Aus Pflichtgefühl bis zur Erschöpfung: Dr. Laurin 147 – Arztroman
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Über dieses E-Book
Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist.
»Marie!«, rief Chefarzt Dr. Laurin während der Vormittagssprechstunde und winkte ihr mit einer Karteikarte zu.
Schwester Marie fuhr aus ihren Gedanken hoch. »Ja, Chef?«
»Wo sind Sie schon wieder mit Ihren Gedanken?«
Marie senkte verlegen den Blick. »Entschuldigen Sie, Herr Doktor.«
Leon Laurin musterte sie ernst. »Haben Sie irgendein Problem?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, kein Problem …«
»Sondern – was?«
»Ach, es ist nichts, Herr Doktor. Wirklich nicht. Soll ich die nächste Patientin hereinrufen?«
»Darum hatte ich Sie gebeten.«
»Tut mir leid, dass ich es überhört habe, Chef. Es wird nicht wieder vorkommen«, versprach Schwester Marie und ging zur Tür.
Leon Laurin sah ihr leicht besorgt nach. Irgendetwas stimmte nicht mit Schwester Marie, dem guten Geist der Frauenstation.
Was war nicht in Ordnung mit ihr? Was beschäftigte sie so sehr, dass ihre Gedanken auf einmal – was bei ihr bisher so gut wie nie vorgekommen war – während der Arbeit immer wieder abschweiften?
Sie rief die nächste Patientin auf. Dolores Paulsen, eine attraktive Geschäftsfrau, die so alt wie Leon war und seit Jahren zu seinen Stammpatientinnen zählte.
Sie schien Sorgen zu haben. Ein düsterer Schatten lag über ihrem hübschen Gesicht. Sie war zur Vorsorgeuntersuchung angemeldet.
Dr. Laurin begrüßte sie freundlich und bat sie, sich auf den Gynäkologenstuhl zu setzen.
Hatte sie Angst, er könnte diesmal etwas entdecken? Eine Veränderung? Ein Gewächs? Die Untersuchung brachte ein beruhigendes Ergebnis.
»Alles in bester Ordnung«, versicherte Leon Laurin, als die schöne Frau wenig später vor ihm auf dem Patientenstuhl saß. Ihr gehörte eine große Kunstgalerie im Zentrum der Stadt, die sich im Laufe der Jahre einen hervorragenden Namen gemacht
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Buchvorschau
Aus Pflichtgefühl bis zur Erschöpfung - Patricia Vandenberg
Dr. Laurin
– 147 –
Aus Pflichtgefühl bis zur Erschöpfung
Wird Dr. Laurin seinem Kollegen im letzten Moment helfen können?
Patricia Vandenberg
»Marie!«, rief Chefarzt Dr. Laurin während der Vormittagssprechstunde und winkte ihr mit einer Karteikarte zu.
Schwester Marie fuhr aus ihren Gedanken hoch. »Ja, Chef?«
»Wo sind Sie schon wieder mit Ihren Gedanken?«
Marie senkte verlegen den Blick. »Entschuldigen Sie, Herr Doktor.«
Leon Laurin musterte sie ernst. »Haben Sie irgendein Problem?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, kein Problem …«
»Sondern – was?«
»Ach, es ist nichts, Herr Doktor. Wirklich nicht. Soll ich die nächste Patientin hereinrufen?«
»Darum hatte ich Sie gebeten.«
»Tut mir leid, dass ich es überhört habe, Chef. Es wird nicht wieder vorkommen«, versprach Schwester Marie und ging zur Tür.
Leon Laurin sah ihr leicht besorgt nach. Irgendetwas stimmte nicht mit Schwester Marie, dem guten Geist der Frauenstation.
Was war nicht in Ordnung mit ihr? Was beschäftigte sie so sehr, dass ihre Gedanken auf einmal – was bei ihr bisher so gut wie nie vorgekommen war – während der Arbeit immer wieder abschweiften?
Sie rief die nächste Patientin auf. Dolores Paulsen, eine attraktive Geschäftsfrau, die so alt wie Leon war und seit Jahren zu seinen Stammpatientinnen zählte.
Sie schien Sorgen zu haben. Ein düsterer Schatten lag über ihrem hübschen Gesicht. Sie war zur Vorsorgeuntersuchung angemeldet.
