Der Söldner und die Wüstenblume: Der Weg zwischen den Sternen 5
Von Hermann Weigl
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Über dieses E-Book
Hermann Weigl
Diplomingenieur und begeisterter Leser von SF und Fantasy mit seinem Erstlingswerk
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Der Söldner und die Wüstenblume - Hermann Weigl
nehmen.
Beim Grafen
Dem schwarzen Hengst hatte ich den Namen Sturmwind gegeben. Irgendwie waren Pferd und Reiter zu einer Einheit verschweißt, gab es eine Verbindung zwischen dem Tier und mir, wie ich sie nur zu den Geschöpfen Avalons verspürt hatte.
Menschenansammlungen machten das Ross nervös, uns so gewöhnte ich es mir an, in größeren Städten den Hengst in einem Mietstall unterzubringen. Dass das Tier gestohlen wurde, davor brauchte ich keine Angst zu haben. Sturmwind ließ sich nur von mir reiten. Gnade dem Unhold, der es wagen sollte, sich auf seinen Rücken zu schwingen.
Sturmwinds Vorliebe für süße Früchte war einzigartig. Wann immer ich einen Händler für Obst ausmachte, kaufte ich Äpfel, Birnen, oder andere Früchte, die der Hengst in großen Mengen verschlang.
Der Gräfin, die ich zusammen mit ihrer Tochter vor dem Überfall durch die Barbaren gerettet hatte, hatte ich bei meinem Abschied versprochen, dass ich sie besuchen würde. Das wollte ich nun nachholen.
Mit Sturmwind kam ich schnell vorwärts. Wann immer sich die Möglichkeit ergab, übernachtete ich in Herbergen. Ich hielt mich abseits, saß allein an einem Tisch und fühlte die misstrauischen Blicke der Anwesenden auf mir.
Ich war ein Einzelgänger, ein Außenseiter. Mein unnatürlich langes Leben und die Aufgaben, denen ich nachging, hatten mich dazu gemacht.
Mein Schwert verbarg ich unter einem weiten Umhang. Es gab immer ein paar Übermütige, die sich mit einem Unbekannten messen wollten. Ich wollte solch ein Kräftemessen vermeiden. Nicht dass ich die Auseinandersetzung scheuen würde, es hätte mich nur aufgehalten.
Die Witterung empfand ich als angenehm. Die Tage waren nicht zu heiß, die Nächte nicht zu kalt. So war die Burg des Grafen bald erreicht.
Das Bollwerk ruhte auf einem Felsmassiv, umgeben von tiefen Schluchten, nur durch eine Zugbrücke erreichbar, uneinnehmbar und für die Ewigkeit gebaut.
Ich ritt die steile Zufahrt hinauf bis zum breiten Burgtor. Dort waren Wachleute postiert, die bei meinem Nahen den Weg mit ihren Hellebarden versperrten.
Ich hatte lediglich die Hand auf Sturmwinds Hals gelegt, und er war vor den Männern stehen geblieben.
„Seid gegrüßt, edler Herr, sprach mich einer der Wächter an. „Nennt uns Euren Namen und Euer Begehr.
„Ich bin Shirtark. Gräfin Elisandre erwartet meinen Besuch."
„Bitte geduldet Euch einen Augenblick, Herr. Ich werde Ihrer Durchlaucht sofort eine Nachricht zukommen lassen."
Ein Laufbursche wurde mit einer Anweisung weggeschickt und ich durfte in den Innenhof reiten. Ich stieg ab, ein Stallbursche nahm die Zügel und führte den Hengst weg. Ein Herold in Begleitung weiterer Wachen begrüßte mich, und bat mich, meine Waffen abzulegen.
Eine der Wachen trat vor und ich reichte dem Mann mein Stiefelmesser, den Dolch und das Schwert des Antares. Beim Anblick der Klinge, auf deren geschliffener Oberfläche sich sein Gesicht widerspiegelte, weiteten sich seine Augen.
Die Schwertschmiedekunst dieser Welt war noch weit davon entfernt, eine Waffe herzustellen, die auch nur oberflächlich dieser glich. Deren Klingen waren grob geschmiedet, bestanden zwar aus Stahl, die Schärfe war aber kaum nennenswert. Sie verletzten einen Feind durch die Spitze oder die Wucht des Schlages, konnten einen Knochen brechen oder eine oberflächliche Wunde reißen.
