Forbes
SpracheDeutsch
HerausgeberMantikore-Verlag
Erscheinungsdatum9. März 2020
ISBN9783961881055
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    Buchvorschau

    THE DIVINE CHRONICLES 4 - ERLÖSUNG - M.R. Forbes

    FÜNFUNDVIERZIG

    EINS

    Landon

    Alles fing so an, wie ich es niemals erwartet hätte. Es begann ausgerechnet mit einem Wecker.

    Genauer gesagt, war es ein Uhrenradio: eins dieser Dinger mit den großen, blauen LEDs, die man in die Wand steckt. Welches Jahr hatten wir überhaupt? Das Lied, das lief, war ›Man in the Box‹ von Alice in Chains. Ich hatte das Gefühl, dass es mir irgendwas sagen sollte, was es aber nicht tat.

    Ich hielt die Augen geschlossen. Etwas riet mir, dass ich sie nicht öffnen sollte. Etwas in meinem Inneren machte mir Angst. Vor was? Der Wahrheit? Das konnte nicht stimmen. Das Gefühl verschwand, als ich das leise, zufriedene Seufzen links neben mir hörte.

    »Landon, schaltest du das Ding endlich aus?«

    Ich drehte meinen Kopf in die Richtung der Stimme und zwang meine Augenlider, sich zu heben. Ein wunderschöner Anblick begrüßte mich: langes, seidenweiches, schwarzes Haar, das ein herzförmiges Gesicht einrahmte. Violette Augen, noch halb geschlossen, die mich anblickten, erfüllt von sanfter Heiterkeit. Ein vollkommenes, weißes Lächeln hinter weichen, vollen Lippen.

    »Klar«, sagte ich und erwiderte ihr Lächeln. Ich streckte mich auf die andere Seite und suchte mit der Hand nach dem Schlummer-Knopf, wobei ich blind in der ungefähren Nähe des Geräuschs umhertappte. Ich brauchte ein paar Versuche, aber ich schaltete das Ding aus. Ich blinzelte ein paarmal und versuchte, mich daran zu erinnern, was ich vor einigen Augenblicken noch empfunden hatte. Es war, als wäre das Vorherige echt und das hier ein Traum. Ich wusste aber, dass dies nicht stimmen konnte.

    »Geht’s dir gut?«, fragte sie mich. Sie setzte sich auf, wobei sie sich die Decke eher aus Gewohnheit denn aus Scham vor die Brust hielt, und strich mir mit den Fingern durch das Haar.

    »Du fühlst dich nicht … ich weiß nicht … komisch?«, fragte ich sie. »Als wenn du träumen würdest?«

    »In letzter Zeit fühle ich mich immer, als wenn ich träumen würde.« Sie lehnte sich vor und küsste mich auf die Wange. »Reiß dich zusammen, Liebling. Wir müssen einen Flieger erwischen.«

    Sie warf die Decke von sich, auf mich drauf, und verdeckte meinen Blick auf ihre Vollkommenheit unter den Daunen. Normalerweise wäre ich die Decke schnellstens losgeworden, um einen letzten Blick zu erhaschen, bevor sie ins Badezimmer ging. Heute zögerte ich. Warum fühlte sich alles so verkehrt an?

    Ich hörte die typischen Morgengeräusche: Toilette benutzen, Zähne putzen. Dann das Rauschen der Dusche. Es war das Geräusch des fallenden Wassers, das mich aus meiner Trance riss. Ich warf die Decke beiseite und schlüpfte aus dem Bett, wobei ich mir nur ein paar Sekunden nahm, um aus dem Fenster auf den kristallblauen Ozean draußen zu blicken. Davor lag ein weißer Sandstrand, der leer war, abgesehen von ein paar Möwen auf der Lauer.

    Tahiti, erinnerte ich mich. Wir waren auf Tahiti. Wir waren auf Urlaub hergekommen – zwei Wochen Wonne, weg vom Alltag. Etwas Zeit, um allein zu sein, sich neu zu finden und wieder Kraft zu tanken. Zeit nur für uns beide.

    »Landon, kommst du?«, fragte sie.

    Ich wandte meinen Blick vom Strand und dem blauen Ozean dahinter ab. Als ich den Kopf zum Badezimmer wandte, hätte ich schwören können, dass eine der Möwen mich ansah.

    Der Gedanke war dumm. Ich lachte über mich selbst, betrat das Bad und leerte zuerst meine Blase, bevor ich zu meiner Frau in die doppelte Duschkabine trat. Nicht, dass wir sie auch nur halb brauchten, aber sie gehörte zur Hütte. Wie immer stockte mir der Atem bei ihrem Anblick.

    »Gespannt auf die Heimreise?«, fragte sie, wobei sie sich vorbeugte und mich küsste. »Guten Morgen.«

    Ich wusste es nicht. Eine Sekunde lang vergaß ich, wo mein Zuhause lag, und dass es dort irgendetwas gab, für das sich der Heimflug lohnte. Mein Zögern zog ihre Aufmerksamkeit auf sich.

