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Mission: Wiener Blut
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eBook413 Seiten5 Stunden

Mission: Wiener Blut

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Über dieses E-Book

Treibt wirklich die legendäre Blutgräfin Elisabeth Bathory in der Donaumetropole ihr Unwesen? Oder spielt jemand ein verrücktes Spiel mit den Menschen in der österreichischen Hauptstadt?
Ein neuer Fall für den Blutsauger Undercover!
Marc reist zusammen mit Kati, Isabel und Roberto nach Wien, um den mysteriösen Ereignissen auf den Grund zu gehen. Schnell wird klar, dass das rätselhafte Auftauchen der Blutgräfin nur die Spitze des Eisbergs ist, da ein ganzes Heer von Vampirjägern herumzuschleichen scheint ...
SpracheDeutsch
HerausgeberXinXii
Erscheinungsdatum28. Juli 2023
ISBN9783969371091
Mission: Wiener Blut

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    Buchvorschau

    Mission - Paul M. Hermann

    Paul M. Hermann

    E-Book, erschienen 2023

    2. überarbeitete Auflage

    ISBN: 978-3-96937-109-1

    Copyright © 2023 LEGIONARION Verlag

    im Förderkreis Literatur e.V.

    Sitz des Vereins: Frankfurt/Main

    www.legionarion.de

    Text © Paul M. Hermann

    Coverdesign: © Dream Design – Cover and Art

    Model: Sabine Barthel, Foto: © Stefan Niebecker

    Umschlagmotiv: © shutterstock 364614383 / 2004425927

    Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt.

    Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig.

    Dies gilt insbesondere für elektronische oder sonstige Vervielfältigungen, Übersetzungen, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

    detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

    http://dnb.d-nb.de abrufbar.

    E-Book Distribution: XinXii

    www.xinxii.com

    Die Handlung, die handelnden Personen, Orte und Begebenheiten dieses Buchs sind frei erfunden.

    Jede Ähnlichkeit mit toten oder lebenden Personen oder Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, ebenso wie ihre Handlungen sind rein fiktiv, nicht beabsichtigt und wären rein zufällig.

    Das Buch

    Treibt wirklich die legendäre Blutgräfin Elisabeth Bathory in der Donaumetropole ihr Unwesen? Oder spielt jemand ein verrücktes Spiel mit den Menschen in der österreichischen Hauptstadt?

    Ein neuer Fall für den Blutsauger Undercover!

    Marc reist zusammen mit Kati, Isabel und Roberto nach Wien, um den mysteriösen Ereignissen auf den Grund zu gehen. Schnell wird klar, dass das rätselhafte Auftauchen der Blutgräfin nur die Spitze des Eisbergs ist, da ein ganzes Heer von Vampirjägern herumzuschleichen scheint …

    Inhalt

    Kapitel 1

    Ein ungebetener Gast

    Kapitel 2

    Wien

    Kapitel 3

    Der Geist der Mary Vetsera

    Kapitel 4

    Ein alter Bekannter

    Kapitel 5

    Adrian

    Kapitel 6

    Werwölfe?

    Kapitel 7

    Schwör’

    Kapitel 8

    Conan und Woody

    Kapitel 9

    Shakespeare und ein Smartphone

    Kapitel 10

    Söldner

    Kapitel 11

    Im Knast

    Kapitel 12

    Diana

    Kapitel 13

    Rache

    Kapitel 14

    Im Keller

    Kapitel 15

    Eine neue Staatsform

    Kapitel 1

    Ein ungebetener Gast

    Wie an jedem Abend erwachte ich mit stechendem Blutdurst in meinem Bett in der Vampirvilla. Neben mir lag Kati, die zur Abwechslung mal nicht eine oder zwei Stunden vor mir aus ihrem Tagesstarrkrampf erwacht war. Sie drehte mir den Rücken zu und war bis zum Hals zugedeckt. Alles, was ich von ihr sah, waren ihre pechschwarzen Haare.

    Ein halbes Jahr war vergangen, seit der Nacht, in der ich in einen Vampir verwandelt wurde. Einen Untoten, der seine Fangzähne ausfahren konnte und sich im Schutz der Dunkelheit an arglose Opfer anschlich, um sie ihres Blutes zu berauben. Das war jedoch bei Weitem nicht so schlimm, wie es sich anhörte. Die Menge, die ich meinen Opfern aussaugte, schadete diesen nicht. Dafür sorgte ein Enzym, welches aus meinen Vampirzähnen in den Blutkreislauf meiner Opfer floss. Es beugte Kreislaufstörungen vor und förderte die körpereigene Blutproduktion. Nur wenn ich meinen Opfern zu viel Blut abzapfte, löste dieses Enzym eine genetische Kettenreaktion aus und mein Opfer verwandelte sich ebenfalls in einen Vampir.

