Das neue Südtirol – ein Genussführer: Essen, trinken, genießen. Kulinarisch nach Südtirol. Rezepte der Südtiroler Küche. Zu Besuch bei Südtirols jungen Gastronomen und Winzern.
Von Udo Bernhart und Otto Geisel
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Buchvorschau
Das neue Südtirol – ein Genussführer - Udo Bernhart
Inhalt
Eisacktal mit Schlerngebiet
Vinschgau · Meran · Etschtal
Bozen · Ritten · Sarntal · Rosengarten
Ueberetsch · Unterland
Eine Klasse für sich
Adressverzeichnis
Dank · Impressum
Vorwort
Südtirol genießen
~ von Otto Geisel ~
Genuss hat viele Facetten, ebenso wie das Empfinden von Glück. So lässt sich auch Südtirol nicht mit einem Genussbegriff fassen, sondern beglückt zu jeder Jahreszeit mit einer kaum mehr anderswo zu findenden, weit gefächerten Vielfalt an sinnlichen Erlebnissen aus einer der letzten Bastionen des guten und unverfälschten Geschmacks.
Zuerst einmal verschlägt es einem aufgrund des atemberaubenden Blickes auf das Dolomiten-Panorama schlichtweg den Atem. Besser als der große Architekt Le Corbusier kann man es wohl nicht formulieren, denn er bezeichnete diese Berge als „schönstes architektonisches Kunstwerk der Welt". Was dazu auf den Berghütten an unaufgeregter, ehrlicher und tagtäglich gelebter Gastfreundschaft dem Skifahrer, Wanderer und Alpinisten zugutekommt, hält man an so spektakulären Orten wie auf der Seiser Alm fast für undenkbar, ist aber Südtiroler Wirklichkeit: Keine Selbstbedienung, kein Convenience Food, keine Plastikteller. Sondern liebevoller Service und eine unverkünstelte Küche aus allerbesten Zutaten.
Einfach klingende Zutaten, wie das aus getrockneten Birnen gewonnene „Kloatzenmehl, früher „Zucker der armen Leute
genannt, zeugen von echter Bodenständigkeit. Regionalküche mit Kartoffelteigtaschen, Topfennocken oder Schlutzkrapfen bietet oft kleine kulinarische Kunstwerke, die auch in Weltklasserestaurants, wenn sie dort denn aufgetragen würden, allergrößten Beifall bekämen.
Die Pflege ihrer alpin geprägten Küche ist für die hier vorgestellten Köche auch eine soziale Verantwortung, denn die Verwendung heimischer Produkte ist ein wertvoller Beitrag zur Erhaltung der bäuerlichen Kultur. Zudem ist nur das Wissen um die Herkunft der Produkte die höchste Garantie für deren Qualität.
Das in Südtirol ganz besonders gepflegte Brauchtum – jede Festlichkeit ist natürlich auch ein kulinarisches Fest – prägt bis heute das gastronomische Selbstverständnis. Der Milchreis mit Milch direkt vom Bauern, das Kesselfleisch vom Schlachttag am Hof oder auch die unterschiedlichsten hausgemachten Knödel sind dabei wichtige kulinarische Eckpfeiler: Kreativität als jener Teil des Kochens, der dem Zeitgeist voraus ist.
Souverän ist auch der Umgang mit exotischen Gewürzen, welche wie zum Beispiel der Zimt viele Rezepturen von Südtiroler Fleischgerichten und Wurstspezialitäten prägen. Schon im 13. Jahrhundert, als der Zimthandel von Venedig aus kontrolliert wurde, war Bozen ein wichtiger Gewürzumschlagplatz. Die Einrichtung von Märkten war es auch, was die Entwicklung der Stadt damals deutlich vorantrieb. Kein Wunder also, dass sich in vielen typischen Südtiroler Rezepturen diese Gewürze wiederfinden. Daraus resultieren Gerichte, die sich mit den so typisch feinwürzigen Rotweinen rund um Bozen auf geradezu ideale Weise verbinden.
