Bruckmann Reiseführer Südtirol: Zeit für das Beste: Highlights, Geheimtipps, Wohlfühladressen
Von Eugen E. Hüsler und Udo Bernhart
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Über dieses E-Book
Drei Zinnen, Rosengarten und Meran sind für Sie nichts Neues? Wie wäre es mit Variationen vom Altreier Kaffee? Kein Kaffee zwar, aber lecker! Oder Sie wandern zum Kräuterschlössl der Familie Gluderer und schnuppern dort an den Aromen von Kiefer, Wachholder und Edelweiß.
So entdecken Sie neben den Highlights auch jede Menge Geheimtipps, die Ihren Urlaub unvergesslich machen. Und es bleibt dabei immer Zeit für authentische Restaurants oder Hotels und die besten Shopping-Hotspots.
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Reisen – Europa für Sie
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Buchvorschau
Bruckmann Reiseführer Südtirol - Eugen E. Hüsler
HIGHLIGHTS | GEHEIMTIPPS | WOHLFÜHLADRESSEN
»Unten Wein und oben Stein,
dazwischen Eis und Wasserwosser,
ein paar Knödeln und ein Speck,
viel Sonne, wenig Regen,
was brauchst’ noch mehr zum Leben?«
(unbekannter Autor)
Seekofel-Nordwand über Pragser Wildsee
INHALT
Das sollten Sie sich nicht entgehen lassen
Willkommen in Südtirol
VINSCHGAU
1Graun am (im) Reschensee
2Mals, Marienberg und Müstair
3Glurns
4Stilfser Joch
5Sulden am Ortler
6Schluderns mit Churburg
7Mittlerer Vinschgau
8Martelltal
9Schnalstal
10Naturns und Partschins
PASSEIERTAL – MERAN
11Timmelsjoch
12Jaufenpass
13Meran und sein Umland
14Keineswegs das Letzte: Ultental
15Terlan und Nals
BOZEN – UNTERLAND
16Sarntal
17Bozen
18Messner Mountain Museum Firmian
19Eppan
20Südtiroler Weinstraße
21Kaltern und sein See
22Tramin und Kurtatsch
23Vom Etschtal zum Trudner Horn
24Bletterbachschlucht
STERZING – PUSTERTAL
25Sterzing
26Ridnauntal
27Bruneck
28Sand in Taufers
29Ahrntal
30Antholzer Tal
31Pragser Wildsee und Plätzwiese
32Toblach und sein See
33Innichen und seine Stiftskirche
34Fischleinboden bei Sexten
EISACKTAL – WESTLICHE DOLOMITEN
35Brixen
36Villnößtal
37Klausen, Säben und Villanders
38Grödner Tal
39Sella Ronda im Sommer
40Kastelruth, Seis und Völs
41Seiser Alm und Schlern
42Tierser Tal
43Karersee
44Große Dolomitenstraße
45Marmolada
ÖSTLICHE DOLOMITEN
46Fanes
47Hochabtei
48Valparolajoch und Kleiner Lagazuoi
49Cortina d’Ampezzo
50Drei Zinnen
REISEINFOS
Südtirol von A bis Z
Kalender
Register
Impressum
MEHR WISSEN
Moderne Südtiroler Architektur
Die Dolomiten-Ladiner
Krieg in den Bergen Südtirols
MEHR ERLEBEN
Die Südtiroler Küche
Südtirol: Wunder-Wanderland
Südtirol für Kinder und Familien
Der Haflinger ist ein echter Südtiroler.
Abendlicher Bummel in den Bozner Lauben
Sonnenuntergang im (Ski-)Winter
Südtiroler Küche schmeckt auch den Kindern.
Felsarchitektur in den Pragser Dolomiten
Wer ist hier stärker?
DAS SOLLTEN SIE SICH NICHT ENTGEHEN LASSEN
Sonnenaufgang in den Dolomiten: ein grandioses Naturschauspiel
Glurns - lebendiges Mittelalter (S. 34)
Das kleinste Städtchen Südtirols mit seinem Mauerring und den Tortürmen, den krummen Lauben und der schönen Piazza durchweht ein Hauch von Mittelalter. Nach langem Dornröschenschlaf erwacht, weiß es mitunter den Ansturm kaum mehr zu verkraften. Am schönsten ist deshalb ein Spaziergang in dem historischen Geviert frühmorgens. Pfiffiger Kontrast: ein Besuch im Paul-Flora- Museum.
