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Leichenschmaus: Horrorthriller
Leichenschmaus: Horrorthriller
Leichenschmaus: Horrorthriller
eBook340 Seiten4 Stunden

Leichenschmaus: Horrorthriller

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Über dieses E-Book

Der Multimillionär Oskar Horten hat schon zu Lebzeiten seine Seele dem Teufel verschrieben. Er wollte hinter die undurchdringliche Wand des Todes blicken, und der Teufel gestattete es ihm, jedoch zu einem teueren Preis.

Martin Stich, sein Buchhalter, soll sein Vermögen erben. Oskar hat auf seine Verwandtschaft eine fürchterliche Wut, weil sie in seinen Augen unfähige, asoziale Menschen sind.

Er beschließt kurz vor seinem Tod, all seine Verwandten zum Leichenschmaus bzw. zur Testamentseröffnung einzuladen. Jeder hofft natürlich, eine Menge Geld zu erben. Hierzu lässt sich Oskar ein perfides Spiel einfallen, das er im Testament manifestiert. Oskars Leichenschmaus wird völlig anders ablaufen, als dies üblich ist. Seine Leiche wird in einem offenen Sarg im Kaminzimmer aufgebahrt, in dem die Gäste speisen. Die Testamentseröffnung findet also nicht in der Kanzlei des Notars Dr. Christoph Strauss statt. Oskar bestimmt in seinem Testament, dass eine Person alles erben wird: Die Person mit dem besten Charakter. Die Enttäuschung der Verwandten ist riesig, als sie es erfahren. Jedoch hat Jeder von ihnen die einzigartige Chance, reich zu werden. Sie bemühen sich nun krampfhaft, sich von ihren besten Seiten zu geben.

Oskar stirbt. Es ist soweit: Es geschehen in seiner Villa unglaubliche Dinge: die Leiche hustet, sie liegt plötzlich anders als zuvor, ein Porträt, auf dem Oskar ernst schaute, zeigt plötzlich sein lachendes Gesicht. Die Vorfälle steigern sich sowohl in ihrer intensität, als auch in der Ernsthaftigkeit. Oskars schwarze Seele kommt zurück, und sie versetzt die Gäste in Angst und Schrecken. Und plötzlich wird den Verwandten klar, dass sie in Oskars Villa gefangen sind. Als dann die erten Gäste versuchen, das grässliche Gebäude zu verlassen, kommt es...

... zur Katastrophe.
SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum14. Dez. 2016
ISBN9783730982211
Leichenschmaus: Horrorthriller

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    Buchvorschau

    Leichenschmaus - Alfred J. Schindler

    Titel

    Leichenschmaus

    Horrorthriller

    von

    Alfred J. Schindler

    Vorwort

    Sein Erfolg hatte ihn hart gemacht. Oskar traute niemandem mehr über den Weg. Und er wusste, dass er sich letztendlich nur auf eine einzige Person ver­lassen konnte:

    Auf mich.

    Seinen Buchhalter.

    Immer wieder sagte er in den letzten Monaten, wenn wir alleine in seinem prächtigen Schreibzimmer saßen und die Geschäftsbücher wälzten:

    „Junge, ich wüsste ja allzu gerne, wer auf meiner Beerdigung erscheinen wird. Nicht aus niederen Be­weggründen heraus, sondern deswegen, weil mich Der- oder Diejenige mochte."

    Ich wusste auf seine Frage keine Antwort. Onkel Os­kar (jeder, der ihn kannte, oder auch nicht, nannte ihn so) hatte nicht mehr lange zu leben. Der Magen­krebs hatte ihn voll im Griff...

    ... und er fraß ihn von innen auf...

    Oskar ...

    Oskar …

    Wenn Onkel Oskar sich etwas in den Kopf setzte, dann machte er es auch. Niemand konnte ihn aufhalten. Er war der größte Sturschädel, den man sich überhaupt vorstellen konnte. Gut, er ließ niemanden an sich heran, er spielte oft den harten, raubeinigen Burschen, aber ganz innen, in seinem tiefsten Kern, war er ein sympathischer Mensch. Einmal sah ich ihn sogar bitterlich weinen. Das war an dem Tag, an dem seine einzige Tochter tödlich verunglückt war. Dieses furchtbare Ereignis verkraftete er nie. Immer wieder erzählte er von seiner kleinen Margarete, die er so sehr geliebt hatte.

