Fürchte nicht um meine Liebe: Der Bergpfarrer 227 – Heimatroman
Von Toni Waidacher
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Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert.
Hans Beerendörfer hob grüßend die Hand an den Schirm seiner Mütze und riss den Schlagbaum hoch, der die Einfahrt zur Brauerei Hartlinger versperrte. Im Fond der dunklen Limousine zeigte sich ein Gesicht, und eine Hand wurde zum Gruß erhoben. Der Pförtner senkte den Schlagbaum wieder, nachdem der Wagen passiert hatte, und eilte in das Häuschen zurück, in dem er vor dem Schaltpult Platz nahm, auf dem zahlreiche Knöpfe und Monitore montiert waren, mit denen er das gesamte Firmengelände überwachte. Freilich hätte er den Weg auch von hier drinnen freigeben können. In den siebziger Jahren war auch die Pförtnerloge automatisiert worden. Beerendörfer tat es ansonsten auch, bloß beim Chef machte er das, was er seit vierzig Jahren getan hatte – höchstpersönlich das Gewicht herunterdrücken und den Morgengruß vom Brauereibesitzer abholen. In seiner Loge griff Hans Beerendörfer nun zum Telefon und wählte die Eins, die Nummer des Chefsekretariats. »Er ist da.« Mehr sagte er nicht und legte gleich wieder auf. Dasselbe tat oben auch Hildegard Bacher und wandte den Kopf zu der jungen Frau, die an dem anderen Tisch arbeitete. »Der Chef ist eben vorgefahren.« Marina Kessler sprang auf und schaltete die Kaffeemaschine ein. Es war das morgendliche Ritual, das jetzt ablief. Kaffee kochen, zwei halbe belegte Brötchen auf einem Teller anrichten und zusammen mit der Kaffeetasse auf einem Tablett bereitstellen. Dann warteten die beiden Frauen, dass sich die Tür zum Büro öffnete. Unten durchquerte Joseph Hartlinger mit eiligen Schritten die Halle. Vorbei an Vitrinen mit alten Bierkrügen und Flaschen, Urkunden und Medaillen, alles Auszeichnungen und Preise verschiedener Ausstellungen, Reklameschildern aus Emaille und alten Plakaten, sowie den Bildern der Vorfahren des jetzigen Firmenchefs, ging der Brauereibesitzer die kostbar geschnitzte Treppe hinauf, über einen langen Flur, der, ebenso wie die Halle unten, eine Art Museum der Familiengeschichte darstellte, und öffnete die dunkelbraune Tür am Ende des Flures. »Guten Morgen, meine Damen.« »Guten Morgen, Herr Hartlinger«, grüßten die beiden Sekretärinnen im Chor.
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Fürchte nicht um meine Liebe - Toni Waidacher
Der Bergpfarrer
– 227–
Fürchte nicht um meine Liebe
… wir finden einen Weg!
Toni Waidacher
Hans Beerendörfer hob grüßend die Hand an den Schirm seiner Mütze und riss den Schlagbaum hoch, der die Einfahrt zur Brauerei Hartlinger versperrte. Im Fond der dunklen Limousine zeigte sich ein Gesicht, und eine Hand wurde zum Gruß erhoben.
Der Pförtner senkte den Schlagbaum wieder, nachdem der Wagen passiert hatte, und eilte in das Häuschen zurück, in dem er vor dem Schaltpult Platz nahm, auf dem zahlreiche Knöpfe und Monitore montiert waren, mit denen er das gesamte Firmengelände überwachte. Freilich hätte er den Weg auch von hier drinnen freigeben können. In den siebziger Jahren war auch die Pförtnerloge automatisiert worden. Beerendörfer tat es ansonsten auch, bloß beim Chef machte er das, was er seit vierzig Jahren getan hatte – höchstpersönlich das Gewicht herunterdrücken und den Morgengruß vom Brauereibesitzer abholen.
In seiner Loge griff Hans Beerendörfer nun zum Telefon und wählte die Eins, die Nummer des Chefsekretariats.
»Er ist da.«
Mehr sagte er nicht und legte gleich wieder auf.
