Cheyenne-Brothers: Wyatt Earp 189 – Western
Von William Mark
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Noch immer stand der Staub über Laramie. Er fraß sich in die verschwitzte Haut, verstopfte die Poren, brannte in den Augen und vergiftete den Atem. Er kam in jedem Frühsommer, dann, wenn der warme Wind von den Bergen zog und sich hier in der weiten Ebene zum Sturm entwickelte. Meilenweit trieb er dann den losen Flugsand vor sich her, der erst in turmhohen graubraunen Böen hoch über die Savanne dahinstob, dann aber urplötzlich wie eine überdimensionale Flutwelle niederstieß und alles unter sich begrub. Für die Stadt bedeutete der Sand-Orkan eine ebensolche Katastrophe wie für die Bergbewohner in den hohen Mountains der Blizzard. Laramie schien seit Tagen in der Dunstglocke ersticken zu wollen. Zuweilen ließ der Sturm etwas nach, die Luft wurde leichter und besser, dann aber kam er, nicht selten in der Nacht, wenn es kühler geworden war, mit erneuter Macht zurück und stürzte sich auf die meist eingeschossigen, an den Boden geduckten Häuser der alten Westernstadt und das berühmte gleichnamige Fort, das schon so viele bittere Kämpfe erlebt hatte. Fünf Reiter hielten, mit eingezogenen Köpfen gegen den jetzt scharf über den Boden gehenden Sturm ankämpfend, auf die alte Pferdewechselstation Lake Hattie zu. Etwa eine knappe Meile nordwestlich vom Seeufer lag die aus einem winkelförmigen Bau bestehende Overlandstation, die der graubärtige Stationsmaster Ben Miller zu versorgen hatte. Miller war ein Mann Anfang der Sechzig, vierschrötig und schweigsam wie ein Indianer. Ein schweres Schicksal lag hinter ihm. Er war Engländer und Mitte der fünfziger Jahre mit seiner siebenköpfigen Familie hierher in dieses Land gekommen. Bei einem Indianerüberfall am Rande Cheyennes waren seine Frau und sein jüngster Sohn ums Leben gekommen. Der Vater mit den fünf mutterlosen Kindern schlug sich mehr schlecht als recht durchs Dasein. Oft hatte er den Tag verwünscht, an dem er den Plan gefaßt hatte, in die ›Neue Welt‹ zu gehen, die ihm doch nur Unheil gebracht hatte. Der Bürgerkrieg nahm ihm zwei seiner vier Jungen weg, und Suzan, die einzige Tochter, wurde auf dem Treck von Cheyenne hier ins weite Land nach Westen hinüber bei einem Bandenüberfall so schwer verletzt, daß der völlig niedergeschlagene Vater sie zurück zur Stadt in ein Hospital bringen mußte, wo sie noch drei Jahre litt, ehe auch sie ins Grab sank. Allein mit seinen beiden Söhnen Jim und Jake zog Miller wieder nach Westen. Dreieinhalb Meilen vor Fort Laramie wurden die Millers, die den Rest ihrer Habe auf einem kleinen ächzenden Planwagen mit sich führten, wieder überfallen. Ben Miller kämpfte wie ein Löwe; da wurde sein Sohn James schwer verletzt. Miller sprang um den Wagen herum und zerrte ihn zurück aus dem Bereich der Kugeln.
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Cheyenne-Brothers - William Mark
Wyatt Earp
– 189–
Cheyenne-Brothers
William Mark
Noch immer stand der Staub über Laramie.
Er fraß sich in die verschwitzte Haut, verstopfte die Poren, brannte in den Augen und vergiftete den Atem.
Er kam in jedem Frühsommer, dann, wenn der warme Wind von den Bergen zog und sich hier in der weiten Ebene zum Sturm entwickelte. Meilenweit trieb er dann den losen Flugsand vor sich her, der erst in turmhohen graubraunen Böen hoch über die Savanne dahinstob, dann aber urplötzlich wie eine überdimensionale Flutwelle niederstieß und alles unter sich begrub.
Für die Stadt bedeutete der Sand-Orkan eine ebensolche Katastrophe wie für die Bergbewohner in den hohen Mountains der Blizzard.
Laramie schien seit Tagen in der Dunstglocke ersticken zu wollen. Zuweilen ließ der Sturm etwas nach, die Luft wurde leichter und besser, dann aber kam er, nicht selten in der Nacht, wenn es kühler geworden war, mit erneuter Macht zurück und stürzte sich auf die meist eingeschossigen, an den Boden geduckten Häuser der alten Westernstadt und das berühmte gleichnamige Fort, das schon so viele bittere Kämpfe erlebt hatte.
Fünf Reiter hielten, mit eingezogenen Köpfen gegen den jetzt scharf über den Boden gehenden Sturm ankämpfend, auf die alte Pferdewechselstation Lake Hattie zu.