    Seine gemeinsame Verwandtschaft hasste ihn. Jedenfalls behauptete er das. Ich ahnte, wieso sie das taten. Wahrscheinlich war es deswegen, weil Onkel Oskar so ungemein erfolgreich war. Außerdem war er geizig. Im Laufe der letzten Jahre hatten sie ihn alle, ausnahmslos, um mehr oder weniger große Geldbeträge angepumpt. Aber er war hart geblieben. Nicht einen einzigen Euro hatte er an diese gierige, sabbernde Brut verliehen. Er hätte es ja sowieso nicht zurückgekriegt.

    „Ich bin keine Bank, versteht ihr?", pflegte er immer zu antworten, wenn ihn einer von ihnen um Geld anflehte.

    Ich weiß, wovon ich rede, denn ich als sein Buchhalter war über alle geschäftlichen und halbgeschäftlichen Aktivitäten aufs Beste informiert. Onkel Oskar tat nie etwas, also in finanzieller Hinsicht, ohne mir sofort Bescheid zu sagen. Das dachte ich zumindest.

    Er hatte unbedingtes Vertrauen zu mir.

    Und das mit Recht.

    „Du weißt ja, Junge, dass du mein alleiniger Erbe sein wirst. Aber ich möchte mich doch gerne an meiner beschissenen Verwandtschaft ein klein wenig rächen. Sie brauchen nicht zu wissen, dass sie keinen Cent erhalten werden."

    „Und wie willst du das machen, Oskar?", fragte ich ihn.

    „Die Verkündung meines Testaments wird im Beisein meines Notars nicht wie üblich in dessen Kanzlei, sondern auf meinem...

    ... Leichenschmaus...

    stattfinden. Du verstehst."

    „Und du wirst mit anwesend sein?!"

    Es war mehr eine Frage, als eine Feststellung an ihn. Er konnte es auffassen, wie er wollte. Außerdem war diese Frage von mir nicht ernst gemeint.

    „Allerdings! Ich lasse mich direkt vor dieser primitiven Bagage aufbahren. Ich möchte doch allzu gerne hören, und vielleicht auch sehen, wie sie sich um mein Erbe streiten werden. Ich nehme an, mein junger Freund, dass sie sich ziemlich in die Haare kriegen werden."

    „Und wie willst du das machen?"

    „Lass das meine Sorge sein. Ich freue mich schon heute auf besagten Tag."

    „Werde ich auch mit anwesend sein?"

    „Aber natürlich!" Er lachte schallend.

    Onkel Oskar setzte sich also bewusst über den Tod hinweg. Er freute sich schon heute auf den Tag seines Leichenschmauses. Er glaubte an ein Leben nach dem Tod. Ich muss sagen: Dieser Mann überraschte mich immer wieder aufs Neue...

    Jetzt...

    Es war nicht anders zu erwarten: Onkel Oskars aufregendes Leben geht zu Ende. Er wurde gerade mal achtundsechzig Jahre alt. Er hatte in den letzten sieben, acht Wochen mehr als dreißig Kilogramm Gewicht verloren.

    Ich stehe an seinem Bett und halte seine schwache, dünne Hand. Sein Hausarzt, Herr Dr. Paul Klein, lehnt an seinem Bett und beobachtet ihn. Auch Priester Anton Horn befindet sich im Sterbezimmer. Jetzt erteilt er meinem Freund und Vorgesetzten die Letzte Ölung. Ich finde es mehr als traurig, dass sich weder Oskars Geschwister, seine Cousinen und Cousins, noch deren Kinder an seinem Sterbebett eingefunden haben. Ich hatte sie heute Vormittag alle angerufen, ich hatte sie alle erreicht, aber Keiner war gekommen. Jeder hatte eine andere, faule Ausrede.

    Es ist ungeheuerlich.

    Ja, es ist mehr als schäbig.

    Wie sollen sie auch ahnen, dass er sie Alle in seinem Testament bedacht hat? Zumindest auf eine bestimmte Art und Weise. Und genau deswegen kommen sie auch nicht an sein Sterbebett.

    Weil sie sich nichts erwarten.

    So einfach ist das.

