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Goldener Käfig: Gefangen, #1
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Goldener Käfig: Gefangen, #1
eBook285 Seiten3 Stunden

Goldener Käfig: Gefangen, #1

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Über dieses E-Book

Verwaiste Erbin.

Ich wurde als Tochter kolumbianischer Kaffeekönige in Reichtum geboren. Nachdem meine Eltern bei einem Unfall ums Leben kommen und mein Bruder einige Jahre später erschossen wird, erfahre ich auf die harte Tour, dass man Glück nicht mit Geld kaufen kann.

 

Zurückgezogene Gesellschaftslöwin.

Seit dem Verlust meiner Familie hängt mein Leben in der Schwebe. Ich zeige mich in der Öffentlichkeit, gehe dann aber allein nach Hause. Das eigene Herz kann nicht brechen, wenn man niemanden einlässt, richtig?

 

Trotzige Gefangene.

Ich hatte geglaubt, alles erlebt zu haben, was das Leben mir zu bieten hat. Dann übernehmen aber Javier Vega und seine Bande gefährlicher Krimineller mein Leben und halten mich in meinem eigenen Haus als Geisel gefangen. Sie glauben, dass ich schwach bin. Ein gefundenes Fressen für sie. Aber sie irren sich. Wenn ich untergehe, dann nicht ohne Kampf.

SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum15. März 2022
ISBN9781643663302
Goldener Käfig: Gefangen, #1

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    Buchvorschau

    Goldener Käfig - Francesca Baez

    TEIL I

    KAPITEL 1

    Selina


    Peng. Peng.

    Mit einem Ruck setze ich mich keuchend und verschwitzt in meinem Bett auf. Es ist schon einige Monate her, dass ich das letzte Mal diesen Traum hatte. Anfangs bin ich glücklich, aber er endet immer mit Schüssen. Ich schätze, es ist eher ein Alptraum.

    Ich binde mein langes Haar in einen lockeren Knoten, den ich über dem Kopf festhalte, um mich abzukühlen. Während der Sommerhitze von Atlanta ist das aber eine nutzlose Geste. Ich werde mit Kate darüber reden müssen, die Klimaanlage höherzustellen. Wie immer wird sie argumentieren, dass sie versucht, mir Geld zu sparen. Welchen Sinn hat es aber, dieses Haus geerbt zu haben, wenn ich es nicht kühl halten kann?

    Peng. Peng.

    Mein Herz beginnt wie wild zu pochen. Das war nicht Teil meines Traumes. Das war echt. Schüsse. Ein wenig gedämpft, aber auf jeden Fall in der Nähe. Sicher auf dem Anwesen. Dieses Geräusch habe ich außer in meinen Alpträumen bisher nur einmal gehört. Als ich mich daran erinnere, schnürt sich meine Kehle zu. Instinktiv will ich mich unter der Bettdecke aus Satin zusammenrollen und auf Hilfe warten. Meine Wachen werden mit der Situation fertigwerden. Dafür bezahle ich sie schließlich. Ich hole mein Telefon vom Nachttisch und rufe Eddie an. Er wird mir sagen, was ich tun soll. Nach einer Minute, die mir wie eine Ewigkeit vorkommt, lande ich aber auf seinem Anrufbeantworter. Scheiße. Was ist da los?

    Ich springe aus dem Bett und schlüpfe in das erste Paar Schuhe, das ich finde. Es sind die glänzenden schwarzen Louboutins, die ich zum Abendessen getragen hatte. Dann greife ich nach meinem Morgenmantel aus Seide, der neben der Tür hängt. Ich ziehe ihn über meinem Spitzennachthemd an. Während ich den Flur entlanghaste, binde ich den Gürtel fest zu.

    »Kate?«, rufe ich. Obwohl ich weiß, dass mein Kindermädchen, das mittlerweile zu meiner Hausdame geworden ist, am anderen Ende des Anwesens schläft. »Kate? Eddie? Alan?«

    Die Villa ist menschenleer. Selbst als meine Mutter, mein Vater, Max und ich noch gemeinsam hier gelebt haben, sind wir uns in diesem viel zu großen Palast fast nie begegnet. Jetzt lebe ich hier allein mit einer Handvoll Haushaltshilfen, die ich behalten habe. Es scheint aber so zu sein, dass ich, wenn ich einen von ihnen brauche, nie jemanden finde. Normalerweise stört mich das nicht allzu sehr. Ich genieße die Abgeschiedenheit oder den gelegentlichen Liebhaber, der mir Gesellschaft leistet. Heute Abend sorgt das Echo meiner eigenen Stimme in den leeren Fluren jedoch dafür, dass mir ein Schauder über den Rücken läuft.