    »Dir geht’s nicht gut, oder? Was ist los?«

    Ich beeilte mich, irgendetwas zu stammeln, was auch immer. Ich schüttelte den Kopf und zuckte die Achseln. »Nur ein Traum«, sagte ich, »ein echt merkwürdiger Traum. Schätze, ich bin noch nicht ganz wach.«

    Sie nahm meinen Duschschwamm, drückte etwas Seife darauf, schäumte ihn ein und warf ihn mir voll gegen den Kopf. Es machte einen lauten Schmatzer, als er gegen meine Stirn prallte. Mit schützend geschlossenen Augen fing ich den Schwamm im Fallen auf.

    »Aufwachen«, sagte sie lachend.

    Ich lachte mit ihr und versuchte, mich zusammenzureißen.

    Aufgeregt. Ich sollte aufgeregt sein. Wir hatten die vergangen zwei Wochen allein verbracht. Das hieß, zwei Wochen ohne Clara. Sie war manchmal ein richtiger Sack Flöhe, aber was wollte man von einer Sechsjährigen auch erwarten? Außerdem war sie ein Ball voll liebender Energie und die zweitwichtigste Frau in meinem Leben. Zwei Wochen ohne sie waren entspannend gewesen, aber Charis hatte recht. Ich war gespannt auf die Heimreise.

    »Sicher«, sagte ich. »Ich wette, nicht so gespannt wie du.«

    »Du weißt, dass ich dich liebe, aber ein Teil von mir vermisst sie, seit wir hier angekommen sind.«

    Ich konnte es ihr nicht verdenken und tat es auch nicht. »Hat aber viel Spaß gemacht«, sagte ich.

    Mit einem durchtriebenen Lächeln sah sie mir in die Augen. »Seit unseren Flitterwochen sind zehn Jahre vergangen. Ich glaube, das haben wir verdient. Jetzt sieh zu.«

    Zehn Jahre, und trotzdem sah sie für mich keinen Tag älter aus. Wir duschten zu Ende, dann trat ich auf den Marmorboden und erhaschte im Spiegel einen Blick auf mich. Ich sah auch nicht schlecht aus.

    »Wann geht der Flug?«, fragte ich und ging ins Schlafzimmer, um meine Klamotten zu holen.

    »Halb eins. Wir haben eine halbe Stunde zum Anziehen und Auschecken. Das Taxi sollte schon unterwegs sein.«

    Ich nickte, auch wenn sie es nicht sehen konnte, und zog die oberste Schublade der Kommode auf. Darin lag jeweils ein Outfit für uns. Zweimal Unterwäsche, Socken, Designerjeans und ein dunkelblaues Polohemd für mich. Ein weißes Sommerkleid für sie.

    »Du wirst frieren, sobald wir wieder in New York sind«, sagte ich. Ich hatte bereits ein paarmal ihre Kleiderwahl für den Rückweg angezweifelt, ich war also sicher, dass ich was zu hören bekommen würde.

    »Sei still«, erwiderte sie, »ich bin ein großes Mädchen. Zwischen Flughafen, Auto und Wohnung sind wir sowieso nur ein paar Minuten draußen. Außerdem ist es im Oktober nicht so kalt.«

    Ich lächelte und zog meine Sachen an, dann ging ich wieder zum Fenster und warf noch einen Blick hinaus auf den Ozean, bevor Charis mit Haartrocknen und Anziehen fertig war. Die Möwen standen immer noch allein auf dem Sand, auch wenn zwei etwas gefunden hatten, um das sie sich zanken konnten. Sie kreischten und jagten sich gegenseitig, wobei sie eine Lücke ließen für einen dritten Vogel, der heranschoss und den Preis klaute. Ich konnte nicht sehen, was es war, aber spielte das überhaupt eine Rolle?

    »Glaubst du, Clara hatte Spaß bei deiner Mom?«, fragte Charis, trat hinter mich und schlang ihre Arme um mich. Ich ergriff sie vorne und hielt sie gegen meine Brust.

    »Ich bin sicher, dass sie einen Haufen Spaß hatte«, antwortete ich. Meine Mutter hatte mit mir als Sohn ziemliche Probleme gehabt. Als Großmutter war sie vernarrt.

    Sie zog ihre Arme weg und ging rüber zur Kommode, wo sie ihre Anziehsachen herausholte. Ich sah weiterhin auf den Strand hinaus. Die Wellen hatten etwas Hypnotisierendes. Wie sie ans Ufer schwappten, der letzte Rest den Sand hinauflief und ein paar der Möwen zwang, entweder nasse Füße zu kriegen oder aus dem Weg zu gehen. Blickte man weiter hinaus, wirkte das Wasser seltsam – als würde es sich rückwärts bewegen. Ich blinzelte ein paarmal und wollte schon Charis darauf aufmerksam machen, als eine Möwe herabstieß und auf dem Sims genau vor mir landete, wobei sie kreischte und mich mit roten Augen anstarrte.