    Es ist später Abend, und der Mond scheint hell in Oskars Zimmer. Er atmet noch einmal tief durch und stirbt dann. Zuvor sagte er mir noch mit schwacher Stimme, wie gerne er mich doch mochte. Aber was das Wichtigste ist: Er musste nicht leiden. Auch hatte er keine nennenswerten Schmerzen. Ich denke, dass sein Freund und Hausarzt, Dr. Paul Klein, mit Morphiumspritzen etwas nachgeholfen hatte.

    Sei es drum.

    Es tut mir in der Seele leid, ihn, den ehemals so kräftigen, immer gut gelaunten Mann, so armselig vor mir liegen zu sehen. Restlos abgemagert, und vom Tod heimgesucht.

    Es ist vorbei.

    Zu Ende.

    Oskar ist tot.

    xxx

    Nachdem ich mich am nächsten Morgen um das Bestattungsinstitut gekümmert habe, erhalte ich von Oskars Notar, Herrn Dr. Christoph Strauß, einen etwas merkwürdigen Anruf. Er macht am Telefon hinsichtlich des Testaments einige seltsame Andeutungen. Außerdem bittet er mich, umgehend zu ihm in seine Kanzlei zu kommen. Ich steige in Oskars Mercedes und fahre zu Dr. Strauß‘ Kanzlei. Ich bin natürlich sehr gespannt, was mir der Notar zu berichten hat. Als ich sein Zimmer betrete, bietet er mir ihm gegenüber an seinem Schreibtisch einen Platz an. Ich setze mich und schaue ihn etwas unsicher an. Er lächelt, dieser alte Kauz, und zündet sich eine dicke Zigarre an.

    „Möchten Sie auch eine?"

    „Nein, danke. Ich bleibe bei meinen Zigaretten." Ich zünde mir eine Zigarette an. Ohne Filter. Versteht sich.

    Er kramt etwas umständlich zwischen einigen Papieren herum und sagt schließlich:

    „Herr Stich, machen wir es kurz. Sie wissen ja über Oskars finanzielle Verhältnisse Bescheid, genau wie ich. Er war einer meiner besten Freunde, wie Ihnen ja bekannt sein dürfte."

    Ich nicke und ziehe angespannt an meiner Zigarette.

    Meine Hände sind schweißnass.

    Irgendetwas ist hier faul.

    Er fährt fort: „Normalerweise wird ja die Testamentseröffnung im Kreis der Erben, hier in meiner Kanzlei, durchgeführt. Aber in diesem Fall werden wir das etwas anders handhaben. Ach ja, noch etwas, was Sie sehr interessieren wird: Herr Stich, Sie sind inoffiziell der alleinige Erbe des gesamten Vermögens. Eigentlich darf ich Ihnen das ja gar nicht sagen, aber Oskar wollte es so. Das Testament, das ich natürlich kenne, wird jetzt gleich von mir versiegelt, und erst geöffnet,

    ... wenn Oskars Spiel beginnt."

    Er schnauft tief durch. Seine Augen glitzern. Zugleich erzeugt er große, weiße Rauchkringel, die sich um seinen schweren Kopf legen. Einer der Kringel sieht fast wie ein Heiligenschein aus.

    Ob es auch einer ist?

    „Ja, ich wusste schon, dass ich der Alleinerbe sein werde. Aber wieso inoffiziell? Und von welchem Spiel sprechen Sie denn?"

    Er geht auf meine Frage nicht ein und sagt: „Sie wussten von Oskar, dass Sie alles erben würden?"

    „Ja, natürlich. Onkel Oskar sagte mir klipp und klar, dass ich sein einziger Erbe sei."

    „Dann brauche ich Ihnen ja nicht erzählen, was Sie im Einzelnen von Ihrem verstorbenen Chef zu erwarten haben?"

    „Ich weiß es so ungefähr."

    „Ich sage es Ihnen trotzdem: Sie erben das dreistöckige Geschäftshaus in der Stadt, Oskars Waldvilla am Stadtrand, den Fuhrpark (er besteht aus einem Mercedes 500 SL, den Sie ja gerade fahren, einem Jaguar E, und einem silbernen Rolls Royce) sowie eine geringfügige Summe in Höhe von etwa siebzehn Millionen Euro. Diese Summe setzt sich aus diversen Aktien, Gold, Schmuck und Bargeld zusammen. Wussten Sie das?"