Das Stilfser Joch: die schönsten Serpentinen (S. 36)
Exakt 48 Serpentinen bis zum Gipfel der legendären Passstraße auf 2757 Metern Seehöhe: für viele Zweiradfahrer ein absolutes Muss. Die einen tun sich dabei wesentlich leichter (weil motorisiert), für die anderen ist es der sportliche Ritterschlag. Alle genießen oben am Joch den fantastischen Blick auf Tirols höchsten Berg, den gletscherumwallten Ortler.
Trauttmansdorff: die schönste Gartenanlage Tirols (S. 80)
Die Gärten von Trauttmansdorff sind ein sinnliches Erlebnis für Jung und Alt, Groß und Klein. Auf einer Fläche von zwölf Hektar entfaltet sich ein überwältigender mediterraner Zauber. Hier wächst der nördlichste Olivenbaum Italiens, stehen Zypressen neben Pinien; da rauscht ein Wildwasser zu Tal, im Seerosenteich blüht der Lotus. Lavendel, Rosmarin und Thymian verströmen einen betörenden Duft.
Ötzi – der Steinzeitmensch (S. 100)
Der »Mann aus dem Eis«, vor 25 Jahren am Hauptkamm der Ötztaler Alpen entdeckt, ist der berühmteste und garantiert älteste Südtiroler. Alle Welt will ihn sehen, den Steinzeitmenschen, der vor mehr als fünf Jahrtausenden ein gewaltsames Ende fand. Und so ist aus dem Archäologischen Museum in Bozen, das früher ein Mauerblümchendasein fristete, mit einem Mal ein absoluter Tourismusmagnet geworden.
Das Messner Mountain Museum Firmian (S. 108)
Einen besseren Platz, um das Spannungsverhältnis zwischen Mensch und Berg zu thematisieren, als die über 600 Jahre alten Mauern von Sigmundskron kann man sich kaum vorstellen. Berge rundum und eine Stadt ganz in der Nähe: Wildnis dort, Urbanität da – Herausforderungen hier wie dort. Und mit etwas Glück kann man dem Meister auf dem Burggelände sogar persönlich begegnen …
Reinhold Messner in seinem Museum auf Schloss Sigmundskron (Firmian)
Kaltern und sein See: Wein und Wasser (S. 120)
Wie ein großer, welliger Teppich liegen die Weinpergel über dem Hügelgelände des Überetsch, am Fuß des Mendelkamms. Mittendrin: Kaltern und sein See, der wärmste in den Alpen. Kein Wunder, dass die Reben hier besonders gut gedeihen. Und das haben die Winzer hier längst bemerkt. Qualität statt Quantität (wie zu Zeiten des deutschen Wirtschaftswunders) heißt heute die Devise.
Grandios: die Bletterbachschlucht (S. 138)
Südtirol hat nicht nur hohe Gipfel, sondern auch einen »Grand Canyon«. Obwohl er nicht ganz die Dimensionen seines US-Vorbildes erreicht, weist die Bletterbachschlucht doch beeindruckende Dimensionen auf: vom Weißhorn bis zur Mündung ins Etschtal fast 15 Kilometer lang und bis zu 500 Meter tief. Dazu ist sie so etwas wie ein aufgeschlagenes Buch der Erdgeschichte, das sich über 50 Millionen Jahre erstreckt, vom roten Bozner Porphyr (270 Mio. Jahre alt) bis zum bleichen Sarldolomit.
Von Weinbergen eingerahmt: das Augustiner Chorherrenstift Neustift
Brixen und Kloster Neustift: Tiroler Geschichte (S. 196)
Die Stadt am Zusammenfluss von Eisack und Rienz war 1000 Jahre Bischofssitz und ein Brennpunkt des klösterlichen Lebens. Wer hier einst die Macht hatte, ist auch heute noch unübersehbar, rund um den Domplatz und draußen im Kloster Neustift, das sich selber als achtes Weltwunder feiert. In den Lauben des kleinen Altstadtgevierts lässt es sich übrigens gemütlich (und auch bei Regen trocken) einkaufen.
Sella Ronda – auch im Sommer ein Erlebnis (S. 214)
Alles dreht sich hier um die Sella, diesen gewaltigen Felsklotz über den vier ladinischen Tälern im Herzen der Dolomiten. Im Winter wird fleißig gewedelt, im Sommer sind es vor allem die Zweiradfahrer – mit oder ohne Motor –, welche die 63 Kilometer und 100 Serpentinen unter die Räder nehmen: ein sehr sportliches Landschaftserlebnis!