    »Was zum …« Ich taumelte zurück, und der Vogel gab einen Laut von sich, fast wie ein Lachen, flog wieder los und verschwand am Himmel.

    »Nur ein Vogel«, sagte Charis und lachte. »Du hattest doch vorher keine Angst vor Vögeln.«

    »Hast du seine Augen gesehen?«, fragte ich.

    »Nein.«

    Da war etwas mit diesen Augen. Vogelaugen waren schwarz, nicht rot. Ein Teil von mir wusste, dass es dafür einen Grund gab, aber es war eine Vorstellung, die ich nicht greifen konnte.

    Sie zog sich fertig an, dann packten wir unsere Taschen und gingen aus der Hütte über einen befestigten Fußweg zum Hotel. Alles lag unter freiem Himmel mit einem einfachen Strohdach, das den Regen abhielt, und vielen Deckenventilatoren, um die Besucher abzukühlen. Ein Mitarbeiter dort begrüßte uns. Er nahm unsere Taschen und brachte sie nach vorne, wo das Taxi uns abholen würde, während wir am Empfang auscheckten.

    Als wir bezahlt hatten, war das Taxi bereits angekommen, und der Mitarbeiter hatte unsere beiden Koffer in den Kofferraum gepackt. Wir sagten nicht viel, und er sagte nicht viel, denn die Sprachbarriere war zu hoch. Er lächelte und wackelte mit dem Kopf, als ich ihm etwas Bargeld hinhielt. Diese Sprache war universell.

    Eine vierzigminütige Fahrt zu dem kleinen Flughafen, weitere zwei Stunden zusammensitzen, während wir auf unseren Flug warteten – sechzehn Stunden Übernachtflug, sodass wir Clara irgendwann morgen Nachmittag in die Arme schließen konnten. Wir brachten die Zeit damit zu, an unserem Tisch Spiele zu spielen und die Fotos anzusehen, die wir gemacht hatten. Es würde uns Spaß machen, Clara alles über unsere Erlebnisse zu erzählen.

    Der Flug war ereignislos. Wir flogen durch ein paar schwere Gewitter, die uns ein bisschen durchschüttelten, aber ich hatte null Flugangst, und die Turbulenzen waren eher wie eine Achterbahn im Vergnügungspark. Charis wurde ein wenig schlecht, aber sie riss sich ganz gut zusammen und konnte zwischen dem Chaos und der Ruhe sogar ein paar Stunden Schlaf finden. Trotzdem, als wir endlich am JFK ankamen, war sie bereit, den Boden zu küssen.

    Ich rief meine Mom an, kurz nachdem der Pilot mitgeteilt hatte, dass es sicher war. Clara nahm ab.

    »Hallo?«, fragte sie mit ihrer leisen Streifenhörnchenstimme.

    »Hallo«, erwiderte ich und ließ meine Stimme tiefer und kratzender klingen.

    Sie lachte und fiel nicht darauf rein. »Daddy!« Der Ausruf tat mir in den Ohren weh, und zwar auf die bestmögliche Weise. »Kommst du zu Nana?«

    »Natürlich, Süße. Wir sind am Flughafen. Wir sind da, bevor blinzeln kannst.«

    »Ich hab’ geblinzelt«, sagte sie. »Ihr seid nicht da.«

    Ich kicherte und gab Charis das Telefon. Es hatte keinen Dienst in dem Resort auf Tahiti gegeben, daher hatte sie Claras Stimme nicht mehr gehört, seit wir in entgegengesetzter Richtung abgeflogen waren. Sie hatte Tränen in den Augen, während sie mit ihr sprach.

    Man ließ uns raus, und wir waren überrascht, als wir herausfanden, dass eine Limousine darauf wartete, uns abzuholen, mit schönen Grüßen von Nana.

    Meine Mutter wohnte in Harlem, in einem einigermaßen anständigen Mittelbau, wo die Kriminalität unter dem Durchschnitt lag und die Schulen ziemlich gut waren. Wir waren kurz vor meiner Pubertät dort hingezogen, und dort war es auch, wo ich meine Laufbahn als elektronischer Verbrecher, die Charis und mich schließlich zusammenbrachte, begonnen hatte. Eine Unachtsamkeit, die ich immer noch für den besten Fehler meines Lebens halte. Ich nahm ihre Hand und drückte sie, wobei ich an den Tag zurückdachte, an dem wir uns im Museum für Naturgeschichte getroffen hatten, als sie einen Blick auf die Kelche geworfen hatte, die ich bewachen sollte. Sie war schon damals erstaunlich, und auch jetzt war sie erstaunlich.