    „Nein. Mir war nur eine Summe von vier Millionen bekannt."

    Er lacht, und man spürt genau, wie sehr er sich freut: „Da sehen Sie mal, was Oskar so alles am Finanzamt vorbeigeschummelt hat!"

    Ich gebe zu, dass ich völlig überrascht bin. Und ich antworte: „Er war ein blendender Geschäftsmann." (Mehr fällt mir momentan nicht ein. In den Geschäftsbüchern ist, wie gesagt, lediglich von vier Millionen die Rede.)

    „Ich hoffe, Herr Stich, Sie werden in seine Fußstapfen treten!"

    „Da bin ich mir nicht so sicher. Ich war zwar sein Buchhalter, aber von seinen Geschäften, sprich, von der Handhabung und Abwicklung derselben, habe ich wenig Ahnung."

    „Sie sind wenigstens ehrlich."

    „Nun, Herr Dr. Strauß: Was hat es mit diesem Testament für eine Bewandtnis? Von welchem Spiel sprachen Sie gerade vorhin?"

    „Oskar hat mich ins Vertrauen gezogen, eine Woche, bevor er starb. Er hat mir eine sehr außergewöhnliche Bitte abverlangt. Und ich konnte sie ihm natürlich nicht ausschlagen." Er grinst diabolisch.

    „Jetzt mal heraus mit der Sprache!"

    „Nun, Herr Stich, es geht um folgendes: Ich lese Ihnen das Testament am besten gleich mal vor. Aber Sie wissen natürlich von nichts! Danach werde ich es jedenfalls versiegeln."

    „Wie gesagt. Selbstverständlich."

    „Ich werde dieses Testament beim Leichenschmaus in Oskars Villa eröffnen, also in Anwesenheit seiner buckeligen Verwandtschaft. Oskar hat sich für seine lieben Angehörigen ein, ich möchte sagen, grausames Psycho-Spiel einfallen lassen. Ich weiß, wie sehr sie ihn alle hassten, und auch er wusste es. Deswegen dieses kleine Spiel."

    „Onkel Oskar hatte einen goldenen Humor.", antworte ich nachdenklich. Ich bin auf alles gefasst.

    „Wie ich ihn kenne, Herr Stich, wird er sich bestimmt zusätzlich noch etwas einfallen lassen!"

    „Aber er ist doch tot!"

    „Menschen wie Oskar können doch gar nicht sterben."

    „Wie meinen Sie das, Herr Notar?"

    „Nun, ich traue Ihrem ehemaligen Chef, meinem verstorbenen Freund, fast alles zu. Ich denke, dass die geladenen Gäste diesen Leichenschmaus ihr Leben lang nicht vergessen werden."

    „Sie meinen das Spiel?"

    „Ja. Die Verwandten werden sich trotz ihres getrübten Verhältnisses zu Oskar so Einiges an Bargeld erhoffen, wenn ich sie allesamt zur Testamentseröffnung vorlade."

    „Hoffen dürfen sie ja."

    Erst jetzt verstehe ich, was er gesagt hat. Zugegeben: Meine Reaktion kommt sehr verspätet. Ich frage ihn völlig perplex:

    „Wieso werden die Leute zur Testamentseröffnung vorgeladen? Hat er ihnen denn etwas vererbt?"

    „Ja, er hat ihnen indirekt etwas vererbt. Herr Horten hat das Testament übrigens mit seinem Füllfederhalter geschrieben. Höchstpersönlich, und in meiner Anwesenheit."

    Ich gebe zu: Ich bin völlig überfahren. Er setzt sich in Pose und lehnt sich in seinem schwarzen, sündteueren Ledersessel zurück. Und er beginnt zu lesen:

    „MEIN TESTAMENT.

    Im Vollbesitz meiner geistigen und physischen Kräfte vermache ich derjenigen Person der hier anwesenden Leute, die sich charakterlich am besten eignet, mein gesamtes Vermögen. Der Anständigste unter euch wird diejenige Person sein, die ans große Geld kommt. Da ihr, meine lieben Verwandten, allesamt von miesen Charaktereigenschaften geprägt seid, wird es euch wohl nicht schwer fallen, den am wenigsten Betroffenen unter euch herauszufinden. Folgende Personen werden sich in diesem kleinen Kreis befinden:

    - meine elende, rücksichtslose Schwester Hannelore.

