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eBook325 Seiten4 Stunden

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Über dieses E-Book

Steckbrief: Pete Tully, fünfundzwanzig. Beruf Elektriker. Arbeitgeber: Platzbetreiber Hulk Bishop.

Seine Arbeitslosigkeit bringt Pete Tully dem Platz nah. Einem Rummelplatz, der kurz vor der Eröffnung steht.
Hinter Petes Boss versteckt sich ein regelrechter Sklaventreiber, dennoch macht Pete die Arbeit Spaß. Zumal er ein Mann ist, der sich vor keiner Arbeit scheut und mit beiden Beinen im Leben steht, wie er selbst von sich glaubt.
Die Zeit auf dem Platz hält viel Neues für ihn bereit, stellenweise die unglaublichsten Ereignisse.

Der junge Mann freundet sich mit dem alten Ace an, und hört auch Roger Grandview, dem Mann im Rollstuhl zu, der ihn mit versteckten Andeutungen neugierig zu machen versucht, was Pete jedoch gleichzeitig wie eine Warnung vorkommt.
Seine Spaziergänge zum See bringen ihn oftmals am Haus der stets strickenden Mrs. Dendrite vorbei, für die er sich meist auch die Zeit nimmt, um ein Schwätzchen mit ihr zu halten, worüber die alte Dendrite sich augenscheinlich freut. Zwischen beiden entwickelt sich eine Art Freundschaft.
Sein Leben verläuft einigermaßen normal, bis er eines Tages glaubt, durch dichten Nebel hindurch, in der Geisterbahn tatsächlich Geister zu erblicken, und zudem von den Tentakeln eines Monsterpolypen angegriffen wird.

Gemeinsam mit seinem Freund Hank will er den Dingen auf den Grund gehen und herausfinden, wer hinter dem bösartigen Schabernack steckt. Doch dann kommt alles anders …, und Pete zweifelt immer mehr an seinem Verstand.
Yeah!
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum8. Juni 2014
ISBN9783847691747
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    Buchvorschau

    Ace - Hope Monroe

    Prolog

    »Pete. Pete Tully. Pitty«, sagte Hank zu mir und sein Blick legte sich traurig auf mich.

    Ich hob den Kopf. Meine Gedanken strömten durch ihn hindurch.

    »Warum hast du nur nicht auf all die Warnungen gehört?« Sein Tonfall ließ mich aufhorchen. Derart traurig war er noch nie zuvor gewesen. »Wieso die Zeichen nicht gesehen?« Grenzenlos traurig hörte er sich an.

    Warum ausgerechnet heute?

    Warum bei mir? Meinetwegen, womöglich? Nein, das konnte nicht sein. Es gab keinen Grund, dass Hank wegen mir traurig sein musste, das wusste ich genau.

    Mit geneigtem Kopf saß ich da, und schaute ihn nachdenklich an. Meine Schultern zuckten dabei. »Was meinst du? Ich weiß von keinen Warnungen.« Ich nagte an meiner Lippe herum. »Zeichen?«, fragte ich. »Was für Zeichen?«

    Hank lachte, doch es klang nicht froh. »Alle Warnungen hast du übersehen. Vielleicht hast du sie auch nur nicht wahrhaben wollen.«

    Ich schluckte. In meinem Hals saß auf einmal ein Kloß. »Ich hab doch alles versucht. Alleine, was ich mit Mike auf mich genommen habe, um hinter die Dinge zu steigen. Herauszufinden, was um mich herum vorging.« Ich senkte den Blick, und meinen Ton. »Du hattest mir dabei helfen wollen …«

    Sein Nicken war gequält. »Ich, Pete, hätte dir auch geholfen, wenn mein Weg nicht in eine andere, eine grässliche Weiche gezwungen gewesen wäre.«

    »Ich weiß.«

    »Dennoch, du hättest sie anders nennen sollen.«

    Meine Braue zuckte. »Was hätte ich anders nennen sollen? Wovon sprichst du?« Ich hatte echt nicht den blassesten Schimmer, was Hank meinte. Irgendwie stand ich wieder mal auf der Leitung. »Wen meinst du mit – sie –?«

    Er schnaufte hart auf. »Deine Geschichte natürlich«, antwortete er mit einer Selbstverständlichkeit, die mir fremd war.

