Die kleine Intrigantin: Sophienlust 288 – Familienroman
Von Anne Alexander
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Über dieses E-Book
Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.
»Henrik, kannst du nicht eine Minute still sitzen?« Es kam selten vor, daß Alexander von Schoenecker einmal die Geduld verlor. Diesmal war es sein neunjähriger Sohn, der ihn so weit gebracht hatte. Seit Beginn des Mittagessens rutschte Henrik auf der Sitzfläche seines Stuhls herum und scharrte mit den Füßen. »Immer auf die Kleinen«, maulte Henrik. Er warf seiner Mutter einen um Beistand bittenden Blick zu, aber Denise dachte nicht daran, ihrem Mann in den Rücken zu fallen. »Das hat damit nicht das geringste zu tun, Henrik«, sagte Denise streng. »Du bist alt genug, um dich bei Tisch gesittet zu benehmen. Wenn die kleine Heidi so herumwackelt, dann will ich nichts sagen, aber bei dir sollte man langsam erwarten können, daß du still sitzen kannst.« »Wenn das Essen auch wieder so lange dauert«, erwiderte Henrik aufsässig. »Ich wäre schon längst fertig, wenn ich allein essen würde, Nick...« »Möchtest du gern allein essen, Sohnemann?« fragte Alexander. »Wenn du es wünscht, so kannst du ab heute abend ganz allein auf deinem Zimmer essen. Allerdings kann ich mir vorstellen, daß du das sehr bald langweilig findest.« »Henrik hat es heute ziemlich eilig«, sprang nun der sechzehnjährige Dominik von Wellentin-Schoenecker seinem Bruder bei.
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Buchvorschau
Die kleine Intrigantin - Anne Alexander
Sophienlust
– 288 –
Die kleine Intrigantin
Susanne lässt nichts unversucht …
Anne Alexander
»Henrik, kannst du nicht eine Minute still sitzen?« Es kam selten vor, daß Alexander von Schoenecker einmal die Geduld verlor. Diesmal war es sein neunjähriger Sohn, der ihn so weit gebracht hatte. Seit Beginn des Mittagessens rutschte Henrik auf der Sitzfläche seines Stuhls herum und scharrte mit den Füßen.
»Immer auf die Kleinen«, maulte Henrik. Er warf seiner Mutter einen um Beistand bittenden Blick zu, aber Denise dachte nicht daran, ihrem Mann in den Rücken zu fallen.
»Das hat damit nicht das geringste zu tun, Henrik«, sagte Denise streng. »Du bist alt genug, um dich bei Tisch gesittet zu benehmen. Wenn die kleine Heidi so herumwackelt, dann will ich nichts sagen, aber bei dir sollte man langsam erwarten können, daß du still sitzen kannst.«
»Wenn das Essen auch wieder so lange dauert«, erwiderte Henrik aufsässig. »Ich wäre schon längst fertig, wenn ich allein essen würde, Nick...«
»Möchtest du gern allein essen, Sohnemann?« fragte Alexander. »Wenn du es wünscht, so kannst du ab heute abend ganz allein auf deinem Zimmer essen. Allerdings kann ich mir vorstellen, daß du das sehr bald langweilig findest.«
»Henrik hat es heute ziemlich eilig«, sprang nun der sechzehnjährige Dominik von Wellentin-Schoenecker seinem Bruder bei. »Er hat noch ein Rendezvous.«
»Genau«, sagte Henrik gedehnt. »Es ist wichtig.«
»Was für ein Rendezvous?« fragte sein Vater belustigt.
Henrik wollte nicht mit der Sprache heraus. »Ah, da kommt endlich der Nachtisch!« Er blickte zur Tür, durch die Gusti, das langjährige Hausmädchen der Familie von Schoenecker, eben mit einem Tablett gekommen war. »Pfirsiche mit Sahne!« Begeistert leckte er sich die Lippen.
»Ich denke, du hast es so eilig?« scherzte Denise. »Wenn du willst, dann kannst du gehen, ohne deinen Nachtisch zu essen.« Sie dankte Gusti mit einem Nicken, als diese eine Schale mit Pfirsichen für sie auf den Tisch stellte.