Etwa eine knappe Meile nordwestlich vom Seeufer lag die aus einem winkelförmigen Bau bestehende Overlandstation, die der graubärtige Stationsmaster Ben Miller zu versorgen hatte.
Miller war ein Mann Anfang der Sechzig, vierschrötig und schweigsam wie ein Indianer. Ein schweres Schicksal lag hinter ihm. Er war Engländer und Mitte der fünfziger Jahre mit seiner siebenköpfigen Familie hierher in dieses Land gekommen. Bei einem Indianerüberfall am Rande Cheyennes waren seine Frau und sein jüngster Sohn ums Leben gekommen. Der Vater mit den fünf mutterlosen Kindern schlug sich mehr schlecht als recht durchs Dasein.
Oft hatte er den Tag verwünscht, an dem er den Plan gefaßt hatte, in die ›Neue Welt‹ zu gehen, die ihm doch nur Unheil gebracht hatte. Der Bürgerkrieg nahm ihm zwei seiner vier Jungen weg, und Suzan, die einzige Tochter, wurde auf dem Treck von Cheyenne hier ins weite Land nach Westen hinüber bei einem Bandenüberfall so schwer verletzt, daß der völlig niedergeschlagene Vater sie zurück zur Stadt in ein Hospital bringen mußte, wo sie noch drei Jahre litt, ehe auch sie ins Grab sank.
Allein mit seinen beiden Söhnen Jim und Jake zog Miller wieder nach Westen.
Dreieinhalb Meilen vor Fort Laramie wurden die Millers, die den Rest ihrer Habe auf einem kleinen ächzenden Planwagen mit sich führten, wieder überfallen.
Ben Miller kämpfte wie ein Löwe; da wurde sein Sohn James schwer verletzt.
Miller sprang um den Wagen herum und zerrte ihn zurück aus dem Bereich der Kugeln.
Im gleichen Moment hatte sich am Wagenende Jake hervorgewagt und wurde ebenfalls getroffen.
Mit den beiden verwundeten Söhnen kauerte der Brite vor der Deichsel am Boden, und sein altes Winchestergewehr spie Feuer. Er konnte die fünf, die von den acht Angreifern noch übrig geblieben waren, vertreiben. Aber es war ein bitterer Sieg, dessen sich der Engländer nicht freuen konnte. Jim, der siebzehnjährige, war so schwer am linken Fuß verletzt, daß er kaum je wieder richtig und ungehindert gehen können würde – eine Sehne war von einem Geschoß zerrissen worden. Und Jake, der jüngere, hatte eine Kugel in der Brust.
Der Vater brachte die beiden verwundeten Söhne nach Fort Laramie, wo man ihnen nur die allernotwendigste Hilfe zuteil werden lassen konnte, denn der Fortarzt war am Vortage wenige Yards vom Fort entfernt, getötet worden. Lange hieß es, es wären Indianer gewesen, die ihn umgebracht hatten; aber der Lagerkommandant Captain Frank wußte es besser: Es waren Weiße – ehemalige Soldaten, die den Arzt haßten, weil er ein so ausgezeichneter Pokerspieler war. Ihre Rache hatte ihre Entlassung aus der Armee überdauert und sie von ihren Heimatorten wieder hierher in das alte Land ihrer Kampfzeiten zurückgeführt. Wie so viele ihresgleichen hatten sie den Krieg nicht vergessen wollen. Er fehlte ihnen direkt, als er vorüber war. Deshalb führten sie ihn auf eigene Faust, im kleinen und im größeren, weiter.
Nicht harmloser etwa als ehemals!
Da Miller in Laramie kein Auskommen fand, mußte er wohl oder übel wieder in das von ihm so gehaßte und gefürchtete Cheyenne ziehen.
Seine Söhne, der eine krumm von dem Lungendurchschuß, der andere hinkend, wuchsen am östlichen Stadtrand in einer Umgebung auf, die für sie Gift war. Der schweigsame verbitterte Brite merkte wenig davon, was sich um ihn herum, oder besser gesagt, hinter seinem Rücken ereignete. Seine Söhne trieben sich mit jungen Outlaws herum, mit Tramps alles Schattierungen, und eines Tages hatte Jake einen Mann auf offener Straße angeschossen.
Als Miller davon erfuhr, verprügelte er den Neunzehnjährigen – aber ohne Erfolg.
Jake sowie auch Jimmy erklärten ihm, daß ihrer beider Leben durch Banditen vernichtet worden sei – durch jene Männer, die sie so verunstaltet hatten. Die beiden Millers führte das zu dem etwas sonderbaren Schluß, daß ihnen nun nichts anderes übrig bliebe, als ebenfalls auf den ›Grauen Trail‹ zu ziehen, also auch Tramps zu werden – Gesetzlose. Nur so könnten sie Rache nehmen an dem Leben, das sie in früher Jugend schon so geschlagen hatte.