    Hinzu kam, dass ich stärker als jeder Gewichtheber und schneller als jeder Sprinter war. Bei den Olympischen Spielen könnte ich zahllose Goldmedaillen gewinnen, falls unsere Spezies für die Wettkämpfe zugelassen wäre. Außerdem verfügte ich noch über tolle geistige Fähigkeiten, die es mir erlaubten, Lebende tun zu lassen, was ich wollte.

    Allerdings war ich kein teuflischer, grau melierter Graf, der einen schwarzen Umhang trägt, auf einem unheimlichen Schloss wohnt und am Tag, in der Familiengruft, in einem staubigen Sarg schläft. Und auch kein smarter Teenie-Schwarm, der in der Sonne zu glitzern begann. In eine Fledermaus verwandeln konnte ich mich übrigens auch nicht.

    Mein Name lautete Marc Degenhardt. Ich hatte braunes Haar und trug moderne Designerkleidung. Mal davon abgesehen, dass ich ein wenig blass war, sah ich aus wie jedermann. Und das noch sehr lange. Um nicht zu sagen, bis in alle Ewigkeit. Es sei denn, jemand rammte mir einen Holzpflock ins Herz oder setzte mich über mehrere Stunden dem Sonnenlicht aus. Denn dann würde ich zu einem großen Haufen Staub zerfallen. Deshalb verbrachte ich den Tag vorzugsweise in einem modernen Boxspringbett, welches ich, wie ich bereits erwähnte, mit der umwerfend schönen Vampirlady Kati teilte.

    Das war natürlich nicht immer so. Sechs Monate früher war ich der schlecht bezahlte Pförtner eines Kaltwalzwerks, bis ich in einer verhängnisvollen Nacht die Vampirin Madeleine kennenlernte. Sie war von dem ukrainischen Mafiaboss Borodenko entführt worden, der sie mithilfe eines alten schwarzmagischen Artefakts zwang, Konkurrenten zu töten. Zwei Nächte später war ich Kati zum ersten Mal begegnet. Sie hatte mich Madeleines Gefährten Pascal vorgestellt, der mich dann gegen gute Bezahlung engagiert, Madeleine aus den Fängen des Verbrechers zu befreien, was mir schließlich auch gelang. Diesen Ermittlungserfolg und meine neue Beziehung mit der bildschönen Kati nahm ich zum Anlass, mich endgültig von meinem alten Leben zu verabschieden und zu meinen untoten Freunden in die Vampirvilla zu ziehen. Außer Kati, Madeleine, Pascal und mir wohnten dort noch die Vampire Isabel und Roberto. Dazu gesellten sich unsere Freunde Claudia und René. Die beiden waren jedoch keine Blutsauger und erledigten für uns Dinge, die nur bei Tag möglich waren.

    Ich wischte die Erinnerungen beiseite und schaltete die Nachttischlampe ein, da ich gerne einmal vor Kati im Bad sein wollte. Dabei fiel mir etwas ein, das sie einmal gesagt hatte.

    »Ich bin seit über achtzig Jahren ein Vampir. Langeweile gibt es bei uns nicht.«

    Eine sehr optimistische Einschätzung. Langeweile gab es tatsächlich nicht. Aufregung jedoch auch nicht. Der vergangene Sommer hatte sich für uns Vampire als echtes Problem erwiesen. Die kurzen Nächte zwangen uns, sehr viel Zeit in unserem Haus zu verbringen. Meistens verließen wir unser Anwesen nur für ein paar Stunden, um unseren Blutdurst zu stillen. Die viele Freizeit nutzte ich, um meinen Freunden ein paar Selbstverteidigungstechniken beizubringen, die ich bei der Nahkampfausbildung der Feldjäger gelernt hatte. Dabei kam es hie und da zu amüsanten Situationen. Besonders, wenn Kati mit mir einen Hüftwurf übte. Jedes Mal, wenn sie mich mit dieser Technik zu Boden brachte, verlor sie das Gleichgewicht und landete auf mir, was meistens in einer leidenschaftlichen Knutscherei endete.

    Auch auf der Schießbahn, die uns, gegen eine großzügige Spende, vom örtlichen Schützenverein zur Verfügung gestellt wurde, verbrachten wir viele Stunden. Madeleine und Pascal hatten eine Reise durch Belgien und Frankreich unternommen, damit Madeleine sich von den Strapazen ihrer Entführung erholen konnte. Diese Reise dauerte jedoch nur zehn Tage.