Die klassischen weißen Rebsorten ergeben hier frische, mineralische Weine mit anregendem Säurespiel. Südtirol ist Italiens nördlichste Weinbauregion, die heute durch den Klimawandel als „Cool Climate Zone erhebliche Vorteile gegenüber vielen südlich gelegenen Lagen hat. So ist es kein Wunder, dass die Fachwelt die Südtiroler Gewächse seit Jahren mit hohen Bewertungen feiert. Heute spricht man bei internationalen „Sauvignon blanc
-Verkostungen, dieser weltweit am zweitmeisten angebauten Weißweinsorte, gar von der französischen, der Neuseeländer und der Südtiroler Stilistik.
Viel sinnliches Vergnügen beim Entdecken dieser immer jungen und gottlob mit dem nötigen Selbstbewusstsein gesegneten Südtiroler Genusswelt!
Ihr
EISACKTAL MIT SCHLERNGEBIET
Günther Kerschbaumer – Weingut Köfererhof mit Buschenschank
~ Neustift / Vahrn ~
Günther Kerschbaumer lässt sich nicht gerne in die Karten schauen oder beim Weinfachsimpeln aus der Reserve locken, meist wirkt er überlegt, manchmal auch etwas überlegen. Kommt das Gespräch aber auf ganz große Weine und die damit verbundenen Emotionen, dann kann er richtig auftauen. Er hat – mit dem Glück des Tüchtigen – den Bogen raus, selbst große Weine zu produzieren, obgleich sich diese Größe, vor allem wenn zu früh und zu jung getrunken, nicht immer schon beim ersten Schluck erschließt.
Mit großer Hingabe widmet er sich den typischen Eisacktaler Weißweinsorten wie beispielsweise Sylvaner und Kerner, wobei im Köfererhof ein ganz besonderes Augenmerk der in Südtirol am weitesten verbreiteten Rebsorte gilt, dem Grauburgunder, der anderswo allzu oft stiefmütterlich behandelt ein Schattendasein führt und welchen Günther als Pinot Grigio fantastisch elegant auf die Flasche bringt. Dieser Wein ist exemplarisch für sein großes Können und Fingerspitzengefühl, für die richtige Balance von Kraft, Druck und Eleganz, von Säurespiel und Cremigkeit, ein besonderes Gefühl eben, welches auch seinen weiteren Sorten Riesling, Veltliner, Müller-Thurgau und Gewürztraminer zugute kommt.
Im Eisacktal dominieren Urgesteinsböden aus Quarz, Glimmer, manchmal Schiefer. Es ist Italiens nördlichste Weinbauregion, die heute durch den Klimawandel als sogenannte „cool climate zone" erhebliche Vorteile gegenüber den südlich gelegenen Lagen hat. Die Rebsorten Sylvaner und Müller-Thurgau ergeben hier frische, mineralische Weine mit anregendem Säurespiel. So ist es kein Wunder, dass die Fachwelt seit einigen Jahren die Eisacktaler Weine mit hohen Bewertungen feiert.
Das alteingesessene Weingut Köfererhof von Günther Kerschbaumer und Gaby Tauber liegt mit wunderbarem Blick oberhalb des im Jahr 1142 gegründeten Klosters Neustift bei Brixen. Früher lieferte man die Trauben dort ab, doch das ist längst passé und man hat zielstrebig die Geschicke selbst in die Hand genommen. Der durchaus selbstbewusste Winzer steht zusammen mit seinen beiden Freunden und „WEINgespann"-Kollegen, dem nicht weniger selbstbewussten Christian Plattner vom Bozner Ansitz Waldgries und dem selbstkritischen und nicht weniger weingescheiten Markus Prackwieser vom Gumphof in Völs am Schlern, an der Spitze dieser einzigartigen, nördlich von Bozen gelegenen, kühlsten italienischen Weinbauregion.
Auf dem Köfererhof gibt es außerdem eine überaus empfehlenswerte, hofeigene Gastwirtschaft, wo die Weine gleich im richtigen Kontext verkostet und genossen werden können. Sehr zu empfehlen sind die Eisacktaler Weinsuppe, die Speckknödelsuppe, natürlich die Köfererhof-Spezialität hausgemachte Schlutzer mit Käse und Butter, die Rohnen-Graukas-Pressknödel, die Kastanienspätzle mit Lauch, Speck, Zwiebeln und Heumilchkäse, das Bauerngröstl mit Krautsalat sowie die natürlich ebenfalls hausgemachten Palatschinken mit Kastanieneis.