Die Seiser Alm – Sommerfrische, nicht bloß fürs Vieh (S. 222)
Die größte Hochalm Südtirols ist auch seine berühmteste. Kein Wunder – bei der Kulisse! Im Osten bildet die Langkofelgruppe mit dem Langkofel und der Riesenschräge des Plattkofels eine steinerne Phalanx, im Südwesten zieht das unverkennbare Profil des Schlerns mit seinen himmelwärts ragenden Frontzacken den Blick auf sich. Wanderschuhe anziehen, Rucksack schultern: Berg heil!
Die Drei Zinnen: das berühmteste Felsprofil Südtirols (S. 266)
Das kariöse Riesengebiss in den Sextener Dolomiten gilt als Wahrzeichen der »Bleichen Berge« schlechthin. Das belegt bereits ein Blick vom Höhlensteintal aus. Wer den Drei Zinnen mit ihren bei Kletterern legendären Nordwänden näher kommen will, muss die Wanderschuhe schnüren und sich auf den Weg zum Paternsattel machen. Noch schöner: die Runde via Drei-Zinnen-Hütte.
WILLKOMMEN in Südtirol
Das letzte Sonnenlicht verglüht zartrosa an den Türmen und Graten des Rosengartens, unten in der Stadt sind die Lichter bereits an: Feierabend. Auf den Straßen herrscht das alltägliche Chaos. Bozen ist jetzt ganz italienisch, nicht nur zu drei Vierteln. So jedenfalls mag es mancher Besucher empfinden, der über den Brenner angereist ist. Man ist in »Bella Italia«, hat den Norden und den Alltag hinter sich gelassen, Tirol aber noch lange nicht. Straßenschilder machen jene besondere Melange deutlich, die von der bewegten Geschichte südlich des Brennerpasses herrührt: zwei Kulturen, zwei Sprachen, mit Ladinisch sogar drei, heute vereint unter einem nationalen Dach.
Tourismus hat hier Tradition: Beide Tirol, Nord und Süd, gehören heute zu den beliebtesten Alpendestinationen. Hier hat man seit jeher Gäste bewirtet, sich arrangiert, auch mit den ungebetenen. Ein Reisender war auch der berühmteste Südtiroler, jener »Ötzi«, der vor mehr als 5000 Jahren auf seinem Weg über die Alpen am Tisenjoch ums Leben kam. Im Gegensatz zu den meisten Besuchern unserer Tage, die vor dem Bozner Archäologiemuseum Schlange stehen, um einen Blick auf die Gletschermumie zu werfen, nahm er nicht den Brennerweg. Der wurde erst viel später zur Hauptschlagader des Alpentransits in Richtung Italien und umgekehrt. Über den Pass kamen in der Völkerwanderungszeit, als es im alten Europa drunter und drüber ging, die Bajuwaren ins Land. Und im Gegensatz zu Goten, Langobarden oder Franken blieben sie auch – bis heute. Wen wundert’s da, dass Südtirol zu den beliebtesten Reisezielen der Bayern gehört?
Ein Wahrzeichen Südtirols: der Schlern
Ferienträume werden gespeist von Klischees; zu Südtirol fallen einem besonders viele ein: saftige Wiesen, bizarre Felsen, Frühlingsblüte unterm Gletscherweiß, schmucke Bergdörfer, stiebender Pulverschnee. Dass es auf manchen Almen im Herbst zum Himmel stinkt, weil heftig geodelt wird, passt so wenig ins makellose Bild wie der intensive Chemieeinsatz auf den Etschtaler Obstplantagen. Doch das Gras soll im nächsten Sommer halt schneller in jene Dinosaurier-Eier wachsen, die mehr oder weniger dekorativ Straßen- und Wegränder säumen, und das fleckenlose Antlitz ist ein wichtiges Verkaufsargument für den Südtiroler Alpenapfel. All das speist den Wohlstand im »Land an der Etsch und im Gebirg’«.
