Endlich bei dir: Leni Behrendt Bestseller 38 – Liebesroman
Von Leni Behrendt
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Mit einem Blick auf den Tachometer stellte der Mann am Steuer fest, daß er bereits fünfhundert Kilometer dahingerast war, ohne auch nur eine Pause einzulegen. Kein Wunder, daß er ermüdet war, dazu quälten ihn Hunger und Durst. Also machte er in der nächsten Stadt Rast, obwohl es ihn wie mit tausend Banden zu seinem Töchterchen zog. Doch der Mann war vernünftig genug, um sich zu sagen, daß es besser war, das Wiedersehen mit seinem Liebling auf ein oder auch zwei Stunden hinauszuschieben, als ihn überhaupt nicht mehr wiederzusehen, denn durch Übermüdung am Steuer war schon manch ein tödlicher Unfall heraufbeschworen worden. Nachdem er den Wagen auf einem Parkplatz der mittelgroßen Stadt untergebracht hatte, begab er sich auf die Suche nach einem Lokal. Ausgerechnet dann, als er die weite Reise antreten mußte, erkrankte sein Chauffeur, so daß er gezwungen war, allein zu fahren, und ohne Ablösung war eine so weite Fahrt in einer Tour einfach nicht zu schaffen. Fröstelnd klappte er den Kragen des Mantels hoch; denn es war empfindlich kühl, zumal ein scharfer Nordost durch die Straße fegte. Kein erstklassiges Lokal, das der verdrießliche Mann fünf Minuten später betrat. Doch das störte ihn nicht, Hauptsache, er bekam etwas zu essen. Zuerst einmal galt es, in dem fast völlig besetzten Lokal einen annehmbaren Platz zu finden. Langsam schritt er durch die Reihen der Tische, die mehr oder weniger belegt waren, bis er dann stutzend den Schritt verhielt. Eine junge Dame dort an dem kleinen Tisch – sollte das etwa…? Jawohl, sie war es, die er gleich darauf aufs höchste überrascht begrüßte: »Guten Abend, Karen? Ja, wie kommst du denn hierher?« »Die Frage müßte ich eigentlich an dich stellen«, gab sie, von der unerwarteten Begegnung nicht minder überrascht, zurück. »Ich lebe schließlich in dieser Stadt, aber du…« »Ich befinde mich auf der Durchreise. Darf ich Platz nehmen?« »Bitte sehr.«
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Endlich bei dir - Leni Behrendt
Leni Behrendt Bestseller
– 38 –
Endlich bei dir
Leni Behrendt
Mit einem Blick auf den Tachometer stellte der Mann am Steuer fest, daß er bereits fünfhundert Kilometer dahingerast war, ohne auch nur eine Pause einzulegen. Kein Wunder, daß er ermüdet war, dazu quälten ihn Hunger und Durst.
Also machte er in der nächsten Stadt Rast, obwohl es ihn wie mit tausend Banden zu seinem Töchterchen zog. Doch der Mann war vernünftig genug, um sich zu sagen, daß es besser war, das Wiedersehen mit seinem Liebling auf ein oder auch zwei Stunden hinauszuschieben, als ihn überhaupt nicht mehr wiederzusehen, denn durch Übermüdung am Steuer war schon manch ein tödlicher Unfall heraufbeschworen worden.
Nachdem er den Wagen auf einem Parkplatz der mittelgroßen Stadt untergebracht hatte, begab er sich auf die Suche nach einem Lokal. Ausgerechnet dann, als er die weite Reise antreten mußte, erkrankte sein Chauffeur, so daß er gezwungen war, allein zu fahren, und ohne Ablösung war eine so weite Fahrt in einer Tour einfach nicht zu schaffen.
Fröstelnd klappte er den Kragen des Mantels hoch; denn es war empfindlich kühl, zumal ein scharfer Nordost durch die Straße fegte.
Kein erstklassiges Lokal, das der verdrießliche Mann fünf Minuten später betrat. Doch das störte ihn nicht, Hauptsache, er bekam etwas zu essen.