Meine Klinge war scharf genug, um damit ein durch die Luft wirbelndes Blatt zu zerteilen. Die Blutrinne zierten unbekannte Schriftzeichen. Nie war es gelungen, diese zu entziffern. Dieses Rätsel würde wohl genauso ungelöst bleiben wie die Frage nach der Herkunft der Waffe. Sie hatte sich schon immer in meinem Besitz gefunden, soweit meine Erinnerungen zurückreichten.
Ein weiteres Geheimnis blieb die Stärke des Schwertes. In meinen Händen konnte es sich bei Bedarf in eine Waffe verwandeln, der nichts widerstand, die Metall, Gestein, sogar modernste Werkstoffe durchschnitt.
Die Bewunderung des Mannes klang nur langsam ab. Die Wachen versicherten mir, dass meine Waffen sicher verwahrt würden, und dass ich sie wieder bekommen würde, wenn der Graf dies anordnete.
Der Herold bat mich, ihm zu folgen. Er führte mich einen breiten Gang entlang, dessen Wände eine Galerie zierte, in einen Salon. Dort saß die Gräfin auf einem Diwan. Als ich eintrat, legte sie die Stickerei weg, an der sie gearbeitet hatte und lächelte mich an.
Ich verbeugte mich tief.
„Shirtark! Ihr seid beinahe nicht wieder zu erkennen, sagte die Frau. Ehrliche Freude zeigte sich auf ihrem Gesicht. „Damals wart Ihr in Lumpen gehüllt. Aber nun seid Ihr gekleidet wie ein edler Kämpfer.
„Ich war zu jener Zeit überfallen und ausgeraubt worden."
„Ihr wart selbst in Not und habt uns dennoch geholfen, stellte sie fest. „Das ist wahrer Edelmut.
„Bitte sagt mir, Gräfin. Wie geht es Euch?"
„Es geht mir gut."
„Und wie ist das Befinden Eurer Tochter Melissa?"
„Sie hat sich inzwischen von dem Schrecken erholt. Ihr werdet sie später sehen. Ihr bleibt doch sicherlich ein paar Tage?"
„Wenn Ihr es wünscht. Und was ist mit dem Gardisten, dessen Bein verletzt war?"
„Er hat noch Probleme beim Laufen, aber der Arzt meint, er wird wieder vollkommen gesund werden. "
Diener brachten Gebäck und Wein. Wir setzten uns an einen runden Tisch in der Nähe eines Fensterbogens.
„Bitte erzählt, Shirtark. Was war Euch damals zugestoßen?"
Die ganze Wahrheit wollte ich keinesfalls erzählen. Ich entschied mich für eine abgeschwächte Version meiner Erlebnisse. Keine der Wachen würde sich noch an den Betrunkenen erinnern, den sie aus der Stadt geworfen hatten.
„Man hatte mir ein Gift in mein Essen gemischt, das mich vorübergehend handlungsunfähig machte. Ich wurde ausgeraubt und in die Gosse geworfen. Ich habe mich auf die Suche nach dem Dieb begeben, ihn gestellt und bestraft. Aber ich konnte nur noch einen Teil meines Besitzes wieder finden, mein Schwert und meinen Dolch."
Die Gräfin wollte zu einer Antwort ansetzen, wurde jedoch durch Rufe und laute Stimmen vom Hof her unterbrochen.
„Ich glaube, mein Gemahl ist von der Jagd zurückgekehrt."
Wenige Minuten darauf betrat der Graf den Raum, gefolgt von ein paar Männern, die wie Edelleute gekleidet waren. Der Gemahl der Gräfin war wohl in etwa in meinem Alter und etwas größer als ich. Er hatte ungewöhnlich dunkle Augen, trug einen kurz gestutzten Vollbart und seine langen Haare reichten ihm bis auf die Schultern. Mit finsterem Blick musterte er mich. Keiner der Anwesenden sprach ein Wort.
Die Gräfin stellte mich ihrem Gatten vor, der mir dann die Namen seiner Begleiter nannte.
Diener brachten Krüge voller Wein und wir stießen zu einem Begrüßungstrunk an. Daraufhin begann sich die Miene des Grafen etwas aufzuhellen.
„Ich trinke auf das Wohl des Edelmannes Shirtark", sagte Herbald und hob seinen Krug. Er leerte das Trinkgefäß in einem Zug und ließ sich von einem Diener nachschenken.