    »Ich weiß, was du gerade denkst«, sagte sie. Im Inneren des Wagens war es beinahe still, abgesehen von den Nachrichten, die durch das Funkgerät zum Fahrer durchdrangen.

    Ich lächelte und sah sie an. »Ach ja?«

    »Du wirst immer ganz rührselig, wenn du deine Mom besuchst. Ich kenne niemanden, der sich so darüber gefreut hat, eingesperrt gewesen zu sein.«

    Natürlich hatte es die Sache für uns nicht leicht gemacht. Ich konnte keinen Job bekommen, der auch nur im Ansatz mit Computern zu tun hatte, wodurch mein größter Vorteil brachlag. Stattdessen schlugen wir uns mit dem Gehalt eines leitenden Sicherheitsbeamten bei Macy’s durch. Die Bezahlung war nicht so schlecht, aber wir lebten gerne im Gewühl der Stadt.

    »Ansonsten wäre ich dir nicht begegnet«, erwiderte ich.

    Sie lachte. »Siehst du. Rührselig.«

    Vor dem Apartment kam der Wagen geschmeidig zum Stehen und wir stiegen aus, während die Kinder auf der Straße uns mit offenen Mündern anstarrten. Sie hatten bisher keine Limousinen in ihrer Nachbarschaft gesehen, und die Tatsache, dass sie uns nicht einfach ablieferte und wegfuhr, bot ein noch größeres Spektakel.

    Wir gingen die Treppe in den sechsten Stock hinauf. Meine Mom wohnte in Apartment sechsundsechzig. Sie nannte es immer ›Route Sixty-six‹. Sie war sogar soweit gegangen, es mit einem Haufen Amerikanismen zu dekorieren: Straßenschilder, Nummernschilder, Fotos vom Grand Canyon, solches Zeug. Meine Mom war ein bisschen durchgeknallt.

    »Jemand zu Hause?«, rief ich und hob meine Stimme um ein paar Oktaven. Ich klopfte an die Tür, und wir warteten in der Erwartung, das Trappeln von kleinen Füßen zu hören, die auf uns zu rannten.

    Stille.

    »Hallo«, sagte ich und klopfte wieder. »Mom?«

    Mehr Stille.

    Ich drehte mich zu Charis um, und die Sorge in ihrem Gesicht spiegelte sich zweifellos in meinem wider. Den Schlüssel zu ihrer Wohnung hatte ich in unserem Gepäck gelassen. »Ich hole die Schlüssel«, sagte ich und spürte, wie mein Herz zu rasen anfing. »Klopf weiter.«

    »Mom, hier ist Charis«, rief sie, während sie klopfte, und Verzweiflung schlich sich in ihre Stimme. »Bist du in Ordnung da drin?«

    Ich rannte die Treppe hinunter und zum Wagen, wo der Fahrer wartete. Er hatte den Kopf gesenkt und schaute auf seine Hände. Er hielt die Schlüssel in ihnen.

    »Wie haben Sie …«, wollte ich gerade fragen, doch dann hob er den Kopf. Ein schwacher Funke des Erkennens huschte durch meinen nervösen Geist und versuchte, ihn einem besonderen Ort zu einem besonderen Zeitpunkt zuzuordnen.

    »Niemand wird antworten, Kleiner«, sagte er. Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem Grinsen – oder einem Knurren. Es konnte beides sein.

    »Was meinen Sie?« Mein Herz raste noch schneller, und mein Verstand glich einem Wirbelsturm, als ich mir klarzuwerden versuchte, woher ich diesen Kerl kannte.

    Er warf mir die Schlüssel zu. »Geh nach oben. Sieh selbst.«

    Ich stand da und starrte ihn ein paar Sekunden lang an, wobei ich umsonst versuchte, die Verbindung herzustellen, dann machte ich kehrt und rannte ins Haus, die Stufen hinauf. Ich war außer Atem, als ich im sechsten Stock ankam.

    Charis war weg.

    Die Tür stand offen.

    »Charis«, sagte ich und stürmte vorwärts.

    Als ich mich dem Apartment näherte, nahm ich einen Geruch wahr, der meine Sorge zu ausgemachter Panik steigerte. Ich wäre fast gestürzt, als ich versuchte, die Kurve zur Tür hinein zu kriegen.

    Ich rutschte auf dem Blut aus.

    Ich fiel rückwärts auf den Hintern, während mein Gehirn versuchte, die grauenhafte Szene, die sich mir bot, zu verarbeiten. Und scheiterte. Ich wollte schreien, dem plötzlichen, starken Schmerz Ausdruck geben, der durch meine Seele raste, aber nichts kam. Stattdessen übergab ich mich in das dunkelrote Geschmiere unter mir.