    »Meine Geschichte? Du meinst mein Leben?«, hakte ich nach.

    Hank nickte nur.

    »Okay. Sag’s mir. Wie hättest du mein Leben genannt?« Ich richtete den Blick auf ihn. Neugierde lag in meinen Augen; und Hank erkannte sie auch, meine Neugierde, die mich dahin brachte, wohin ich kommen sollte …

    »Ich hätte es genannt – The day I died (der Tag, an dem ich starb) –.«

    Dieses Mal war es an mir, hart auszuatmen. »Das klingt doch sehr melodramatisch, findest du nicht.«

    Um seine Mundwinkel zwängte sich ein schiefes Grinsen. »Wenn du – Ace – besser findest.« Er schüttelte den Kopf. »Letztendich ist es dein Leben, um das es geht, Pete.«

    Ich nickte nur. Er hatte ja Recht. Dennoch, was änderte es?

    … Ace …

    Yeah!

    Von irgendwoher glaubte ich, ein Lichtermeer auf mich zukommen zu sehen. Doch sicher war ich mir nicht.

    Als ich meine Augen öffnen wollte, anscheinend hatte ich sie für Sekundenbruchteile geschlossen gehabt, fehlte mir die Kraft dazu.

    Erneut glaubte ich, Hanks Stimme zu hören: »Ace«, sagte er nochmals, und wie auf ein Stichwort, zog mein Leben an mir vorbei.

    Es war ein eigenartiges Gefühl, und ich wusste nicht, damit umzugehen, noch, warum ich eigentlich all das nochmals erleben musste. Selbst in einen Zeitraffer gebündelt, allerdings auf maximaler Geschwindigkeitsstufe eingestellt, war es nicht vonnöten für mich, alles noch einmal durchleben zu müssen. Ich hatte doch bereits genug gelitten. Weshalb eine Wiederholung des Ganzen?

    Ich versuchte erneut, meine Augen zu öffnen. Doch ich war zu schwach. Nur blaues Licht zwang sich zwischen meinen Wimpern hindurch.

    Stimmen drangen an mein Ohr. Aufgeregte Stimmen, doch ich verstand nicht, was sie sagten. Sie riefen alle durcheinander, kam es mir vor.

    Mein Leben, wen interessierte das schon, außer mich selbst, dachte ich noch, als plötzlich alles um mich herum dunkel wurde.

    Die Stimmen entfernten sich, drangen in einen Nebel hinein, der sie von mir trennte.

    Auch das blaue Licht war verschwunden.

    Um mich herum herrschte einsame Stille. Ich lag gefangen in Dunkelheit.

    Was passierte mit mir?

    Angst überkam mich, doch auch die verschwand kurz darauf.

    Weg, alles war weg. Selbst meine Gedanken zogen sich zurück und hinterließen eine dumpfe Leere in meinem Kopf.

    Ich merkte noch, dass mir kalt wurde. Das war das Letzte, an was ich mich erinnerte.

    Mein Leben … Warum alles nochmals von vorn‘?

    1 – It’s me (ich bin’s)

    Ich hatte zwar schon seit einigen Monaten den Führerschein, trotzdem ging ich zu Fuß. Allerdings nicht freiwillig. Meine Karre stand vor der Tür und sprang wieder mal nicht an. Später, oder vielleicht auch erst morgen, je nachdem, wie der Tag sich heute noch entwickelte, würde ich Dave anrufen und ihn fragen, ob er nicht Lust hatte, an dem alten Ding rumzuschrauben. Mit etwas Glück lief die alte Mühle dann ja wieder.

    Ich schlug den Kragen hoch. Ein Windzug hatte mich im Nacken gestreift, und mir war kalt.

    Wir hatten zwar bereits Anfang Mai, dennoch war der Mai 1979 noch ein bisschen kühl. Doch die Wetterfrösche hatten für die nächsten Tage besseres Wetter angekündigt. Hofften wir mal, dass sie sich nicht irrten.

