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THE DIVINE CHRONICLES 2 - TÄUSCHUNG
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eBook380 Seiten5 Stunden

THE DIVINE CHRONICLES 2 - TÄUSCHUNG

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Über dieses E-Book

GUTE TEUFEL, BÖSE ENGEL
Mein Name ist Landon. Ich bin ein Diuscrucis: zu gleichen Teilen Mensch, Dämon und Engel, auserwählt, den Krieg zwischen Himmel und Hölle im Gleichgewicht zu halten. Klingt fantastisch, nicht wahr? Das dachte ich anfangs auch, doch inzwischen ist viel passiert. Natürlich habe ich die Welt gerettet, doch der Preis war hoch. Beispiele gefällig? Ein Werwolf hat sich in meiner Seele eingenistet, ich wurde verraten, musste Freunde sterben sehen und nun ist auch noch die kleine Sarah verschwunden. Ich hätte die Warnung der Dämonenkönigin ernst nehmen sollen …

"Täuschung" ist der zweite Band der Urban-Fantasy-Reihe von Michael R. Forbes
SpracheDeutsch
HerausgeberMantikore-Verlag
Erscheinungsdatum12. März 2018
ISBN9783961880263
THE DIVINE CHRONICLES 2 - TÄUSCHUNG

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    Buchvorschau

    THE DIVINE CHRONICLES 2 - TÄUSCHUNG - M.R. Forbes

    ACHTUNDZWANZIG

    EINS

    Ich konnte mich nicht an das letzte Mal erinnern, als ich geschlafen habe. Ich konnte mich nicht daran erinnern, wie es sich anfühlte, eine Matratze unter mir zu spüren, meine Augen zu schließen und von etwas einigermaßen Wichtigem zu träumen, oder von etwas, das zumindest so was wie Erleichterung verschaffte von der Leere des Wachseins. Ich konnte die Idee nicht greifen, Frieden in der Dunkelheit zu finden, Ruhe für meinen immer wachsamen Geist, oder Trost für meine erschöpfte Seele. Schlaf war etwas für die Menschen, nicht für mich. Jetzt ist es nur noch ein Wunsch, eine Erinnerung, eingehüllt in Dunkelheit, die niemals kommt.

    Erinnerungen. Sie zerrten an mir, wie ein tonnenschwerer Amboss. Der Unterschied ist, einen tonnenschweren Amboss könnte ich wegstoßen. Mit den Erinnerungen war ich gefangen.

    Ich kauerte auf dem verlängerten Dach eines Bürogebäudes, ein neogotisches Ungetüm aus Eisen, Glas und Spiegelung. Vor mir befanden sich verspiegelte Fenster, welche die Innenwelt von der Außenwelt abschirmen sollten. Ich denke, es war passend, dass ich durch sie hindurchschauen konnte. Ich konnte die versammelten Engel drinnen sehen. Ich konnte spüren, wie die Dämonen sich näherten.

    Sie kamen aus dem Keller, mühelos erklommen sie die Fahrstuhlschächte. Mindestens drei Dutzend von ihnen, herbeigerufen aus der Hölle von einem gefallenen Engel, der ihnen von dem Treffen erzählt hatte. Ich wusste nicht wie. Vielleicht, wenn Obi und ich noch regelmäßig miteinander sprechen würden, hätte ich ihn fragen können. Ich bin sicher, er wüsste die Antwort. Es war nicht wichtig. Alles zu seiner Zeit.

    In meinen Gedanken kehrte ich immer an denselben Ort zurück. Ich fragte mich, wenn ich wirklich so achtsam wäre, wie Dante behauptet, dass ich es sei, wie anders dann wohl alles wäre. Ich hatte Rebeccas Verrat niemals kommen sehen. Ich war von ihrer Schönheit geblendet gewesen, von ihrer kunstvollen Art und Weise der Täuschung gefangen gewesen. Sie hatte nicht mal ihre dämonische List bei mir anwenden müssen.

    Dante hatte mich gewarnt, und ich habe es vermasselt, aber so richtig. Er hatte nicht einen Atemzug verschwendet, bevor er mich daran erinnerte, dass er mich davor gewarnt hatte, ihr zu vertrauen.

    Ja, ich habe den Gral wiederbekommen und dort versteckt, wo ich hoffe, dass ihn niemand jemals finden würde. Was ich als Bezahlung für meine Bemühungen bekommen habe, war der Verlust eines noch größeren Miststücks, als sie den Anschein gemacht hatte zu sein.