    »Ich war viel zu lange von zu Hause weg. Hier erhole ich mich am besten«, hatte Madeleine hinterher gesagt.

    Ihr Gemütszustand besserte sich täglich. Wenn es etwas zu lachen gab, lachte Madeleine mit. Optisch wirkte sie wie Mitte zwanzig. Man konnte kaum glauben, dass sie schon über dreihundert Jahre alt war.

    Nach ihrer Rückkehr hatten sich Isabel und Roberto auf den Weg gemacht, um Isabels Mutter in Schleswig-Holstein zu besuchen. Kati und ich begleiteten sie und nutzten die lauen Sommernächte für lange romantische Spaziergänge am menschenleeren Ostseestrand. Die Zeit bei ihrer Mutter hatte Isabel verändert. Die quirlige, immer zu Späßen aufgelegte Blondine war ungewöhnlich schweigsam geworden. Immer wieder sah ich, wie sich in eine ruhige Ecke verkrümelte, um dort ins Leere zu starren.

    Inzwischen waren die Tage wieder kürzer geworden. In sternenklaren Nächten fielen die Temperaturen bereits in den einstelligen Bereich und die Bäume begannen ihre Blätter abzuwerfen. Wenn ich am Abend erwachte, war es draußen bereits dunkel.

    Während ich meinen Gedanken nachhing, erwachte Kati ebenfalls und drehte sich zu mir um. Sie gähnte theatralisch und lächelte.

    »Guten Abend, Schlafmütze«, begrüßte ich sie.

    Sie lächelte verführerisch und streckte mir ihre Arme entgegen. Augenblicklich rückte ich an sie heran und küsste sie.

    »Hilf mir mal auf die Sprünge, welchen Tag haben wir heute?«, fragte Kati.

    »Samstag«, gab ich zurück.

    Die Vampirlady strahlte von Ohr zu Ohr. Nach einem weiteren Kuss sagte sie: »Dann schwing deinen Hintern ins Bad und mach dich ausgehfein. Heute ist Backyard angesagt.«

    »Die Grufti-Zappelbude?«, fragte ich und verzog das Gesicht. »Könnten wir nicht lieber …?«

    Kati unterbrach mich, indem sie mir einen Finger auf die Lippen legte.

    »Marc Degenhardt, du bist ganz schön faul geworden. Im Whirlpool planschen können wir hinterher. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Wir haben uns lange nicht mehr in der Schwarzen Szene umgehört. Wie spät ist es? Ich möchte … oh nein!«

    Sie löste sich hastig aus meiner Umarmung und stieg aus dem Bett. Schweigend erhaschte ich noch einen kurzen Blick auf ihren perfekten Körper, während sie sich in ein Duschtuch einhüllte, das an einem Haken neben der Badezimmertür gehangen hatte.

    »Ich hole mir Klamotten aus dem anderen Kleiderschrank und nehme das Bad in meinem alten Zimmer. Sieh zu, dass du unter die Dusche kommst. Wir sind spät dran.«

    Zwanzig Minuten später stand ich frisch geduscht und rasiert vor dem Spiegel meines Kleiderschranks. Ich öffnete eine der Schwebetüren und holte einen schwarzen Anzug, ein dunkelgraues Hemd und eine schwarze Krawatte ohne Muster heraus. Danach öffnete ich eine Schreibtischschublade und warf einen Blick auf meine Pistole, die geputzt und geölt auf ihren nächsten Einsatz wartete. Einen kurzen Moment lang dachte ich darüber nach, die Waffe einzustecken, verwarf diesen Gedanken jedoch wieder. Seit wir Madeleine aus den Klauen des ukrainischen Mafiabosses Borodenko befreit hatten, war unser aller Dasein sehr ruhig verlaufen. Keine Verbrecher, keine Vampirjäger. Niemand, der uns Ärger machte. Meine Waffe war nur auf der Schießbahn zum Einsatz gekommen.

    Ich schloss die Schreibtischschublade und verließ das Zimmer. Auf dem Flur begegnete ich Isabel, die sich abwandte, als sie mich bemerkte.

    »Guten Abend«, sagte ich deutlich lauter als nötig.

    »’n Abend«, erwiderte Isabel mit monotoner Stimme.