Dasselbe tat oben auch Hildegard Bacher und wandte den Kopf zu der jungen Frau, die an dem anderen Tisch arbeitete.
»Der Chef ist eben vorgefahren.«
Marina Kessler sprang auf und schaltete die Kaffeemaschine ein. Es war das morgendliche Ritual, das jetzt ablief. Kaffee kochen, zwei halbe belegte Brötchen auf einem Teller anrichten und zusammen mit der Kaffeetasse auf einem Tablett bereitstellen.
Dann warteten die beiden Frauen, dass sich die Tür zum Büro öffnete.
Unten durchquerte Joseph Hartlinger mit eiligen Schritten die Halle. Vorbei an Vitrinen mit alten Bierkrügen und Flaschen, Urkunden und Medaillen, alles Auszeichnungen und Preise verschiedener Ausstellungen, Reklameschildern aus Emaille und alten Plakaten, sowie den Bildern der Vorfahren des jetzigen Firmenchefs, ging der Brauereibesitzer die kostbar geschnitzte Treppe hinauf, über einen langen Flur, der, ebenso wie die Halle unten, eine Art Museum der Familiengeschichte darstellte, und öffnete die dunkelbraune Tür am Ende des Flures.
»Guten Morgen, meine Damen.«
»Guten Morgen, Herr Hartlinger«, grüßten die beiden Sekretärinnen im Chor.
Joseph Hartlinger nahm den Hut ab und fuhr sich durch das graue Haar. Er hatte eine stattliche Größe, war breitschultrig, und trug heute einen dunklen Anzug, mit passender Krawatte und Einstecktuch. Sein Gesicht war markant, und er machte immer noch einen attraktiven Eindruck. Es hieß hinter vorgehaltener Hand, Joseph Hartlinger sei in früheren Jahren kein Kostverächter gewesen, und ein bisschen von dieser Aura haftete ihm immer noch an. Es gab so manche Dame in der Regensburger Gesellschaft, der es eine Sünde wert gewesen wäre, mit dem Brauereibesitzer nicht nur von dessen Bier zu kosten …
Marina Kessler hängte den Hut des Chefs an die Garderobe, während Hildegard Bacher ihm die Tür zum »Allerheiligsten« aufhielt, seinem Büro.
Der Brauereibesitzer nickte dankend, als Marina ihm das Frühstück auf den Tisch stellte. Der stand, umgeben von einigen Stühlen, am
Fenster, während sich der schwere Schreibtisch, mehr als hundert Jahre alt und aus Eiche gefertigt, am anderen Ende des großen Raumes befand.
Selbstverständlich hatte die Sekretärin, wie jeden Morgen, die Tageszeitung dazugelegt. Jetzt stand Marina Kessler abwartend da.
»Haben Sie noch einen Wunsch?«, fragte sie, ein wenig verwirrt.
Ganz gegen sonstiger Gewohnheit hatte Joseph Hartlinger sich nicht zum Essen hingesetzt, sondern hinter dem Schreibtisch Platz genommen. Das war ungewöhnlich, denn normalerweise bat der Chef erst zum Diktat, wenn er gefrühstückt hatte.
»Nein, im Moment net.« Hartlinger schüttelte den Kopf. »Das heißt, eine Frage – ist mein Sohn schon im Haus?«
Marina Kessler nickte, und ihr Gesicht bekam einen schwärmerischen Ausdruck.
»Ja, seit einer guten Stunde schon. Er hat drüben im Sudhaus zu tun.«
»Aha. Danke, Frau Kessler, das ist erst mal alles.«
Nachdem seine Sekretärin gegangen war, griff Joseph Hartlinger zum Telefon und rief im Sudhaus an. Willi Burckhard, der Braumeister, nahm den Anruf entgegen.
»Richten S’ meinem Sohn aus, dass ich ihn umgehend sprechen muss.«
»Jawohl, Chef, mach’ ich«, antwortete der Braumeister.