    Die Engel hatten sich um einen einfachen runden Tisch geschart und starrten auf einen Computerbildschirm. Es waren insgesamt vier, drei von ihnen erkannte ich. Sie trugen Geschäftsanzüge, Aktenkoffer, und sahen aus wie ein Quartett normaler Bürohengste, zusammengekommen für einen schnellen Vortrag. Ihre Flügel waren nicht mehr als kleine Auswölbungen unter ihrer Kleidung, ihre Schwerter waren verbannt in ihre Verstecke im Himmel. Es waren erfahrene, alte Seraphen. Wie Josette es auch gewesen war.

    In einem ledernen Chefsessel saß eine berührte Frau, Rachel Taylor, ein Bruce-Wayne-Verschnitt – Menschenfreundin und Karrierefrau. Sie präsentierte ihnen, wie ihre Wohlfahrtsorganisationen liefen, und die Engel zeigten lächelnd und nickend ihre Zufriedenheit. Ich war mir sicher, sie mussten wissen, dass Dämonen kamen, aber vielleicht auch nicht. Ich hatte diese Perspektive vor Jahren verloren.

    Fünf Jahre. So lange ist es her seit dem Verrat. Ich musste mich ab und an daran erinnern, denn in letzter Zeit verschwammen die Tage ineinander; in ein nicht enden wollendes Gemisch aus Farben und Grautönen. Ich bevorzugte es, mir einzureden, dass Rebeccas Doppelspiel mich hierhergebracht hatte, aber zu dieser Zeit genoss ich es, auch mich selbst zu belügen. Das waren der Zuckerguss, die Kirsche und der Strohhalm. Ich hatte Josette verloren, Obi war seitdem nicht mehr derselbe, und, um ehrlich zu sein, die Langzeiterinnerungen eines Engels und eines Dämonen Vollzeit in seinem Schädel rumschwirren zu haben, stellte noch immer eine Herausforderung an mich dar, mich nicht selbst dabei zu verlieren. In ruhigeren Momenten konnte ich ihr Geflüster in meinem Kopf hören, ihre entgegengesetzten Meinungen, wie sie, wie in einem abgedroschenen Klischee, miteinander zankten.

    Ich hörte auf, durch das verspiegelte Glas zu schauen, und betrachtete stattdessen mein Spiegelbild. Meine Augen hatten sich an diesem Tag verändert. Vor langer Zeit waren beide einmal blau gewesen, aber jetzt schimmerte eines im wundervollen tanzenden Gold eines Engels und das andere war dämonisch feuerrot. Gleichgewicht. Ich musste beinahe spucken bei diesem Gedanken. Gleichgewicht war der schlechte Scherz des Universums. Ich nehme an, ich war die Pointe.

    Einer der Engel drehte seinen Kopf, sah aus dem Fenster und drehte sich direkt zu mir. Ich sprang auf und griff nach dem Seil, das ich vorher auf dem Dach befestigt hatte, meine Füße tapsten leicht auf der Etage über ihnen. Es störte mich nicht, ob er mich gesehen hatte oder nicht, aber es würde vieles einfacher machen, wenn er mich nicht gesehen hatte. Er hatte mich nicht gesehen.

    Josette. Ich hatte versucht mit ihr zu sprechen, nachdem sie mir ihre Seele gegeben hatte. Ich hörte dieses Flüstern, und so oft dachte ich, ich könnte zurückflüstern. Ich hatte versucht zurückzuflüstern, aber sie hatte nie geantwortet. Aber das hat ihre Erinnerungen nicht davon abgehalten, durch mich hindurchzuströmen, normalerweise angestoßen durch einen Gedanken, ein Wort, eine Umgebung oder irgendwas anderes. In solchen Momenten war ich sie, zu dieser Zeit und an diesem Ort, mich selbst komplett verlierend.

    Ich ließ das Seil los und landete lautlos wieder auf der Aussparung. Die Engel waren jetzt abgelenkt; sie hatten endlich die Signale des herankommenden Bösen empfangen und ihre Verteidigungspositionen eingenommen. Ein Engel stand auf jeder Seite des Aufzugs, um die Dämonen aus einem Hinterhalt heraus anzugreifen, die anderen zwei standen schützend vor Rachel vor dem Tisch. Was Rachel anging, sie hatte ein Paar Revolver aus ihrer Tischschublade geholt und zielte mit ihnen auf den Fahrstuhl. Silberne Patronen, da war ich mir sicher. Sie waren schlecht vorbereitet.

    Die Dämonen waren nur einige Stockwerke unter ihnen, eine Masse aus Hitze für meine Sinne. Ulnyx sei Dank konnte ich sie anhand ihres Geruchs ausfindig machen. Es war der übliche Angriffstrupp, eine erste Linie Fußsoldaten der Dämonen, die im Hinterhalt getötet werden können, eine zweite Welle teuflischer Krieger und ein gefallener Engel, der sie kommandierte. Sechsunddreißig gegen viereinhalb. Es wäre ein recht fairer Kampf, nicht wirklich der dämonische Stil.

