Die Frau, die es nicht gab: Der neue Dr. Laurin 45 – Arztroman
Von Viola Maybach
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Über dieses E-Book
Die Familiengeschichte des Klinikchefs Dr. Leon Laurin tritt in eine neue Phase, die in die heutige moderne Lebenswelt passt.
Da die vier Kinder der Familie Laurin langsam heranwachsen, möchte Dr. Laurins Frau, Dr. Antonia Laurin, endlich wieder als Kinderärztin arbeiten. Somit wird Antonia in der Privatklinik ihres Mannes eine Praxis als Kinderärztin aufmachen.
Damit ist der Boden bereitet für eine große, faszinierende Arztserie, die das Spektrum um den charismatischen Dr. Laurin entscheidend erweitert.
Konstantin Laurin betrat den Kinosaal erst, als er schon dunkel war, der Vorspann lief bereits. Er hatte sich einen Platz in der letzten Reihe ausgesucht, am Rand, denn er würde den Saal auf jeden Fall verlassen, bevor die Lichter wieder angingen. Schließlich wollte er nicht gesehen werden. Er hatte in diesem Film die Titelrolle gespielt, seine erste Filmrolle überhaupt, und er hatte ihn mittlerweile schon mehrmals gesehen, allerdings ohne Publikum. Die Kritiken waren begeistert gewesen, fast alle. Er erinnerte sich nur an eine einzige Rezension, die sich eher kritisch geäußert hatte, aber auch nicht über ihn, sondern über den Film als Ganzes. Nun interessierte es ihn, wie normale Zuschauerinnen und Zuschauer reagierten. Lachten und weinten sie an den richtigen Stellen? Wurden sie zwischendurch unruhig, weil die Aufmerksamkeit nachließ oder folgten sie der Handlung mit angehaltenem Atem? Er musste es wissen. Vor allem musste er wissen, wie sie auf ihn, auf sein Spiel reagierten. Ihm schlug das Herz bis zum Hals. Vor ihm saßen zwei Mädchen etwa in seinem Alter, die noch immer tuschelten und lachten und die Köpfe zusammensteckten, obwohl die ersten Filmbilder bereits liefen. »Seid ruhig!«, hätte er am liebsten gerufen. »Die ersten Szenen sind wichtig, wenn ihr die nicht mitbekommt, versteht ihr später vieles nicht!« Aber natürlich schwieg er, denn er wollte schließlich nicht erkannt werden. Doch als hätten die Mädchen seine Gedanken gespürt, verstummten sie und rutschten tiefer in ihre Sitze. Konstantin entspannte sich ein wenig. Er wünschte sich so sehr, dass der Film ein Erfolg würde, und das wünschte er nicht nur sich, sondern allen, die daran mitgearbeitet hatten, vor allem Oliver Heerfeld, dem Regisseur – dem Mann, der ihm diese erste große Chance gegeben hatte.
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Buchvorschau
Die Frau, die es nicht gab - Viola Maybach
Der neue Dr. Laurin
– 45 –
Die Frau, die es nicht gab
Frederike findet ihren Weg
Viola Maybach
Konstantin Laurin betrat den Kinosaal erst, als er schon dunkel war, der Vorspann lief bereits. Er hatte sich einen Platz in der letzten Reihe ausgesucht, am Rand, denn er würde den Saal auf jeden Fall verlassen, bevor die Lichter wieder angingen. Schließlich wollte er nicht gesehen werden.
Er hatte in diesem Film die Titelrolle gespielt, seine erste Filmrolle überhaupt, und er hatte ihn mittlerweile schon mehrmals gesehen, allerdings ohne Publikum. Die Kritiken waren begeistert gewesen, fast alle. Er erinnerte sich nur an eine einzige Rezension, die sich eher kritisch geäußert hatte, aber auch nicht über ihn, sondern über den Film als Ganzes. Nun interessierte es ihn, wie normale Zuschauerinnen und Zuschauer reagierten. Lachten und weinten sie an den richtigen Stellen? Wurden sie zwischendurch unruhig, weil die Aufmerksamkeit nachließ oder folgten sie der Handlung mit angehaltenem Atem? Er musste es wissen. Vor allem musste er wissen, wie sie auf ihn, auf sein Spiel reagierten.
Ihm schlug das Herz bis zum Hals. Vor ihm saßen zwei Mädchen etwa in seinem Alter, die noch immer tuschelten und lachten und die Köpfe zusammensteckten, obwohl die ersten Filmbilder bereits liefen. »Seid ruhig!«, hätte er am liebsten gerufen. »Die ersten Szenen sind wichtig, wenn ihr die nicht mitbekommt, versteht ihr später vieles nicht!«
Aber natürlich schwieg er, denn er wollte schließlich nicht erkannt werden. Doch als hätten die Mädchen seine Gedanken gespürt, verstummten sie und rutschten tiefer in ihre Sitze.
Konstantin entspannte sich ein wenig. Er wünschte sich so sehr, dass der Film ein Erfolg würde, und das wünschte er nicht nur sich, sondern allen, die daran mitgearbeitet hatten, vor allem Oliver Heerfeld, dem Regisseur – dem Mann, der ihm diese erste große Chance gegeben hatte.
Unversehens nahm ihn die Handlung des Films, der einige prägende Jahre aus Olivers Leben nacherzählte, wieder gefangen, obwohl er ja in jedem Moment wusste, wie es weitergehen würde. Olivers Bruder war in sehr jungen Jahren gestorben, mit diesem Film hatte Oliver ihm nicht nur ein Denkmal gesetzt, sondern auch Trauer, Verzweiflung und Wut über seinen sinnlosen Tod verarbeitet.