    Ich war auf dem Weg zum Festplatz. Dumm, wie ich war, hatte ich angeboten, denen dort zur Hand zu gehen und mir ein paar Dollars zu verdienen. Dabei, ein richtiger Job wäre mir eigentlich lieber. Doch was sollte ich machen, wenn sich nichts fand. Selbst die kleinen Verlage lehnten meine Kurzgeschichten ab. Mit dem Schreiben hatte ich angefangen, gleich nach der Ausbildung. Dachte mir, versuch’s einfach. War ich wohl doch zu optimistisch gewesen. Außer meiner Freundin hatte sich niemand gefunden, den meine Geschichten sonderlich interessierten. Und selbst sie tat sich schwer damit, auch wenn sie es mir nicht zeigte, denn das, was ich schrieb, war eigentlich nicht ihr Stil. Sie mochte keine Schauergeschichten, ich dafür um so mehr. Nun ja, man sollte auch nicht undankbar sein, immerhin las Kira zumindest meine Sachen. Wobei ich manchmal glaubte, dass sie das nur tat, um sie anschließend in der Luft zerreißen zu können. Ihr gefiel dies und jenes nicht, und ich hockte da, mit der Flasche Bier vor mir, und ließ ihre Schelte über mich ergehen. Tja, so war ich nun mal. Es gab Leute, die hätten mich vielleicht – Pantoffelheld – geschimpft. Aber ich war keiner. Bestimmt nicht. I promise (ich versprech’s)!

    Na ja, ich war froh, über Kiras Meinung. Immerhin sorgte sie für Gesprächsstoff zwischen uns beiden, wenn wir schon nicht viel Zeit für Sex hatten. Und für Gesprächsstoff waren meine Geschichten gut genug. Ich ging dann danach her, kramte meine verbeulte Schreibmaschine heraus, schob einen Bogen Papier in die Maschine und fing mit dem Korrekturschreiben an. Oftmals schrieb ich die Geschichte sogar von Neuem, weil Kira sonst keine Ruhe gegeben hätte – und bis mitten in die Nacht hinein. Vielleicht spielte sich auch deswegen so wenig bei uns im Bett ab. Immerhin kroch ich oftmals erst in den frühen Morgenstunden unter die Decke. Da schlief Kira schon lange und wollte ihre Ruhe. Ich war ja auch nicht sonderlich reizvoll für sie. Immerhin stank mein Atem um diese Uhrzeit nach kaltem Rauch, und die Alkoholfahne meiner Biere, gesellte sich auch noch mit dazu. Nicht sonderlich verführerisch.

    Ich ging schneller, denn über mir zogen sich dunkle Wolken zusammen. Nicht mehr lange und der Regen krachte über mir hinweg. Dann wäre ich auch noch nass, und mein letztes Paar einigermaßen ganzer Turnschuhe wäre dann auch noch über den Haufen. Das hätte mir gerade noch gefehlt. Immerhin hing ich an meinen Vans. Ich hatte für ein Paar, all meine Moneten zusammengerafft, um mir die Dinger auch kaufen zu können. Außerdem reichte es doch, dass die meisten meiner Levis Löcher in ihren Taschen hatten. Manche sogar an sichtbaren Stellen. An den Oberschenkeln zum Beispiel. Woran sich erkennen ließ, wie lange ich meine Jeans schon hatte, und auch, wie oft ich sie trug.

    2 – Der Schal

    Eigentlich wollte ich noch am See vorbei, wie ich das jeden Tag tat, doch der trübe Himmel hielt mich davon ab. Schade eigentlich. So würde aus dem Plausch nichts werden, den die alte Mrs. Dendrite und ich jeden Tag hielten. Dabei ließ sie sich vom Stricken nicht abhalten. Schals für ihre Großneffen und deren Kinder strickte sie, wie sie mir irgendwann einmal erzählt hatte. Und ich lächelte dann immer und tat, als interessierte mich das tatsächlich. – Was tat man nicht alles, um das Herz einer alten Frau höher schlagen zu lassen. – Auf ihrem Schoß hockte meist ihre graue Katze, das fette Vieh. Dass die überhaupt noch laufen konnte, wunderte mich stets aufs Neue. Aber alte Leute und ihre Tiere, das kannte man ja. Viel zu viel zu Fressen bekamen die. Wenn ich darüber nachdachte, musste ich meist lächeln.