    Rebecca. Als ich sie das letzte Mal gesehen hatte, hatte sie mich gelähmt am Boden zurückgelassen, darauf wartend, dass meine Wirbelsäule sich wieder mit mir verbinden würde, während sie ihre Höllenfahrt unternahm. Ursprünglich hatte ich geglaubt, dass sie dies tat, weil es ihr einziger Fluchtweg gewesen war und mich davon abhalten würde, ihr zu folgen. Ich hatte mir gesagt, dass sie wiederkommen würde, dass die Macht sie verwirrt hatte, die sie von Reyzl gestohlen hatte. Es war ein albernes Hirngespinst gewesen, das meine emotionale Wunde hätte heilen sollen. Eine sture Leugnung der Erkenntnis, dass die Dämonin, wegen der ich mich während meines Lebens nach dem Tod lebendiger gefühlt hatte als während meines eigentlichen Lebens, nicht auch eine Sklavin der versprochenen Macht war, wie all die anderen. Aber die Jahre gingen ins Land und sie blieb in der Verdammnis.

    Mr. Ross hatte das auch Dante berichtet, aber er wusste nur, dass sie ein bestimmtes Wissen suchte, das sie nicht im Reich der Lebenden finden würde. Dante hatte vollstes Vertrauen zu seinem Sammler, aber über die Jahre hatte es für mich den Anschein gemacht, dass seine Berichte immer etwas sehr kurz gehalten waren, dass immer etwas in ihnen fehlte. Oder vielleicht war es nur meine allgemeine Paranoia.

    Ihre Abwesenheit war aber keine komplette Verschwendung. Ohne die übertragenen Erinnerungen und die Macht der Generationen von Solens Nachkommen, war die Familie in einen Zustand des Chaos verfallen, ein Schatten ihres vormaligen Ruhms, gefangen in der Mitte eines Kampfes um Macht, der ihnen nur noch die Zankereien um die Überreste ließ. Reyzls Tod hatte ein ähnliches Machtvakuum unter den höheren Dämonen hinterlassen, selbst jetzt kämpften noch böse Geister und gefallene Engel um diese Rolle, während sie gleichzeitig darauf wartenden, dass jemand anderes die Rolle übernehmen wird, um zu sehen, wie ich darauf reagieren würde. Der bevorstehende Angriff auf die Engel war ein belangloser Einsatz, um die Muskeln spielen zu lassen. Zumindest für sie.

    Die Dämonen hatten die Etage erreicht. Die Türen des Aufzugs würden sich jeden Moment öffnen und der Kampf würde beginnen. Ich wusste, warum die Dämonen dort waren. Ich brauchte Obi schließlich nicht für alles.

    Ich hatte meine eigenen Erfahrungen darin, Netzwerke zu hacken und in den dunklen Ozeanen des Dark Web zu surfen. Es war an der Zeit einzugreifen.

    Ich konzentrierte meine Gedanken auf das verspiegelte Glas. Meine Technik hatte sich über die Jahre verbessert, und wenn ich es vorher nur in Kristalle aus Splitter und Staub gesprengt hätte, überhitzte ich es jetzt, verflüssigte es und beobachtete wie das Fenster schmolz. Ich schlüpfte in dem Augenblick hinter Rachel hinein, als sich die Türen des Aufzugs öffneten.

    Bevor die Engel damit loslegen konnten die Fußsoldaten anzugreifen, erlaubte ich ihnen mich zu sehen. Es war wie eine Schockwelle, die meiner physikalischen Form entfuhr und die Engel dazu brachte, alle Gedanken an den Angriff der Dämonen zu stoppen und sich stattdessen mir zuzuwenden. Dies führte dazu, dass die hereinkommenden Fußsoldaten in den Raum fielen und dann ihre Richtung änderten, in einem verzweifelten Versuch wieder zu verschwinden.

    Fünf Jahre waren genug Zeit gewesen, einige neue Tricks zu lernen. Einer davon war es, meine Präsenz vor anderen Göttlichen abzuschirmen. Diesen Trick zu erlernen war eine interessante Übung gewesen, da er erstens ein Verständnis erfordert, wie die göttliche Wahrnehmung funktioniert, und zweitens einer außerordentlich feinen Kontrolle der Energieströme bedarf, die über meine Seele in meine physikalische Repräsentation flossen.