Dr. Laurin begrüßte sie freundlich und bat sie, sich auf den Gynäkologenstuhl zu setzen.
Hatte sie Angst, er könnte diesmal etwas entdecken? Eine Veränderung? Ein Gewächs? Die Untersuchung brachte ein beruhigendes Ergebnis.
»Alles in bester Ordnung«, versicherte Leon Laurin, als die schöne Frau wenig später vor ihm auf dem Patientenstuhl saß. Ihr gehörte eine große Kunstgalerie im Zentrum der Stadt, die sich im Laufe der Jahre einen hervorragenden Namen gemacht hatte – auch international.
»Da – ist etwas, das mich beunruhigt, Herr Doktor.«
»So? Was denn?«
»Als ich gestern in den Keller gehen wollte, um eine Flasche Wein zu holen, hatte ich plötzlich das Gefühl, alles würde sich um mich herum drehen. Ich klammerte mich erschrocken ans Geländer, um nicht zu stürzen, und schleppte mich verstört ins Wohnzimmer zurück, wobei mir ständig so war, als würde ich nach rechts umfallen.«
»War Ihnen auch übel?«, erkundigte sich der Chef der Prof.-Kayser-Klinik.
»Ja.« Die Patientin nickte, aber sie bewegte den Kopf sehr vorsichtig.
»Wie stark?«, wollte Dr. Laurin wissen.
»Ich hätte mich beinahe übergeben, und jede Bewegung des Kopfes verstärkte den Drehschwindel.«
»Wie lange dauerte das ungefähr?«, erkundigte sich Dr. Laurin, nun auch alarmiert.
»Fast zwei Stunden.«
»Dann waren die Beschwerden vorbei?«
»Nicht vorbei, aber es ging mir wieder etwas besser«, antwortete die Patientin.
»Konnten Sie in dieser Zeit eine Hörminderung feststellen?«
»Nein«, sagte Dolores Paulsen.
»Gab es irgendwelche Ohrgeräusche?«, forschte der Klinikchef weiter.
»Auch nicht.«
Dr. Laurin konnte bei der Untersuchung des Kopfes und des Gesichtsbereiches nichts feststellen. Als er sich Frau Paulsens Augen ansah, fiel ihm auf, dass sie immer ruckartig nach rechts zuckten.
»Man nennt diese Bewegungen Nystagmus«, erklärte er der Patientin.
Sie wusste damit nichts anzufangen, sah ihn ratlos an.
»Das Zucken Ihrer Augen könnte ein Zeichen dafür sein, dass Ihr linksseitiges Gleichgewichtsorgan gestört ist«, sagte Dr. Laurin.
Dolores Paulsen schluckte trocken.
»Machen Sie sich keine Sorgen«, beruhigte Leon die Patientin, »das kriegen wir schon wieder hin. Der Mensch hat auf jeder Seite neben dem Innenohr ein Gleichgewichtsorgan, das – auch bei totaler Dunkelheit oder wenn wir die Augen schließen – anzeigt, welche Bewegungen wir vollführen. Beide Gleichgewichtsorgane sind präzise aufeinander abgestimmt. Wenn eines ausfällt oder schwächer wird, gewinnen die Nervenimpulse des anderen die Oberhand, und man hat das Gefühl, sich wie auf einem Karussell zu drehen.«
Die Patientin nickte vorsichtig.
Dr. Laurin prüfte die Funktion ihrer Gleichgewichtsorgane und konnte zweifelsfrei feststellen, dass das linke kaum noch reagierte.
»Wie kann es zu so etwas kommen, Herr Doktor?«, fragte Dolores Paulsen beklommen.
»In Ihrem Fall sieht das nach einer leichten plötzlichen Durchblutungsstörung aus, die das linke Ohr vorübergehend geschwächt hat.«
»Und wie kann das wieder in Ordnung gebracht werden?«, fragte die Patientin mit belegter Stimme. »Muss man operieren?«
»Nein«, antwortete Dr. Laurin. »Schon in kurzer Zeit wird Ihr Gehirn die Leistungsdifferenz zwischen links und rechts ausgleichen. Dann wird das Schwindelgefühl nur noch bei heftigen Kopfbewegungen auftreten.«
Dolores Paulsen lächelte dünn. »Verzeihen Sie mir meine Offenheit, Herr Doktor, aber das ist noch kein echter Trost für mich.«
»Ich verschreibe Ihnen fürs Erste Zäpfchen«, sagte Dr. Laurin.