»Auf die paar Minuten kommt es auch nicht mehr an«, meinte Henrik großmütig und streckte die Hand nach einer Kompottschale aus. »Danke, Gusti!«
»Bitte, der Herr!« scherzte Gusti. »Martha läßt dir ausrichten, es sei noch genügend Nachschub in der Küche.«
»Wie ich Henrik kenne, wird er die Küche bestimmt heimsuchen.« Alexander von Schoenecker lachte. Er wartete, bis Gusti das Zimmer verlassen hatte, dann fragte er: »Also, Henrik, wolltest du uns nicht sagen, warum du es so eilig hast?«
»Ich möchte zum Campingplatz radeln«, antwortete Henrik und fügte wie zur Entschuldigung hinzu; »Pünktchen, Angelika, Vicky, Fabian und all die andern radeln auch immer zum Campingplatz. Dort ist es einfach toll!«
»Dieser Campingplatz scheint eine enorme Anziehungskraft zu haben«, meinte Alexander.
In diesem Sommer war auf einem Stück Land zwischen Sophienlust und Schoeneich ein Campingplatz angelegt worden. Alexander von Schoenecker hatte lange gezögert, bevor er seine Genehmigung dazu gegeben hatte, doch der erwartete Ärger mit den Campern war bis jetzt ausgeblieben. Es handelte sich bei ihnen durchwegs um nette Leute, die für die wenigen Urlaubswochen der Stadt entflohen waren. Es spielten weder die Transistorradios bis tief in die Nacht hinein, noch waren Rowdys angezogen worden.
»Es gibt da eine gewisse Susanne«, bemerkte Nick zwischen zwei Löffeln Kompott. Er zwinkerte seinen Eltern dabei zu.
Henrik hob drohend seine Hand. »Was ist denn schon dabei, wenn ich einmal mit der Susi spreche?« fragte er ganz herausfordernd. »Du steckst ja auch immer mit Pünktchen zusammen.«
Sieh an, nun auch Henrik, dachte Denise von Schoenecker erheitert. Laut sagte sie: »Bringe doch die Susi einmal nach Schoeneich mit, Henrik.«
»Nach Sophienlust habe ich sie schon einmal mitgenommen«, erzählte Henrik jetzt bereitwillig. »Sie ist wirklich nett. Das netteste Mädchen, das ich kenne.«
»Und ich dachte immer, du schwärmst für Vicky«, stichelte Nick.
»Ist ja gar nicht wahr!« protestierte Henrik. »Außerdem geht Vicky mit dem Harald.«
Nick wollte antworten, doch seine Mutter gebot ihm mit einem Handzeichen zu schweigen. »Es reicht«, meinte sie. »Wenn ihr noch lange so weitermacht, arten eure Sticheleien bestimmt in einen Streit aus.« Sie blickte auf Henriks leere Kompottschale. »Ich habe nichts dagegen, wenn du jetzt aufstehst.«
»Danke, Mutti!« Erleichtert sprang Henrik auf und rannte zur Tür. »Wiedersehen, bis heute abend!«
»Halt!« rief Alexander von Schoenecker.
»Was ist denn, Vati?« kam es gedehnt von Henrik.
»Was heißt bis heute abend?« fragte sein Vater. »Ich kann mich erinnern, daß du mir gestern noch hoch und heilig versprochen hast, heute um fünf Uhr Rechenübungen zu machen.«
»Das kann ich auch noch morgen vormittag machen, Vati. Es sind doch Ferien!« Ungeduldig trat Henrik von einem Fuß auf den anderen.
»Ach, und morgen vormittag heißt es dann wieder, das kann ich auch morgen machen, und so weiter und so weiter!«
»Ganz bestimmt nicht«, versprach Henrik. Er hob jetzt seine Schwurhand. »Morgen vormittag werde ich üben.«
»Ab mit dir!« sagte Alexander resignierend. Mit einem hilflosen Schulterzucken sah er seine Frau an.
»Sagtest du nicht erst gestern zu mir, wir sollten Henrik gegenüber konsequenter sein?« meinte Denise scherzend. »Du warst eben sehr konsequent.«
»Sei einmal konsequent bei dem Lausebengel!« Alexander aß den letzten Rest seines Kompotts. »Ich weiß nicht, wie er es anstellt, jedenfalls gelingt es dem Burschen immer, uns um den kleinen Finger zu wickeln.«
»Als ich neun war, habe ich euch genauso um den Finger wickeln können«, warf Nick lachend ein. »Es gibt da so verschiedene Tricks, bei denen jede Mutter und jeder Vater schwach werden.«
»Willst du sie uns nicht verraten, Nick?« fragte Alexander seinen Stiefsohn.