Zuerst einmal galt es, in dem fast völlig besetzten Lokal einen annehmbaren Platz zu finden. Langsam schritt er durch die Reihen der Tische, die mehr oder weniger belegt waren, bis er dann stutzend den Schritt verhielt. Eine junge Dame dort an dem kleinen Tisch – sollte das etwa…?
Jawohl, sie war es, die er gleich darauf aufs höchste überrascht begrüßte: »Guten Abend, Karen? Ja, wie kommst du denn hierher?«
»Die Frage müßte ich eigentlich an dich stellen«, gab sie, von der unerwarteten Begegnung nicht minder überrascht, zurück. »Ich lebe schließlich in dieser Stadt, aber du…«
»Ich befinde mich auf der Durchreise. Darf ich Platz nehmen?«
»Bitte sehr.«
»Danke. Ich hatte vor, bis nach Hause durchzufahren, aber ich schaffte es nicht. Bin müde und hungrig. Daher mußte ich notgedrungen eine Pause einlegen und geriet in dieses Lokal. Ißt man hier gut?«
»Wenn dir eine solide Kost genügt – ja.«
»Bei meinem Hunger kann sie gar nicht solide genug sein«, griff er zur Speisekarte, wählte rasch, und was der Ober dann servierte, war schmackhaft und reichlich, man konnte schon dabei satt werden.
Während der ausgehungerte Mann aß, wurde nicht gesprochen, und Karen Velde konnte sich ihren Gedanken hingeben, sie ungestört in die Vergangenheit schweifen lassen.
Fünf Jahre hatte sie ihn nicht gesehen, der vorher in ihrem Leben gewesen war, solange sie denken konnte. Obwohl er acht Jahre mehr zählte, hatte er es nicht unter seiner Würde gehalten, dem Nachbarstöchterlein Spielkamerad und Führer zu sein.
Lars Ansholm, der Sohn des reichen Fabrikbesitzers, weilte mehr in dem gemütlichen Häuschen des Landrichters Velde als in der feudalen Villa, weil seine Eltern, elegante Geschäftsmenschen, keine Zeit für ihr einziges Kind hatten. Zwar sahen sie es nicht gern, daß ihr Sohn sich als liebsten Spielkameraden ein so kleines Mädchen erwählte, ließen ihn jedoch aus Bequemlichkeit gewähren.
Die Jahre eilten dahin, und als Lars nach dem Abitur in einer fernen Stadt die Universität bezog, ließ er ein bitterlich weinendes kleines Mädchen zurück. Zwar kam er als Student zwischendurch nach Hause, sprach dann selbstverständlich auch jedesmal im Landrichterhaus vor, aber es war der alte Lars nicht mehr. Wohl war er nach wie vor nett zu der einstigen Spielgefährtin, nahm sie jedoch nicht mehr ernst, was sie bitter kränkte.
Nachdem er sein Studium beendet hatte, ging er auf Reisen und brachte ein Jahr später seine Braut von dort mit. Ach, was waren das doch für heiße Schmerzen, welche die nun siebzehnjährige Karen Velde erleiden mußte, in deren Herzen die erste schwärmerische Liebe erblüht war. Nein, das hielt sie einfach nicht aus! Entweder brachte sie sich um, oder sie ging ins Kloster.
Und als das verzweifelte junge Menschenkind kaum noch aus und ein wußte in seiner Herzensnot, griff das Schicksal ein. Der Landrichter wurde in eine andere Stadt versetzt, und als man in der Villa Ansholm Hochzeit hielt, war er mit Weib und Kind bereits nach dem neuen Wohnort verzogen.