    Irgendwo in meinem Verstand, in irgendeinem kleinen Teil, der im Angesicht grotesker Katastrophen weiter funktionierte, wurde mir endlich klar, woher ich dieses Gesicht, dieses Lächeln kannte. Fast perfekt synchron drang ein heftiges Lachen durch die Atmosphäre und brach mit seiner Vertrautheit über mir zusammen.

    Der Traum. Nicht länger vergessen.

    Ich hatte fast Zeit zu schreien, als er mich von hinten packte und zum nächsten Fenster zerrte.

    »Das war nur der Anfang, Kleiner«, sagte er durch zusammengebissene Zähne. »Ich habe eine Ewigkeit Zeit, dich jeden Schmerz spüren zu lassen, den ich mir vorstellen kann. Als Gott kann ich mir ziemlich viel vorstellen.«

    Das Biest, erkannte ich, als ich spürte, wie mein Körper nach vorne geschleudert wurde und durch das Fenster krachte. Ich sah zu, wie der Boden auf mich zukam, und alles wurde wieder klar.

    Das war für dich, Sarah, und für den Rest der Schöpfung.

    Ich hoffe, das war’s wert.

    ZWEI

    Rebecca

    Es begann in Japan.

    Ich hatte fast zwei Monate gebraucht, um dorthin zu kommen, weil ich mich nicht mehr durch dämonische Transportrisse oder auf den Flügeln von Engeln an Landon und seine Freunde dranhängen konnte. Es waren viele Körper nötig gewesen, drei Dutzend oder mehr, allesamt verängstigt, als ich ihnen das Bewusstsein raubte, und verwirrt, als ich es wieder freigab. Als Geist kam ich gut klar, gab aber nicht viel darum, um ehrlich zu sein. Welche Vorzüge es auch hatte, von Hülle zu Hülle zu springen, sie ertranken in einer Flut aus Erinnerungen, die ich ertragen musste, wenn ich eine neue Gestalt übernahm.

    Ich wollte nur ich selbst sein. Ich selbst, soweit ich es in diesem Zustand sein konnte.

    Ich wollte einfach nur Rebecca sein.

    Nicht Reyka und ganz bestimmt nicht Solen. Nur Rebecca, die einstige Tochter eines Vampirs und eines Sukkubus, die glaubte, den Weg zu wahrer Macht und damit zu wahrem Glück zu kennen. Rebecca, die eines von Gottes eigenen Schwertern gebraucht hatte, um den Schleier der Finsternis zu lüften, sodass sie verstand, was Glück wirklich bedeutete.

    Es war nicht einfach gewesen, dorthin zu gelangen. Nachdem sie das Biest in die Falle gelockt hatten, hatte ich den Körper übernommen – denjenigen, der den Teufel Izak fortgeschleudert und die Lage gerettet hatte, im Schock des Nachspiels jedoch vergessen worden war – und versucht, Sarah und die Were einzuholen. Der Versuch war sinnlos. So viele Menschen, deren Bewusstsein plötzlich zurückkehrte. So viele andere, die bereits tot waren und deren Körper zur Erde stürzten, sobald die Macht des Biests sie verließ. In dieser sterblichen Hülle konnte ich sie nicht dazu bringen, sich von mir zu entfernen. Ich konnte sie nicht dazu bringen, zu vergessen, dass ich da war.

    Ich überlegte, den Körper aufzugeben, um ihnen zu folgen, aber als Geist war ich langsam, wenn ich mich an irgendetwas festhielt, an einen Zweck, der mich vorwärtstrieb. Landon war fort, und obwohl der Zweck blieb, hatte ich mein Leuchtfeuer verloren.

    Also blieb ich. Ich versuchte, durch die Heere verängstigter Menschen zu gelangen, aber es war Energieverschwendung. Das Biest hatte Mumbai in Schutt und Asche gelegt, und die Psyche der Bewohner war so verheert worden, wie nur er es konnte. Es würde Jahre dauern, um dort alles wieder in Ordnung zu bringen, wenn überhaupt. Ich fragte mich, was die Nachrichten berichten würden. Erdbeben. Da wettete ich drauf. Es lagen genug Trümmer herum, um die Ausrede zu rechtfertigen, genug Feuer und Zerstörung und Tod. Niemand würde je erfahren, was wirklich passiert war. Die Toten würden tot bleiben. Die Schlafenden würden weiterschlafen.

    Zwei Monate, aber ich war endlich hier. Beim Erdbeben hatte ich falschgelegen. Sie hatten es den Ausbruch irgendeiner erfundenen Krankheit genannt und alles unter Quarantäne gestellt. Niemand kam rein oder raus. Eine Mauer aus Militär sorgte dafür. Da hatte ich meine Hülle zurückgelassen und mich auf den Weg durch die Weiten des Alls gemacht, mit kaum mehr als dem Gedanken, dass er dort mit dem Biest gefangen war. Vorher hatte ich an nichts geglaubt, das über mich hinausging, aber jetzt sah ich, wie Gottes Hand sich über die Gesamtheit von allem erstreckte. Er hatte mich vor diesem finsteren Tod gerettet. Er schickte mich auf den Pfad zur Erlösung.

