Biggi und ihre Tiere: Sophienlust Extra 26 – Familienroman
Von Gert Rothberg
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Über dieses E-Book
In der Reihe Sophienlust Extra werden die schönsten Romane dieser wundervollen Erfolgsserie veröffentlicht. Warmherzig, zu Tränen rührend erzählt von der großen Schriftstellerin Patricia Vandenberg.
Frau Rennert blickte zum strahlend blauen Himmel empor, an dem sich kein einziges Wölkchen zeigte. Bestimmt würde es auch an diesem Tag kein Gewitter geben. Auf die ersehnte Abkühlung würden sie also mindestens noch einen Tag warten müssen. Man schrieb zwar erst Mai, doch man hätte glauben können, die Hundstage seien bereits gekommen. In diesem Moment trat Carola Rennert, die Schwiegertochter der Heimleiterin, aus dem Herrenhaus von Sophienlust. Sie war schwer beladen. Auf jedem Arm trug sie einen ihrer Zwillinge. Frau Rennert trat rasch auf Carola zu und nahm ihr eines der Kinder ab. »Puh«, machte die junge Frau und blies eine Strähne aus der erhitzten Stirn. »Glaubst du, dass wir heute noch ein Gewitter kriegen? Ich wäre deshalb nicht böse. Bei dieser Hitze schwitzt man ja schon beim bloßen Nichtstun.« »Ich glaube nicht, dass wir heute noch mit einer Abkühlung rechnen können«, entgegnete die Heimleiterin und warf noch einmal einen abschätzenden Blick zum wolkenlosen Blau hinauf. Carola setzte die kleine Alexandra auf die Wiese und drückte ihr einen weichen Stoffball in die Hand, den sie aus der Kleidertasche gezogen hatte. »Hier, mein Liebling, spiel damit«, sagte sie leise. Dann fragte sie ihre Schwiegermutter: »Was ist heute eigentlich los in Sophienlust? Man hört keines der Kinder lachen oder rufen.
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Buchvorschau
Biggi und ihre Tiere - Gert Rothberg
Sophienlust Extra
– 26 –
Biggi und ihre Tiere
Ist sie in Sophienlust in Sicherheit?
Gert Rothberg
Frau Rennert blickte zum strahlend blauen Himmel empor, an dem sich kein einziges Wölkchen zeigte. Bestimmt würde es auch an diesem Tag kein Gewitter geben. Auf die ersehnte Abkühlung würden sie also mindestens noch einen Tag warten müssen. Man schrieb zwar erst Mai, doch man hätte glauben können, die Hundstage seien bereits gekommen.
In diesem Moment trat Carola Rennert, die Schwiegertochter der Heimleiterin, aus dem Herrenhaus von Sophienlust. Sie war schwer beladen. Auf jedem Arm trug sie einen ihrer Zwillinge.
Frau Rennert trat rasch auf Carola zu und nahm ihr eines der Kinder ab.
»Puh«, machte die junge Frau und blies eine Strähne aus der erhitzten Stirn. »Glaubst du, dass wir heute noch ein Gewitter kriegen? Ich wäre deshalb nicht böse. Bei dieser Hitze schwitzt man ja schon beim bloßen Nichtstun.«
»Ich glaube nicht, dass wir heute noch mit einer Abkühlung rechnen können«, entgegnete die Heimleiterin und warf noch einmal einen abschätzenden Blick zum wolkenlosen Blau hinauf.
Carola setzte die kleine Alexandra auf die Wiese und drückte ihr einen weichen Stoffball in die Hand, den sie aus der Kleidertasche gezogen hatte. »Hier, mein Liebling, spiel damit«, sagte sie leise. Dann fragte sie ihre Schwiegermutter: »Was ist heute eigentlich los in Sophienlust? Man hört keines der Kinder lachen oder rufen. Die Stille macht einen geradezu nervös.«
Die Heimleiterin entgegnete lächelnd: »Schwester Regine ist mit den Kleinen in den Wald gegangen. Eine sehr vernünftige Idee bei dieser Hitze, wenn du mich fragst. Und die Großen sind um diese Zeit noch in der Schule. Allerdings werden die beiden Schulbusse bald wieder zurückkommen.«
»Glaubst du, dass ich die Zwillinge ein paar Minuten allein hier auf der Wiese lassen kann? Ich habe noch ein paar Hemden für Wolfgang zu bügeln.«
»Ich werde auf die Kinder aufpassen«, versprach Frau Rennert und setzte Andreas zu Alexandra. »Geh nur schon ins Haus. Später kannst du mich ja ablösen. Ich muss noch ein paar Rechnungen durchgehen, die mit der Post gekommen sind.«
Nachdenklich schaute die Heimleiterin ihrer Schwiegertochter nach, die rasch zum Haus zurückging. Auch Carola war einst als Waisenkind nach Sophienlust gekommen wie so viele Kinder. Sie alle waren traurig und mutlos hergekommen und hatten in diesem »Haus der glücklichen Kinder« wieder das Lachen gelernt. Zu Carola war außerdem noch das ganz große Glück gekommen. Sie hatte hier ihren Mann Wolfgang kennen- und liebengelernt. Seither bildete die Familie Rennert eine kleine, aber höchst zufriedene und glückliche Gemeinschaft.