»Ja, sag mal, Karen, träumst du mit offenen Augen?« riß eine Männerstimme sie aus ihren Gedanken. »Ich habe dich schon zweimal etwas gefragt.«
»Entschuldige«, unterbrach sie ihn mit verlegenem Lächeln. »Ich mochte dich bei deiner Mahlzeit nicht stören. Was wolltest du wissen?«
»So allerlei.«
»Dann frage, ich bin ganz Ohr.«
Er wartete jedoch, bis der Ober den Mokka gebracht und den Tisch abgeräumt hatte, dann fragte er schroff: »Warum bist du damals mit deinen Eltern so sang- und klanglos verschwunden?«
»Weil es zwei Tage vor deiner Hochzeit war.«
»Und da konntet ihr nicht noch die Hochzeit mitmachen, wie es sich für so gute Freunde gehört hätte?«
»Nein, das konnten wir nicht, da mein Vater in einer Woche seinen neuen Dienst antreten mußte. Außerdem waren wir ja gar nicht eingeladen.«
»Was sagst du da?« horchte er überrascht auf.
»Daß wir nicht eingeladen waren.«
»Aber ich hatte doch dich und deine Eltern als erste auf die Gästeliste gesetzt, allerdings die Einladungen nicht selbst geschrieben und verschickt.«
»Dann wird es ein Versehen gewesen sein«, fiel sie ihm rasch ins Wort und bemerkte mit Unbehagen, wie sich seine Miene verdüsterte.
»An ein Versehen glaube ich nicht«, versetzte er knapp. »Jetzt nicht mehr. Jedenfalls… Na, lassen wir das. Erzähle, wie es dir und deinen Eltern ergangen ist.«
»Mutti geht es gut, Vater ist seit zwei Jahren tot.«
»Das tut mir aber leid«, entgegnete er betroffen. »Wie konnte das kommen? Er war doch noch gar nicht so alt.«
»Mitte Fünfzig«, erwiderte sie leise, während sich ihre Augen mit Tränen füllten. »Eine verschleppte Grippe raffte ihn in wenigen Tagen dahin. Nach dem Begräbnis klappte Mutti zusammen und bekam ein böses Nervenfieber, bei dem sie mit knapper Not dem Tod entkam. Das war alles nicht leicht für mich, zumal ich niemand hatte, der mir zur Seite stand.«
»Soso«, lachte er kurz auf. »Dich an deinen alten Kameraden Lars zu wenden, fiel dir wohl gar nicht ein, wie? Na ja, wenn man von ihm nicht einmal zur Hochzeit eingeladen wird. Aber erzähle nur weiter. Verheiratet bist du nicht, da ich keinen Ehering bemerke. Also, was treibst du?«
»Ich bin Angestellte im Reisebüro und bewohne mit meiner Mutter zusammen eine nette Dreizimmerwohnung. Da sie Pension erhält und auch ich verdiene, haben wir ein ganz gutes Einkommen. Gesund sind wir auch, also können wir nicht klagen.«
»Und warum ißt du denn im Lokal?«
»Das tu ich nur, wenn Mutti verreist ist, was allerdings selten geschieht. Gestern fuhr sie zu einer alten Bekannten, die durchaus ihren Sohn mit mir verheiraten will und sie zur soundsovielten Unterredung bat. Sie fuhr nicht gern, aber die andere ließ nicht locker.«
»Hm, da kann man wohl bald zur Verlobung gratulieren!«
»Möglich«, entgegnete sie gleichmütig. »Er ist das, was man einen netten Kerl nennt, und ich mag ihn gern.«
»Meinst du, daß ein nur Gernhaben zur Ehe genügt?«
»Ja«, kam es knapp zurück. »Denn solche Ehen halten größtenteils besser als die sogenannten Liebesheiraten.«
»Da hast du recht«, sprach er in einem Ton, der mit Bitterkeit durchtränkt war. »Denn auch ich habe aus Liebe geheiratet – und bin nun nach viereinhalbjähriger Ehe geschieden.«
»Aber Lars, wie konnte das geschehen?« fragte sie erschrocken, und er hob resigniert die Achsel.