    Zumindest höre ich keine weiteren Schüsse mehr. Das rede ich mir wenigstens ein, als ich versuche, meinen zerstreuten, noch halb schlafenden Verstand dazu zu bringen, sich auf die Geschehnisse zu konzentrieren. Die Stille bedeutet wahrscheinlich, dass die Eindringlinge die Wachen überwunden haben und auf dem Weg hierher sind. Zu mir. Scheiße.

    »Kate!«, versuche ich es erneut. Dieses Mal lauter. Ich gehe die Treppe zur Hälfte hinunter, bleibe dann aber auf dem mittleren Treppenabsatz stehen. Ich weiß nicht, wohin ich gehen soll. Mein Vater hatte immer davon gesprochen, einen Panikraum einzurichten. Das ist aber nie geschehen. Während des ersten Jahres, in dem ich allein war, hatte Eddie sich darum bemüht, dass ich seinen Plan für Notfälle verinnerliche. Ich habe ihm aber nie viel Aufmerksamkeit geschenkt. Schließlich hat er aufgegeben. Jetzt stecke ich wahrscheinlich in großen Schwierigkeiten und habe keine Ahnung, was ich als Nächstes tun soll. Die Polizei anrufen? Mein Telefon habe ich in meinem Zimmer gelassen. Weil ich der Meinung war, dass Eddie das für mich erledigen würde. Um Hilfe rufen? Das nächste Nachbarhaus ist mehr als einen Kilometer entfernt.

    Von draußen höre ich Schritte. Bevor ich mich entscheiden kann, in welche Richtung ich mich von meinem übermächtigen Fluchtinstinkt treiben lassen soll, fliegt die Eingangstür meines Hauses mit einem lauten Krachen auf. Ich schreie in einer Lautstärke, von der ich nicht gewusst habe, dass ich sie in mir habe. Als eine Handvoll Fremder in mein Haus stürmt, weiche ich zurück. Sie sind zu dritt. Zwei Männer und eine Frau. Alle tragen dunkle Kleidung und Waffen. Ihre Blicke richten sich sofort auf mich. Ich gebe in meinem scharlachroten Morgenmantel vor der weißen Wand auch eine gute Zielscheibe ab. Mein eigener Blick bleibt aber an dem Mann haften, der in ihrer Mitte steht. In seinen dunklen Augen brennt ein Verlangen, das so verzweifelt wirkt, dass mir das Blut in den Adern gefriert. Es drückt ein so tiefgehendes Bedürfnis aus, dass ich weiß, dass er alles tun würde, um zu bekommen, weswegen er gekommen ist. Zum ersten Mal kommt mir der Gedanke, dass dies kein einfacher Einbruch sein könnte. Kein unbedeutender Überfall, bei dem ich einige Diamantketten verliere und morgen mein Leben normal weiterleben kann. Ein wenig erschüttert, aber nichts, was eine oder mehrere Flaschen Wein nicht wieder in Ordnung bringen würden. Nein, dieser Mann ist kein Amateur, der aus einer Laune heraus hier ist. Und nicht die Art von Mann, von dem ich ungeschoren davonkomme. Er ist ein Jäger, und es gibt keinen Zweifel daran, was das aus mir macht.

    »Miss Palacios«, sagt der Mann. Er lächelt boshaft zu mir hoch und tritt einen Schritt näher. Er ist nicht sehr groß, vielleicht nur wenige Zentimeter größer als ich. Die Art, wie er sich gebärdet, lässt ihn jedoch doppelt so groß wirken. Er trägt eine abgewetzte Lederjacke. Struppiges schwarzes Haar rahmt sein gebräuntes Gesicht ein. Auf seinem kantigen Kiefer ist der Ansatz eines Bartes zu sehen. Seine Lippen verziehen sich zu einem Grinsen, als er seinen Blick über mich wandern lässt. Ich kann nicht anders, als die Waffe zu bemerken, die er lässig in der Hand hält.

