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Mein Mallorca
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eBook208 Seiten2 Stunden

Mein Mallorca

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Über dieses E-Book

Vieles ist über Mallorca geschrieben worden, und möglicherweise wissen Sie alles über das ehemalige Königreich Mallorca, aber sind Ihnen alle vier deutschen Könige der Insel bekannt? Der Schlager-, der Wurst-, der Bier- und der Mietwagenkönig? Wussten Sie, dass es eine Sprechstunde für Ausländer gibt? Dass die fest auf der Insel lebenden Deutschen über alle meckern: über die fest auf der Insel lebenden Deutschen, die kein Spanisch lernen, über die neureichen Angeber, die schwitzenden Urlauber im Feinripp-Unterhemd, die Ökos, die Radfahrer, die geparkten Ehefrauen, die gelangweilten Rentner, die Gescheiterten, die Russen (und über die Einheimischen sowieso)? Niemand weiß die auf der Insel gängigen Vorurteile feiner zu unterscheiden als Vito von Eichborn, der lang genug auf Mallorca lebte und sich gründlich unter die Menschen mischte. Über den frommen Gelehrten und Dichter Ramón Llull schreibt er mit ähnlicher Verve und Kenntnis wie über Ballermann, Bohlen und Becker; es geht um große und kleine Dichtertreffen, Geschichten aus dem Bürgerkrieg, um Korruption und Immobilienhandel, um Mönchsgeier und den Fenchel am Wegrand – und nicht zuletzt um die (erfolglosen) Versuche der mallorquinischen Polizei, Eichborn Verkehrsregeln beizubringen.
SpracheDeutsch
Herausgebermareverlag
Erscheinungsdatum19. März 2019
ISBN9783866483637
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    Buchvorschau

    Mein Mallorca - Vito von Eichborn

    Literaturverzeichnis

    Wie ich was mit Aussicht suchte und meinen Mittelpunkt der Insel fand

    »Da die Quellen früherer Autoren sich wie immer widersprechen, muss ich Ungenauigkeiten korrigieren. Hier also mein versprochener Artikel. Meiner Rolle als Reisender gemäß, will ich vorneweg eindeutig erklären, dass mein Bericht unbestreitbar weit besser ist als alle vorherigen.«

    Als ich das Haus am Mühlturm sah, wusste ich: Das isses. Und als mich auf der Dachterrasse die geradezuirrwitzige 360-Grad-Rundumsicht gefangen nahm, war’s vollends um mich geschehen.

    Ich hatte den Maklern von Inca bis Santa Maria gesagt: Irgendwas zur Miete – Hauptsache, Fernblick. Hier nun standen drei Mühltürme auf einem Hügel am Ortsrand; am höchsten davon war ein Haus angebaut. Schon der Weg über den schrägen, krumm belegten Hof, vorbei an einem drei Meter hohen Kaktus an einem alten Brunnen, vorbei an einer ausgewachsenen Palme an der Treppe, einem uralten runden Schuppen am Felsen und einem mächtigen Feigenbaum, rührte mich an. Und dann mein Traum: Das große Wohnzimmerfenster wirkte wie ein Triptychon mit seinem Blick auf die Tramuntana – von den Bergen bei Valldemossa im Westen bis zur Halbinsel Formentor im Nordosten.

    Von mir aus im Norden, in der Mitte des gerade zum Weltkulturerbe erklärten Gebirges, beeindruckten mich zwei gewaltige Felsen; sie sind wie Backenzähne geformt, ich taufte sie Goliath und Atlas. In der Walpurgisnacht, am 30. April zum Tanz in den Mai, spannen die Hexen ein Seil zwischen ihnen, auf dem sie herumlaufen und tanzen. Der linke Zahn trägt die legendäre Burg von Alaró, wo die größten Helden der Insel, Guillem Bassa und Guillem Cabrit, auf Bratspießen zu Tode geröstet wurden. Nachdem das Königreich Mallorca gegen Ende des 13. Jahrhunderts von Alfons II., dem Neffen vom Jaume II., in wenigen Tagen erobert worden war, hatten die beiden »Wilhelms« den Widerstand angeführt und sich noch zwei Jahre lang auf der Burg gehalten.

    Auf dem riesigen, mit einer Brüstung umgebenen flachen Dach am Turm baute ich später einen hölzernen Unterstand mit asymmetrisch versetzten Wänden, um – vor Sonne und Regen und auch vor dem ständigen Wind geschützt – mein Mallorca gewissermaßen rundherum zu verinnerlichen. Es pfiff ständig, die Altvorderen hatten gewusst, warum hier gleich mehrere Mühlen standen; in den Kellern unter meinem Haus, teilweise direkt in den Fels gehauen, war eine weitere Mühle überbaut worden.