    Ich selbst hatte kein Geld für Tiere. Hätte gerne einen Hund gehabt, doch mein alter Firebird fraß mein ganzes Geld auf, da blieb für Futter nichts übrig. Außerdem durfte man auch nicht vergessen, dass ich ohnehin nicht viel von den grünen Scheinen besaß.

    Ich kramte im Rucksack nach dem trockenen Brot. Wenigstens für die Möwen hatte ich etwas dabei. Und als wenn sie wüssten, dass es gleich was zu Futtern gab, kreisten sie auch bereits über mir. Ihr Kreischen war nicht zu überhören.

    Der Himmel machte wieder auf und die Sonne brach durch. Ich schaute nach oben. Die Wolken hatten sich verzogen. – Okay, demzufolge konnte ich ja noch raus zum See, und bei der alten Dendrite vorbeischauen. – Ob ich jetzt eine Stunde früher oder später am Festplatz auftauchte, das spielte letztendlich keine Rolle.

    Mrs. Dendrite saß wie gewohnt auf ihrer Terrasse. Als sie mich sah, legte sie ihr Strickzeug beiseite und winkte mir zu. Sie freute sich, mich zu sehen. »Hi«, rief sie; und ich rief: »Hi«, zurück.

    »Alles klar, heute?«, fragte ich sie; und sie nickte.

    »Hab schlecht geschlafen, heut‘ Nacht«, gestand sie. »Der Wind ist um mein Haus gefegt und hat dabei geheult wie ein kleines Kind.« Ihre Schultern zuckten. »Richtig grausig war das, kann ich Ihnen sagen.«

    Ich zwang mich zu einem interessierten Grinsen. »Aber sonst war nichts, oder? Ihnen ist doch nichts passiert?«, erkundigte ich mich besorgt. Und besorgt war ich wirklich um sie.

    In ihr runzliges Gesicht verirrte sich ein Lächeln. »Nein, mir ist nichts passiert, außer, dass mir eben einige Stunden an Schlaf fehlen.« Sie nahm das Strickzeug wieder auf, wickelte den Faden um ihren Finger und fing zu stricken an. »Aber alte Menschen brauchen ja nicht mehr so viel Schlaf, sagt man.« Zwischen ihren Lippen zwängte sich ein Seufzer hindurch. »Wird wohl daran liegen, dass der Tod einen mehr als genug schlafen lassen wird.«

    Erschrocken schaute ich auf. »Sie werden noch lange nicht sterben, Mrs. Dendrite«, sagte ich, und war davon überzeugt, dass die alte Frau unbedingt hierher gehörte. Sie musste einfach auf ihrer Terrasse sitzen und stricken. Das gehörte mit zum Alltag dazu. Und auch mit zu meinem Leben. Mit wem sonst, sollte ich mich unterhalten, gäbe es die alte Mrs. Dendrite nicht mehr.

    Sie hob ihr Strickzeug vor sich und zählte mit den Fingern die Maschen. »Da bist du ja«, hörte ich sie sagen. »Du kleiner Schlingel bist du doch tatsächlich von der Nadel gefallen«, brummte sie, und machte sich daran, die gefallene Masche wieder aufzunehmen und hoch zu stricken.

    Ich langte mir an die Stirn und deutete einen Gruß an. »Muss weiter, Mrs. Dendrite«, rief ich ihr zu.

    Ihr Lächeln verfiel und sie warf mir einen traurigen Blick zu. »Schon wieder«, klagte sie, und versuchte, ihre Enttäuschung zu verbergen.

    Ich zuckte mit der Schulter. »Leider«, deutete ich mein Bedauern an, »die auf dem Festplatz erwarten mich.«

    Sie nickte. »Sollen dort in diesem Jahr eine Altweiberhütte haben, hab ich gehört«, sagte sie, um noch ein bisschen länger, die Unterhaltung zu genießen.