    Für die Flucht ist es jetzt zu spät. Also richte ich mich auf und zwinge mich in den Kampfmodus. Ich verschränke die Arme fest vor der Brust, um mich vor den lüsternen Blicken des Fremden zu schützen. Und um eine Aura der Tapferkeit auszustrahlen, obwohl ich mich wirklich nicht so fühle. Meine Mutter hätte, glaube ich, dasselbe getan. Hoffe ich wenigstens.

    »Was wollt ihr?«

    Der Anführer gibt dem Mann ein Zeichen, der hinter ihm steht und uns daraufhin mit einem Nicken verlässt. Jetzt sind es nur noch er, ich und die Frau in den engen Lederhosen. Ist das seine Freundin? Werde ich so enden? Nach all der Scheiße, die ich durchgemacht habe? In den Händen von Möchtegern-Bonnie-und-Clyde? Wo zum Teufel sind Eddie und Alan? Wo ist Kate?

    »Deine Leute werden dich nicht retten«, sagt der Fremde, als könnte er meine Gedanken lesen. Ich weiß, dass er erkannt hat, woran ich gerade denke. Daran, wie sich der Blick aus seinen dunklen Augen in mich bohrt, erkenne ich, dass er mich durchschaut hat. »Jetzt gibt es nur noch uns.«

    »Habt ihr sie verletzt?« Ich spreche stockend und halte mich am Treppengeländer fest.

    »Nein«, antwortet er. Obwohl ich keinen Grund habe, ihm zu glauben, möchte ich es trotzdem tun.

    »Was zum Teufel hatten dann die Schüsse zu bedeuten?«, verlange ich zu wissen.

    »Wir wollten uns nur vorstellen«, erwidert der Mann. Er hat immer noch dieses verdammte Grinsen im Gesicht. Das Mädchen streckt die Hüfte vor und verschränkt die Arme. Ihr gelingt es viel besser als mir, eine gewaltbereite Körperhaltung einzunehmen.

    »Was wollt ihr?«, wiederhole ich. Meine Fingerknöchel stehen weiß hervor, und meine Stimme zittert. Die Tapfere werde ich nicht mehr lange spielen können. Was immer sie wollen, weswegen sie auch gekommen sind, sie werden nicht mit leeren Händen gehen. Außerdem werde ich nicht ungeschoren davonkommen.

    »Das Einzige, was du uns zu bieten hast«, antwortet der Fremde selbstbewusst und ohne mit der Wimper zu zucken. »Wir sind wegen deines Geldes hier, Selina.«

    KAPITEL 2

    Javier


    Sie ist wunderschön. Genau wie auf den Bildern. Genau, wie ich sie in Erinnerung habe. Sogar jetzt. Mit zerzausten langen Haaren, vom Schlaf noch blassem Gesicht und den trotz ihrer aufgesetzten Fassade der Tapferkeit ängstlich weit aufgerissenen Augen. Reiche Menschen. Bis es zu spät ist, glauben sie, sie wären unantastbar.

    Ich schicke Miel los, um unsere gefangene Prinzessin von dem Treppenabsatz herunterzuholen. Dann gehen wir drei ins Wohnzimmer. Die Villa ist größer, als sie auf den Bauplänen gewirkt hat. Nicht weniger als ein Palast. Alles ist in hellen, opulenten Farben gehalten. Angefangen von den Marmorböden bis hin zu dem cremefarbenen Sofa, auf das wir Selina setzen. Alles wirkt wie das Zerrbild von Reichtum, in dem Selina die Rolle einer bildschönen Prinzessin spielt.

    »Was ist mit meinen Leuten passiert?«, fragt sie erneut und schlingt dabei die Arme fest um ihren geschmeidigen, praktisch nackten Körper. Ich muss mich zwingen, mich auf ihr Gesicht zu konzentrieren und an den Grund zu erinnern, warum ich hier bin. Ich darf mich von ihr nicht ablenken lassen.

    »Es geht ihnen gut«, versichere ich, gebe aber ansonsten keine weiteren Details preis. Das ist die Wahrheit. Sicher, sie sind derzeit in unserer Obhut angekettet. Sogar die alte Frau. Aber sie werden überleben. Solange Selina tut, was wir von ihr verlangen, werden wir alle überleben.