Moderne Zeiten
Das verzeichnet – im Gegensatz zum übrigen Italien – nur minimale Arbeitslosigkeit, dafür steigende Umsätze, auch im Tourismus. Aber Wachstum hat seinen Preis, und den bezahlt in diesem Fall die Natur. Denn der märchenhafte Boom, den Südtirol seit den 1970er-Jahren als Ferienziel erlebt, hat dem Land nicht nur weit über 200 000 Gästebetten und zahllose Arbeitsplätze beschert; da ist mehr als nur ein kleines Stück Heimat planiert, zubetoniert worden, hat so manches Dorf seine Seele dem Kommerz geopfert. Von den Bergen grüßen SB-Restaurants, am dicken Seil geht’s hinauf, im Winter auf breiter, künstlich beschneiter Spur wieder zu Tal, nicht ohne den berühmten »Einkehrschwung« unterwegs. Und spät abends ist in der Disco der Bär los. Andere genießen unter vier oder fünf (Hotel-)Sternen Wellness & Spa, lassen sich massieren oder zum Schwitzen in Heubäder stecken, um die Spuren des Alltags in Gesicht und Seele zu tilgen. Im Sommer werden die Gipfel gestürmt, zu Fuß oder per Bike, manche binden sich ans Seil eines Bergführers oder stürzen sich gleich als Bungee-Jumper in die Tiefe. Action heißt die Devise, der Tourist will etwas erleben!
Skifahren an der Plose
Gute alte Zeit?
Wo sich vor ein paar Jahrzehnten noch eine Mechanik bewegte, regieren längst Bits und Bytes, aus dem guten alten Drahtesel ist ein Hightech-Bike geworden, das iPhone verbindet uns mit dem End’ der Welt. Doch warum der »guten alten Zeit« nachtrauern? Das Leben auf dem Hof brachte außer Schwielen an den Händen und einem krummen Rücken nicht viel, gerade mal genug zum (Über-)Leben, und oft war die Not so groß, dass die Kinder an Bauern in Süddeutschland verdingt wurden (Schwabenkinder). Noch in den 1960er-Jahren galten die Südtiroler als arme Schlucker, die »stille« und andere Hilfe erhielten, auch aus Bayern. Italien alimentierte seinen nördlichsten Landeszipfel ebenfalls, die allmächtige Südtiroler Volkspartei (SVP) ließ sich ihren Verzicht auf politische Unabhängigkeit von Rom großzügig vergelten.
So wurde aus der problematischen Hinterlassenschaft des Ersten Weltkriegs eine prosperierende Europaregion. Aus dem Gegeneinander der Volksgruppen ist ein Nebeneinander geworden. Und die Südtiroler Hoteliers dürfen sich über immer mehr Gäste aus dem eigenen Land, pardon: aus aller Welt und Italien, freuen.
Die Tracht bedeutet in Südtirol mehr als nur Folklore.
Das war vor einem Jahrhundert ganz anders. Über Trient wehte der Doppeladler, Welschtirol (Trentino) gehörte zur k. u. k.-Monarchie, und Cortina d’Ampezzo war ein unscheinbares Bergnest am Rand Südtirols. Der europäische Machtpoker war in vollem Gang, der Mord von Sarajewo dann der Funke an einer Lunte, die längst gelegt war (siehe S. 258).
Pioniere
Gipfel, große wie kleine, gibt es in Südtirol mehr als genug zwischen Ötztaler Alpen und Dolomiten, zwischen Zillertaler Hauptkamm und Ortler. Letzterer ist mit einer Gipfelhöhe von 3905 Metern der »höchste Spiz im Land Tyrol«; als erster Mensch stand am 27. September 1804 der Gamsjäger Josef Pichler oben auf seinem Schneehaupt. Zu jener Zeit stand die »Entdeckung« der Dolomiten noch aus. In alten Landkarten findet man zwischen Eisack und Piave bloß ein paar Ortsnamen, aber keine Berge. Die Tirolkarte von Peter Anich und Blasius Hueber, zur Zeit Maria Theresias entstanden, verzeichnet immerhin erste, ziemlich beliebig gestreute Hinweise: Marmolada Vedretta, Fedaja M., Sass Maor, M. d’Alleghe. Vergeblich sucht man allerdings nach dem Namen des Gebirges – es hatte keinen.