    Der Blick nach Südwesten umfasste mein ockerfarbenes Dorf, Santa Eugènia, das mir schnell ans Herz wuchs. Da war nichts kaputt gebaut, es gab kein Hotel, keinerlei Touristenattraktion. In der Dorfmitte, im Bistro L’Escargot, würde ich fast jeden Freitagabend zum Plaudern mit den Dorfbewohnern und zur Jamsession einheimischer Musiker auftauchen.

    Nach Osten schaute ich über endlose fruchtbare Äcker, über die Tiefebene der Inselmitte, Es Pla, im Nordosten von heller Mergelerde bedeckt, in der Inselmitte von eisenhaltiger Tonerde, die zur typischen Rotfärbung führt.

    Der Blick fiel unterhalb meines Mühlenhügels auf ein seltsames Gebäude: Die zehn Türen in diesem länglichen Gebilde führten zu zehn nebeneinanderliegenden Zimmern. Es gab keinen Baum, keinen Strauch, jedoch einen größeren Pool. Später erzählte mir jemand, dass dies ein Bordell in einem Industriegebiet hatte werden sollen. Ob das stimmt? Von hier oben hätte ich direkten, unverbaubaren Einblick in das Geschehen gewonnen.

    Das Grundstück gehörte natürlich einem Verwandten des Unternehmers. Das Haus war ohne jedes Drumherum auf die Wiese gebaut. Jedoch wäre hier nie ein Industriegebiet genehmigt worden, denn nicht nur liegt der Friedhof des Dorfes im Einzugsgebiet, sondern unmittelbar daneben lag der einzige jüdische Friedhof von ganz Mallorca. Der war, durch das schmiedeeiserne Tor betrachtet, sehr gepflegt, jedoch immer verrammelt; ich habe dort nie einen Menschen gesehen.

    Dieser vereinsamte, etwas beknackt wie Pferdeställe aussehende Bau stand seit Jahren zum Verkauf. Vielleicht gibt es unter den Lesern einen Unternehmer, dem ich folgende Idee schenke: Jemand sollte ein »Bici-Hotel«, also so was wie ein Fahrrad-Motel, draus machen. Erotik-Schuppen gibt’s genug. Im Frühjahr und Herbst, wenn die Insel Tausende Velozipedisten anzieht, wäre der Bau sicherlich geeigneter, den zweirädrigen Liebling, die Bicicleta, mit aufs Zimmer zu nehmen.

    Die Pla dehnt sich weiter nach Südosten aus; ich blickte in der Ferne auf den Berg von Randa. Die Sage berichtet, der ganze Berg sei hohl. Kein Wunder. Tatsächlich erstrecken sich auf dieser Insel aus Kalk – besser: darunter – kilometerweit einige der größten Höhlen Europas.

    Auf dem Berg finden sich gleich drei der zahllosen mallorquinischen Klöster. Im »Cura« auf dem Gipfel schrieb der Philosoph und Theologe Ramon Llull – etwa zur gleichen Zeit, als die Guillems hingerichtet wurden – seine Ars Magna. Er war Universalgelehrter und im 13. Jahrhundert der erste bedeutende Lyriker der westlichen Literatur, als in Deutschland noch tiefstes Mittelalter herrschte. Von ihm wird noch die Rede sein.

    Hier in der hübschen Kapelle war ich mal völlig alleine, kein Tourist weit und breit, und die Akustik verlockte mich. Mir fiel meine Schulzeit wieder ein. Denn mit siebzehn war ich einst im Kirchenchor gelandet, eigentlich wegen der Mädchen. Für die war ich wohl noch zu kurzbehost und tapsig, da lief frustrierenderweise nix, jedoch waren wir mit der Kantorei h-Moll-Messe-singend in österreichischen Kirchen unterwegs. Diese Melodie fiel mir hier nun wieder ein, nie habe ich das Glo-o-o-o-r-ii-aaa so inbrünstig geschmettert. In excel-si-iiis de-ee-ooo.

    Wenn ich, wie meist, auf dem Balkon meiner Wohnung frühstückte, mit dem Blick von der Ebene im Osten über Randa bis fast zum Flughafen Son Sant Joan vor Palma, kreuzten ständig Flugzeuge das Panorama, im Hochsommer alle paar Minuten. Von meinem Haus aus hinter einem Hügel, der den Blick nach Palma verdeckte, luden die Flieger ihre millionenfache menschliche Fracht ab. Ihr fernes Brummen störte nicht sonderlich, nur manchmal bei widriger Wetterlage wurde es lauter.