    Brock kommt zurück und nickt mir stumm zu. Entwarnung. Er reicht mir ein Telefon. Als ich auf die Einschalttaste drücke, leuchtet ein vertrautes Foto auf dem Bildschirm auf. Eine glückliche vierköpfige Familie, in deren Mitte die junge Selina lächelt. Ich drücke die Taste erneut, aber das Telefon verlangt ein Passwort. Ich reiche das Gerät an Miel weiter.

    »Wollt ihr meinen Schmuck?«, fragt die verängstigte junge Erbin auf dem Sofa und leckt sich nervös über die üppigen Lippen. »Ich kann euch den Code für den Safe geben. Ich habe nicht viel Bargeld hier, aber mein Portemonnaie ist hier irgendwo, wenn ihr welches wollt.«

    Sie glaubt wirklich, dass es so einfach sein wird. Dass sie uns mit ein bisschen Kleingeld abspeisen kann und uns dann ein für alle Mal los ist. Ich werfe Miel einen Blick zu, und sie verdreht die Augen. Sie ist der Meinung, dass ich die Situation unnötig verkompliziere. Wenn es nach ihr ginge, würden wir Miss Palacios mit den anderen Geiseln anketten und weitermachen.

    »Ich habe dir gesagt, dass wir dein Geld wollen«, sage ich und setze mich auf den Sessel gegenüber von Selina. Verdammt, das Ding ist nicht halb so bequem, wie es aussieht. »Wir wollen alles. Nicht nur das, was du gerade bei dir hast. Wir wissen, wie viel dein Treuhandfonds wert ist. Ganz zu schweigen von den Einnahmen aus der Firma deiner Eltern. Wir wollen jeden einzelnen Penny.«

    Selina verändert ihre Sitzhaltung. Dabei öffnet sich der Morgenmantel ein wenig und enthüllt ein langes, nacktes Bein. Ich muss schlucken, und sie tut so, als hätte sie das nicht bemerkt. »Damit werdet ihr niemals durchkommen. Nehmt euch den Schmuck und verschwindet.«

    Mir gefallen ihre kühnen Worte und der herausfordernde Blick in ihren Augen. Sie hat recht. Wir würden niemals damit durchkommen, ihr Bankkonto auf einen Schlag zu plündern. Das hier plane ich aber seit Jahren und bin bereit, geduldig zu sein. Selina, die Erbin des Vermögens der Palacios, das berühmte und halbreformierte Partygirl, die Königin eines Imperiums, mit dem sie nie etwas anzufangen wusste, wird unser persönlicher Blankoscheck sein. Bis wir ihr alles genommen haben, was wir wollen. Und noch einiges mehr. Sie muss erkennen, dass das Leben, wie sie es bisher kannte, vorbei ist. Dass sie von nun an eine Marionette ist und ich der Einzige bin, der die Fäden zieht.

    »Wir wollen alles, was du hast. Wir werden es uns aber nicht heute nehmen«, erkläre ich und schlage ein Bein über das andere. »Du wirst unsere Geschäftspartnerin sein. Unser Investor, der uns, so lange es nötig ist, nach und nach sein Geld übergibt.«

    Ihr gebräuntes Gesicht wird blass, aber sie gibt sich tapfer. »Warum sollte ich das tun?«

    Wie aufs Stichwort spannt Miel den Hahn ihrer Waffe und entsichert sie. Unseren Geldsack würden wir aber natürlich nie umbringen. Eine Kugel im Bein hat aber noch niemandem geschadet.

    »Ich denke, es ist klar, dass wir hier das Sagen haben«, antworte ich und hole unübersehbar meine eigene Waffe wieder heraus. Selina leckt sich erneut über die Lippen. Als sie die Hände zu Fäusten ballt, sehe ich, dass sie zittern. Ihr mit Gewalt zu drohen wird für den Moment genügen. Es kommt aber immer ein Punkt, an dem gefangene Narren denken, dass es zu keiner mehr kommen wird. Dann fangen sie an, zu glauben, dass die Polizei oder eine andere ebenso nutzlose Instanz sie vor körperlichen Konsequenzen schützen kann. Es wird mehr als Drohungen brauchen, um sie in Schach zu halten. An diesem Punkt kommen ihre Hausdame und die nutzlosen Wachen ins Spiel. In einer idealen Welt, hätten wir eine Familie, die wir als Druckmittel einsetzen könnten. Selina ist aber die letzte der Palacios, die noch lebt. Zum Glück weiß ich, dass sie aufgrund dieses Verlustes alles tun wird, um die zusammengewürfelte Familie zu schützen, die ihr noch geblieben ist.