Das Klingeln des Telefons, das aus einem offenen Fenster des Hauses kam, riss die Heimleiterin aus ihren Betrachtungen. Rasch sprang sie von der Wiese, auf der sie neben ihren lebhaft herumkrabbelnden Enkelkindern gesessen hatte, auf und lief ins Haus. Den Kindern würde in der Zwischenzeit schon nichts passieren. Außerdem konnte sie die beiden ja vom Bürofenster aus beobachten.
Frau Rennert nahm den Hörer ab und meldete sich. Doch zunächst vernahm sie nur ein aufgeregtes Atmen.
Niemand sprach.
Frau Rennert konnte nicht sagen, weshalb ihr plötzlich ein kalter Schauer den Rücken hinabjagte. Sie räusperte sich und zwang sich, so ruhig wie möglich zu fragen: »Hallo, wer spricht dort?«
Endlich war eine Stimme zu hören. Sie gehörte einer Frau und klang noch sehr jung und hilflos. »Spreche ich mit Frau von Schoenecker?«, fragte die Stimme, wobei sie merklich zitterte.
»Frau von Schoenecker kommt erst heute Nachmittag nach Sophienlust«, gab Frau Rennert ruhig Auskunft. »Kann ich ihr etwas bestellen?«
Am anderen Ende herrschte wieder für wenige Sekunden Schweigen. Dann antwortete die gehetzte Stimme: »Würden Sie Frau von Schoenecker bitte sagen, dass sie …« Die junge Frau sprach plötzlich nicht weiter, als fürchte sie, von jemandem belauscht zu werden.
Wieder fühlte Frau Rennert einen kalten Schauer über ihren Rücken hinabjagen. Rasch rief sie: »Hallo? Was soll ich Frau von Schoenecker bestellen? Sind Sie noch da?«
»Sagen Sie Frau Schoenecker, dass ich sie bitte, heute Abend so lange in Sophienlust zu bleiben, bis ich mit Biggi dort eintreffe«, erklang nun wieder die gehetzte Stimme. »Ich kann Ihnen das jetzt nicht erklären. Ich bin nicht allein im Haus und …« Wieder eine kurze Pause, dann: »Biggi, meine Tochter, ist in Gefahr. Ich möchte, dass Sie sie für eine Weile in Sophienlust aufnehmen.«
»Ich werde Frau von Schoenecker alles bestellen«, versprach Frau Rennert hastig. Ein leises Klicken zeigte ihr gleich darauf an, dass am anderen Ende aufgelegt worden war.
Sehr nachdenklich kehrte Frau Rennert in den Park von Sophienlust zurück, wo ihre beiden Enkelkinder sich noch immer auf der Wiese mit dem Stoffball vergnügten. Doch jetzt konnte sich die Heimleiterin nicht über das fröhliche Treiben der beiden Kinder amüsieren. Sie musste ständig an die aufgeregte Stimme der jungen Frau denken, deren Kind in Gefahr war.
Hoffentlich kommt Frau von Schoenecker bald, überlegte Frau Rennert.
*
Denise von Schoenecker runzelte die hübsche weiße Stirn, als die Heimleiterin ihr aufgeregt von dem Anruf berichtete. »Es klang, als habe die Frau schreckliche Angst vor etwas«, schloss Frau Rennert.
»Nannte sie ihren Namen?«
»Nein, das tat sie nicht. Sie schien nur an ihr Kind zu denken. Und sie sprach davon, dass es in Gefahr sei.«
»Nicht gerade viel …«
»Ich hatte den Eindruck, die Frau fürchte einen heimlichen Lauscher«, fuhr die Heimleiterin fort. »Bestimmt will sie das Kind vor ihm in Sicherheit bringen.«
»Gut möglich …«
»Deswegen wird sie auch erst heute Abend kommen wollen«, vermutete Frau Rennert weiter. »Wenn es dunkel ist und sie das Kind unbemerkt fortbringen kann.«
»Hoffentlich kommt sie unbehelligt nach Sophienlust. Hier werden wir dann schon alle Hebel in Bewegung setzen, um das Kind zu beschützen, wenn es tatsächlich in Gefahr sein sollte«, entgegnete Denise.
»Sie werden also heute Abend hierbleiben, bis die Mutter mit ihrem Kind eingetroffen ist, Frau von Schoenecker?«
»Selbstverständlich werde ich das«, antwortete Denise. »Ich werde später meinen Mann anrufen und ihm Bescheid sagen, damit man in Schoeneich nicht mit dem Essen auf uns wartet.«
»Auf uns?«, wiederholte Frau Rennert fragend.