Als ob dies ein Zeichen gewesen wäre, begannen nun alle Männer gleichzeitig zu sprechen.
Der Graf fasste mich bei der Schulter.
„Ihr habt meine Tochter und meine Frau gerettet. Es ist nicht auszudenken, was dieses Gesindel ihnen angetan hätte. Sie wären womöglich wie Tiere über sie hergefallen, hätten sie geschändet und dann in die Ferne verschleppt. Ihr seid sicher wegen Eurer Belohnung hier?"
„Das ist nicht der Grund meines Besuches."
„Welcher ist es denn?"
„Ich hatte Eurer Gemahlin versprochen, dass ich Euch besuchen würde und wollte mein Wort nicht brechen."
„Ein Mann zählt soviel wie das Wort, das er gibt. Dennoch, wie soll Eure Belohnung aussehen? Wollt Ihr Gold oder Ländereien? Nennt einen Wunsch."
„Wann immer ich um Unterkunft bitte: Gewährt sie mir. Wann immer ich Menschen mit mir bringe, die Hilfe benötigen: So helft ihnen."
„Eine ungewöhnliche Bitte. Aber wenn dies Euer Wunsch ist, so soll er Euch gewährt werde."
„Ich danke Euch."
„Ich habe Eure Waffen gesehen. Sie sind von einer Art, wie es mir noch nie untergekommen ist. Und Ihr selbst seid auch kein Mann, wie man ihn alle Tage antrifft. Ich hoffe doch, Ihr bleibt ein paar Tage als mein Gast."
„Gerne nehme ich Eure Einladung an. Wie war die Jagd?"
„Wir hatten ein Stück Wild in die Enge getrieben und hätten es sicher auch erlegt, wäre nicht dieses Gesindel dazwischen gekommen."
Mit jedem Krug Wein wurde der Graf geschwätziger. Er erzählte von seinen Ländereien, die bis an den Grenzfluss reichten und beklagte sich über die Übergriffe aus dem Königreich Paranor.
„Immer weniger Händler sind es, die es wagen, dieses finstere Land zu bereisen. Die Zölle werden jedes Jahr höher, und die wenigen, die zurückkommen, wissen grauenhafte Dinge zu berichten. Der König schreckt vor keiner Gräueltat zurück, knechtet sein Volk und quält es bis aufs Blut. Es ist ein gewaltiges Reich, bestehend aus vielen einzelnen Fürstentümern. Die Erde ist fruchtbar, die Wälder sind voller Wild, und die Berge im Norden reich an Bodenschätzen – Kupfer, Silber und Eisen. Die Bergwerke zu Falun. Nur wenige haben sie mit eigenen Augen gesehen.
Der König residiert in seiner Burg auf dem Berg oberhalb der Hauptstadt. Man sagt, dass dort immerwährende Finsternis herrscht, dass über das ganze Jahr hinweg schwarze Wolken über der Burg hängen. Er scheint besessen zu sein. Niemand weiß, wie lange er schon lebt, aber man sagt, er sei sehr alt – viel älter, als ein gewöhnlicher Mensch je werden kann. Es heißt, er sei von einem Dämon besessen, der ihm übermenschliche Kräfte verleiht, und ihn nicht altern lässt. Möge Ishaia diesen armen Menschen helfen, die dort leben."
Auch Melissa traf ich unter den Gästen. Etwas scheu begrüßte sie mich, lächelte mich an und bedankte sich für die Rettung. Erst jetzt betrachtete ich sie näher, ihre dunklen Augen, ihr junges Gesicht. Was wäre wohl geschehen ohne mein Eingreifen? Hätten sich die schmutzigen Hände eines Barbaren auf ihre weißen Brüste gelegt?
Ich verscheuchte die Gedanken daran, und genoss ihre Anwesenheit.
Ich blieb noch ein paar Tage, führte lange Gespräche mit Graf Herbald und leerte so manchen Krug Wein mit ihm. Von dem geschwätzigen Händler hatte ich schon einiges über König Enricobar erfahren. Er schien ein strenger aber gerechter Herrscher zu sein. Seine Frau hatte ihm drei Kinder geschenkt, ein Mädchen und zwei Jungen.
Irgendwann verabschiedete ich mich, und nur unter dem Versprechen, ihn wieder zu besuchen, ließ mich der Graf meines Weges ziehen.