Es war die bequeme Ausrede so mancher Schwächlinge, die für den Lebenskampf ungeeignet waren und deshalb bequemerweise auf die andere Seite hinüberrutschten, wo es kein Gesetz gab – als das ihre.
Und ihr Gesetz wurde vom sechsschüssigen Revolver geschrieben.
Der alte Miller wies beide aus seinem kleinen Haus am Stadtrand – und sollte das bald bereuen.
Denn immer, wenn er von Bandenüberfällen hörte, befürchtete er, es könnten seine beiden Söhne dabei gewesen sein. Immer, wenn der Sheriff einen Banditen oder gar zwei in die Stadt schleppte, rannte er hin, um sich davon zu überzeugen, ob es auch nicht Jake oder Jim waren, die man da brachte. Immer wenn ein Schuß fiel, fand der alte Mann sich ein, und wenn irgendwo nach einer Knallerei ein Toter am Boden lag, sah er ihn sich an, einerlei wie weit er dazu auch laufen oder gar reiten mußte.
Längst hatte der unermüdlich fleißige Mann sein so oft niedergerissenes Leben wieder von neuem aufgebaut, einen Posten bei der Wells Fargo im Post Office von Cheyenne bekommen – diesen aber bald aus einer plötzlichen Angst heraus aufgegeben, um hier draußen in der Einsamkeit des Hattie Sees die Pferdewechsel-Station für die Overlandlinie Laramie – Ryan Park zu führen. Der See lag nur etwa eine Meile südöstlich von der Station, und doch sah der Alte ihn nie, da er ja die Station nicht verlassen konnte. Doch erstarb seine Sehnsucht nach ihm nie. Er, der von der großen Insel drüben vorm europäischen Kontinent stammte, vermochte seine Sehnsucht nach der Stille des Wassers nie zu überwinden.
Von seinen Söhnen hatte er seit einer ganzen Reihe von Jahren nichts mehr gehört. Wenn sich auch die Furcht der Anfangszeit gegeben hatte, so blieb doch die stille Sorge um die beiden Verlorenen.
*
Seit Stunden lehnte Miller an einem der Fenster und starrte in den Sturm hinaus – die Straße hinunter, deren Konturen kaum noch zu erkennen waren – nach Westen hinüber, von wo er die Overland erwartete.
Obgleich sie nur knapp zwanzig Meilen von der Stadt trennte, hatte man die Station hier belassen, da das Gelände unerhört schwierig und strapaziös für die Zugpferde war. Und da die Kutsche täglich jeweils zweimal aus beiden Richtungen die Station passierte, hatte der Alte genug zu tun. Die Pferde mußten getränkt, gefüttert und gepflegt werden, so daß sie zu neuem Einsatz bereit waren. Für einen einzelnen Mann war das keine leichte Arbeit. Aber da Ben Miller die Stille hier in der Prärie über alles liebte, nahm er die Schwere der Arbeit und den viermaligen hastenden Lärm durch die Ankunft der Kutsche und den Pferdewechsel gerne auf sich.
Jetzt, als er einmal nach Osten blickte, sah er die fünf geduckt in ihren Sätteln hockenden Gestalten aus dem graubraunen Staubschleier der Straße auftauchen.
Er zog die Augen zu schmalen Spalten zusammen, um besser sehen zu können. Jeden einzelnen tastete er mit seinen Blicken ab, wie immer, wenn Reiter vorbeikamen.
Das geschah nicht häufig, denn so stark die Straße von der Overland benutzt wurde, von Reitern wurde sie gemieden; und zwar nicht zuletzt wegen der vielen unübersichtlichen Stellen und Pässe, von denen jedermann in Wyoming wußte, daß sich dort unzählige Überfälle abgespielt hatten.
Weiter unten am Südufer des Sees gab es noch eine Route, die allerdings von Wagen nicht befahren werden konnte, von Reitern aber bevorzugt wurde.
Dicht hatte Miller seinen braunen Schädel mit dem grauen Haar an die Scheibe gepreßt und starrte den Reitern entgegen.
Dann lehnte er sich zurück. Ein tiefes Aufatmen ging durch seine Brust.
Nein, sie waren nicht dabei, seine verlorenen Söhne.
Und wenn er doch noch einen geheimen Zweifel gehabt haben sollte, so wurde auch der jetzt endgültig behoben, als die Männer vorm Haus aus den Sätteln rutschten. Sie alle stiegen federnd ab, wie Jim mit seinem verunstalteten Fuß es nicht gekonnt hätte; und keiner von ihnen wirkte bucklig – wie Jake.
Er ging ihnen an die Tür entgegen.
Sie hatten eben die Zügelleinen um die beiden Querholme geschlungen und kamen auf den Eingang zu, den Miller geöffnet hatte.
Als der Stationsmaster jetzt ihre Gesichter erkennen konnte, erschrak er.
Es waren harte, kantige staubbedeckte Gesichter –