    Ich nickte. »Davon hab ich auch gehört. Kenn die Besitzer der Bude allerdings noch nicht. Kommen wahrscheinlich erst in den nächsten Tagen.«

    »Erzählen Sie mir davon, Pete«, fragte sie mich, »wenn Sie mehr darüber wissen?«

    Nochmals nickte ich. Dieses Mal, um ihr ihre Bitte zu bestätigen. »Auf jeden Fall, Mrs. Dendrite, werde ich Ihnen alles groß und breit erzählen«, versprach ich ihr, und schenkte der alten Dame ein zuversichtliches Lächeln.

    »Darauf freue ich mich heute schon.« Auch sie lächelte mich an. Ich konnte es sogar hinter ihrer Brille in ihren Augen liegen sehen.

    »Jetzt muss ich aber wirklich«, rief ich ihr zu, und warf einen erschrockenen Blick auf meine Armbanduhr. Das Leder von ihr war auch abgewetzt. Schäbig, würde mein Vater dazu sagen, könnte er das verschrammte Ding sehen.

    »Halt!«, rief sie mir nach. »Sie haben ja noch gar nichts zu meinem Schal gesagt«, beklagte sie sich, während sie ihr Strickzeug in die Höhe hob.

    Grün, gelb, orange und rot waren die Farben, die sie in Streifen in den Schal gestrickt hatte.

    »Doch, sehr schön, Mrs. Dendrite«, tat ich ihr den Gefallen, zu antworten. War doch gleich, ob mir das Ding gefiel. Hauptsache ihr und ihrem Neffen gefiel der Schal. Obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, dass ein Mann in den Vierzigern, sich solch ein Ding, überhaupt um den Hals wickeln würde.

    »Wirklich? Das freut mich aber!«, hörte ich sie noch sagen; und ich erkannte, dass sie sich über meine Bemerkung freute. Ich hob nochmals die Hand und winkte, war aber schon längst weitergelaufen, und so wusste ich nicht, ob sie mein Winken überhaupt noch gesehen hatte.

    Ich warf den Möwen noch das trockene Brot zu, das ich mit den Fingern in kleine Stücke riss, danach setzte ich meinen Weg zum Festplatz fort. Zum See brauchte ich jetzt doch nicht mehr zu gehen. Dafür war’s zu spät geworden. Was soll’s, würde ich eben morgen hingehen. Vielleicht machte ich mich morgen auch mal früher auf die Socken, um für beides Zeit zu haben: Für den See und die alte Mrs. Dendrite.

    Ach, wie dumm. Da erzähle und erzähle ich von mir, und hab mich noch nicht einmal vorgestellt.

    Na, dann aber nichts wie in die Tasten gehau’n und meinen Steckbrief aufgesetzt!

    Der begann denn so: It’s me.

    Hi, ich bin der Pete. Pete Tully. Bin fünfundzwanzig Jahre alt, gelernter Elektriker und arbeitslos.

    Bin groß und schlank, und wäre ich ein Mädchen, hätte man meinen Arsch sicherlich als – knackig – bezeichnet.

    Dass ich ein – Pete – bin, dafür sind meine Eltern verantwortlich. Ich hätte genauso gut ein Brandon oder ein Jason sein können. Aber den beiden hat eben – Pete – gefallen. Beim – Tully – wär’s aber auf jeden Fall geblieben.

    Fahre einen heruntergekommenen alten Firebird, trage Turnschuhe Marke Vans und meine Jeans sind von Levis.

    Abends hocke ich vor der Schreibmaschine, die Flasche Bier neben mir, und im Aschenbecher qualmt meine Kippe vor sich hin. Eigentlich rauche ich nur, wenn ich schreibe. Keine Ahnung, warum ich das mache. Vielleicht glaube ich ja, dass mir der stinkende Qualm, Ideen ins Hirn nebelt. Mich sozusagen inspiriert.

    Ehrlicherweise muss ich zu meiner Schande auch gestehen, dass mitunter auch mein verwirrtes Gefühlsleben mir ‘nen Glimmstängel zwischen die Finger zwang.