    Am Anfang war es eine Quelle der Verwirrung gewesen, dass die Göttlichen damit zu kämpfen hatten, mich richtig zu erkennen, in einigen Fällen dachten sie, ich wäre ein Dämon, in anderen ein Engel. Seitdem habe ich gelernt, dass jede Form von Macht seine eigene, einzigartige Signatur hatte, vergleichbar mit der Benutzung eines Radars, der dir anzeigte, welches Flugzeug du dir gerade betrachtest, obwohl du es nicht sehen kannst. Mit der Ausnahme, dass die Göttlichen in den ersten Tagen meiner freiwerdenden Energie das Gleichgewicht der Kräfte des Fegefeuers wahrnahmen, in Abhängigkeit meiner jeweiligen geistigen Verfassung.

    Später hatte ich gelernt, diese Energien zu kontrollieren, und konnte sie nun so weit neutralisieren, dass ich noch immer den Anschein eines göttlichen Wesens erweckte; meine wahre Identität als ein Diuscrucis. Richtig spaßig wurde es, als ich die Energien von Josette und Ulnyx in den normalen Fluss mit hineinmischte. Nach zahlreichen Fehlversuchen, und mit Sarahs Hilfe, hatte ich herausgefunden, dass ich mich effektiv aus den Sinnen anderer göttlicher Wesen negieren konnte und, was mindestens genauso wichtig ist, ich konnte andere Signaturen nachahmen. Es war nicht sonderlich hilfreich im Kampf gegen die mächtigeren Spieler, aber dennoch war es auch nicht zu verachten.

    Ich wartete, während die Fußsoldaten sich zurückzogen. Stand bewegungslos da, bis der gefallene Engel den Raum betrat, seine teuflischen Krieger in einer Reihe hinter sich geschart. Ich warf Rachel einen kurzen Blick zu. Sie hatte die Waffen auf den Tisch gelegt und sah mich mit angstvoller Besorgnis an.

    »Diuscrucis«, sagte der gefallene Engel. Ich kannte ihn. Alyle. »Auf welcher Seite kämpfst du?«

    Ich sah mich im Raum um, sog den Geruch von Angst und Unsicherheit auf, den Geruch der Hoffnung. Das war die Frage der Fragen, jedes Mal wenn ich auf der Bildfläche erschien, wenn beide Parteien sich bekämpften.

    Welcher Seite würde ich mich heute anschließen? Wo liegt das Gleichgewicht gerade? Die ersten zwei Jahre war ich treuer Verbündeter der Engel gewesen. Ich hatte mehr Dämonen getötet, als ich zählen konnte. Ich hatte ihnen den Freiraum gegeben, damit sie ihren friedvolleren Aufgaben im Dienst des Guten nachkommen konnten. Das Töten war toll für sie gewesen, hatte mich aber müde und leer gemacht. Der Gedanke, dass meine ewige Zukunft aus vorhersehbarer Gewalt bestehen würde, war nicht gerade berauschend.

    Danach hatte ich für zwei Jahre Frieden erklärt. Ich hatte mich aus dem Kampf zurückgezogen, ein Beobachter des Gleichgewichts, das der Menschheit die Kontrolle über ihr eigenes Schicksal überlies. Die meiste Zeit hatte ich damit verbracht, Wissen anzuhäufen. Das Wissen, von dem Charis mir gesagt hatte, dass ich es suchen würde. Die Dämonen-Königin. Ich hatte das Rätsel gelöst, nachdem ich meine Augen gesehen hatte. Ich hatte aber noch nicht das Geheimnis gelüftet, dass sie so verzweifelt von mir erwartete. Ich wusste noch immer nicht, wie ich sie finden konnte. Nachdem sie mir den Gral gegeben hatte, hatte sie sich wieder in Luft aufgelöst. Nicht einmal Mr. Ross wusste, wohin sie verschwunden war.

    Es war Dante gewesen, der mich wieder auf das Spielfeld gezwungen hatte. Er war besorgt, dass beide Fraktionen es sich zu gemütlich machten. Ich hatte ein Jahr damit verbracht, mich für eine Seite zu entscheiden, zuerst mit einem klaren Ziel vor Augen, und dann je nachdem wie ich gerade gelaunt war, wenn ein Kampf ausbrach.

    Heute Nacht versuchte ich eine neue Taktik.

    Ich sah wieder zu Rachel. »Bitte versteck dich unter dem Tisch«, sagte ich zu ihr.

    Sie warf den Engeln auf der anderen Seite ihres Arbeitsplatzes einen kurzen Blick zu, ließ sich auf ihre Knie fallen und kroch unter den Tisch.