»Zäpfchen?«
»Sie wirken ähnlich wie bei Seekrankheit und machen müde«, erklärte der Klinikchef, »deshalb legen Sie sich am besten hin, bevor Sie das erste nehmen. Morgen sollten Sie aber nach Möglichkeit schon ohne Zäpfchen auskommen und stattdessen versuchen, durch Augenübungen und vorsichtige Kopf- und Körperbewegungen wieder die Kontrolle über Ihre irritierte Raumorientierung zu bekommen.« Er schrieb einige Gleichgewichtsübungen auf. »Wenn Sie dieses Training jeden Tag ein wenig mehr ausdehnen, werden Sie sich bald wieder voll unter Kontrolle haben.«
Dolores Paulsen seufzte. »Was einem alles von einer Minute auf die andere passieren kann!«
»Um die Wiederherstellung der Funktion Ihres gestörten Gleichgewichtsorgans zu beschleunigen, verschreibe ich Ihnen außerdem Medikamente, die die Durchblutung im Kopfbereich fördern.«
»Danke, Herr Doktor.«
»Sind Sie allein hier?«, erkundigte sich der Chefarzt.
»Nein, eine Freundin hat mich begleitet.«
»Lassen Sie sich in einer Woche wieder ansehen«, sagte Dr. Laurin. »Bis dahin müssten Ihre Beschwerden abgeklungen sein.«
Die Patientin erhob sich. Ein kleines verlorenes Lächeln huschte über ihr ebenmäßiges Gesicht. »Ich wünschte, ich hätte diese Woche bereits hinter mir.«
Dr. Laurin drückte ihr aufmunternd die Hand. »Sie werden sehen, sie wird sehr rasch vergehen. Es sind ja nur sieben Tage.«
Nach Dolores Paulsen empfing Dr. Laurin noch vier weitere Patienten, dann war die Vormittagssprechstunde zu Ende – und Schwester Marie befand sich schon wieder mit ihren Gedanken ganz weit fort.
Dr. Laurin wollte sie gerade darauf ansprechen, da streckte jemand den Kopf zur Tür hinein.
»Darf ich kurz stören?«
Leon, der an seinem Schreibtisch saß, blickte hoch. »Thorsten!«, rief er erfreut. »Komm herein! Du störst nicht.«
Dr. Thorsten Burg war Chirurg. Er hatte eine eigene Praxis und operierte seine Patienten im Bedarfsfall in der Prof.-Kayser-Klinik. Er trat ein – ein großer gut aussehender Mann, dem man nicht ansah, wie hart er arbeitete. Er war ein Workaholic, der anscheinend ohne Arbeit nicht leben konnte.
»Hallo, Leon«, sagte er, fröhlich wie immer. »Guten Tag, Schwester Marie.«
»Wie?« Die grauhaarige Schwester blinzelte verwirrt. »Ach so, guten Tag, Dr. Burg.«
»Sprechstunde beendet?«, fragte Thorsten Burg.
»Ja«, antwortete Dr. Laurin.
»War viel zu tun?«
»Der Patientenandrang hielt sich in erträglichen Grenzen«, sagte Leon.
»Ich komme gerade aus dem Operationssaal«, erklärte Dr. Burg. »Die Gallenblase eines Patienten musste raus. War keine besondere Sache dank der neuen Techniken.« Sein Blick pendelte zwischen Dr. Laurin und Schwester Marie hin und her. »Wie geht’s?«
»Mir geht es gut«, antwortete der Klinikchef. »Wie es Schwester Marie geht, weiß ich nicht. Sie ist in letzter Zeit des öfteren geistig nicht da. Stimmt’s, oder habe ich recht, Marie?«
»Entschuldigung, Chef, was haben Sie gesagt?«
Leon Laurin breitete die Arme aus und sagte zu seinem Kollegen: »Siehst du!«
Thorsten Burg wandte sich lächelnd an Schwester Marie. »Dr. Laurin wollte wissen, ob Sie verliebt sind.«
Sie sah ihn an, als wäre er verrückt. »In meinem Alter?«