    Ich trat einen Schritt zur Seite und stellte mich ihr in den Weg. Isabel blieb stehen, vermied jedoch den Augenkontakt mit mir. Es war offensichtlich, dass ihre Laune nicht die beste war. Ich unternahm einen Versuch, sie aufzumuntern, und fragte: »Wer hat was getan? Zeig ihn mir, damit ich ihn verjackeln kann.«

    Isabel sah mich an und brachte ein gequältes Lächeln zustande. Ihre glasigen, verquollenen Augen verrieten mir, dass sie geweint hatte.

    »Was ist los?«, fragte ich ernst.

    »Nichts«, erklang die tonlose Antwort.

    Die kleine Blondine versuchte, sich an mir vorbeizuschieben, doch ich versperrte ihr den Weg.

    »Sag mir, was dich bedrückt, oder ich singe schmutzige Lieder«, drohte ich.

    Wieder lächelte Isabel gequält und stammelte: »Wegen Mama. Sie wird …«

    Eine Tür öffnete sich und Madeleine erschien. Als sie uns erblickte, kam sie zu uns. Isabel verbarg ihr Gesicht in ihren Händen und schrie ihren Frust heraus. »Mama wird immer älter. Aber sie will kein Vampir werden. Irgendwann ist ihre Uhr abgelaufen. Sie …!«

    Damit brach sie in Tränen aus. Ohne zu zögern, schloss Madeleine sie in die Arme. Ich konnte nur hilflos zusehen. Mit einem Kopfnicken gab Madeleine mir zu verstehen, dass sie sich um Isabel kümmern würde. Ich machte auf den Hacken kehrt, um nach Roberto zu suchen. Als ich das Erdgeschoss erreicht hatte, öffnete sich die Haustür und der schlaksige Italiener kam mir entgegen.

    »Was ist denn mit unserem blonden Wirbelwind los?«, fragte ich.

    Roberto sah mich mit ernster Miene an. »Das geht schon so, seit wir den Geburtstag ihrer Mutter gefeiert haben. Sie ist fünfundsechzig geworden, als wir bei ihr waren. Isabel hat ihr vorgeschlagen, sie zu wandeln. Das will Anna aber nicht.«

    »Verstehe«, warf ich ein. »Isabel ist oben. Madeleine kümmert sich um sie. Vielleicht solltest du nach ihr sehen.«

    Roberto nickte und nahm die Treppe im Laufschritt. Stimmen aus dem Konferenzraum ließen mich aufhorchen. Pascal und unsere neue Hausangestellte Claudia saßen nebeneinander am großen Konferenztisch. Vor ihnen stand ein offenes Notebook. Der französische Vampir wies auf verschiedene Stellen auf dem Display und redete beinahe ohne Punkt und Komma. Claudia schien seinen Ausführungen jedoch problemlos folgen zu können. Hier und da stellte sie Fragen und machte sich Notizen.

    Ihr Freund René, der seit einem halben Jahr ebenfalls bei uns wohnte, spähte aus dem Fenster. Um Pascal und Claudia nicht zu stören, trat ich leise neben ihn und fragte: »Irgendwelche BV?«

    René schmunzelte kurz und erwiderte: »Da steht jemand am Tor. Eine Frau, soweit ich das von hier aus beurteilen kann. Ich glaube, die schießt Fotos.«

    In der Halle wurden Schritte hörbar. Sekunden später betrat Kati den Konferenzraum.

    »Hallo«, begrüßte sie Pascal und Claudia im Vorbeigehen und gesellte sich zu René und mir.

    »Wir haben ein BV«, flüsterte ich.

    Kati verengte die Augen. »Ihr mit euren Bundeswehrabkürzungen. Könnt ihr nicht ganz normal reden, damit euch jeder verstehen kann?«

    »BV heißt Besondere Vorkommnisse«, erklärte René. »Am Tor macht jemand Bilder vom Haus. Vielleicht ist sie Immobilienmaklerin.«

    Kati schob sich an mir vorbei und spähte durch das Fenster. »Die kenn’ ich doch. Die heißt Ulrike Hinz und ist Journalistin. Früher hat sie mal als Klatschreporterin für irgendein Revolverblatt gearbeitet. Vor ein paar Jahren hat sie etwas gesehen, das sie nicht hätte sehen sollen. Die Kölner Gruppe hatte eine Menge Stress wegen ihr. Als sie ihrem Chefredakteur dann aber mit einer Vampirstory kam, die durch nichts zu beweisen war, hat der sie an die Luft gesetzt. Jetzt schreibt sie für ein Provinzblättchen. Sie scheint aber immer noch auf Vampirjagd zu sein. Wir brauchen Isabel.«

    »Ich glaube, die kannst du vergessen«, gab ich zurück.