    Ich stehe auf, überbrücke die Distanz zwischen uns und lasse mich sanft neben unserer Gefangenen auf das Sofa sinken. Sie zittert, als ich mich nahe zu ihr beuge, ihr Haar beiseitestreiche und in ihr Ohr flüstere.

    »Wenn du nicht mitspielst, bringe ich sie um«, murmele ich mit einer Stimme, die so leise ist, dass selbst ich sie kaum hören kann. »Angefangen mit der alten Frau.«

    KAPITEL 3

    Selina


    Mein Herz bleibt stehen.

    Das gibt es nicht. Ich spüre die Gefahr, die von dem harten Körper des Eindringlings ausgeht. Heiß und ebenso verführerisch wie beängstigend. Aber selbst ein so gefährlicher Mann würde wegen eines bisschen Geldes nicht so weit gehen. Oder doch?

    »Ich glaube dir nicht«, flüstere ich, obwohl ich es tue.

    Der Fremde steht auf und geht zurück zu dem Sessel, der mir gegenüber steht. Als er sich setzt und mir aus diesen dunklen Augen direkt ins Gesicht sieht, glaube ich es. Er hat etwas an sich. Etwas Gebrochenes und Verzweifeltes. Etwas, was ihn hierhergeführt und dazu gebracht hat, alles zu tun, um zu mir zu kommen. Zu meinen Bankkonten. Plötzlich wünsche ich mir, ich hätte ihn nicht aufgefordert, zu beweisen, wozu er fähig ist.

    Er nickt erneut und sein männlicher Gehilfe zieht einen Tablet-PC aus der Tasche. Er tippt einige Male darauf und zeigt mir dann den Bildschirm. Wieder bleibt mein Herz beinahe stehen. Den abgedunkelten Raum, den ich erblicke, erkenne ich nicht.. Aber die verängstigten Gesichter, die ich sehe. Kate, Eddie und Alan. Sie sind an Stühle gefesselt. Besorgt drücke ich meine zitternden Hände an die Brust.

    »Ein Wort von mir, und mein Mann dort drückt ab«, sagt mein Peiniger. Ich bemerke eine vierte Gestalt im Bild, die mit einer Waffe auf meine Leute zielt. »Mir persönlich ist es egal, ob er auf einen Fuß, eine Kniescheibe oder einen Kopf zielt. Wie viele Beweise brauchst du, Selina?«

    »Das …«, setze ich an, bringe den Rest aber nicht über die Lippen. Mit Kates schwachem Herzen könnte allein die schreckliche Situation sie töten. Eine Kugel wäre überflüssig. Ich räuspere mich und versuche es erneut. »Das reicht. Bitte tu ihnen nichts.«

    Ich will glauben, dass ich stärker als das bin. Dass ich stark genug bin, um härter um das Vermögen meiner Familie zu kämpfen. Das bin ich aber nicht. Außerdem ist Geld nur Geld. Ich würde alles tun, um meine Leute zu schützen. Vor allem, so egoistisch es auch sein mag, werde ich alles tun, um mich selbst zu retten.

    Ein lauter Summton unterbricht die Stille, in der wir alle sitzen. Ich zucke ein wenig zusammen. Die drei Verbrecher rühren sich nicht. Die Frau hält mein Telefon hoch. Auf dem Bildschirm leuchtet die Anrufer-Kennung »ISLA« auf.

    »Isla del Rey?«, fragt der Mann und nimmt das Telefon so behutsam in die Hand, als wäre es eine tickende Zeitbombe. »Deine Nachbarin?«

    »Ja«, antworte ich aufrichtig, obwohl Isla technisch gesehen weit über einen Kilometer entfernt wohnt. »Ich weiß nicht, warum sie jetzt anruft. Wir sind nicht wirklich befreundet.«

    Er blickt zurück zu seinem Team. Sein männlicher Begleiter zuckt mit den Schultern, und das Mädchen verdreht zum tausendsten Mal die Augen.

