Mutter töten
Von Jürg Amann
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Über dieses E-Book
"Die Reise" des Knaben mit der Mutter führt in den Süden, ins Heimatdorf des Großvaters, das heißt in ihre Herkunft zurück, und gibt eine Ahnung davon, was es bedeutet, "nie gewollt" gewesen zu sein; im darauffolgenden "Nachtstück" wird das heranwachsende Brüderpaar vom übermächtigen Bild der mit harten Strafen, aber auch mit ihrem Selbstmord drohenden Mutter verfolgt; in "Mutter töten" sieht sich der erwachsene Sohn mit der Bitte der hinfällig Gewordenen um Sterbehilfe konfrontiert, seine zwischen Verständnis, Pflichtbewußtsein und Kindesliebe schwankenden Gefühle werden immer mehr zur tiefen Zuneigung; in einem poetischen "Requiem" der respekt- und liebevollen Erinnerung wird schließlich Frieden gemacht, kommt es zur endgültigen Versöhnung, im wörtlichen Sinn.
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Buchvorschau
Mutter töten - Jürg Amann
2002)
I
DIE REISE
»Du sollst Vater und Mutter ehren.«
Viertes Gebot
Als im Herbst 1956 der jährlich zu dieser Jahreszeit von uns mit der Post erwartete Jutesack mit den Kastanien nicht kam, war es noch eine Vermutung, als zwei Monate später auch das gewohnte Weihnachtspaket mit den Torrone-Stengeln, den Amaretti und dem Panettone ausblieb, galt es in der Familie als ausgemacht, dass der Tessiner Grossvater gestorben war. Als der Vater, wieder ein paar Monate später, nachdem er endlich eine Telefonnummer hatte ausfindig machen können, für seine Frau, meine Mutter, die das unehelich geborene Kind des uns seit jeher immer wieder in Richtung Süden Entschwundenen und nun offenbar endgültig auch von der Erdoberfläche Verschwundenen war, unter einem Vorwand, in vorher auswendig gelernten italienischen Worten, dort nach ihm fragte, kam die Bestätigung: Il signor Galli e morto.
Wir hatten über seinen Wohnort ja nie etwas Genaueres wissen dürfen. Jeder Verkehr mit ihm, das Bestellen von Grüssen, eine Einladung zu einem Besuch, das Sich-Bedanken für die Geschenke, musste sich über seinen Arbeitgeber, eine Firma Züblin, Hoch- und Tiefbau, in Zürich abwickeln. Er war Eisenbahningenieur und Bauführer an der Gotthardstrecke gewesen. Meine Mutter hatte das ungeschriebene Gesetz, seine Spur nicht aufzunehmen, respektiert, solange er lebte, jetzt, da er tot war, fühlte sie sich daran nicht mehr gebunden. Schliesslich hatte er ihr immer versprochen, für sie zu sorgen, sie zu bedenken, ihr nach seinem Tod alles, was er besass, Land, Haus und Geld, zu vermachen, wenn sie ihm nur zu seinen Lebzeiten dabei behilflich sein würde, im Dorf seiner Herkunft, in dem er, wenn ihn nicht sein Beruf anderswohin versetzte, zusammen mit seiner Schwester, die dort Lehrerin war, noch immer gewohnt hatte, seinen Ehrennamen zu wahren. Sie durfte ihn darum nicht tragen. Hinter dem Namen ihres Mannes, unseres Vaters, führte sie, nach ihrer Mutter, den Mädchennamen Noseda. Ihr Vater war ein Feigling gewesen, aber er war doch ihr Vater, und darum hatte sie ihm geholfen, auch gegen sich selbst.
Ihre Mutter, die er vielleicht auch geliebt, auf jeden Fall aber geschwängert hatte, weit weg von zu Hause, von seinem Dorf, auf einer seiner SüdNord-Passagen, hatte er mit der Versprechung hingehalten, sie später, wann immer das sein sollte, zu heiraten und also alles in Ordnung zu bringen, was jetzt in Unordnung war, wenn nur erst der Streckenbau an sein Ende und damit sein Leben in ruhige Bahnen käme. Dass es sich bei diesem Streckenbau in Wirklichkeit um Revisionsarbeiten, sei es an der Trasse, sei es an Brücken, handelte, die natürlich nie an ein Ende kamen, sondern, wenn sie auf der einen Seite des Gotthards für den Moment erledigt waren, gleich auf der anderen Seite wieder beginnen konnten, hatte er nicht erwähnt, wahrscheinlich einfach zu erwähnen vergessen.
Inzwischen war unsere Mutter geboren worden und gleich zu einer Ziehmutter in einer kleinen Ortschaft am Rhein gekommen und die ersten vier Lebensjahre auch dort geblieben, weil ihre Mutter sonst ihretwegen und wegen der ledigen Mutterschaft von ihrer Mutter, die ihrerseits geschieden und zum zweiten Mal verheiratet war, aus dem Familienverband ausgestossen worden wäre. Als den Nol aus den Erzählungen der Mutter kannte ich diesen Ort ihrer ersten Kindheit. Im Nol sei sie aufgewachsen, sagte sie immer. Nol erinnerte mich immer an Nordpol. Es hätte ein Wort aus einer Kindergeheimsprache sein können. In Wirklichkeit war es ein Dorf, eher ein Weiler, direkt am Rhein, an einer Böschung, unmittelbar unterhalb des berühmten Rheinfalls, wo das Wasser schon wieder ruhiger wurde. Trotzdem hatte meine Mutter nie schwimmen gelernt und ihre Furcht vor dem Wasser immer behalten. Wenn ich, auf einem Ausflug, zwischen den Eltern, auf einem Felsen mitten in der tosenden Flut stand und durch den Wasserstaub zu blicken versuchte, lag dieser Nol am unteren Ende des Regenbogens.
Als sie vier Jahre alt war, durfte die Mutter wieder mit ihrer Mutter nach Hause. Besser, sie musste. Denn inzwischen war natürlich die Ziehfamilie zu ihrer Familie geworden, bei der sie es gut hatte, bei der sie zu Hause war. Es gab da ja noch mehr solche Kinder wie sie. Zwei Schwestern hatte sie gehabt, Ziehschwestern, die unter ähnlichen Umständen wie sie fern von ihren Familien dort auf die Welt gekommen waren. Zu Hause, vielmehr bei ihrer Mutter, war sie allein. Ihre Grossmutter, die ihre Tochter nach vier Jahren Ächtung zum ersten Mal an einem Sonntag auf einer ihrer Reisen zu ihrem Kind an den Rhein begleitet hatte, hatte das Mädchen liebenswürdig gefunden und ihr erlaubt, es zu sich und also auch in ihr Haus, unter ihr Dach zu nehmen.
Da wohnte sie nun, in der Stadt, oder am Stadtrand, fremd, verängstigt, verschüchtert, bei ihrer Sippe, die sie nicht kannte, die eine andere Sprache sprach als die, die sie am Rheinfall gelernt hatte, die die andern die Tschinggen nannten, und musste zusehen, wie der Mann, von dem man ihr sagte, dass er ihr Pate sei, der aber gleichzeitig ihr Grossvater war, der jedenfalls mit ihrer Grossmutter zusammenlebte und die ganze Familie mit seinem kleinen Maurergeschäft durchbrachte, Abend für Abend betrunken war und zuerst ihre Mutter, später, als sie grösser geworden war, auch sie selber im Rausch bedrängte. Fensterscheiben zerschlug er, Wohnungs- und Zimmertüren drückte er ein,