    Kati nickte und erwiderte: »Ich weiß schon. Wegen Anna. Ich gehe nach oben und rede mit ihr. Also, Oberfeldwebel Degenhardt, ab durch die Hintertür und leise durch den Garten. Wir müssen wissen, ob die Hinz alleine ist. Leutnant Weber zum Tor. Verwickel sie in ein Gespräch und lock sie zum linken Mauerpfosten. Das ist wichtig. Ich rede mit Isabel und komme dann nach. Ausführung, wegtreten!«

    Während Kati mit dem Hüftschwung eines Models den Konferenzraum verließ, sahen René und ich uns verdutzt an. »Jawohl, Frau Generalmajor«, sagten wir wie aus einem Mund und verließen den Raum ebenfalls.

    Pascal und Claudia waren so sehr in ihre Arbeit vertieft, dass sie von unserem Gespräch überhaupt nichts mitbekamen. Während René durch die Haustür verschwand, ging ich zum Hinterausgang, öffnete diesen und lauschte in die Nacht. Zu hören war nichts, außer dem Rauschen des nahe gelegenen Waldes. Trotzdem beschlich mich ein ungutes Gefühl. Was mochte diese Reporterin vorhaben? Ging von ihr eine Gefahr aus? Für einen kurzen Augenblick dachte ich darüber nach, meine Waffe zu holen, verwarf diese Idee jedoch wieder.

    »Die schießt nur Fotos, Degenhardt«, sagte ich im Geiste zu mir selbst.

    Da ich mein Sakko nicht schmutzig machen wollte, zog ich es aus und hängte es an den Türgriff, bevor ich geduckt zur Hausecke lief und über das Gelände spähte. Alles sah aus wie immer. Darum rannte ich weiter zu der weiß verputzten Ziegelmauer, die unser Anwesen vom Wald und dem benachbarten Grundstück trennte. In einer dunklen Ecke des Anwesens stand eine alte Kiefer, deren Äste an einigen Stellen auf der Mauer auflagen. Dort sprang ich an der steinernen Wand hoch und stützte mich auf den Unterarmen ab. So konnte ich die Zufahrt und die Querstraße überblicken, ohne selbst gesehen zu werden.

    An der Straße stand ein geparkter Van, in dem ich eine Bewegung und einen Lichtreflex wahrnahm. Offensichtlich war die Journalistin nicht allein. In dem Auto saß eine weitere Person. Mit dieser Erkenntnis lief ich durch den Schatten der Mauer, in Richtung des schmiedeeisernen Tores, wo René unseren ungebetenen Gast bereits in ein Gespräch verwickelt hatte.

    »Ich erkläre Ihnen das jetzt noch mal«, sagte er schroff. »Das Anwesen gehört einer französischen Unternehmensgruppe. Alles streng legal und trotzdem für die Presse nicht zugänglich.«

    »Auch nicht, wenn ich Ihnen jetzt sage, dass diese französischen Unternehmer Vampire sind?«, erwiderte die Journalistin. »Unsere Leser haben das Recht zu erfahren …«

    René unterbrach sie, indem er sich kopfschüttelnd abwendete. Mit theatralischem Erstaunen konterte er: »Das ist ja nicht zu fassen. Wie haben sie das nur rausgekriegt? Ich bin übrigens auch ein Vampir. Vor zehn Minuten habe ich noch als Fledermaus kopfüber im Dachstuhl gehangen. Eigentlich würde ich Sie jetzt gerne beißen, aber ihr penetrantes Billigparfum … Kann es sein, dass Sie zu viele schlechte Filme sehen? Übrigens, Ihre Leser haben auch das Recht, sich eine andere Zeitung zu kaufen, die nicht so einen Schwachsinn schreibt.«

    Als mir plötzlich jemand auf die Schulter tippte, wusste ich, ohne hinzusehen, dass es sich um Kati handelte. Ich hatte ihr Lieblingsparfüm schon einige Sekunden vorher wahrgenommen. »In der Querstraße steht ein Auto mit mindestens einem Insassen. Der oder die filmen wahrscheinlich, was hier gerade passiert.«

    »Dachte ich mir«, gab meine Verlobte zurück und strich mir mit dem Handrücken über das Gesicht.

    Verwundert bemerkte ich, dass sie lange schwarze Handschuhe trug. Während ich darüber nachdachte, was sie damit bezweckte, vernahm ich Schritte. Isabel erschien und schlenderte gemächlich auf das Tor zu. Im Gehen schaute sie kurz in unsere Richtung, woraufhin Kati ihr ein Handzeichen gab. Die blonde Vampirin stellte sich neben René, der damit begonnen hatte, der Journalistin einen Vortrag über Persönlichkeitsrecht und Privatsphäre zu halten.