    Sie flogen buchstäblich entlang der alten Handelsstraße von Sineu, wo schon seit Ewigkeiten – etwa seit der Zeit von Llull und den tapferen Wilhelms – der älteste Wochenmarkt der Insel stattfindet. Auch weil dort mittwochs immer noch Hähne, Hunde und Esel angeboten werden, gehört er noch heute – nicht nur für Kinder – zu den großen Touristenattraktionen; endlos parken die Autobusse entlang der einzigen Eisenbahnlinie. Von Sineu führen sternförmig die Wege in alle Richtungen, nicht zuletzt auch nach Palma. Und falls jemand sich wundert, dass sie durch kein einziges Dorf führt – dies war von alters her die Straße des Königs.

    Gerne fuhr ich nach Sineu zum Frühstücken und Menschengucken an der Plaza bei der Kirche, und ich stellte mir vor, wie seit über achthundert Jahren an dieser Stelle immer jemand saß, der sich wunderte über die Mannigfaltigkeit seiner Zeitgenossen. Sineu wurde mir lieb – darauf komme ich noch zurück.

    Viel mehr als über das denkbare Fahrrad-Bordell staunte ich jedoch eines Nachmittags, als ich zu Hause zum Panoramafenster hinaussah; ich dachte, nun sei ich völlig durchgedreht. Unmittelbar an meinem Fenster war ein knallbunter Vogel vorbeigeflogen, greller als ein Papagei, wie es ihn im Kinderbuch, nicht aber in der Natur geben kann. Doch tatsächlich, es war ein ganzer Schwarm schrill angemalter Tauben, die an beiden Seiten meines Hauses ihre Runden drehten.

    Ich habe sie oft beobachtet, dann ging ich mal nach unten, um nach des Rätsels Lösung zu fragen. Am Fuß meines Mühlbergs ließ ein Spanier sie zweimal die Woche frei; er führte sie mir vor, nahm sie in die Hände, spreizte ihre Flügel – ein unglaublicher Anblick wie aus buntem Plastik, leuchtend rot, auch grün und blau, meist in allen erdenklichen Farbmischungen, mit knalligem Bauch und gefleckten Schwingen. O Mann, jedes Mal, wenn sie um meine Mühle kreisten, war ich wieder aus dem Häuschen. Das ist total schräg und surreal, aber auch wundersam unwirklich und märchenhaft, wenn diese unglaublichen Vögel vor der Bergkulisse oder der endlosen Ebene ihre Runden drehen.

    Es stellte sich heraus, dass dies unter Taubenhaltern in Spanien ein altes Hobby ist; drei von diesen Schwärmen gibt es auf Mallorca. Man denkt prompt an Tierquälerei, aber natürlich sind die Farben vollkommen unschädlich. Von Zeit zu Zeit treffen die Halter sich zum Wettkampf. Die bunten Vögel sind allesamt Männchen. Dann wird eine unscheinbare Taubendame losgelassen, zig scharfe Buntlinge stürzen sich hinterher – und wer zuerst zum Zug kommt, dessen Halter hat gewonnen.

    Nicht ganz so meschugge, aber auch unvergesslich war der Blick vom Balkon, als sich vier bis fünf Meter hohe bunte Riesen, die Gegants, unterhalb von meiner Mühle auf der Plaza versammelten. Es dürften etwa fünfundzwanzig Pappmascheefiguren sein, die einmal im Jahr in einer stundenlangen Prozession durchs Dorf ziehen. Sie tragen Trachten und verkörpern zahlreiche Berufe und müssen aufpassen, nicht mit den Kronen der Bäume an dem kleinen Platz zu kollidieren. Erst fiel mir abschätzig ein: Kitsch. Aber nein, dies rührte mich an. Diese Inszenierung nun wirkte mal nicht so billig und daneben wie so manche künstlich erhaltene Tradition, es ist auch keine Show für Touris, sondern Höhepunkt eines uralten Volksfests der Einwohner.

    Die Gegants kommen für die zahlreichen Feste aus vielen Dörfern zusammen. Zwei besonders prächtige Exemplare stehen links und rechts des Eingangs im Rathaus von Palma.

