Ein liebendes Herz kennt keine Lüge: Der Bergpfarrer 398 – Heimatroman
Von Toni Waidacher
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Über dieses E-Book
Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert.
Es war eine ausgesprochen lustige Reisegruppe, die sich auf dem Weg nach St. Johann befand. Vierunddreißig Wochenendausflügler unterhielten den Busfahrer mit munteren Liedern, und die Stimmung an Bord des komfortablen Reisebusses konnte nicht besser sein. Nur ein einzelner Mann saß in der hintersten Reihe alleine auf seinem Platz und schaute mit düsterem Gesicht zum Fenster hinaus. Er betrachtete die Landschaft, ohne sich um die anderen zu kümmern, und je mehr sich der Bus den Bergen näherte, um so schneller schlug Franz Gronauers Herz. Zum wiederholte Male fragte er sich, ob es richtig war, was er tat. Aber je öfter er sich diese Frage stellte, um so weniger konnte er sich eine Antwort darauf geben. Alles, was er wußte, war, daß es ihn drängte, zurückzukehren in die Heimat, die er so lange nicht gesehen hatte. Doch wie würde der Empfang ausfallen? Würden die Seinen ihn mit offenen Armen aufnehmen oder zurückweisen, so, wie sie seine Briefe, die er immer wieder schrieb, zurückgewiesen hatten. Annahme verweigert – unzählige Male hatte er diese zwei Worte lesen müssen, bis er es endlich aufgab zu schreiben. Auch wenn es ihm das Herz zerriß. Der Reisebus hielt ein letztes Mal, bevor es bis in das Alpendorf weiterging. Die Fahrgäste stiegen aus und vertraten sich die Beine. Einige rauchten, andere gingen ein paar Schritte auf dem Parkplatz und schauten in die Ferne, wo sich schon die Gipfel der Berge erahnen ließen. ›Himmelspitz‹ und ›Wintermaid‹, der Kogler. Als Bub und später als junger Bursche war er oft dort oben herumgekraxelt, und wie hatte er sich in all den Jahren, in denen er von zu Hause fort war, danach gesehnt, die geliebten Berge wiederzusehen. Das Hupsignal, das die Fahrgäste zum Einsteigen rief, riß Franz Gronauer aus seinen Gedanken. Er setzte sich wieder ans Fenster und schaute hinaus. War es ein Zufall, daß er auf der Arbeitsstelle die Zeitung der vergangenen Woche fand, in der das Inserat des Busunternehmens stand, in dem ein vergnügtes Wochenende in St.
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Der Bergpfarrer (ab 375)
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Buchvorschau
Ein liebendes Herz kennt keine Lüge - Toni Waidacher
Der Bergpfarrer
– 398 –
Ein liebendes Herz kennt keine Lüge
Toni Waidacher
Ein liebendes Herz kennt keine Lüge
Franz Gronauer – ein verlorener Sohn kehrt heim
Roman von Toni Waidacher
Es war eine ausgesprochen lustige Reisegruppe, die sich auf dem Weg nach St. Johann befand. Vierunddreißig Wochenendausflügler unterhielten den Busfahrer mit munteren Liedern, und die Stimmung an Bord des komfortablen Reisebusses konnte nicht besser sein.
Nur ein einzelner Mann saß in der hintersten Reihe alleine auf seinem Platz und schaute mit düsterem Gesicht zum Fenster hinaus. Er betrachtete die Landschaft, ohne sich um die anderen zu kümmern, und je mehr sich der Bus den Bergen näherte, um so schneller schlug Franz Gronauers Herz.
Zum wiederholte Male fragte er sich, ob es richtig war, was er tat. Aber je öfter er sich diese Frage stellte, um so weniger konnte er sich eine Antwort darauf geben. Alles, was er wußte, war, daß es ihn drängte, zurückzukehren in die Heimat, die er so lange nicht gesehen hatte.
Doch wie würde der Empfang ausfallen? Würden die Seinen ihn mit offenen Armen aufnehmen oder zurückweisen, so, wie sie seine Briefe, die er immer wieder schrieb, zurückgewiesen hatten.
Annahme verweigert – unzählige Male hatte er diese zwei Worte lesen müssen, bis er es endlich aufgab zu schreiben. Auch wenn es ihm das Herz zerriß.
Der Reisebus hielt ein letztes Mal, bevor es bis in das Alpendorf weiterging. Die Fahrgäste stiegen aus und vertraten sich die Beine. Einige rauchten, andere gingen ein paar Schritte auf dem Parkplatz und schauten in die Ferne, wo sich schon die Gipfel der Berge erahnen ließen.
›Himmelspitz‹ und ›Wintermaid‹, der Kogler. Als Bub und später als junger Bursche war er oft dort oben herumgekraxelt, und wie hatte er sich in all den Jahren, in denen er von zu Hause fort war, danach gesehnt, die geliebten Berge wiederzusehen.
Das Hupsignal, das die Fahrgäste zum Einsteigen rief, riß Franz Gronauer aus seinen Gedanken. Er setzte sich wieder ans Fenster und schaute hinaus.