    Ulrike Hinz starrte ihn schweigend an. Ihre Kamera baumelte am Tragegurt. Kati schlich bis ans Ende der Mauer, griff durch das Tor und zog die Kamera hindurch. Lächelnd rief sie den Bilderspeicher auf und löschte die Fotos, welche die Reporterin von unserem Haus gemacht hatte. Erst jetzt erkannte ich den Zweck ihrer Handschuhe. So waren ihre Hände nicht zu sehen, falls in dem geparkten Van tatsächlich eine Filmkamera mitlief.

    »Schlaues Köpfchen, Schatz«, flüsterte ich.

    Schließlich schob sie die Kamera wieder durch das Tor und schlich zu mir zurück. Für Isabel das Signal, Ulrike Hinz vergessen zu lassen, weshalb sie hier war.

    »Gut«, sagte die Journalistin plötzlich. »Französische Unternehmensgruppe. Keine Story. Verstehe. Auf Wiedersehen.«

    Sie machte auf den Hacken kehrt und ging zügig in Richtung Querstraße.

    »Aber es eilt nicht«, murmelte René.

    Wie erwartet, hielt die Reporterin auf den Van zu und stieg ein. Nach einigen Sekunden startete der Fahrer den Motor und fuhr davon.

    »Kleine, du bist die Größte«, sagte Kati an Isabel gewandt und schloss sie in die Arme.

    Die blonde Vampirlady erwiderte die Umarmung und brachte ein Lächeln zustande. Doch dann wurde sie wieder nachdenklich. »Einige Gedanken dieser Reporterin waren seltsam. Sie war letzte Woche in Wien. Da gab es irgendetwas von einer Frau, die von einem Vampir angefallen wurde. Von einer Gräfin und einer Batterie.«

    »Batterie?«, hakte Kati nach. »Hat diese Gräfin keinen Stromanschluss?«

    Diese Frage brachte die quirlige Blondine sogar zum Lachen.

    »Es muss ja kein Stromspender gemeint sein«, warf René ein. »Die Art und die Fla bezeichnen Kompanien heute noch als Batterien.«

    Isabels Lachen brach ab. Sie sah Kati mit großen Augen an, die die Achseln zuckte. Ich grinste und erklärte: »Das heißt Artillerie und Flugabwehr.«

    »Ach so«, erwiderte Isabel grinsend. »Ich hatte mich schon gefragt, was der holländische Pudding damit zu tun hat.«

    Diese Anmerkung empfand ich zwar nicht als besonders amüsant, lachte aber trotzdem. Diese Antwort und diese Körpersprache. Das war unsere Ulknudel, wie ich sie kannte.

    Wir kehrten zum Haus zurück, wo wir augenblicklich mit Fragen bestürmt wurden. In Kurzform berichteten wir von der Begegnung mit Ulrike Hinz. Schließlich wiederholte Isabel, welche Gedanken sie aufgeschnappt hatte. Allgemeines Achselzucken war die Folge.

    Wir beschlossen, uns zunächst auf die Suche nach Blutspendern zu machen. Nach unser aller Rückkehr wollten wir uns im Wohnzimmer treffen, um die Diskussion fortzusetzen. Überraschenderweise entschieden Isabel und Roberto, Kati und mich bei unserem Besuch im Club Backyard zu begleiten. Madeleine und Pascal folgten uns ebenfalls. Nachdem sie auf dem Parkplatz des Clubs ihren Blutdurst gestillt hatten, kehrten sie jedoch wieder zur Villa zurück. Sie wollten mit der Wiener Vampirgruppe Kontakt aufnehmen.

    Wir betraten den Nachtclub und teilten uns in zwei Gruppen auf. Zusammen mit dem italienischen Vampir drückte ich mich in den ruhigeren Ecken herum, um Gespräche anderer Gäste belauschen. Die beiden Vampirladys tanzten ausgelassen. Hier und da sprachen sie mit anderen Besuchern des Clubs und wimmelten aufdringliche Verehrer ab. Gegen zwei Uhr morgens entschieden wir, das Backyard wieder zu verlassen, da wir keine Anzeichen für eine Bedrohung fanden. Für die anwesenden Besucher waren Vampire nur Erfindungen. Fantastereien von Schriftstellern. Das Geheimnis um unsere Existenz schien immer noch gewahrt zu sein.