    Ich musste ihm lediglich folgen.

    Vom Flughafen aus rief ich ein Taxi, dabei fühlte ich mich unbehaglich in dem Körper eines kleinen, rundlichen, koreanischen Geschäftsmannes mit einer merkwürdigen Vorliebe für Zeichentrickpornos. Ich zog Frauen vor, weil sie mir vertrauter waren: Sie passten besser, und es war weniger anstrengend, ihre Leben noch mal durchzumachen. Ich hätte eine Frau ausgesucht, fürchtete aber, dass man mich dadurch leichter entdecken würde. Es war eine Sache, als Geist zwischen Menschen hindurchzuwandern. Es war etwas anderes, direkt auf die Nicht-Creidim zuzugehen.

    Ich hatte keine Ahnung, ob sie ein Artefakt besaßen, das ihnen erlaubte, durch die Hülle auf die Seele am Steuer zu blicken. Es gab keine Sicherheit, dass sie nicht etwas hatten, das mich endgültig vernichten konnte. Ich hatte Elyse überrumpelt, gleich nachdem sie die Tür geöffnet hatte, um Landon hereinzulassen. Ihre Besessenheit hatte sich anders angefühlt, als besäße sie zwar die Fähigkeit zu widerstehen, es aber nicht tat. Als würde sie mir erlauben, sie zu kontrollieren, anstatt von meiner Macht unterworfen zu werden.

    Sie war stark, das war sie. Ich wusste, dass ich sie deshalb zurück wollte. Abgesehen von ihrer Kraft und ihrem Zugang zur Reliktsammlung der Nicht-Creidim, war sie die einzige Sterbliche auf Erden, die das überstehen konnte, von dem ich wusste, dass es bevorstand.

    Was war es genau? Ich hatte mehr als genug Zeit mit dem Versuch zugebracht, diese Frage zu beantworten. Die oberste Schicht war recht durchschaubar: eine Möglichkeit finden, Landon aus der Box zu holen, ohne dass das Biest zusammen mit ihm entkommen konnte. Oder einen Weg finden, das Biest zu vernichten, während er noch in der Box war. Ich wusste, dass er noch mit jemand anderem hineingegangen war: Charis. Ich wusste, dass er sie liebte, und er würde wollen, dass auch sie gerettet wurde. Um seinetwillen würde ich es versuchen, aber sie war nicht Zweck, sondern er.

    Wir sollte ich beides anstellen? Ich wusste es nicht. Ich wusste nicht einmal, wo ich anfangen sollte. Ich hatte Landon in Ägypten gesehen. Ich hatte gesehen, wie er verschwunden war, und hatte bei seiner Rückkehr bemerkt, dass man ihm etwas gegeben hatte: ein Armband. Vielleicht konnte derjenige, der es ihm gegeben hatte, weiterhelfen?

    Erst mal brauchte ich eine Hülle. Eine beständige, sterbliche Hülle, die gegen die Göttlichen kämpfen und die Sache durchstehen konnte. Darum war ich nach Japan gekommen. Deshalb wollte ich Elyse. Ein Schritt nach dem anderen.

    Das Taxi ließ mich nahe vor dem Dock raus. Die meisten Sterblichen wussten nichts von den Nicht-Creidim, oder wenn doch, dann nannten sie sie bei anderen Namen, die zwar unzutreffend, aber nahe dran waren. Dieser Fahrer wusste, was ihn am anderen Ende des Piers erwartete. Er wollte nichts damit zu tun haben.

    »Viel Glück, mein Herr«, sagte er. Er sprach Japanisch, aber mein Wirtskörper zum Glück auch. Ich hatte den Teil seines Verstandes im Griff, der mir bei der Übertragung half.

    »Behalten Sie den Rest«, sagte ich und überreichte ihm einen Geldschein aus der Brieftasche des Mannes. Natürlich hatte er japanische Währung dabei, er war hierher unterwegs gewesen, bevor ich ihn in Besitz genommen hatte.

    Ich schob den Körper über den Rücksitz des Taxis und packte den Türgriff mit den Wurstfingern. Ein leichter Stoß, die Tür ging auf, und ich watschelte hinaus. Der Fahrer verlor kaum Zeit damit, sich zu verdrücken, wendete in drei Zügen und fuhr mit aufheulendem Motor davon. Ich stand vor dem Maul des Drachen und starrte in seinen Schlund.

    Ich atmete tief durch und ging vorwärts, wobei ich die Schritte nachvollzog, die Landon genommen hatte, als er das Schwert holte. Der Erlöser, das Schwesternschwert des Heilands, der mein Herz durchbohrt und mich ganz gemacht hatte. Als ich mit sterblichen Augen in das tiefer werdende Zwielicht blickte, verspürte ich eine Schwäche und Verwundbarkeit, die ich kaum beschreiben könnte. Fühlten sich die Menschen immer so? Das fragte ich mich oft.