Ein paar Jahre später tauchte ein Adeliger aus dem fernen Frankreich in Südtirol auf: Déodat Gratet de Dolomieu (1750–1801). Er sammelte Mineralien und interessierte sich auch sonst für allerlei Naturkundliches. Im Eisacktal stieß er auf einen Stein, der zwar aussah wie gewöhnlicher Kalk, beim Überträufeln mit verdünnter Salzsäure aber eine abweichende Reaktion zeigte, »obwohl diese Eigenschaft von allen Naturforschern als sicherstes Kennzeichen angegeben wird«. Sein Genfer Freund, der Wissenschaftler Théodore de Saussure, untersuchte das Exponat und benannte es nach seinem Entdecker: Dolomite. So kam das ostalpine Gebirge zu seinem französischen Namen, entdeckt hatte es die Welt aber noch längst nicht. Ein halbes Jahrhundert nach der Erstbesteigung des Mont Blanc (1786) waren Langkofel und Marmolada, Civetta und Dreischusterspitze immer noch weiße Flecken auf der Landkarte des Alpinismus. Ein ganz früher, wohl reichlich dilettantischer Versuch an der Marmolada (1804), dem »Dach« der Dolomiten, endete unglücklich: Einer der drei Priester, die an dem Unternehmen beteiligt waren, stürzte in eine Gletscherspalte. Natürlich »fielen« sie schließlich doch, die großen Gipfel der Dolomiten, als erster im September 1857 der Pelmo. Besonders erfolgreich war der Wiener Paul Grohmann; auf sein Konto gehen u.a. die Erstbesteigungen von Marmolada, Langkofel und Großer Zinne.
Dolomitenzauber
Wander-Wunderland Dolomiten: an der Croda da Lago
Geschützte Natur
Als Grohmann 1864 die Marmolada als Erster bestieg, dachte natürlich noch niemand an Naturschutz. Die Berge waren zu jener Zeit beides: Wirtschaftsfeld, aber auch Bedrohung. Man lebte mit und von ihnen, begegnete ihnen allerdings auch mit gehörigem Respekt. Längst hat sich das Verhältnis zwischen Mensch und Natur umgekehrt (bilden wir uns ein), die Natur ist zum Spielplatz des Tourismus geworden, Einöde zum Kapital. Und Kapital muss erhalten bleiben, zumindest diese Einsicht hat sich mittlerweile durchgesetzt, auch in Südtirol. In den insgesamt acht großen Schutzgebieten des Landes hat die Natur Vorrang, der Mensch wird aber nicht ausgesperrt. Gezielte Eingriffe zur Wahrung oder Wiederherstellung des ökologischen Gleichgewichts sind erlaubt, in Grenzen auch eine wirtschaftliche Nutzung, etwa durch Bergbauern, Jäger und den Tourismus. Zu den Zielen der Naturparks gehört neben der Forschung vor allem eine Sensibilisierung der Besucher.
Kirchen und Burgen
Wer früher in Südtirol das Sagen hatte, ist auch heute nicht zu übersehen: die Kirche sowie der Adel. Überall grüßen Kirchtürme und auf jedem Hügel hockt ein Schloss oder eine Burgruine. Beides sind Symbole einer streng hierarchisch geordneten Gesellschaft. Gegen die Mächtigen war kaum anzukommen, im Mittelalter schon gar nicht, und als die Bauernaufstände des 16. Jahrhunderts auch Südtirol erreichten, schlug das Establishment mit aller Gewalt zurück. Michael Gaismair, Anführer der Aufständischen in Brixen, musste fliehen, die Kirche blieb (buchstäblich) im Dorf.
Und die stammt meistens aus jener Epoche, die das Bild des urbanen Südtirols bis heute prägt: der Gotik. Frühmittelalterliche Gotteshäuser blieben ganz wenige im Vinschgau (Mals, Naturns) und bei Kaltern (St. Peter, Altenburg) erhalten, auch der romanische Baubestand ist recht dürftig, weil viele jener Kirchen spätestens in der Barockzeit umgestaltet wurden. Eine – wichtige! – Ausnahme bildet die Stiftskirche von Innichen aus dem 13. Jahrhundert, die als bedeutendstes Baudenkmal der Romanik in ganz Tirol gilt. Das Gotteshaus bewahrt neben der Kreuzigungsgruppe auch kostbare romanische Fresken (Kuppel), in ihrer Qualität mit jenen des Klosters Marienberg (Krypta) im Obervinschgau vergleichbar.
Das 12. und 13. Jahrhundert erlebte dafür einen sehr profanen Bauboom. Der niedere Adel schuf sich feste Plätze, um mehr oder weniger ungehindert seinem (Raub-)Rittertum nachgehen zu können, überwiegend entlang der großen Handelswege im Vinschgau (Reschenpass), im Eisacktal (Brennerpass) und im Unterland. Die Herren von Eppan und Tirol kämpften schließlich um die Vormacht im Land; Eppan ging unter, die Tiroler siegten.