    - ihr Sohn Bernd, der seiner Mutter so gleich ist.

    - meine geistig unterentwickelte Schwester Kunigunde.

    - mein trunksüchtiger Bruder Hans.

    - sein Sohn Hubert, dieser chronische Tunichtgut.

    - meine Cousine Gunda, das mannstolle Luder.

    - mein Cousin Herbert, der es zu gar nichts brachte.

    - mein Cousin Karl, das rauschsüchtige Individuum.

    - seine Tochter Helene, die noch immer auf den Strich geht.

    - und deren Bruder Otto, dieser kleine, verschissene Rotzlöffel.

    Ihr, meine hoch verehrte Verwandtschaft, werdet bei meinem Leichenschmaus herausfinden, wer Der- oder Diejenige sein wird, der mich beerbt. Der alles erbt. In der Küche befinden sich ausreichend auserlesene Lebensmittel und Getränke, an die ihr euch halten könnt. Ich habe speziell für den Leichenschmaus und die darauf folgende Zeit eine Köchin bestellt, die für euer leibliches Wohl sorgt. Sie wird euch auch eure Zimmer zeigen, gesetzt den Fall, dass es etwas länger dauern wird. Ich habe natürlich auch an Zahnbürsten und Unterwäsche gedacht. Mein Buchhalter, Herr Martin Stich, wird sich um besondere Dinge kümmern. Er steht noch immer in meinen Diensten. Man wird sich sicherlich schon sehr bald einig sein, wer die Person ist, die am meisten Charakter zeigt. Mein Notar, Herr Dr. Christoph Strauß, wird das Zusammensein protokollieren. Er wird Derjenige sein, der am Ende des Treffens entscheidet, wer der oder die Glückliche sein wird. Ich wünsche euch noch ein langes, beschissenes Leben.

    Euer geliebter Onkel Oskar, der euch so sehr ins Herz geschlossen hat. (Ich behalte mir etwaige Änderungen vor)

    P.S. Ich hätte es mir natürlich einfacher machen können, und mein Vermögen einer wohltätigen Einrichtung spenden können, aber ich wollte jedem Einzelnen von euch die Chance geben, mich zu beerben, damit ihr mich nie vergesst! Ach ja, noch etwas: Wer den Leichenschmaus aus irgendeinem Grund vorzeitig verlässt, bevor feststeht, verliert seinen eventuellen Anspruch auf das Erbe.

    Datum, Ort, Beglaubigung und Unterschrift folgen..."

    Onkel Oskars schwarzer Humor überrascht mich immer wieder. Was hatte er sich dabei wohl gedacht? Will er sie alle auf die Probe stellen?

    Mich etwa auch?

    „Herr Dr. Strauß, ich habe da mal eine Frage."

    „Ja?"

    „Einer von den Verwandten wird am Ende erben. Alles erben. So steht es jedenfalls in dem Testament."

    „Es steht nicht im Testament, dass es einer der Verwandten sein muss. Oskar schrieb wortwörtlich: ... vermache ich derjenigen Person der hier anwesenden Leute - Und da Sie bei der Testamentseröffnung selbstredend mit anwesend sein werden, Herr Stich, ist nicht ausgeschlossen, dass Sie es sind, der den fetten Rahm abschöpft." Er blinzelt schelmisch.

    Entgeistert starre ich ihn an.

    Er sagt leise: „Ihr Onkel hat sich dabei natürlich etwas gedacht. Es wird so ausgehen, dass keiner dieser Parasiten auch nur einen einzigen Cent erben wird. Eine klare Angelegenheit. An Sie wird doch kein Mensch denken, Herr Stich! Verstehen Sie? Sie waren doch nur sein Buchhalter! Man wird Sie bei der Testamentseröffnung gar nicht registrieren! Wer denkt denn schon, dass ein Firmeninhaber dem Buchhalter sein gesamtes Vermögen vererbt? Niemand! Nicht einmal ich würde an so etwas Abstraktes denken! Diese Ansammlung von Filzläusen wird nur den einzigen Gedanken haben:

    EINER VON DER VERWANDTSCHAFT WIRD ALLES ERBEN. EINER VON UNS."