    »Sie haben wahrscheinlich die Schüsse gehört. Ich habe euch doch gesagt, dass ihr das lassen sollt. Gib ihr das Telefon, Javier, oder die del Reys werden die Polizei rufen.«

    Javier. Verzweifelt klammere ich mich an diese winzige Information. Meinen ersten Anhaltspunkt. Er zögert, dann hält er mir das Telefon hin. Ich will danach greifen, aber er zieht es in letzter Sekunde wieder zurück. Nur noch einige Ruftöne, und es wird zum Anrufbeantworter durchschalten. Sie haben recht. Ich bezweifele, dass Isla irgendwelche Schüsse aus ihrer eigenen Villa, die mein Haus wie ein Puppenhaus wirken lässt, gehört hat. Ihre Wachen hingegen aber vielleicht schon. Wenn ich nicht abnehme, kommen sie entweder vorbei, um selbst nachzusehen, oder sie werden die Polizei rufen.

    »Mach kein’ Scheiß«, sagt Javier und hebt demonstrativ die Waffe. Ich nicke. Als ob ich es nicht schon kapiert hätte. Ich bin kein Idiot. Er reicht mir das Telefon, und ich tippe schnell auf die grüne Taste, um den Anruf anzunehmen, bevor es zu spät ist.

    »Isla?«, sage ich und versuche, das Zittern in meiner Stimme zu kontrollieren. Javier sagt tonlos etwas zu mir. Lautsprecher. Ich schalte den Anruf auf Lautsprechermodus um und atme tief durch. »Was gibt’s?«

    »Was ist bei dir da drüben los?«, will Isla wissen. Ihre Stimme klingt viel schriller als sonst. »Wir haben Schüsse gehört. Geht es dir gut?«

    Ich schließe die Augen und suche verzweifelt nach einer glaubhaften Lüge. Ich spüre, wie sich das Sofa leicht bewegt. Und einen Druck an meiner Schläfe. Ich reiße die Augen wieder auf. Javier sitzt wieder neben mir. Diesmal sind es aber nicht seine Lippen, die viel zu nah an meinem Gesicht sind.

    »Ähm, ja«, sage ich und beiße mir auf die Lippe. »Scheiße, tut mir leid. Ich habe … Ich habe mit einigen Feuerwerkskörpern herumgespielt, die noch von meiner Party am 4. Juli übrig geblieben sind. Ich habe ein paar Leute zu Besuch und wir haben gefeiert. Ich habe nicht wirklich nachgedacht. Es tut mir leid, wenn ich dich damit geweckt habe. Wir werden von jetzt an leise sein.«

    Ich kann das müde Seufzen beinahe durch das Telefon hören. Isla und ihr Mann sind kaum älter als ich. Sie beschweren sich aber ständig über meine jugendliche Art.

    »Okay«, sagt sie schließlich und gähnt ein wenig. »Bitte versuch, leise zu sein, Selina. Es ist früh am Morgen. Einige von uns versuchen zu schlafen. Vielleicht ist es an der Zeit, für heute Schluss zu machen und ins Bett zu gehen. Okay, Schatz?«

    »Du hast recht«, antworte ich. Trotz der Waffe, die auf mein Gesicht gerichtet ist, fühle ich mich wegen ihrer herablassenden Art ein wenig angegriffen. »Nochmal, es tut mir leid. Gute Nacht, Isla.«

    Sie hat aufgelegt, noch bevor ich meinen Satz beendet habe. Als Javier die Waffe senkt, atme ich geräuschvoll aus. Denkt diese Schlampe wirklich, dass sie so viel besser ist als ich? Ich weiß, dass sie mit ihrem Chauffeur vögelt. Direkt vor der Nase ihres Mannes. Der Nachbarschaftsklatsch ist im Augenblick aber das geringste meiner Probleme.

    Javier nimmt mir mein Telefon wieder aus der Hand und steht auf. Dann geht er zur anderen Seite des Wohnzimmers, um sich dort leise mit seinem Team zu beraten. Ich rutsche unbehaglich umher

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