Südtiroler Gotik
Zu Beginn des 14. Jahrhunderts begann die Zeit der Gotik in Südtirol, sehr schön abzulesen an der Bozner Pfarrkirche. Das um 1295 begonnene Langhaus folgt noch der romanischen Formensprache, wogegen der gut hundert Jahre später errichtete Umgangschor in lichter Gotik gehalten ist. An dem größten Gotteshaus im Land arbeiteten – typisch für das Transitland Südtirol – lombardische (Hauptportal) und süddeutsche Künstler (Turmaufsatz).
In den Städten entwickelte sich im 15. Jahrhundert das typische Tiroler Bürgerhaus mit seiner schmalen, erkergeschmückten Fassade, den Lauben und dem rückwärtigen Lichthof. Ein Spaziergang durch die Sterzinger Neustadt vermittelt einen guten Eindruck dieser Bauweise; bedeutenden gotischen Bestand weisen auch die historischen Ortskerne von Bruneck, Brixen, Klausen und Meran auf.
Schloss Kastelbell
Berühmt ist das Land für seine Flügelaltäre, die das besondere Talent der Tiroler im Umgang mit dem Werkstoff Holz belegen. Rund 70 dieser geschnitzten und bemalten Kunstwerke blieben erhalten, manches wurde irgendwann verscherbelt oder landete in Museen oder bei privaten Kunstsammlern. Hervorragende Beispiele sind die Altäre in Latsch (Jörg Lederer), Lana (Hans Schnatterpeck) und Sterzing (Hans Multscher). Den Höhepunkt markiert das Schaffen des Pustertaler Malers und Bildhauers Michael Pacher (um 1430–1498). In der alten Grieser Pfarrkirche bei Bozen steht mit dem Marienkrönungsaltar sein wichtigstes Werk.
Detail der romanischen Kreuzigungsgruppe in der Innicher Stiftskirche
Und danach? Die Renaissance hinterließ in Südtirol nur wenig Bemerkenswertes wie die Bischöfliche Burg in Brixen oder die Churburg im Vinschgau. Mit der Verlegung des Regierungssitzes nach Wien (1665) wurde Tirol zu einer abgelegenen Provinz eines Staates, dem es nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges ohnehin an Geld fehlte. Auch die Barockzeit brachte kaum mehr Großes hervor, sieht man vom Umbau des Brixner Doms und der Neustifter Kirche einmal ab. Als einheimischer Künstler ragt dabei der aus dem Pustertal stammende Paul Troger (1698–1762) heraus. Von ihm stammt das monumentale Deckengemälde des Brixner Doms. Mit dem Rokoko endet auch in Südtirol die klassische Baugeschichte; die Klosterbibliothek in Neustift (1776) setzt einen letzten Höhepunkt.
Südtirol heute – eine Erfolgsgeschichte
Zwei Kriege, die Abtrennung vom Mutterland und das faschistische Regime Mussolinis – mittlerweile ebenfalls Geschichte. Was nach dem Zweiten Weltkrieg mit großzügiger Alimentation begann, steht heute auf einer soliden Basis. Wichtigster Wirtschaftssektor ist der Tourismus, der sich inzwischen hohen Qualitätsstandards verschrieben hat. Vorbei sind die Zeiten der Kleinpensionen, der Riesenschnitzel und der gepanschten Weine; Südtirol ist ein Paradies für alle, die niveauvoll urlauben wollen. Bestes Beispiel: die Südtiroler Weinbauern, die regelmäßig bei den großen italienischen Weinmessen Preise abräumen.
Steckbrief
Lage: Südtirol liegt südlich des Alpenhauptkamms, der die Grenze zu Tirol und Salzburg bildet. Im Westen hat es gemeinsame Grenzen mit der Schweiz (Graubünden) und der Provinz Sondrio, im Süden schließt die Provinz Trient an, im Südosten grenzt es an die Provinz Belluno.
Fläche: Südtirol ist 7400 km² groß, höchster Punkt ist der Ortler mit 3905 m über dem Mittelmeer, der tiefste Punkt liegt im Etschtal bei Salurn (207 m).