    Das kaum hörbare Platschen hinter mir machte mich auf den Angreifer aufmerksam. Früher hätte ich ihn auf ein Dutzend Yards oder mehr gerochen. Jetzt hatte ich gerade genug Zeit, mich unter seinem versuchten Griff zu ducken und ihm dann mit einer umständlichen Drehung die Beine wegzutreten. Die Bewegung riss ihn von den Füßen, brachte aber auch mich zu Fall.

    »Jesus!« Ich verlagerte mich und versuchte, das Gewicht unter Kontrolle zu bringen und wieder auf die Füße zu kommen. Ich plumpste auf die Seite und stützte mich mit dem pummeligen Arm auf, wobei ich spürte, wie die Muskeln sich beschwerten. Ich war nur halb hochgekommen, als sich ein Sneaker in meine Eingeweide grub.

    »Bleib unten«, sagte eine Stimme.

    Ich kam wankend auf Hände und Knie und hob den Kopf, um ihn anzusehen. Ein jüngerer Mann, mit einem Ring in der Nase und einer Tätowierung auf einer Gesichtshälfte. Er hatte kurzes, stacheliges Haar und große Ohren. »Nimm dir, was du willst«, sagte ich und blieb regungslos. Er stand ein paar Yards entfernt. Ich wollte, dass er näherkam.

    »Ich will dein Geld nicht«, erwiderte er.

    »Was willst du dann?«

    Er lächelte, und seine Zähne verlängerten sich zu scharfen Spitzen. Ein Vampir. War ja klar.

    »Dein Blut«, sagte er.

    Wäre er ein Mensch gewesen, hätte ich den Koreaner liegengelassen und ihn übernommen. Er wäre ein besserer Wirt. Er war keiner, also konnte ich es nicht. Den Körper zu verlassen und durch den Äther zu schweben, war noch kein Gedanke, der mich reizte.

    Er kam langsam auf mich zu, wirkte aber verwirrt. »Das ist der Teil, bei dem du Angst haben solltest«, sagte er.

    »Das ist der Teil, bei dem du Angst haben wirst«, sagte eine Stimme irgendwo aus der Dunkelheit.

    Wir beide, der Vampir und ich, drehten die Köpfe und suchten nach der Stimme. Sie sprang vom Lagerhaus neben uns und landete sanft, obwohl es zwanzig Fuß abwärts ging. Elyse.

    »Das war blöd von dir, dich hier blicken zu lassen«, sagte sie.

    Ich wusste nicht, ob sie mit mir sprach oder mit ihm. Vermutlich mit ihm. Ich wartete ab.

    »Wer bist du?«, fragte er. Er wirkte bereits etwas verängstigt.

    »Ich bin die Sicherheit.« Sie kam auf uns zu. Sie war in schwarz gekleidet, ihr Kopf in einen Schal gewickelt, sodass nur die Augen sichtbar waren. Nur für einen Moment ruhten sie auf mir, aber ich hatte das Gefühl, dass sie wusste, wer ich war.

    Das Grinsen des Vampirs wurde wieder breiter. »Du bist heiß, deshalb werde ich dich nicht töten«, sagte er. »Ich mache dich zu meiner Schlampe.«

    Er hatte wirklich keine Ahnung, mit wem er es zu tun hatte. Ich verstand nicht, wie das sein konnte. Selbst wenn seine Familie nicht wusste, dass hier das Gebiet der Nicht-Creidim war, wäre es seinen Leuten trotzdem klar gewesen, dass sie sich fernhalten sollten.

    Elyse erwiderte nichts. Sie zog einen geschmückten Dolch von der Hüfte und warf diesen auf ihn. Er bewegte sich nicht einmal, seine Augen folgten der Flugbahn des Wurfgeschosses, als es sich in seinen Bauch bohrte. Ich erwartete, dass die Wunde sofort anfangen würde zu dampfen, aber das tat sie nicht. Blut ergoss sich wie ein Schwall auf den Boden, und er schrie vor Schmerz.

    »Bitte«, kreischte er. »Bitte, hilf mir.« Ungläubig starrte er auf den Dolch hinunter, und dann fiel er auf die Knie. Was für eine Art Vampir war das?

    Elyse war nun herangekommen, packte den Dolch und riss ihn aus seinem Unterleib. Gedärme wurden hinterhergezogen, und er fiel vornüber auf den Bauch – tot. Er wurde nicht zu Asche.

    »Was?« Das Wort entwischte mir ohne Gedanken.

    Elyse hockte sich hin und wischte das Blut an seinem Körper ab, dann wandte sie sich mir zu.