    Da Sie mich nicht kennen, muss ich an der Stelle noch erwähnen, dass ich, in dem Moment, als ich das schreibe, grinsen muss. Sicherlich ist es ein blödes Grinsen, aber wie auch immer: Es ist mein Grinsen.

    Doch nun weiter mit meinem Steckbrief. Immerhin sollen Sie ja wissen, über wessen Leben Sie lesen. Mit wem Sie sich in den nächsten Stunden die Zeit vertreiben.

    Mein Haar ist kurzgeschoren, braun, ist übrigens auch die Farbe meiner Augen, im Falle Sie Haar- und Augenfarbe interessieren. Groß und schlank und über einsachtzig groß, geht’s weiter mit meiner Beschreibung.

    Find’s übrigens echt cool, dass Sie das tun. Würde vielleicht nicht jeder machen. Letztendlich kennen Sie mich doch gar nicht. Dennoch, ich versprech’s: Am Ende all der Lettern, werden Sie mich kennen gelernt haben. Bis ins kleinste Detail sogar. Selbst in meine Gedanken lasse ich Sie reinschauen. Nichts verberge ich vor Ihnen, das können Sie mir glauben! Pete Tully ist nämlich eine ehrliche Haut, müssen Sie wissen. Doch am Ende des Buches werden Sie sicherlich zu derselben Meinung über mich, gekommen sein.

    Da fällt mir ein, eins sollte ich Ihnen noch sagen (oder raten): Stoßen Sie sich bitte nicht an der stellenweise etwas umgangssprachlichen Ausdrucksweise. Dabei dürfen Sie mein Alter nicht außer Acht lassen. Gerade einmal fünfundzwanzig und ein Mann, kommen einem mitunter eben Wörter, wie sie in dem Buch vorkommen, in den Sinn und über die Lippen. That‘s life (das ist das Leben)!

    Yeah!

    Jetzt aber endlich weiter in meinem Steckbrief, bevor Sie noch vor Langeweile das Buch aus der Hand legen.

    Um meine Mundwinkel ist es wieder, dieses Grinsen. Mein Grinsen.

    Bin tierlieb, hab nur kein Geld, um mir welche zu halten.

    Mein Traum ist ein Haus – mein eigenes versteht sich – voller Kinder, mit einer Frau, für die die Sonne aufgeht, wenn sie mich nur heimkommen sieht – nein, das kann niemals Kira sein! –

    Ich musste lachen, bei der Vorstellung, dass für Kira die Sonne aufgehen würde, wenn sie mich sah. Beileibe nicht. Sicher, sie mochte mich. Aber mehr, als Mögen war es sicherlich nicht. Auch von meiner Seite aus nicht. Wir wussten beide, dass uns eigentlich mehr unsere knappe Kasse miteinander verband, als Liebe. Okay, zwischendurch hatten wir mal Sex miteinander, aber auch nicht allzu oft. Und ob Kira nicht doch irgendeinen Kerl nebenher hatte, das wusste ich ohnehin nicht. Die Hand für sie ins Feuer legen, würde ich auf jeden Fall nicht.

    Zudem war ihre Kochkunst leidig. Und welcher Mann wollte schon eine Frau, die nicht kochen konnte. – Eier konnte ich mir auch selbst in die Pfanne schlagen und braten. –

    Mein Name, wie auch mein Alter und mein erlernter Beruf, die Marke meiner Turnschuhe und meiner Hosen, welchen Wagen ich fahre, wie ich aussehe, dass ich mir Eier in die Pfanne schlagen und einen Toast rösten kann, und mit wem ich ab und an Sex habe …

    Mehr braucht’s nicht, was man über mich und mein Leben wissen muss. Stimmt’s?

    Mit mir allerdings einen Streifzug hindurch zu machen, das kann spannend, wenn nicht sogar gruselig werden …

    Und dazu lade ich Sie hiermit ein: Mit mir gemeinsam, nochmals einen gewissen Zeitabschnitt von Neuem zu begehen, als würde es gerade eben geschehen.