»Nick wird selbstverständlich auch dableiben wollen, wenn er erfährt, worum es sich handelt«, meinte Denise lächelnd. »Oder können Sie sich vorstellen, dass sich mein Sohn eine Sensation entgehen lässt?«
»Nein, das kann ich mir wirklich nicht vorstellen.« Frau Rennert musste lachen. »Und wenn es keine Sensation wird, dann wittert er zumindest eine …«
»Eine Sensation?«, rief in diesem Augenblick eine neugierige Bubenstimme hinter den beiden Frauen. »Darf ich wissen, worüber hier gesprochen wird? Oder handelt es sich um ein Staatsgeheimnis?«
»O Nick!«, seufzte Denise erbarmungswürdig. »Weshalb nur hat dir deine Urgroßmutter dieses Kinderheim vererbt? Eine Privatdetektei wäre viel angebrachter gewesen.«
Mit glänzenden Augen rief Nick: »Ich hab’s ja gewusst, es gibt also tatsächlich eine Sensation!«
Ernster geworden, antwortete Denise: »Frau Rennert und ich hoffen inständigst, dass es keine Sensation geben wird, Nick. Es handelt sich um eine junge Frau, die heute morgen hier angerufen hat. Sie will am Abend ihr Kind herbringen und sprach am Telefon von Gefahr. Mehr wissen wir auch nicht.«
»Wirst du hierbleiben, Mutti?«
»Ja.«
»Und ich?«
»Du darfst ebenfalls bleiben. Vorausgesetzt, dass deine Schularbeiten darüber nicht zu kurz kommen.«
»Ich habe meine Bücher mitgebracht«, rief Nick und rannte schon zur Tür. »Ich werde jetzt sofort lernen, damit wir nachher gemeinsam auf Mutter und Tochter warten können.«
Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss.
*
Es war eine sehr lange Zeit, die die beiden warten mussten. Die Kinder von Sophienlust waren längst zu Bett gegangen, als Nick und seine Mutter noch immer in dem hübschen Biedermeiersalon saßen und darauf warteten, dass der angemeldete Besuch endlich eintreffe.
»Wir könnten Schach spielen«, schlug Nick seiner Mutter vor und schielte verstohlen nach der Armbanduhr. Schon zehn Uhr vorbei. Ob die Frau mit ihrer Tochter noch kommen würde? Nick zweifelte allmählich daran.
»Meinetwegen«, antwortete Denise lustlos. Sie wusste schon jetzt, dass sie sich nicht auf das Spiel würde konzentrieren können. Ihre Gedanken weilten bei der unbekannten jungen Frau, die sich auf dem Weg nach Sophienlust befand. Vorausgesetzt, dass sie unterwegs nicht von einem Verfolger abgefangen worden war.
Dann hörten die beiden Wartenden endlich draußen das Brummen eines Automotors. Gleichzeitig sprangen sie auf.
»Endlich!«, murmelte Denise. Dann lief sie hinaus in die Halle und öffnete gleich darauf weit die Haustür.
Nick hatte unterdessen die Beleuchtung angeknipst, die die Auffahrt in taghelles Licht tauchte. So konnte er trotz der späten Stunde die beiden Ankömmlinge deutlich erkennen.
Die Frau sah noch sehr jung aus. Sie war klein und zierlich und hatte kurz geschnittenes dunkles Haar. Sie trug enge schwarze Hosen und einen schwarzen Pullover. Denise überlegte, ob die Unbekannte diese dunkle Kleidung mit Absicht gewählt hatte, um für einen etwaigen Verfolger nicht so leicht zu erkennen zu sein.
Das Kind an der Hand der jungen Frau war ebenfalls dunkel gekleidet. Es trug Blue Jeans und einen dunkelblauen, kurzärmeligen Pulli. Allerdings leuchteten seine langen hellblonden Haare, die zu zwei dicken Zöpfen geflochten waren, weithin. Denise schätzte das Alter des Kindes auf etwa zehn Jahre.
»Ich muss mich bei Ihnen wegen dieses späten Überfalls entschuldigen, Frau von Schoenecker«, begann die junge Frau hastig und mit zitternder Stimme.
Denise machte eine abwehrende Handbewegung. »Sie werden Ihre Gründe dafür gehabt haben«, erwiderte sie ernst. »Außerdem hatten Sie sich ja bereits angemeldet. Aber kommen Sie doch bitte ins Haus.« Sie bückte sich und reichte auch dem kleinen Mädchen die Hand. »Du bist Biggi, nicht wahr?«, sagte sie freundlich.
Das Kind warf ihr einen langen, ernsten Blick aus seinen großen blauen Augen zu und antwortete danach voller Vertrauen: »Ja, ich