    »Diuscrucis?«, wunderte sich einer der Engel. Silas. Er hatte Moses als Ältesten Engel im Catskill Heiligtum ersetzt. Ein alter, weiser Engel, wir hatten bereits viele Male zusammengearbeitet.

    Ich griff nach hinten auf meinen Rücken, löste das einfache Schwert der Sterblichen aus seiner Scheide und hielt es vor mir nach oben. Ich folgte dem polierten Stahl mit meinen Augen. Keine Runen, keine Magie, nur geradliniges, scharfes, spitzes Metall.

    »Für mich«, sagte ich, sprang über den Tisch und köpfte Silas. In derselben Bewegung zog ich einen der Revolver zu mir und feuerte ein Bullseye direkt zwischen Alyles Augen. Es würde den Dämon nicht töten, aber meine gewünschte Nachricht überbringen.

    Die Engel wandten sich mir zu. Die Teufel wandten sich mir zu. Für einen Moment vergaßen sie ihren eigenen Krieg. Zum ersten Mal gab es eine noch größere Bedrohung. Ich feuerte die übrigen fünf Kugeln des Revolvers ab, perfekte Treffer, auf fünf der Teufel, und dann verwandelte sich mein Körper brüllend, windend und wachsend, in etwas komplett Unmenschliches; eine massive Gestalt aus Muskeln, Kraft und Knochen. Ich spürte, wie sich ein Schwert tief in meinen Oberschenkel grub, aber ich ignorierte es. Ich sprang nach vorne und stürzte mich auf die Teufel, meine massiven Krallen zerfleischten sie. Sie versuchten zu fliehen, aber der Aufzugschacht war klein und ein mehr als kläglicher Fluchtweg. Ich löschte sie aus mit meiner Größe und Schnelligkeit, zerfleischte sie mit der viszeralen Wut, die immer in meinem Bewusstsein aufstieg, wenn ich die natürliche Form des Großen Wers annahm.

    Ich konnte riechen, wie die Engel sich hinter meinem Rücken neu gruppierten, sich für einen gemeinsamen Angriff auf meine Flanke organisierten. Alyle war bei ihnen, schloss sich ihnen im Kampf gegen mich an, akzeptierte ihre unausgesprochene Aufforderung nach Hilfe. Das war eine interessante Entwicklung. Es würde ihnen nichts helfen. Ich erledigte die letzten beiden Teufel und gab dann Ulnyx Gestalt auf, schrumpfte wieder auf die menschliche Größe. Ich zog mein Schwert zu mir und stand steif und gerade vor den übrigen Engeln.

    »Warum?«, fragte der gefallene Engel. Ich wusste, dass genau diese Frage durch all ihre Köpfe hallen würde.

    »Gleichgewicht«, sagte ich. Ich hatte gelernt, dass dies die Antwort auf alles war, das absolut keinen Sinn ergab. Ich tanzte nach vorne, ein schwarz gekleideter Schatten, durch die Reihe der Engel. Sie kämpften gut, aber Josette war die Beste unter ihnen gewesen, bevor sie ein Teil von mir geworden war, bevor ihre Macht sich mit meiner vermischt hatte. Es dauerte nur einen Augenblick.

    Ich nahm ein Stück Stoff aus meiner Jeanstasche, wischte die Klinge damit sauber und ließ es dann auf den Boden fallen. Ich steckte das Schwert zurück in die Scheide auf meinen Rücken. Die Engel lösten sich bereits auf, erst zu Staub, dann zu Nichts.

    Ich lief zu dem Tisch hinüber. »Du kannst jetzt rauskommen«, sagte ich zu Rachel. Ich hörte, wie ihre Knie über den Boden rutschen, und dann erschien ihr Kopf am Rand des Tisches.

    Fünfundvierzig Jahre alt, kurze braune Haare zu einem Bob geschnitten, braune Augen, ein bisschen übergewichtig. Sie war intelligent, mitfühlend und eine treue Verfechterin des Guten. Sie stützte sich mit ihren Händen am Tisch ab und zog sich nach oben. Sie wusste, dass ich sie nicht töten würde, deswegen hatte sie ihre Angst verdrängt.

    »Gleichgewicht?«, fragte sie.

    Ich seufzte. »Ursache und Wirkung«, sagte ich. »Ich habe darüber nachgedacht, wie ich das lösen kann.«

    Sie neigte ihren Kopf zur Seite. »Also hast du beschlossen einfach alles umzubringen?«

    »Nicht alles. Du bist noch am Leben«, antwortete ich.

    Sie runzelte die Stirn. »Was ist mit dir passiert?«, wollte sie wissen.