    »Rebecca«, sagte sie. »Ich bin froh, dass du gekommen bist. Wir müssen reden.«

    Ich blieb auf Händen und Knien und starrte sie an. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.

    »Woher wusstest du, dass ich es bin?«, fragte ich endlich.

    Sie zog den Schal von ihrem Kopf und entblößte einen kahlen Skalp, wobei sie auf der Stirn eine gabelförmige Narbe trug, in die Gold eingelassen war. Noch immer rann ein wenig Blut aus der umgebenden Wunde.

    »Das Geheimnis, um Geister zu sehen«, sagte sie. »Du bist nicht die Einzige.«

    Mit aufgerissen Augen starrte ich darauf. »Wo hast du das gelernt?«

    »Wie du weißt, besitzen wir eine hübsche Sammlung uralter Schriftrollen. Hätte Landon gewusst, wie viele, dann bin ich sicher, dass ich ihn schon früher kennengelernt hätte.« Sie streckte eine Hand aus und half mir auf die Füße. »Wenn du versucht hast, unauffällig zu erscheinen, dann bist du gescheitert. Wenn du versucht hast, hilflos zu wirken, dann warst du erfolgreich.«

    Ich zeigte auf die Leiche des Vampirs. »Ich verstehe das nicht.«

    Sie drehte sich zu ihm um und seufzte. »Die Welt verändert sich, Rebecca. Nicht zum Guten, glaube ich. Das ist der zweite, den ich diese Woche zur Strecke gebracht habe.«

    »Sollten die Vampire nicht wissen, dass sie sich von hier fernhalten sollen?«

    »Die Vampire schon. Der hier ist kein Vampir. Wenigstens kein echter Bluttrinker.«

    Ich war noch verwirrter. »Ich verstehe nicht.«

    »Komm mit«, sagte sie und nahm meine Hand. »Ich erzähle dir alles, was ich weiß. Ich glaube, dass wir uns vielleicht gegenseitig helfen können.«

    DREI

    Rebecca

    Sie führte mich ins Lagerhaus, hinunter in das befestigte, unterirdische Anwesen, wo sie wohnte. Die anderen sahen mich neugierig an und fragten sich, was sie mit einem Sterblichen im Schlepptau wollte, wussten es aber besser, als Joes Tochter Fragen zu stellen.

    Sie führte mich in ihre Wohnung, einen offenen Raum mit einem großen Aquarium, das die Außenwände umgab. Sie machte uns Tee, dann setzten wir uns auf eine weiche Matte in der Mitte des Bodens und nippten an der Kamille, während wir redeten.

    »Du wolltest mir sagen, was los ist«, sagte ich und hob die Porzellantasse an die Lippen meiner Hülle. Die Finger konnten kaum den Henkel richtig halten, und beinahe hätte ich mir das Getränk in den Schoß geschüttet. »Vampire, die keine Vampire sind.«

    Sie nahm einen grazilen Schluck aus ihrer eigenen Tasse und stellte sie dann neben sich ab. »Ja. Das fing vor zwei Monaten an. Zur selben Zeit wie dieser sogenannte Ausbruch in Mumbai, wegen dem die Leute angefangen haben, sich gegenseitig umzubringen.«

    »Das war das Biest.«

    Sie nickte. »Ich war nicht sicher, hab’s aber vermutet. Vater auch. Seine genauen Worte waren: ›Ich frage mich, ob wir den Erlöser jemals wiedersehen werden.‹ Er kann manchmal etwas … einspurig sein. Die Aufstände gingen vorbei. Ich dachte zuerst, Landon hätte gesiegt, aber dann hörten wir allmählich Gerüchte.«

    Ich war auch einspurig gewesen. Ich hatte alle Energie aufgewendet, hierher zu kommen. »Gerüchte?«

    »Dass die Diuscrucis verschwunden waren. Beide. Dass es eine neue Dämonenkönigin gäbe, die außerdem zufällig Baals eigene Tochter sei. Dass der Pariser Erzteufel wieder im Spiel wäre, mächtiger noch als jemals zuvor, und mit dem Dämon Izak unter seinem Pantoffel. Dass die Hölle wieder die Oberhand hätte und die Niederlage unausweichlich wäre, wenn Landon die Dinge nicht geraderückte.« Sie sah mir in die Augen und hielt mich mit einem stählernen Blick gefangen. »Dass sie die Welt gebrochen hätten.«

    So viel Macht war in die Box geflossen. Ein Universum aus Energie in einem Rubik-Würfel. Hatte unser Universum dem nicht standhalten können? »Landon hat das Biest in Avriels Box gefangen. Er musste dort bei ihm bleiben, um ihn festzuhalten.«

    »Du willst ihn befreien«, sagte Elyse.

    Ich konnte nichts vor ihr verbergen. Sie hatte mich durchschaut, als ich sie in Besitz genommen hatte. Ich wusste nicht wie, aber sie hatte. »Ja.«

    »Ich auch.«

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