Plötzlich merkte Konstantin, wie ruhig es im Saal geworden war. Da raschelte kein Popcorn mehr, niemand flüsterte, nur gelegentlich wurde die Stille durch einen Lacher unterbrochen, denn natürlich gab es in diesem Film, der eigentlich eine Tragödie beschrieb, auch lustige Momente. Die Lacher taten ihm gut, sie kamen an den richtigen Stellen.
Er hatte sich ja nun schon öfter selbst auf der Leinwand gesehen und den ersten Schock überwunden. Jetzt war er so weit, dass er nicht mehr nur, wie beim ersten Mal, seine Fehler sah oder das, was er dafür hielt, sondern auch erkennen konnte, wann er besonders überzeugend rüberkam. Es gab sogar zwei oder drei Szenen, auf die er insgeheim richtig stolz war. Zugegeben hätte er das freilich nie.
Plötzlich bekam er Angst vor dem Moment, in dem sein Filmbruder in seinen Armen sterben würde. Bis jetzt war alles gutgegangen, aber wenn die Leute nun ausgerechnet bei dieser wichtigen Szene lachten, weil sie ihm seine Trauer nicht glaubten? Oder wenn sie unruhig würden, weil sie die Inszenierung übertrieben, gar unglaubwürdig fanden? Er wusste nicht, ob er das würde aushalten können. Nein, wahrscheinlich nicht. Ein Lacher zur falschen Zeit oder eine dumme Bemerkung, und er würde aufstehen und fluchtartig das Kino verlassen.
Im selben Moment schien ihm, als würde es um ihn herum noch stiller werden, es war, als hielten alle im Saal gleichzeitig den Atem an. Und da sah er seinen Filmbruder auch schon durch die Luft fliegen – in dieser waghalsigen Szene, bei der es tatsächlich einen bösen Unfall während der Dreharbeiten gegeben hatte. Und er sah sich selbst dabei zu, wie er rannte, wie er vor Angst bald verrückt wurde, wie er schließlich den Kopf seines Bruders hielt und diesem dabei zusah, wie langsam das Leben aus ihm wich.
Plötzlich verschwamm ihm alles vor den Augen. Er sah sich und Kevin, seinen jüngeren Bruder im wirklichen Leben, und jetzt war es Kevin, der sterben würde, und er glaubte, es würde ihn innerlich zerreißen vor Kummer und Schmerz…
Ein unterdrückter Laut vom Nachbarsitz riss ihn aus diesem Albtraum. Vorsichtig wandte er den Kopf und sah, dass die Frau neben ihm weinte. Vergeblich versuchte sie, sich die Tränen zu trocknen, es half nichts, immer neue strömten nach.
Konstantin blickte wieder nach vorn. Es war totenstill im Kinosaal, niemand lachte oder machte eine dumme Bemerkung. Es war gelungen: Das Publikum folgte der Handlung und ließ sich anrühren. Mehr konnten Filmemacher und Schauspieler nicht erreichen.
Etwas später war der Film zu Ende. Noch vor dem letzten Bild erhob sich Konstantin und schlüpfte aus dem Saal.
*
Friederike Klemm blieb in ihrem Kinosessel sitzen, obwohl um sie herum die Leute längst nach draußen strebten. Der Junge neben ihr hatte es ja nicht einmal bis zum letzten Bild ausgehalten – und dabei war er schon zu spät gekommen! Sie konnte die Ungeduld der Leute nicht verstehen. Sie brauchte immer Zeit, wenn ein Film zu Ende war, um ihn noch etwas nachwirken zu lassen. Aber offenbar war sie eine Ausnahme, fast allen anderen schien der Abschied aus dem Kino leichter zu fallen.
Und dann, der Saal war schon fast leer, stand ein paar Reihen vor ihr ein Mann auf, der ebenfalls noch ausgeharrt hatte. Als er ihr einen Blick zuwarf, erkannte sie ihn – und er sie. Sie lächelten beide.
Marcel Kollmann war ein neuer Arbeitskollege, mit dem sie sich sofort verstanden hatte. Aber sie war auch bei ihm auf der Hut. Männer waren gefährlich, sie hielt sie am liebsten auf Abstand. Einer von ihnen hatte ihre Mutter zu einer unglücklichen Frau und sie damit zu einem unglücklichen Kind gemacht, das würde sie ihr Leben lang verfolgen. Auf Männer konnte man sich nicht verlassen, diese Lektion hatte sie gründlich gelernt. Selbst wenn sie sagten: ›Ich liebe dich mehr als mein Leben‹ oder ›Du bist meine kleine Prinzessin‹ konnte es sein, dass sie am nächsten Tag für immer verschwanden. Da war es besser, von Anfang an allein zu bleiben, vor allem unabhängig.
Wahrscheinlich war Marcel ganz anders, aber sicher sein konnte sie dessen nicht. Sie wartete auf ihn, sie verließen den Saal gemeinsam, in den sich jetzt die Putzleute drängten.
»Trinken wir noch einen Wein?«, fragte er.
Sie nickte. Es interessierte sie, was er zu dem Film zu sagen hatte. Ohnehin ging sie nicht gern allein ins Kino, weil sie dann hinterher niemanden hatte, mit dem sie über das Gesehene reden konnte, und das gehörte ja eigentlich dazu. Aber keine ihrer Freundinnen hatte Zeit gehabt, sie zu begleiten.
Sie blieben in dem kleinen Café, das dem Kino angeschlossen war, und bestellten zwei Gläser Rotwein.
»Du hast geweint«, stellte Marcel fest.
»Sieht man das noch?« Das war ihr peinlich, aber sie hatte den Tränenstrom ja tatsächlich nicht aufhalten können. Diese Szene, wie der junge Mann in den Armen seines Bruders starb, war zu viel