„Ich bin noch nicht da, wo ich hinwill, aber ich bin zum Glück auch nicht mehr dort, wo ich einmal war! Ich gehe weiter … auf meinem Weg."
Auf dem Köfererhof verbinden sich Tradition und Moderne auf ganz besonders harmonische Art und Weise
Günther Kerschbaumer und Gaby Tauber im steten Weinstilistikdialog
Der Erker am historischen Stammhaus
Köfererhof
Pressknödel
FÜR 4 PERSONEN
Für die Pressknödel
150 g schnittfestes Weißbrot oder
Knödelbrot
ca. 100 ml Vollmilch
100 g Graukäse oder Gorgonzola
2 Eier
1 EL Weizenmehl Type 405
optional fein geschnittene Schnittlauchröllchen
Salz
100 g Butter oder neutrales
Pflanzenöl
Zum Anrichten
Fleischsuppe oder Krautsalat, weißes
Rübenkraut oder gebackene Zwiebeln
Pressknödel
Das Weißbrot in kleine Würfel schneiden und in eine Schüssel geben. Die Milch erhitzen und die Hälfte des Käses darin schmelzen. Den restlichen Käse in kleine Würfel schneiden und zusammen mit der Käsemilch, den Eiern, dem Mehl, gegebenenfalls den Schnittlauchröllchen und dem Salz über die Brotwürfel geben. Alles zusammen zu einem homogenen Teig kneten und anschließend 15 Minuten abgedeckt ruhen lassen. Anschließend aus der Masse mit leicht angefeuchteten Händen kleine Knödel formen und diese dann etwas flach drücken. Das Fett erhitzen und die Pressknödel auf beiden Seiten portionsweise goldbraun braten. Reichlich Salzwasser zum Kochen bringen und die Pressknödel darin 8–10 Minuten gar ziehen lassen. Die fertigen Pressknödel mit einem Schaumlöffel aus dem Wasser heben und gut abtropfen lassen.
Anrichten
Die Pressknödel mit der gewählten Beilage auf den vorbereiteten Tellern anrichten.
Köfererhof
Schlutzkrapfen
FÜR 4 PERSONEN
Für die Schlutzkrapfen
150 g Roggenmehl
100 g Weizenmehl Type 405
Salz
1 Ei
1 EL Öl
150 g gekochter Spinat
50 g Zwiebeln
½ Knoblauchzehe
1 EL Butter
100 g Topfen oder Ricotta
1 EL frisch geriebener Parmesan
1 EL feine Schnittlauchröllchen
frisch gemahlener schwarzer Pfeffer
1 Msp. frisch geriebene Muskatnuss
Zum Anrichten
Nussbutter
frisch geriebener Parmesan
feine Schnittlauchröllchen
Schlutzkrapfen
Die beiden Mehlsorten ringförmig auf einer Arbeitsfläche ausstreuen und salzen. Das Ei mit 50–60 ml lauwarmem Wasser und dem Öl verquirlen und in die Mitte des Mehls gießen. Anschließend von innen nach außen einen homogenen Teig herstellen. Den Teig zu einer Kugel formen und in Klarsichtfolie gewickelt 30 Minuten ruhen lassen. Den gut abgetropften Spinat fein hacken, die Zwiebeln und den Knoblauch sehr fein würfeln. Die Butter erhitzen. Die Zwiebeln und den Knoblauch darin anschwitzen. Den Spinat mit dem Topfen, dem Parmesan und dem Schnittlauch zu einer gebundenen Masse vermengen. Diese mit Salz, Pfeffer und Muskatnuss würzen. Den Teig mithilfe einer Nudelmaschine dünn ausrollen. Dabei zügig vorgehen, um das Austrocknen des Teiges zu vermeiden. Mit einem glatten Ausstecher Kreise (Durchmesser etwa 7 cm) ausstechen. 1 TL Füllung in die Mitte jedes Kreises geben. Die Teigränder mit etwas Wasser leicht anfeuchten, aufeinander klappen und gut andrücken. Reichlich Salzwasser zum Kochen bringen und die Schlutzkrapfen darin garziehen lassen. Mit einem Schaumlöffel die Schlutzkrapfen herausheben und gut abtropfen lassen.