    „Aber..."

    „Lassen Sie mich entscheiden, wer am meisten Charakter hat, Herr Stich!"

    „Sie meinen, ich bin Derjenige?"

    „Aber sicher. Oder wären Sie mir etwa beleidigt, wenn ich Sie als den Anständigsten bezeichnen würde?"

    „Nein. Natürlich nicht."

    „Na sehen Sie..."

    „Somit steht also fest, dass ich..."

    „Aber selbstverständlich."

    „Und wenn einer meiner Verwandten mit Ihrer Entscheidung nicht einverstanden ist?"

    „Im Testament steht, dass ICH entscheiden werde, wer Der- oder Diejenige ist. Eben Einer, der beim Leichenschmaus, sprich bei der Testamentseröffnung, Anwesenden. Ich natürlich ausgenommen."

    „Sicher."

    „Meine Entscheidung ist unanfechtbar. Oskar hat mich alleine bevollmächtigt, über sein Vermögen zu entscheiden."

    Ich schaue ihn verdutzt an. Dieser Dr. Strauß kann mir ja viel versprechen! Ich kann mir natürlich jetzt, wie es aussieht, nicht absolut sicher sein, dass ich der große Erbe sein werde. Noch hat Strauß sein Amen dazu nicht gegeben. Es liegt nach wie vor in den Händen dieses Notars. Er wird Derjenige sein, der Einen von uns zum Multimillionär machen wird. Zwar ist die Sache für mich so gut wie sicher, aber ich habe es noch nicht schriftlich.

    Wie gesagt.

    „Was soll der Satz bedeuten: Ich behalte mir etwaige Änderungen vor, Herr Notar?"

    Er lacht: „Oskar hatte die Angewohnheit, wie Sie wissen, sich immer abzusichern."

    „Ja, ich weiß. Aber wie will er nach seinem Tod noch etwas ändern?"

    „Das frage ich mich auch. Mein Freund Oskar war ein elendes Schlitzohr." Sein Gesicht ist vom Zigarrenrauch halb eingehüllt.

    „Das kann man wohl sagen.", antworte ich.

    Er nickt zustimmend.

    „Wie lange werden Sie die Meute beobachten, Herr Dr. Strauß? Mich natürlich eingeschlossen!"

    „Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Es kommt ganz darauf an, wie sich dieser sicherlich mehr als ungewöhnliche Leichenschmaus entwickeln wird..."

    xxx

    Es ist soweit: Dr. Strauß hat sie Alle telefonisch (und zudem schriftlich!) vorgeladen: Zur Testamentseröffnung. Besser gesagt, zum Leichenschmaus. Die hoch verehrten Verwandten sind selbstverständlich vollzählig in Oskars Waldvilla erschienen. Schließlich geht es trotz aller Differenzen zu dem Verblichenen um ein riesiges Vermögen, das unter ihnen aufgeteilt werden soll. Das denken sie zumindest. Ihnen allen ist bewusst, dass sie etwas erben werden, denn ansonsten hätte sie der Notar ja gar nicht vorgeladen. Zur Beerdigung wären sie, ohne die Aussicht auf das große Geld, sowieso nicht gekommen.

    Dieses elende Pack.

    Sie begrüßen mich herzlich, diese undurchsichtigen Bastarde, und sie gaukeln mir Freundlichkeit und gespielte Trauer vor. Ich schüttele ihnen die verschwitzten Hände, und versuche, möglichst neutral zu wirken. Ich kondoliere Jedem von ihnen. Sie tun gerade so, als ob sie mich persönlich kennen würden. Dabei habe ich noch Keinen von ihnen gesehen. Nichtsdestotrotz stelle ich mich bei Allen kurz als den ehemaligen Buchhalter von Herrn Horten vor. Sie registrieren meine Rede zwar, vergessen sie aber im nächsten Moment.

    Ich bin für sie nicht wichtig.

    Und das ist gut so.

    Dr. Strauß, der direkt neben mir steht, stellt sich bei den Leuten ebenfalls persönlich vor. Sie betrachten ihn mit größtem Interesse. Schließlich wird er es sein, dieser große, stattliche Mann mit dem halblangen, graumelierten Haar, der ihnen mitteilen wird, was sie alles geerbt haben. Am liebsten würden sie ihn jetzt gleich fragen, aber sie beherrschen sich dann doch.