»Das kommt gar nicht in Frage«, erklärte Nick kategorisch und schob seine leere Kompottschale beiseite. »Habt ihr etwas dagegen, daß ich schon aufstehe? Ich bin mit Pünktchen verabredet. Wir wollen Andrea und Hans-Joachim im Tierheim helfen. Der streunende Collie, den Hans-Joachim vor drei Tagen eingefangen hat, hat sich übrigens wieder halbwegs erholt. Ich war heute morgen kurz im Tierheim Waldi & Co. Der Collie scheint sich in seiner Box wohl zu fühlen.«
»Kein Wunder! Wer weiß, wie lange er sich schon herumgetrieben hat«, sagte Alexander. »Es wird mir stets unbegreiflich bleiben, daß man sich ein Tier anschaffen kann, um es dann später auszusetzen.«
»Hans-Joachim meint, daß der Collie ein typischer Ferienhund ist. Vermutlich hat man ihn zu Weihnachten gekauft und jetzt festgestellt, daß er auf der Urlaubsreise hinderlich ist.« Nick spürte eine heftige Wut in sich. Wie seine Eltern und seine Geschwister war er sehr tierliebend. Er hatte noch nie verstehen können, daß jemand es fertigbringen konnte, ein wehrloses Tier auszusetzen.
»Das kommt ja leider immer wieder vor«, sagte Denise. Sie schob ihren Stuhl zurück und stand auf. »Den Kaffee trinken wir in der Bibliothek.« Sie sah ihren Mann an. »Oder hast du heute keine Zeit, noch etwas auszuspannen?«
»Die Zeit werde ich mir schon nehmen.« Alexander von Schoenecker erhob sich ebenfalls. »Ich bin sicher, daß mir die Arbeit nicht davonläuft. Also kann sie ruhig noch etwas warten.«
*
»Mann, kann dein Vati spannend erzählen, Susi!« schwärmte Henrik begeistert. »Auf so eine Safari würde ich auch gern einmal gehen. Ich würde auf einem riesigen Elefanten sitzen und alles, was ich sehe, fotografieren.«
»Wir haben zu Hause jede Menge Fotos und Dias«, erzählte Susanne Cronauer, ein zehnjähriges, dunkelhaariges Mädchen mit rehbraunen Augen. »Das heißt, zu Hause eigentlich nicht«, setzte sie zögernd hinzu. »Ich habe dir ja gesagt, daß meine Eltern geschieden sind. Schon seit zwei Jahren. Als meine Mutter mit mir auszog, hat sie nur unsere Sachen mitgenommen.«
»Und du siehst deinen Vati wirklich nur in den Sommerferien?« fragte Henrik interessiert.
Susanne nickte. »Meine Mutter sagt, selbst das wäre noch zuviel. Vati würde mir nichts Rechtes beibringen. Sie schimpft jedesmal, wenn Vati mich von Frankfurt abholt. Letztes Jahr hat sie mich nicht mit ihm mitgehen lassen wollen, und da ist mein Vati zum Jugendamt gegangen.«
»In Sophienlust sind viele Kinder, deren Eltern geschieden sind.« Henrik schwang sich auf einen Zaun und ließ die Beine baumeln.
Mit einem Schwung saß Susanne neben ihm. »Ich weiß«, sagte sie. Sie seufzte auf. »Es ist richtig blöd, wenn sich Eltern scheiden lassen. Ich hätte es viel lieber, wenn meine Eltern wieder beisammen wohnen würden. Früher war es viel schöner, auch wenn die beiden immerzu stritten. Einmal war meine Mutter so wütend, daß sie das ganze Kaffeegeschirr auf den Boden geworfen hat.«
»Und was hat dein Vati getan?«
»Der war noch wütender«, erwiderte Susanne.
»Er hat drei Tage lang nicht mit meiner Mutter gesprochen. Das Kaffeegeschirr hat nämlich früher einmal meiner Omi gehört. Als sie starb, hat mein Vati es geerbt.«
»Dann war aber das, was deine Mutter getan hat, mehr als gemein«, meinte Henrik entrüstet.
»Sie war eben wütend.« Susanne zuckte mit den Schultern. »Meine Mutter wirft oft etwas gegen die Wand, wenn sie wütend ist. Danach ist sie dann immer wieder in Ordnung. Ich habe meine Mutter wirklich sehr lieb, auch wenn sie so schnell wütend wird, aber meinen Vati habe ich auch lieb.«
Henrik spürte, daß Susanne traurig war. Er überlegte, wie er sie aufheitern konnte. »Sollen wir reiten gehen?« fragte er.
»Ich kann nicht reiten.«
»Das macht nichts. Du lernst es bestimmt schnell. Und Angst brauchst du auch nicht zu haben. Ich bin doch bei dir. Und dann gibt