Monate waren ins Land gegangen. Der Winter hatte Einzug gehalten und über Nacht das Land mit einer weißen Decke überzogen. Unruhig zog ich von Ort zu Ort, übernachtete im Freien neben einem Feuer. Das funkelnde Firmament der Sterne bildete meine Decke.
Etwas abseits des schmalen Pfades, den ich entlang geritten war, hatte ich mein Lager für die Nacht aufgeschlagen.
Wie bequem wäre es nun auf Avalon gewesen. Ich wäre in einem weichen, warmen Bett gelegen und neben mir...
Die Erinnerung an Cassandra traf mich wie ein Schlag, durchfuhr meine Gedanken und ließ mich wie unter Schmerzen zusammenkrümmen. Ihre lieblichen Züge stiegen so lebendig vor meinem geistigen Auge auf, als stünde sie vor mir, und die Trauer um sie brach erneut in mir auf, roh und blutig, als erführe ich sie zum ersten Mal. Nichts würde diesen Verlust je aufwiegen, die Wunde je heilen.
Viele Geliebte hatte ich verloren in meinem unnatürlich langen Leben. Ich hatte gelernt, die Bilder an sie zu unterdrücken, in den hintersten Bereich meiner Erinnerungen zu verbannen. Nur so konnte ich weiterleben.
Cassandra konnte ich jedoch nicht vergessen. Die Erinnerung an ihr schlafendes Gesicht auf dem Kopfkissen neben mir stieg mir in den Sinn. Ruhe und Frieden waren davon ausgegangen. Aber das war Vergangenheit. Kalt und tot lag sie in der letzten Krypta auf Avalon. Diese Welt war zum Grabmal für eine Göttin geworden.
Mühsam kam ich wieder hoch, seufzte und warf noch ein Stück Holz ins Feuer. Es war schon spät und ich sollte mich besser schlafen legen. Den Proviant, den ich eigentlich verzehren wollte, packte ich wieder weg. Die Erinnerungen hatten mir auf den Magen geschlagen. Ich rollte die Decken neben dem Feuer aus und wollte mich gerade niederlegen, als die Luft vor mir zu flimmern begann.
Erschrocken wich ich zurück und wollte schon zum Schwert greifen, als eine junge Frau vor mir materialisierte.
„Kyra!"
Sie trat an Sturmwind heran und legte ihm eine Hand auf die Nase, strich über sein Fell und wandte sich dann mir zu.
„Ich habe dich beobachtet, Harpon."
„Und was hast du gesehen?", fragte ich mürrisch.
„Dein Herz ist nicht mehr ganz der finstere Ort, der es war, als du auf diese Welt gekommen bist. Aber du bist noch weit davon entfernt - sehr weit - wieder so zu werden, wie du es schon einmal warst. Ich möchte dir helfen. Deswegen bin ich gekommen."
Ich antwortete nicht, sah sie nur fragend an.
„Erinnerst du dich noch an Cassandras erste Heilung? Ich war es gewesen, der sie geholfen hat. Sie hat mir das Leben gerettet."
„Ja. Ich weiß."
„Du hast mich auf deinen starken Armen zur Krankenstation getragen. Ich war verwirrt, hatte nur Gutes im Sinne gehabt, und musste solche Schmerzen ertragen. Aber bei dir hatte ich mich sicher und geborgen gefühlt. Du kannst soviel Gutes geben, Harpon. Du hattest einen Pfad betreten, der zur dunklen Seite deines Ichs führt. Du darfst den Schatten nicht verfallen. Ich will, dass du dir wieder Hoffnung machst, dass du irgendwann wieder zu dem Menschen wirst, der du einst gewesen bist."
„Wie sollte ich das jemals wieder werden? Die Ausbilder im Kloster von Tencendor haben gesagt, sie hätten auf paranormaler Ebene nur ein gemeinsames Abbild von Cassandra und mir gesehen. Sie war meine andere Hälfte, die Hälfte, die mich vollständig machte. Und dieser Teil fehlt jetzt."
Kyra ergriff meine Hand.
Schweigend standen wir uns gegenüber, sahen uns in die Augen, und ich dachte zurück an die glücklichen Zeiten, aus denen einst mein Leben bestanden hatte.
„Viele Jahre lang hatte mich ihr Gesicht verlassen, angesichts des Grauens, in das sich mein Leben verwandelt hatte. Aber nun…"
„Sprich aus, was du in deinem Herzen fühlst,