    Was sein muss, muss eben sein.

    Oskars Sarg steht bereits direkt neben dessen altem Steinway-Flügel im großen Kaminzimmer auf einem Untersatz aus schwarzem Holz. Der Bestattungsunternehmer hat ihn dort, auf seinen speziellen Wunsch hin, aufgebahrt. An jeder Sargecke steht eine wunder-schöne, rote Kerze auf silbernen Ständern. Man hat dem Verstorbenen seinen schwarzen Frack angezogen, dazu mit einem weißen Hemd und einer roten Krawatte ausstaffiert. Ich frage mich ernsthaft, wieso es gerade eine rote Krawatte sein musste. Sein vom Krebs eingefallenes Gesicht wirkt spitzig und durchsichtig. Zwischen seinen gefalteten Händen liegt ein wunderschöner Rosenkranz.

    Oskar war ein guter Christ.

    Dies war allseits bekannt.

    Das Kaminzimmer ist verhältnismäßig groß, jedoch etwas düster. Die schweren, goldfarbenen Samtvorhänge, die bis auf den Boden reichen, nehmen Einiges vom Sonnenlicht weg. Das Zimmer ist mit wuchtigen, arabischen Teppichen ausgelegt. In der Mitte des Raumes steht ein langer Esstisch (er hat zwölf gedrechselte Beine) mit entsprechenden Stühlen mit hohen Lehnen, an dem problemlos ein Dutzend Leute speisen können. Der Kamin selbst ist offen und wunderschön. Man sieht deutlich, dass es sich hierbei um sauberste Handarbeit handelt. Die hintere Längswand des Raumes besteht ausschließlich aus stabilen Bücherregalen. Oskar hatte leidenschaftlich alte Bücher gesammelt. Alleine diese Buchsammlung stellt schon ein kleines Vermögen dar. Ein schwerer Lüster hängt genau über dem imposanten Tisch. Der Raum ist etwa drei Meter fünfzig hoch, so dass der Lüster hoch im Zimmer hängt. Schwere Eichenmöbel zieren den ganzen Raum. Ein großes Aquarium belebt die gesamte Atmosphäre. Ein riesiger, rechteckiger Arabeskenspiegel, der mit sündteuerem, geschnitztem Kirschholz eingerahmt ist, vervollkommnet das gesamte Bild. Die gegenüberliegende Längswand besteht aus drei riesigen Glastüren, die zur Terrasse führen.

    Ein großer Swimming-pool in der Form einer Muschel verführt zum Schwimmen. Ich zähle fünfzehn Liegestühle, fünf Sonnenschirme, und drei kleine Tische. Gerade jetzt, in den Sommermonaten, kann man fast nicht umhin, ein kühles Bad zu nehmen.

    Das Grundstück ist von einer drei Meter hohen Mauer umgeben, die man aber nicht direkt erkennen kann. Sie ist von dickem Efeu überzogen, der wahrscheinlich künstlich angelegt wurde. Ein hohes Tor mit zwei silbernen Schwingtüren gestattet dem Besucher den Zutritt zu dem wertvollen Anwesen. Dieses ist von dichtem Tannenwald umgeben. Oskar lebte hier in einem wahren Paradies.

    In seinem Paradies.

    Nebenan, in seinem kleinen Arbeitszimmer, tüftelte er seine phänomenalen Geschäftsideen aus.

    Oskar brauchte in seiner Villa kein Dienstpersonal. Lediglich ein Hausmeister kümmerte sich um das Nötigste. Oskar kochte sich selbst meist Spaghetti, und gelegentlich aß ich mit ihm, wenn er mir seine neuen Ideen darlegte. Wir tranken dann den einen oder anderen guten Schluck Wein. Oskar war ein Genießer. Er lebte, wie gesagt, alleine. Er war nicht der Typ, der ein zweites Mal heiraten würde, obwohl die Damenwelt des halben Städtchens hinter ihm her war.

    Und hinter seinem Geld.

    Versteht sich.

    Dr. Strauß drückt den Anwesenden (außer mir natürlich) sein herzlichstes Beileid aus und beobachtet sie genauestens. Er schüttelt dabei Jedem anteilsvoll die Hand. Einem nach dem Anderen. Danach stellen sie sich alle um den offenen Sarg und schweigen.