    Wo sollte ich da anfangen? Ich hatte Rachel nur ein paar Monate nachdem ich den Gral wiedergefunden hatte getroffen.

    Sie war dienlich gewesen mir die nötigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen, die ich gebraucht hatte, um das Gleichgewicht wieder herzustellen – Geld, Transportmittel, Informationen, wenn immer sie welche hatte, und noch etwas anderes.

    »Ich hatte dir immer gesagt, dass sich die Dinge ändern würden, sobald das Gleichgewicht erreicht sein würde«, sagte ich.

    »Du weißt, dass das nicht das ist, worüber ich hier rede«, gab sie mir zu Antwort.

    Ich wusste es, aber ich wollte nicht darüber reden. Rachel war für mich da gewesen während einer Zeit, als ich eine Freundin gebraucht hatte, mehr als alles andere. Nein, keine Freundin. Eine Art Mutter. Sie hatte in den paar Jahren, seit ich sie kenne, einen besseren Job gemacht, als meine biologische Mutter es jemals getan hatte. Sie war eine der wenigen, die so tun konnte, als ob sie verstehen würde, was es heißt, ich zu sein. Dass ich unfähig war eine Beziehung zu ihr zu haben, ihr nahe zu sein, sich nicht mal daran erinnern zu können, was das bedeutet …

    »Landon«, sagte sie mit besorgter Stimme. Das riss mich aus meiner nutzlosen Introspektive.

    »Erinnerungen«, sagte ich dann endlich. »Ich habe versucht, sie zu bekämpfen, aber ich kann ihnen nicht entkommen. Ich bin es leid, es zu versuchen.«

    Charis hatte gewusst, was passieren würde. Sie hatte es gewusst, weil sie dasselbe durchgemacht hatte. Vielleicht hatte es sie fast zweihundert Jahre gekostet, aber sie war nicht ich. Ich hatte noch nie gut damit umgehen können. Ich versuchte so verzweifelt, es zu verarbeiten, aber ertrank dabei. Ich wusste, dass jenes Wissen, wenn ich es entdecken würde, meine Erlösung sein würde. Es musste einfach so sein.

    »Da ist noch etwas, das ich brauche«, fuhr ich fort, und schüttelte die Schwermut ab. »Deinen Datenspeicher.«

    Rachel sah zurück auf ihren Monitor. »Meinen Datenspeicher? Wofür?«

    Geflüster und Hoffnung. Meine Suche nach Informationen hatte mich nach Shanghai geführt, wo ich mit einem niederen Geist gesprochen hatte, der zufälligerweise auch einer der Topagenten für Satan in Asien war. Er hatte mir von dem Geflüster berichtet. Dass die Engel verschlüsselte Nachrichten durch die günstigsten Kanäle schickten. Dass nicht alle Engel davon wussten. Ich vermutete, dass die finanziellen Transaktionen von Rachels Wohlfahrtorganisationen einer dieser Transportwege war.

    »Recherche«, sagte ich.

    Sie sah mich wieder an. »Lass mich dir helfen«, sagte sie. »Ich weiß, dass ich nicht verstehe, was du gerade durchmachst, aber du brauchst jemanden, der dich erdet.«

    »Nein«, gab ich ihr zur Antwort. »Du kannst mir nicht helfen, jetzt da das Gleichgewicht stabil ist. Selbst wenn du es könntest, es tun würdest, würdest du fallen. Ich weiß, wie alt du wirklich bist. Du würdest es nicht überleben.« Ich griff in meine Tasche und zog einen USB-Stick heraus. Ich reichte ihn ihr. »Bitte kopiere einfach deinen Datenspeicher auf den Stick.«

    ZWEI

    Ich verließ das Taylor-Gebäude durch den Haupteingang, den bespielten USB-Stick versteckt in der Innentasche meiner Lederjacke. Ich wechselte die Straßenseite und schaute nach oben in der Erwartung, Rachel am Fenster stehen zu sehen, darauf wartend, dass ich in die Nacht hinaustrat. Sie war nicht dort. Unerwartet, aber nicht überraschend.