    Als wir zu unserer Villa zurückkehrten und die große Eingangshalle betraten, kam uns unsere Hausangestellte entgegen. Sie gähnte und sah sehr erschöpft aus. Claudia hatte sich verändert, seit sie nicht mehr unter dem negativen Einfluss ihres kriminellen Stiefbruders stand, der ein halbes Jahr zuvor Selbstmord begangen hatte. Sie wirkte selbstbewusster und legte viel Wert auf ihr Äußeres.

    Ihr ehemals aschblondes Haar war ein paar Zentimeter kürzer geworden und erstrahlte in einem dunklen Rot. Der Eifer, den sie seit Beginn ihres Fernstudiums an den Tag legte, offenbarte ihr wahres Potenzial. Doch manchmal sorgten wir uns auch um sie. Wie lange würde sie dem Druck, dem sie sich selbst aussetzte, standhalten?

    »Hallo, ihr Lieben«, begrüßte Claudia uns und gähnte erneut. »Das mit der Gräfin und der Batterie. Ich glaube, ich hab da was rausgefunden. Nicht Batterie, sondern Bathory.«

    »Richtig!«, rief Isabel und schnippte mit den Fingern.

    Claudia strahlte. »Die Gräfin Elisabeth Bathory war eine ungarische Adlige und lebte im 16. Jahrhundert. Sie soll unzählige junge Mädchen grausam zu Tode gefoltert haben. Deshalb ging sie als Blutgräfin in die Geschichte ein. Alles Weitere können euch Madeleine und Pascal erzählen. Ich geh ins Bett.«

    »Schlaf gut«, erwiderte Isabel.

    Claudia schlurfte durch die Halle und verschwand in der Verwalterwohnung, die sie mit René teilte.

    Wir gingen ins Wohnzimmer, wo wir von Madeleine und Pascal erwartet wurden. Letzterer schüttelte den Kopf und grinste. »Claudia. Dieses Mädchen ist phénomenál. Non …, ich meine …, wie heißt phénomenál auf Deutsch?«

    »Phänomenal«, erwiderte Isabel und kicherte.

    Alle anderen lachten augenblicklich mit. Es tat gut, Isabel fröhlich zu sehen.

    Pascal grinste verlegen und schaute in seinen Cognacschwenker. »Verzeiht mir, Freunde. Ich lerne erst seit fünfzig Jahren Deutsch.«

    Damit heizte er das allgemeine Gelächter noch einmal an. Nachdem sich alle wieder beruhigt hatten, ergriff Madeleine das Wort. »Während wir darüber sinnierten, wie seltsame Vampiraktivitäten in Wien mit einer Gräfin und einer Batterie zusammenhängen könnten, tippte Claudia auf dem Notebook herum. Es dauerte nur Sekunden, bis sie uns von der Gräfin Bathory erzählte. Batterie und Bathory klingt sehr ähnlich.«

    Wir versorgten uns ebenfalls mit Getränken und verteilten uns auf unserer Sitzgruppe. Pascal berichtete: »Die Gräfin Bathory lebte von 1560 bis 1614. Sie ist 1611 als Serienmörderin verurteilt worden, weil sie Hunderte von jungen Mädchen auf ihr Schloss gelockt und grausam umgebracht haben soll.«

    »Das war doch ein Film«, stellte Roberto fest. »Hat es die wirklich gegeben?«

    Madeleine schüttelte den Kopf und winkte ab. »Nicht nur einen. Wenn man für einen Gruselfilm eine blutrünstige Adlige braucht, bedient man sich der Gräfin Bathory. Soll in Ägypten ein Verfluchter als Mumie sein Unwesen treiben, dann heißt dieser meist Imhotep, obwohl man dem historischen Imhotep damit unrecht tut. Vampirfilme spielen bevorzugt in Transsilvanien …«

    »Obwohl wir doch alle wissen, dass es dort keine echten Vampire gibt«, warf ich ein, woraufhin Kati mir mit dem Absatz leicht auf den Fuß trat. Sie stammte von dort.

    Alle schmunzelten, bis Pascal fortfuhr. »Filme und Romane haben Wahrheit und Fiction um das Leben der Gräfin vermischt. Heute sind sich Historiker uneins, ob die Blutgräfin wirklich eine Serienmörderin oder victime …, Opfer einer politischen Intrige war. Denn nachdem sie zunächst ihren Mann und später ihren Bruder beerbt hatte, war sie steinreich. Sogar die Habsburger hatten Schulden bei ihr.«

    »Okay, aber wenn sie als Serienmörderin verurteilt worden ist, wurde sie dann nicht hingerichtet?«, fragte Kati.