    Eben, wie es sich gehört.

    Mit gesenkten Köpfen.

    Und unendlich traurig.

    Hannelore, eine von Oskars Schwestern, die für ihre Herzlosigkeit bekannt ist, geht ganz nahe an Oskars Gesicht heran und flüstert ihm etwas ins Ohr. Es würde mich brennend interessieren, was sie zu ihm gesagt hat. Ob sie ihn wohl beschimpft hat? Sie geht wieder zurück, und was sehe ich da? Eine Träne läuft über ihre feiste Backe. Aber diese Träne ist nicht echt. Ich weiß es. Wie hat sie es nur geschafft, eine Träne hervorzuzaubern?

    Ist sie eine solch gute Schauspielerin?

    Kunigunde, seine zweite Schwester, der man ihren unterentwickelten Geist sofort ansieht, streicht vorsichtig über Oskars Hände:

    „Wie kalt er ist!", klagt sie und beginnt urplötzlich laut zu weinen. Heult sie, weil er so kalt ist, oder heult sie aus Trauer?

    Ich kann es beim besten Willen nicht beurteilen.

    Hans, Oskars einziger Bruder, zeigt deutlichen Entzug. Er zittert wie Espenlaub, dieser dürre Stenz, als er sich gerade theatralisch schnäuzt. Seine Augen sind tief gerötet, jedoch sicherlich nicht vom Heulen, und er riecht nach billigem Rasierwasser. Ob er sich damit wohl eingesprüht hat?

    Oder hat er einen kleinen Schluck riskiert?

    Gunda, die trotz ihrer achtundfünfzig Jahre nach wie vor mannstoll ist, dass man es kaum beschreiben kann (Oskar erzählte dies immer und immer wieder!), streicht sanft über Oskars Haar. Ich wüsste allzu gerne, was sie in diesem Moment denkt. Diese Dame hat eine außergewöhnliche Aura.

    Ich spüre es sofort.

    Was hat Oskar doch, abgesehen von dieser Gunda, für eine furchtbare Verwandtschaft. Es ist ja nicht auszuhalten! Ich schaue den Toten an, wie er so friedlich in seinem schweren, schwarz polierten Eichensarg liegt. Und ich frage mich, wieso er mir das angetan hat. Jetzt kann ich mich mit diesen Leuten hier herumärgern. Direkt vor ihm. Wer weiß, wie lange es dauern wird, bis die Entscheidung fällt...

    Die Entscheidung, die wahrscheinlich keine sein wird...

    ... da sie ja angeblich schon gefallen ist.

    Ich hoffe es zumindest! Ich frage mich in diesem Moment ernsthaft, wieso Oskar so leichtsinnig sein konnte, Dr. Strauß die endgültige Entscheidung zu überlassen. Oskar, dieser ausgebuffte Geschäftsmann, musste doch gewusst haben, dass ich somit nicht eindeutig als der Universalerbe eingesetzt war. Wollte er mich etwa auf die Folter spannen? Wenn ja, wieso? Es wäre mir in dieser Sekunde tatsächlich lieber, wenn er mich nie als seinen Alleinerben eingesetzt hätte. Also, mündlich. Hätte er lieber seinen Mund gehalten und mich dann vielleicht doch überrascht. Ich wäre ja schon mit einem Bruchteil des Vermögens zufrieden gewesen! Erstens bin ich kein geldgieriger Mensch, und zweitens sehe ich es jetzt, im Nachhinein, als einen direkten Misstrauensbeweis. Oder liege ich völlig falsch? Nun gut. Ich sehe es gezwungenermaßen so an, dass ihm sein Spiel wichtiger war, als seine feste, endgültige Entscheidung. Vielleicht tue ich ihm ja Unrecht, wenn ich so misstrauisch reagiere. Aber ich denke, dass jeder Andere an meiner Stelle genauso reagieren würde, wie ich es tue.

    Ich denke, ich liege richtig.

    Was mich sehr verunsichert, ist die Tatsache, dass ich als sein Buchhalter lediglich von vier Millionen wusste. Er hatte mich also die ganzen, letzten zehn Jahre, in denen ich bei ihm beschäftigt war, angelogen.

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