Der Brauereibesitzer legte auf und schaute grübelnd auf die Urkunden und Auszeichnungen, die auch hier die Wände schmückten. In einer großen Vitrine standen verschiedene Biergläser, alle mit dem Wappen der Hartlinger-Bräu verziert. Über fünfzig verschiedene Formen waren im Laufe der nunmehr zweihundertjährigen Firmengeschichte auf den Markt gebracht worden. Und noch immer wurde diese Tradition gepflegt. Gerade erst war einer Glashütte der Auftrag erteilt worden, eine neue Biergläserserie zu entwickeln.
Aber das war es nicht, was den Firmenchef grübeln ließ. Ihn plagten ganz andere Sorgen.
Zudem fragte er sich, was sein Sohn schon am frühen Morgen mit dem Braumeister zu besprechen hatte?
Vermutlich ging es wieder um diese angeblich neue und bahnbrechende Innovation, mit der er ihm schon seit Wochen in den Ohren lag.
Clemens Hartlinger war gelernter Braumeister und hatte zusätzlich Betriebswirtschaft studiert. Nach Abschluss des Studiums war der inzwischen Sechsundzwanzigjährige in die Firmenleitung aufgestiegen. Alles in allem war der Vater mit der Arbeit des Sohnes sehr zufrieden, und eines Tages, wenn der alte Braumeister in Rente ging, würde Clemens der Chef im Sudhaus sein. Doch seit einiger Zeit forderte er von seinem Vater, dass die Brauerei endlich dem Trend folgen und ein neues Getränk auf den Markt bringen sollte.
Joseph Hartlinger hatte sich zwar den Vorschlag angehört, ihn dann aber rundweg abgelehnt.
»Wenn du mal meinen Platz eingenommen hast«, war seine Antwort gewesen, »dann kannst du hier schalten und walten, wie du willst. Bis dahin aber entscheide ich, welchen Kurs die Hartlinger-Bräu fährt!«
*
Clemens Hartlinger trat aus der Tür des Sudhauses auf den Hof hinaus. Dort herrschte geschäftiges Treiben. Bierfässer rollten auf Förderbändern zu den bereitstehenden Lastwagen, Getränkekisten wurden computergesteuert zum Verladen geschickt, und die Fahrer überprüften routinemäßig, ob die Ladung auch mit den Papieren
übereinstimmte.
Der Juniorchef nickte grüßend hier und da und ging zum Haupthaus hinüber. Es war ein großer alter Backsteinbau, vor gut hundertfünfzig Jahren errichtet. Schon damals war die Hartlinger-Bräu in ganz Bayern bekannt. Sein Urgroßvater, nach dem Clemens benannt worden war, hatte den Bau in Auftrag gegeben, nachdem das erste, ursprüngliche Brauhaus zu klein geworden war.
Clemens lächelte, als er hinter den Fenstern der kaufmännischen Abteilung ein Augenpaar entdeckte, das ihn geradezu verschlang. Der gut aussehende junge Mann wusste um seinen Schlag bei den Damen, auch jener, die in der Brauerei beschäftigt waren. Indes verfolgte er den eisernen Grundsatz, niemals etwas mit einer Angestellten anzufangen.
Obwohl es nicht immer leicht war …
Als er das Sekretariat betrat bemerkte er, dass Marina Kessler bei seinem Anblick errötete. Er sah darüber hinweg und öffnete die Tür zum Büro seines Vaters.
»Möchten S’ vielleicht auch einen Kaffee?«
Marinas Frage ließ ihn sich noch einmal umdrehen.
»Ach ja, das wäre sehr nett«, lächelte er. »Danke schön.«
Während die Sekretärin dahinschmolz, trat er ein.
»Guten Morgen, Vater. Wie geht es Mutter?«
Clemens lebte schon seit dem Studium in einer eigenen Wohnung, in die elterliche Villa kam er meist nur an den Wochenenden. Aber auch nur, wenn ihm seine sportlichen Freizeitaktivitäten nicht davon abhielten. Clemens spielte leidenschaftlich gern Tennis und nahm hin und wieder an einem Poloturnier teil; das Pferd, das er dann ritt, gehörte ihm aber nicht. Es wäre dann doch zuviel Zeit, die er für die Pflege des Tieres hätte erübrigen müssen.
»Danke«, antwortete sein