    Pascal nahm einen Schluck aus seinem Cognacschwenker. »Naturellement. Sie wurde eingemauert. Und da wird es interessant. Hinter vorgehaltener Hand wird gemunkelt, dass die Blutgräfin ein Vampir gewesen sein könnte. War es wirklich sie, die eingemauert wurde? Oder hat man überhaupt jemanden eingemauert? Fragen, die heute niemand mehr mit absoluter Sicherheit beantworten kann.«

    »Du meinst, dass die Blutgräfin noch leben könnte, falls sie tatsächlich ein Vampir war«, folgerte ich.

    »Und, dass Lebende in Wien auf sie aufmerksam geworden sind«, ergänzte Isabel.

    Es trat eine kurze Pause ein, in der alle schweigend ihren Gedanken nachhingen. Irgendwann brach Roberto die Stille. »Bleibt die Frage, ob das unser Problem ist. Ich meine, Wien ist über tausend Kilometer von hier entfernt. Das ist doch eigentlich eine Angelegenheit der Wiener Gruppe.«

    »Im Prinzip hast du recht«, bestätigte Kati. »Aber warum ist diese Klatschtante heute hier bei uns aufgekreuzt? Die Vorkommnisse in Wien dürften für sie doch viel interessanter sein.«

    Madeleine leerte ihr Cocktailglas und stellte es auf den Couchtisch. »Das ist wirklich interessant. Ich habe vorhin mit Marie telefoniert. Sie und Anton sind die einzigen Vampire der Wiener Gruppe, die zurzeit noch in der Stadt sind. Alle anderen sind regelrecht geflohen.«

    »Warum denn das?«, fragte Kati.

    Madeleine lächelte gequält und wiegte den Kopf hin und her. »In Wien strawanzen grad mehr Vampirjäger als Touristen.«

    Ihr Versuch, den Wiener Dialekt zu imitieren, scheiterte an ihrem französischen Akzent, was zunächst allgemeines Schmunzeln auslöste, bevor uns die Bedeutung ihrer Worte bewusst wurde. Die dreihundert Jahre alte Französin errötete leicht und schaute verlegen zu Boden.

    Nach einer Pause fuhr Pascal fort. »Vor rund zwei Wochen fand in Wien ein Mittelaltermarkt statt. Auf dem Weg zur Metro … U-Bahn-Station wurde eine Besucherin ohnmächtig aufgefunden. Sie hatte die Veranstaltung kurz vor dem Ende verlassen. An ihrem Hals waren zwei Einstiche zu sehen, die an die Zahnabdrücke eines Vampirs erinnerten, wie man sie aus alten Filmen kennt. Nachdem die junge Frau das Bewusstsein wiedererlangt hatte, erzählte sie der Polizei von einer Frau in einem altmodischen Kleid, von der sie angesprochen worden war. Sie hatte sich ihr als Lisa vorgestellt. Das Opfer dachte, dass die Frau zu den Schaustellern des Marktes gehörte. Was dann geschah, daran konnte sie sich nicht mehr erinnern. Sie hatte nur noch die Stimme der Frau und einen Namen im Kopf. Gräfin Bathory.«

    »Das kann doch nur ein Fake sein«, entgegnete Isabel. »Ich meine, wir hinterlassen doch gar keine Zahnabdrücke. Dafür sorgt das Enzym. Außerdem wird ein Opfer nur dann ohnmächtig, wenn es gewandelt wird. Ist das Opfer gewandelt worden?«

    Pascal schüttelte den Kopf und leerte seinen Cognacschwenker. »Dem Opfer fehlt nichts. Allerdings, gestern fand wieder ein Mittelaltermarkt in einem anderen Wiener Bezirk statt.«

    »Da ist genau dasselbe passiert«, warf ich ein.

    Pascal nickte und ging zur Hausbar, um sein Glas nachzufüllen. Stattdessen berichtete Madeleine weiter. »Diesmal ist der Vorfall sogar beobachtet worden. Ein Parkwächter hat bei der Polizei ausgesagt, dass die Frau im altmodischen Kleid zunächst mit dem Opfer sprach. Plötzlich fiel sie das Opfer an und biss es in den Hals. Danach ist sie geflüchtet. Der Parkwächter versuchte sie zu verfolgen, verlor sie jedoch schnell aus den Augen.«

    »Das spricht dann schon eher für einen Vampir«, kombinierte Roberto.

    Pascal schüttelte den Kopf. »Mehr oder weniger. Der Parkwächter war schon

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