    Ja, Mallorca ist ein Phänomen. Denn es gibt buchstäblich alles: eine südlich-laute Großstadt ebenso wie einsamste Natur; ein buntes internationales Gemisch aus den Sprachen und Nationen weltweit und bäuerliche Familienstrukturen, die davon anscheinend unberührt bleiben. Und was weitgehend unbekannt ist: Im Norden gibt es auch heftige Niederschläge, 1400 Millimeter pro Quadratmeter jährlich; das erreichen nur wenige Gebiete in Deutschland. Im Südosten dagegen regnet es kaum, in Campos sind es 350 Millimeter. Eine Bekannte meinte, es regne ihr da zu viel; sie zog von Binissalem, weil es ihr da zu feucht und nass war, nach Santanyí.

    Von meinem abgelegenen Dorf fuhr ich zwanzig Minuten bis in die Tiefgarage des Corte Inglés, des größten Kaufhauses von Palma. Zwanzig Minuten brauchte ich auch nach Süden zu einer versteckten felsigen Bucht, wo ich, mit Klappsesselchen, Lektüre und einem Piccolo bewaffnet, zum Nacktbaden verschwand und über die ganze Breite der Bucht von Palma und die Berge dahinter blickte. Vor lauter Fern-Sehen vergaß ich oft die Lektüre.

    In zwanzig Minuten von meiner Mühle aus war ich nördlich im eher hässlichen Inca, im Industriegebiet, um mir beim Factory-Outlet von Camper Schuhe, um die Ecke bei Tchibo Kaffee und in einem sozialen Gebrauchtshop alten Krempel zu kaufen, nach einem Spaziergang nebenan über den großen urspanischen Friedhof mit den Sarg-Schubladen in den Wänden und seinen so fremden Begräbnisritualen.

    In einer knappen halben Stunde nach Südwesten war ich in Puerto Portals, wo sich die Szene der Schönen und Reichen produziert – ja, im Sterne-Restaurant Tristán sehen sie wirklich aus wie die Klischees in Bunte und Gala. In der Bar davor trank ich friedlich und staunend ein Pils, und da mich niemand beobachtete und ich nicht wusste, wohin damit, tut das Bierglas jetzt hier bei mir zu Hause seine Dienste. Dieser Jachthafen gehört zu den exklusivsten in Europa. Die Schiffchen kosten im Schnitt ein paar Millionen und die Dauerliegeplätze viele Hunderttausend Euro im Jahr und bis zu tausend Euro die Nacht. Völlig neidlos, einfach offen gestanden: Da kann ich nicht mehr folgen. Was ist das für ein Leben? Welchen Kriterien folgt es?

    Übrigens gibt’s auf der Insel in den gut vierzig Häfen rund fünfzehntausend Liegeplätze – die natürlich nicht reichen; es werden weitere gebaut.

    Weiter südwestlich bin ich bald in Andratx, im Kulturzentrum von Tina Horne, die tolle Arbeit leistet und immer pleite ist, weil sie auf anspruchsvoller multikultureller Kultur besteht, oder am Hafen, wo Deutsch in den Lokalen fast keine Fremdsprache ist. Quasi um die Ecke, unweit vom Ende der Insel in Sant Elm, am Fuß eines Berges auf seiner wunderbaren Finca, finde ich einen Freund aus Köln wieder, den ich seit vielen Jahrzehnten nicht gesehen hatte. Er ist Kunstkritiker, sein Lebensgefährte kümmert sich ständig um Gäste, Gebäude und Garten.

    Und eine andere Freundin lebt, von meiner Mühle ebenso eine gute Dreiviertelstunde entfernt, diagonal am anderen Inselende im Nordosten auf ihrer frisch geerbten Finca, unweit des zauberhaften Städtchens Artà. Der kleine Laden von Freunden, die hier den Deutschen Bücher verkaufen wollten, musste zumachen. Es reichte nicht zum Leben, obwohl viele Deutsche hier wohnen und Touristenmassen unweit in Cala Millor und Cala Ratjada – gemeinsam mit Dieter Bohlen – Urlaub machen. Der hatte übrigens jahrelang versucht, bei der Schickeria im Südwesten den dicken Max zu markieren, so wird berichtet – aber sie waren nicht beeindruckt und haben ihn auflaufen lassen, deshalb flüchtete er hierher.

    Wie die Winde heißen und warum Mallorca der Mittelpunkt der Welt ist

    »Heute ist diese Reise nur etwas für an Körper und Geist starke Künstler. Eines Tages aber werden empfindsame Liebhaber wie schicke Frauen so selbstverständlich mühelos nach Palma fahren wie heute nach Genf.«

    Der Mittelpunkt der Welt war ja bekanntlich einst in Delphi. Zeus hatte an den Weltenden zwei Adler ausgesandt – sie trafen sich am Stein der

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