    Während der letzten fünf Jahre unterhielt ich zwei Basislager für meine Mission. Das erste war die versteckte Ausgrabung unterhalb der Freiheitsstatue, wo Rebecca gelebt hatte. Das zweite war mein ursprüngliches Zimmer in der Nähe des Daches des Belmont Hotels. Rachel hatte monatelang versucht, mich zu einem Umzug zu überreden – sie hatte mir sogar ein Penthouse in einem der Wohntürme angeboten, die im Besitz ihrer Firma waren. Anfangs war es noch verlockend gewesen, aber welche irdischen Annehmlichkeiten brauchte ich schon? Ich schlafe nicht. Ich esse nicht. Ich gehe ja nicht mal auf die Toilette. Ich war ein Geist aus Masse und kinetischer Energie. Ich kannte das Belmont, und ich konnte noch immer die geladene Luft spüren von jener Nacht, in der ich mit Josette Schwertkampf geübt hatte. Ich wusste nicht, ob das echt war, oder ob meine Erinnerung es nur als echt erscheinen ließ. So oder so – es machte keinen Unterschied. Die Statue … Alles dort erinnerte an Rebecca, bis zu der Flasche Parfüm, die sie neben ihrem Bett in der Schublade ihres Nachttischs aufbewahrt hatte. Ich saß nicht dort und schnüffelte daran oder irgendwas ähnlich Vergebliches. Was ich stattdessen getan hatte, war, ihre Bücher zu lesen, die Runen zu studieren und in der Hoffnung zu leben, dass ich eines Tages dort hinabsteigen würde und sie würde dort auf mich warten. Auf mich warten, damit sie mir erklären konnte, was sie getan hatte und warum. Denn das war fast genauso ein großes Geheimnis für mich, wie die Worte von Charis.

    »Überleben«, hatte sie gesagt. Das konnte so viel bedeuten. Ich hatte geglaubt, dass sie sich mir angeschlossen hatte, weil ich ihre größte Chance darstellte. Offensichtlich hatte ich mich da geirrt.

    Ich war zu sensibel gewesen. Ich hatte mich zu sehr gesorgt, und das zu schnell. Ich hatte mich am sterblichen Feuer verbrannt, verbrannt am Feuer der Hölle, verbrannt am Vertrauen. Du kannst nicht das Göttliche bekämpfen und dich um andere Dinge kümmern. Die Alternative war, die Schmerzen zu ertragen und zu verlieren, wieder und wieder und wieder. Wenn sie das Einzige waren, das dich noch verletzen kann, werden Gefühle zu deinem Feind. Wie ich schon sagte, ich genoss es, mich selbst zu belügen.

    Ich fühlte einen leichten Druck in meinem Kopf und ein Kribbeln, das meine Wirbelsäule hinabfloss an die Stelle, die ich als den Käfig meiner Seele identifizierte. Ich konnte nicht anders, ich musste lächeln. Ich setzte mich mit verschränkten Beinen in die Mitte der Straße und ignorierte die Autos, die mir gekonnt auswichen.

    »Ich bin hier, Sarah«, sagte ich und öffnete mich der Verbindung.

    »Hey, Landon«, antwortete Sarah, ihre Stimme erklang klar in meinem Geist.

    Sie hatte sich seit unserem ersten Treffen so sehr verändert. Dem Treffen, bei dem sie mir geholfen hatte die Antworten zu finden, von denen ich selbst damals nicht wusste, dass ich sie suchte. Damals war sie ein Kind gewesen, aber niemals nur ein Kind. Sie war ein wahrer Diuscrucis, der Einzige, der einer, nicht in beiderseitigem Einverständnis erfolgten Vereinigung zwischen einem Dämonen und einem Engel entstammte. Der Engel war Josette. Der Dämon war Gervais, ihr Bruder, ein Erzdämon, der von Paris aus arbeitete. Ich hatte ihn niemals gestellt aus Angst, Sarah dadurch zu verraten. Das bedeutete aber nicht, dass ich nicht wusste, wo er sich aufhielt. Josette hatte mich gebeten, sie zu beschützen. Sarah selbst hatte mich ihren Beschützer genannt, lange bevor ich wusste, dass es dazu kommen würde. Konnte sie die Zukunft sehen? Sie selbst sagt, sie könne es nicht, aber sie war auch die einzige Person, die mich anlügen konnte. Wenn sie es könnte, so zeigte sie es nie.

    »Was gibt‘s, Kleine?«, wollte ich wissen.

    Ich spürte meine Seele nur dann atmen, wenn sie sich mit mir verband. Ich war ihr Beschützer, und ich würde niemals zulassen, dass sie mich schwitzen sieht, sie nie sehen lassen, was aus meiner Welt geworden ist.

    »Ich schaue nur, was du so treibst. Wann kommst du vorbei für ein bisschen Ninja-Training?«, wollte sie wissen.

    Ihre Stimme war leicht, fröhlich. So anders, als zu dem Zeitpunkt, als wir uns das erste Mal getroffen hatten. Das Wissen, dass sie sicher war, hatte ihr gestattet zu wachsen, zu erblühen und zu leben, so, als ob sie fast normal ist. Sie lebte noch immer im Untergrund mit den anderen Erwachten, aber sie ging auf eine High-School, hatte sterbliche Freunde und war sogar öfter mal sterblich verknallt. Niemand auf der Welt wusste, dass sie anders war, außer mir, aber sie musste dennoch vorsichtig sein, ihre Fähigkeiten nicht zu offenbaren.