War es ein Zufall, daß er auf der Arbeitsstelle die Zeitung der vergangenen Woche fand, in der das Inserat des Busunternehmens stand, in dem ein vergnügtes Wochenende in St. Johann angeboten wurde? Oder hatte das Schicksal seine Fäden gesponnen, um den Flüchtling zur Heimkehr zu bewegen? Franz brauchte nicht lange zu überlegen. Noch am gleichen Tag, an dem er das Inserat gelesen hatte, rief er den Veranstalter an und buchte einen Platz. Im Fahrpreis enthalten waren die Fahrt, zwei Übernachtungen mit Frühstück im Hotel ›Zum Löwen‹ sowie die Teilnahme an einem Tanzabend mit Blasmusik.
Aber das alles war es nicht, was Franz nach Hause lockte, er wollte sich endlich mit dem Vater aussöhnen und einen Zustand beenden, der für ihn unerträglich geworden war.
Zweiundzwanzig Jahre war er alt, als er davonlief. Vorausgegangen waren ewige Streitereien mit dem Vater, weil ihre Ansichten darüber, wie der Berghof zu bewirtschaften sei, weit auseinanderklafften. Franz, der den Hof einmal erben sollte, wollte schon früh zeigen, was in ihm steckt. Seiner Ansicht nach mußte umfassend modernisiert werden, um aus dem mehr schlecht als recht geführten landwirtschaftlichen Betrieb ein gesundes und gewinnträchtiges Unternehmen zu machen.
Doch da biß er bei Hubert Gronauer auf Granit. Der Bergbauer schien immer noch in der Welt seiner Vorfahren zu leben, die den Hof vor mehr als zweihundert Jahren gründeten. Und so sah es dort heute noch aus. Das einzige Zugeständnis an die Technik war ein uralter Traktor, der immer wieder repariert werden mußte, bevor er eingesetzt werden konnte.
Franz, der die Landwirtschaftsschule besucht hatte, wollte hingegen soviel es nur ging neue Maschinen und Geräte anschaffen, um die Arbeit effektiver zu machen und den Gewinn zu erhöhen. Noch heute erinnerte er sich mit Grausen an die vielen Auseinandersetzungen, die er deswegen mit dem Vater geführt hatte.
Als er schließlich einsehen mußte, daß mit dem Bauern nicht zu reden war, zog er die Konsequenzen und ging auf und davon. Natürlich war ihm dieser Entschluß nicht leicht gefallen. Es war viel, das er zurückließ – ein Madel, das sich die Augen nach ihm ausweinte, die Mutter, die sich gegen ihren Mann nie durchsetzen konnte und nicht zuletzt sein Erbe. Von heute auf morgen stand Franz Gronauer vor dem Nichts. Per Anhalter war er in die Kreisstadt gefahren, von dort ging es weiter mit dem Zug nach München. Nach langem Suchen fand er eine kleine Pension, in der er erst einmal unterkam. Dann brauchte er irgendeine Arbeit, aber einen Landwirt suchte in der Großstadt niemand, und so mußte er sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser halten.
Das gelang ihm recht gut. Ein Jahr lang kellnerte der Bauernsohn in Kneipen, spülte Teller in Hotelküchen und wurde als Aushilfsmechaniker in der Werkstatt einer Tankstelle angestellt, bis er endlich über das Arbeitsamt eine Stelle als Knecht auf einem Hof im Fränkischen fand. Dort lebte und arbeitete er die letzten sieben Jahre.
Der Bauer hatte ihn nur ungern gehen lassen. Er kannte jedoch die Lebensgeschichte seines Knechts und hatte Verständnis dafür, daß dieser endlich nach Hause und sich mit dem Vater aussöhnen wollte.
»Deine anderen Sachen läßt aber hier«, hatte er ihm gesagt, bevor Franz packte. »Wenn dein Vater dich net wieder aufnehmen will, dann hast’ bei mir immer einen Platz. Na ja, und wenn’s denn sein soll, daß du dableibst, dann schick’ ich dir die Sachen halt nach.«
Also war Franz nur mit einer Reisetasche in den Bus gestiegen. Entgegen seiner ersten Absicht, gleich zum Hof hinauszufahren, entschied er sich jetzt doch dafür, erst einmal im Hotel zu schlafen, wofür er ja schon bezahlt hatte. Wenn er schließlich blieb, konnte er immer noch das Zimmer wieder absagen.
Der Bus hatte das Ortsschild passiert und bog auf den Parkplatz des Hotels ein. Franz Gronauers Beine zitterten, als er die Stufen des Ausstiegs hinunterging.
Draußen blieb er stehen und atmete tief ein. Wenigstens die Luft hatte sich in all den Jahren nicht verändert. Sie roch immer noch frisch und nach würzigen Kräutern.
*
Sepp Reisinger, Inhaber vom Hotel ›Zum Löwen‹, empfing und begrüßte seine Gäste schon draußen am Bus. Der Wirt hatte sich dieses Wochenendarrangement ausgedacht, um seine Zimmer auch außerhalb der Saison belegt zu haben. In dem Busunternehmen hatte er einen soliden und zuverlässigen Partner gefunden, und die Kurzreisen in das idyllische Alpendorf erfreuten sich immer größerer Beliebtheit.
Franz hielt sich im Hintergrund. Er wußte zwar nicht, ob Sepp sich überhaupt an ihn erinnerte, als junger Bursche war der Bauernsohn nicht sehr oft zum samstäglichen Ball gegangen, aber er wollte