Anrichten
Die Schlutzkrapfen auf den vorbereiteten Tellern anrichten. Etwas Nussbutter darüberträufeln und den Parmesan sowie die Schnittlauchröllchen darüberstreuen.
Manfred „Manni" Nössing – Weingut Nössing, Hoandlhof Hansi Baumgartner – Degust, Affineur
~ Brixen und Vahrn ~
Der Hoandlhof, ausgebaut zu einem modernen Weingut, thront hoch über Brixen. Von fünf Kühen zu 50 000 Flaschen: Manni Nössing, der Impulsive. Glasklar wie Quellwasser oder wie sein feiner Müller-Thurgau ist dieser sympathische Winzer in seiner Ansage und in seiner Philosophie.
„Unsere Trauben fühlen sich im Schatten wohler als in dieser neuen prallen Sonne. Auch ist es für uns wichtig, den Jahrgang zu erkennen und zu respektieren!"
Geradlinig wie er sollen auch seine Weine sein, nicht überbordend in der Aromatik, eher von kantiger Struktur und, wenn es vom Jahrgang her möglich ist, nicht so hoch im Alkohol, damit man mit Freude und ohne zu schlechtes Gewissen einen kräftigen Schluck trinken kann.
So deutlich spricht das „Alkoholproblem" sonst in Südtirol kaum einer aus, obwohl den meisten längst bewusst geworden ist, dass die hohen Alkoholgradiationen durchaus kritisch in Weinkennerkreisen diskutiert werden. Das Idealbild des Südtiroler Weins war jahrzehntelang geprägt von Fülle, opulenter Aromatik und geschmacklicher Dichte, gewissermaßen als sorgenfreier Ausdruck an Lebensfreude, welche die wunderbare Südtiroler Landschaft idealerweise widerspiegeln sollte, kein kritischer Ansatz sollte dieses Wunschbild stören. Nun werden aber in den eigenen Reihen vor allem durch junge visionäre Winzer wie Manni Nössing und Florian Brigl vom Weingut Kornell bei Terlan selbstkritische Töne laut.
Hansi Baumgartner, der Käseexperte, der gewissermaßen im Alleingang eine zukunftsweisende Südtiroler Käse-Kultur begründet hat
Einen Steinwurf entfernt, gerade an das andere Eisackufer, findet man die beste Käseauswahl von ganz Südtirol, denn seit fast einem Vierteljahrhundert vereint der kreative Affineur und ehemalige Sternekoch Hansi Baumgartner mit seinen Käseunikaten Professionalität und Leidenschaft.
Die allerbeste Qualität der Grundzutaten ist für den Südtiroler Käsepapst selbstverständlich, allerdings musste er die Voraussetzungen dafür erst selbst schaffen, indem er Käseproduzenten überhaupt einmal von seiner Idee von wirklich authentischem Südtiroler Käse überzeugte und schließlich begeisterte.
Vor Degust, wie das damals wagemutige Unternehmen getauft wurde, gab es bis auf den polarisierenden Graukäse in der ganzen Südtiroler Traumlandschaft nicht einen weiteren charakterstarken und typischen Käse. Man kann im Hinblick auf die „Käsegeschichte" Südtirols getrost unterteilen in früher vor der Ära Hansi Baumgartner und in heute mit von ihm initiierten Käseprojekten. Durch seine Affineurskunst entstehen in einem ehemaligen Bunker oben am Berg einzigartige Geschmackserlebnisse, die von seiner persönlichen Handschrift geprägt sind.
Im Laufe der Jahre haben Hansi Baumgartner und seine Ehepartnerin Edith alle ihre Energie in diese selbst gestellte Aufgabe und Herausforderung gesteckt, sich weiterentwickelt und dabei nicht nur ihre Käse, sondern auch ihre Kompetenzen verfeinert. Dies alles hat natürlich dazu beigetragen, dass heute Südtirol als eines der interessantesten Herkunftsgebiete für Käse im gesamtem Alpenraum gilt und selbst Schweizer Fachleute, wie etwa der Züricher Käsebuch-Autor Dominik Flammer, in Baumgartners Laden in Vahrn ins absolute Schwärmen geraten.
Die Wendeltreppe im modernen Neubau als zentrales architektonisches Element
Vormittagsstimmung mit Herbstnebel über Brixen