    Yeah! – Is‘ ‘n Lieblingsausdruck von mir, wie Sie bald merken werden. –

    3 – Tragischer Todesfall, so steht’s im Protokoll

    Ich hockte auf dem Sessel und schaute zum Fenster raus. – Die hätten’s auch mal wieder nötig. – Doch Kira war einfach keine Hausfrau, bei der könnten die Fenster mit Ruß versaut sein, würde sie nicht im Traum auf die Idee kommen, Wasser und Lappen in die Hand zu nehmen und über die Scheiben zu wischen.

    Der Tag war zwar schnell vergangen, doch die Arbeit war stumpfsinnig und monoton gewesen. Den ganzen Tag Kabel miteinander zu verbinden war auch nicht gerade das Gelbe vom Ei. Aber immerhin hatte es ein paar grüne Scheinchen eingebracht. Und das war schon etwas. Von daher: Nicht undankbar sein Tully!

    Die Füße auf dem Tisch, das war’s doch!

    Damit konnte ich Kira an die Decke treiben – wenigstens was.

    Ich hatte keine Ahnung, was mit mir los war. Irgendwie hatte ich meinen Moralischen.

    Kira hatte angerufen und gesagt, dass sie bei einer Freundin übernachten würde, und wir uns erst morgen Abend wieder sehen würden. – Jede Wette, die Freundin hatte Eier zwischen den Beinen! –

    Ich setzte die Bierflasche an, und nichts kam raus. Scheiße! Also hoch und ‘ne neue Pulle geholt. Auf dem Weg dorthin machte ich das Radio an. Wenigstens ein paar Stimmen, wenn auch nur aus der Radiowellen-Kiste, um sich nicht derart alleine vorzukommen.

    Selbst die vom Radio wussten, wie sie einem wehmachen konnten. Immer schön rein in die Wunde, wo's ohnehin schon wehtat. Spielten die doch tatsächlich Johnny Logans What’s another year. – Na super, das haut mal gleich so richtig rein! –

    Wenigstens mein Sessel hatte mich lieb. Immerhin war er noch da und wartete nur darauf, dass ich meinen dürren Arsch auf ihn setzte. Wenigstens einer, dem’s gefiel, wenn ich auf ihm drauf saß, , .

    Mit dem Bier in der einen, einer Kippe zwischen den Fingern in der anderen Hand, saß ich da und starrte wieder durchs dreckige Fenster raus.

    Dabei fiel mir meine Mutter ein. Mom, schade, dass sie nicht mehr lebte.

    Meine Lippen zitterten, als ich an sie dachte. »I miss you that much (ich vermiss dich so sehr)«, flüsterte ich ergriffen, in der Erinnerung an sie. Für einen Augenblick glaubte ich sogar, den Duft ihres dezenten Parfüms zu riechen.

    Ich schloss die Augen und wähnte sie in meiner Nähe.

    Mom!

    Ich fuhr mir über die Augen. Die Erinnerung an sie tat immer noch weh! Erst recht dann, weil bis heute noch tausend Fragezeichen mit ihrem Tod verbunden waren. Zumindest für mich!

    Dad hatte, als er in Rente ging, in Homers Bar einen Junkie kennen gelernt. Einen alten, heruntergekommenen. Und sich auch prompt mit dem angefreundet. Dabei war ihm scheißegal, was Mom von dieser Freundschaft hielt. Noch, dass ihr gefallen hatte, wie sehr Dad sich dadurch veränderte. Zu seinem Nachteil, wie man sich ja denken konnte.

    Dad – Mistkerl elendiger!

    Durch den Junkie hatte er in seinem Alter, noch zu kiffen angefangen. Er hatte sogar nicht davor zurückgeschreckt, in ihrem Haus in Westford, den Mist zu rauchen. Joints!

    Dass Mom dagegen war, hatte ihn einen Scheiß interessiert. Auch an jenem Abend nicht, der ihr Letzter sein sollte.

    Ich musste mir wieder über die Augen wischen. Ein Mann weint nicht. Scheiß drauf! Mir fehlte meine Mutter. Immer noch! Und der Gedanke daran, wie sie ums Leben gekommen war, schmerzte mich noch immer.

    Die Treppe war sie runtergestürzt. Tragischer Todesfall, hatte die Polizei das damals genannt und den Fall zu den Akten gelegt. Noch

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