»Sie war eine leichtfertige, ungetreue Gattin und eine miserable Mutter, die ihr fieberndes Kind allein ließ, um mit ihrem Galan… Na ja, näher möchte ich mich nicht auslassen, da der Ekel in mir hochsteigt. Als die Kinderschwester, die Ausgang hatte, spät abends zurückkehrte, fand sie das Kind im höchsten Fieber vor. Sie rief den Arzt, der Junge kam sofort ins Krankenhaus, wurde noch in der Nacht am Blinddarm operiert, doch zu spät. Am Morgen war er tot.«
Das letzte klang wie ein Stöhnen, und Karen hatte das Gefühl, als müßte ihr Herzschlag aussetzen.
Blaß vor Schreck starrte sie den Mann an, der so fest die Zähne zusammenbiß, daß die Wangenmuskeln spielten. Jedes Trostwort erschien ihr so leer, so phrasenhaft.
Jede Frage konnte die blutende Wunde schmerzhaft berühren.
Also wartete sie ab, bis er weitersprechen würde, was dann auch nach einem fast lähmenden Schweigen geschah. Er sprach wie zu sich selbst, und das Mädchen mußte angestrengt hinhören, damit es alles verstand, was da so erbittert über die harten Männerlippen kam: »Daß sie keine liebevolle Mutter war, wußte ich längst, aber daß sie ihr krankes Kind im Stich lassen könnte, um ihren Schändlichkeiten nachzugehen, für so skrupellos hätte ich sie dennoch nicht gehalten. Sonst hätte ich auch die Geschäftsreisen unterlassen, von denen ich ohnehin nur die wichtigsten unternahm, hätte auch dorthin meine Vertreter geschickt. Was ich dabei hätte verlieren können, wäre Geld gewesen, was ich aber jetzt verlor…«
Wieder stöhnte er auf, und Karen hatte das Gefühl, als stülpe sich ihr Magen um.
Doch schon sprach der Mann weiter:
»Da die Kinderschwester meine Reiseroute nicht kannte, ließ sie mich durch den Rundfunk verständigen, daß ich auf schnellstem Wege nach Hause zurückkehren sollte. Ich tat’s und habe meinen Jungen trotzdem nicht mehr lebend wiedergesehen.«
»Und was sagte deine Frau zu alledem?« fragte Karen so mühsam, als ob ihr ein Kloß im Halse steckte.
»Weiß ich nicht«, kam es verbissen zurück. »Sie soll, als ich bereits zu Hause war, dort aufgetaucht und wieder verschwunden sein. Wahrscheinlich hatte sie Angst vor der Abrechnung, nach der mir in den schlimmen Tagen übrigens gar nicht der Sinn stand. Später allerdings – aber da trat sie mir wohlweislich nicht mehr unter die Augen. Ersuchte mich schriftlich, die Scheidung einzureichen, die dann auch rasch erfolgte.
Doch nun entschuldige mich bitte. Ich möchte zu Hause anrufen und mich nach dem Befinden meiner kleinen Tochter erkundigen.«
»Du hattest zwei Kinder?« fragte Karen überrascht, und da erhellte sich sein umdüstertes Antlitz ein wenig.
»Gottlob ja. Hoffentlich bleibt mir wenigstens dieses Kind erhalten.«
»Wie alt ist das Kind?«
»Etwas über ein Jahr, doch viel zu zart für das Alter. Ich lebe in ständiger Angst, daß es gar nicht aufwächst.«
»Aber du hast doch deine Mutter im Haus.«
»Eben nicht. Sie hat nach dem Tod meines Vaters einen Ausländer geheiratet und lebt mit ihm in Südamerika.
Eigentlich ein Skandal, daß wir, die wir einst ein Herz und eine Seele waren, fünf Jahre lang nichts mehr voneinander hörten und immer weiter nichts gehört hätten, wenn wir nicht hier durch Zufall zusammengekommen wären. Und nur durch ein Mißverständnis, das andere heraufbeschworen. Denn ich trug gewiß nicht daran die Schuld, daß du und deine Eltern nicht zur Hochzeit geladen wurdet. War über euer so sang- und klangloses Verschwinden noch großartig gekränkt. Trug es euch so nach,