    Ich griff in meine Tasche und berührte den USB-Stick. »Mir geht`s gut, Süße«, erwiderte ich, und zwang meine mentale Stimme eine Oktave höher, um fröhlicher zu klingen, als ich mich gerade fühlte. »Vielleicht morgen Abend? Ich bin auf dem Weg zurück zum Belmont, um dort etwas zu recherchieren.«

    Ich hatte die letzten drei Jahre Hunderte von Stunden damit verbracht Sarah alles beizubringen, was ich … nein, was ihre Mutter über das Kämpfen wusste. Es hatte mir gut getan, dass ich in der Lage war, ihr etwas von Josette zu geben, an dem sie sich festhalten konnte, selbst wenn sie nicht wusste, oder zumindest vorgab nicht zu wissen, wo diese Fähigkeiten wirklich herkamen.

    Ihr Lachen schallte durch meinen Kopf. »Du sitzt mitten im Verkehr«, sagte sie. »Ist das wirklich nötig?«

    Das war einer der Unterschiede zwischen einem geborenen Diuscrucis und einem geschaffenen, wie ich einer war. Sie wusste immer genau, wo ich war. Sie musste nur an mich denken, und sie konnte mich sehen. Ich konnte das nicht, aber ich wusste, dass es sie sehr beruhigte, immer zu wissen, wo ich war.

    »Um ehrlich zu sein, ich hatte nicht mal darüber nachgedacht«, gab ich zu, stand auf und wechselte ganz auf die andere Straßenseite. Ich hatte mich so an die sterbliche Welt, die um mich herum zirkulierte, gewöhnt, dass ich sie manchmal total vergaß. „Wie war es heute in der Schule?"

    »Es ist immer ein Abenteuer«, erwiderte sie. «Katie Winslow und ihre Bande haben wieder versucht, mir einen Streich zu spielen, indem sie meine Dose Cola gegen eine mit Urin ausgetauscht hatten. Irgendwie endete diese dann auf Katies Kopf. Nur weil ich blind bin, habe ich noch immer meinen Geruchssinn.«

    Ich lachte. Eine Seltenheit dieser Tage, unvorstellbar, es sei denn, ich redete mit Sarah. Sie hatte schon einige Streitigkeiten mit den Schulprinzessinnen hinter sich, meistens ihrer Behinderung geschuldet und den nicht enden wollenden Einfällen an Gemeinheiten, die daraus entstehen. Sarah hatte immer gewonnen und ihre Rache war gut bemessen und verdient.

    »Was hat der Rektor dazu gesagt?«, wollte ich wissen.

    Sie lachte wieder. »Er sagte, dass ich sie hätte zwingen sollen, es zu trinken. Ich bin nicht die Einzige, die sie versucht, zu quälen. Ich bin nur die Einzige, die sich wehrt.«

    »Ich bin sicher, du möchtest nichts mehr, als ihr einen ordentlichen Arschtritt zu verpassen«, erwiderte ich. Sie hatte in der Vergangenheit bereits so was Ähnliches schon angemerkt, aber es dann wirklich zu tun, würde ihre falsche Blindheit verraten.

    Wie sollte sie das erklären?

    »Ich habe schon darüber nachgedacht. Aber was ich noch viel lieber wollte, wäre, ihr zu befehlen sich selbst einen dicken, fetten Arschtritt zu verpassen.«

    Diese Aussage brachte meine Augenbrauen in die Höhe. Obwohl sie ein Diuscrucis war, war sie bisher immer der guten Seite zugeneigt gewesen. Die Art und Weise, wie sie sich um die Erwachten unten in den Tunneln kümmerte, ihr Verlangen, ihren Mitleidenden in der Schule beizustehen. Befehlen war eine dämonische Fähigkeit und sollte nicht leichtfertig angewandt werden. Und das war auch so gar nicht Sarahs Art.

    »Geht es dir gut?«, wollte ich wissen.

    Da war eine sehr kleine Pause. Gerade lange genug, um mich wissen zu lassen, dass es ihr nicht gut ging.

    »Mir geht’s gut, Bruder«, erwiderte sie. »Mir gehen diese Hexe und ihre gackernden Minions nur langsam auf den Geist. Wie auch immer – ich gehe jetzt ins Bett. Ich wollte mich nur kurz bei dir melden und Gute Nacht sagen.«

    Ich

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