Hauptstadt: Bozen (Bolzano) mit rund 100 000 Einwohnern
Landesflagge:
Einwohner: 524 256 Menschen (Stand Ende 2016) leben in Südtirol, verteilt auf 116 Gemeinden. Die größten Städte sind Bozen (ca. 106 000 Einw.), Meran (ca. 40 000 Einw.) und Brixen (ca. 21 500 Einw.).
Währung: Euro
Amtssprachen: Knapp 70 % der Einwohner sprechen Deutsch, gut 25 % Italienisch. Ladinisch, ein rätoromanischer Dialekt, ist mit 4,5 % nur in einigen Dolomitentälern vertreten. Der italienische Bevölkerungsanteil konzentriert sich auf das Etschtal zwischen Meran und Bozen.
Zeitzone: MEZ (Umstellung auf Sommer-/Winterzeit im März bzw. Oktober)
Geografie: Geologisch gliedert sich Südtirol grob gesehen in die Gneis-Granitzone des Alpenhauptkamms, die Bozner Porphyrplatte und die Dolomiten. Entwässert wird das Land durch die Etsch und ihre Zuflüsse, die auch das markante Tälersystem bilden (Vinschgau, Eisack- und Pustertal, Etschtal). Die Wasser der Etsch münden in den Po und mit ihm ins Mittelmeer. Bloß die Drau fließt über die Save in die Donau.
Staat und Verwaltung: Als nördlichste Provinz Italiens bildet Südtirol zusammen mit der Provinz Trient die autonome Region Trentino-Südtirol mit umfassenden Selbstverwaltungsrechten seit 1972. Kulturell und sprachlich hebt sich Südtirol, bedingt durch seine jahrhundertelange Zugehörigkeit zur Habsburger Monarchie, vom Rest Italiens ab. Heute ist Südtirol Herzstück der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino.
Religion: 98 % aller Südtiroler gehören der katholischen Glaubensgemeinschaft an.
Wirtschaft und Tourismus: Südtirol verfügt heute über 10 000 Beherbergungsbetriebe, die ca. 219 000 Gästebetten zur Verfügung stellen. Pro Jahr kommen etwa 5 Mio. Touristen nach Südtirol, wovon fast die Hälfte aus Deutschland anreist. Die meisten Südtiroler (ca. 63,5 %) sind im Dienstleistungsgewerbe tätig. Etwa 24,5 % sind im produzierenden Gewerbe und ca. 12 % in der Landwirtschaft beschäftigt. Nur 3,2 % sind ohne Arbeit.
Geschichte im Überblick
5000 v. Chr. Nach dem Rückzug der großen eiszeitlichen Gletscher dringt der Mensch in die Alpentäler vor.
3300 v. Chr. Ein Mann stirbt am Alpenhauptkamm, auf dem Weg vom Schnalstal ins Ötztal: »Ötzi«, vor bald 30 Jahren vom Eis freigegeben und eine wissenschaftliche Sensation.
1500 v. Chr. entsteht die Laugen-Melaun-Kultur. Die Menschen siedeln vor allem auf klimatisch begünstigten Mittelgebirgsterrassen, der Kupferbergbau floriert, die Handelstätigkeit nimmt zu.
400 v. Chr. Keltische Stämme dringen in den Südalpenraum vor.
36 v. Chr. Die Römer gründen Tridentum, das heutige Trento. Bei ihrem Vorstoß über die Alpen gründen sie die Provinz Raetia.
6. Jh. Bajuwaren wandern von Norden in das Land ein.
769 Herzog Tassilo III. von Bayern gründet in Innichen das erste Kloster Südtirols. Es soll die Christianisierung der slawischen Stämme am Oberlauf der Drau fördern.
12. Jh. Der Aufstieg der Grafen von Tirol beginnt.
1363 stirbt der letzte männliche Spross der Grafen von Tirol. Margarethe Maultasch vererbt Tirol an Herzog Rudolf IV. von Habsburg.
1420 Innsbruck wird an Stelle von Meran neue Hauptstadt Tirols.
1499 In den Schwabenkriegen brandschatzen die Graubündner nach ihrem Sieg an der Calven den Vinschgau.
1525/26 Missstände im Klerus führen auch in Südtirol zu Bauernaufständen; ihr Anführer, Michael Gaismair, wird 1532 in Padua ermordet.
1665 stirbt die Tiroler Linie der Habsburger aus; das Land wird nun von Wien aus regiert.
1703