Alles fing so harmlos an: Dr. Norden Bestseller 223 – Arztroman
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Über dieses E-Book
Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration.
Dr. Norden wollte gerade seine Praxis verlassen, da stand eine aparte junge Frau vor ihm.
»Ein paar Minuten zu spät«, sagte sie mit einem Anflug von Enttäuschung.
»Ist es dringend?«, fragte Dr. Norden.
»Sie erkennen mich nicht«, sagte die Fremde leise. »Sie haben sich nicht verändert. Sagt Ihnen wenigstens der Name Clarissa Gollin noch etwas?«
Er sah sie an und schlug sich an die Stirn. »Guter Gott, Sie waren doch ein kleines Mädchen. Vor wie viel Jahren?«
»Etwas mehr als zehn«, erwiderte sie, aber ein freudiger Schein erhellte ihr schmales Gesicht.
»Sie sind wieder im Land«, sagte Dr. Norden.
»Ich allein. Wann haben Sie mal Zeit für mich?«
»Wenn es nicht allzu dringend ist, nachmittags gegen fünf Uhr, oder morgen halb drei?«
»Dann morgen halb drei. Wenn ich Sie erinnern darf, vor zehn Jahren war ich sechzehn und ein später Fall von Röteln. War ich wirklich ein kleines Mädchen?«
Ein mageres, trauriges kleines Mädchen war sie gewesen, besonders traurig, weil sie nach den überstandenen Röteln mit ihren Eltern weggehen musste von hier. Daran erinnerte sich Dr. Norden, weil er in der Gegend einen Hausbesuch machen musste, in dem Clarissas Elternhaus stand. Und es stand noch immer da, eine alte Villa mit Erkern und Türmchen. Ein Überbleibsel aus vergangener Zeit, da drumherum moderne Häuser gebaut worden waren.
»Erinnerst du dich noch an die Gollins, Fee?«, fragte er seine Frau, als sie nach dem Abendessen beisammensaßen. Die Kinder schliefen schon.
»Die Collins? Wie kommst du denn nur darauf, Daniel?«, fragte Fee Norden.
»Weil Clarissa Gollin mittags vor meiner Tür stand, erwachsen und sehr attraktiv.«
»Warst du
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Alles fing so harmlos an - Patricia Vandenberg
Dr. Norden Bestseller –223–
Alles fing so harmlos an
Patricia Vandenberg
Dr. Norden wollte gerade seine Praxis verlassen, da stand eine aparte junge Frau vor ihm.
»Ein paar Minuten zu spät«, sagte sie mit einem Anflug von Enttäuschung.
»Ist es dringend?«, fragte Dr. Norden.
»Sie erkennen mich nicht«, sagte die Fremde leise. »Sie haben sich nicht verändert. Sagt Ihnen wenigstens der Name Clarissa Gollin noch etwas?«
Er sah sie an und schlug sich an die Stirn. »Guter Gott, Sie waren doch ein kleines Mädchen. Vor wie viel Jahren?«
»Etwas mehr als zehn«, erwiderte sie, aber ein freudiger Schein erhellte ihr schmales Gesicht.
»Sie sind wieder im Land«, sagte Dr. Norden.
»Ich allein. Wann haben Sie mal Zeit für mich?«
»Wenn es nicht allzu dringend ist, nachmittags gegen fünf Uhr, oder morgen halb drei?«
»Dann morgen halb drei. Wenn ich Sie erinnern darf, vor zehn Jahren war ich sechzehn und ein später Fall von Röteln. War ich wirklich ein kleines Mädchen?«
Ein mageres, trauriges kleines Mädchen war sie gewesen, besonders traurig, weil sie nach den überstandenen Röteln mit ihren Eltern weggehen musste von hier. Daran erinnerte sich Dr. Norden, weil er in der Gegend einen Hausbesuch machen musste, in dem Clarissas Elternhaus stand. Und es stand noch immer da, eine alte Villa mit Erkern und Türmchen. Ein Überbleibsel aus vergangener Zeit, da drumherum moderne Häuser gebaut worden waren.
»Erinnerst du dich noch an die Gollins, Fee?«, fragte er seine Frau, als sie nach dem Abendessen beisammensaßen. Die Kinder schliefen schon.
»Die Collins? Wie kommst du denn nur darauf, Daniel?«, fragte Fee Norden.
»Weil Clarissa Gollin mittags vor meiner Tür stand, erwachsen und sehr attraktiv.«
»Warst du sehr beeindruckt?«, fragte Fee mit einem schrägen Blick.
»Sehr überrascht. Es ist komisch, wenn plötzlich eine fertige Frau vor einem steht, die man früher mal an einer Kinderkrankheit behandelt hat.«
»Hast du sie gleich erkannt?«, fragte Fee.
Er lachte leise auf. »Bei Gott nicht, mein Schatz, aber sie meinte, dass ich mich nicht verändert hätte.«
Fee lächelte schelmisch. »Du warst ja vor zehn Jahren auch schon ein fertiger Mann.«
»Wieso erinnerst du dich denn so genau, dass es zehn Jahre her ist?«, fragte er.
»Weil wir damals erst jung verheiratet waren«, erwiderte Fee gedankenvoll, »und weil du da immerhin noch so viel Zeit hattest, über alle wichtigen Fälle mit mir zu sprechen. Da hatten wir ja auch noch keine fünf Kinder, und manchmal konnte ich dir sogar in der Praxis helfen.« Sie machte eine kleine Pause. »Und an Clarissa erinnere ich mich sehr gut. Sie wollte nicht fort von hier. Sie war so unendlich traurig, dass ihr Vater das Haus verkaufte.«
»Er wird es wohl manchmal bereut haben. Heute würde er das Vielfache allein für den Grund bekommen«, sagte Daniel.
»Und nun wird es wohl auch der Spitzhacke zum Opfer fallen, wie all die anderen schönen alten Villen.«
»Warum?«, fragte Daniel.
»Dieser Borrentin, der es gekauft hatte, hat es doch nur vermietet gehabt, und die Mieter sind ausgezogen. Und nun hat er es seinem Enkel vererbt. Meinst du, dass ein junger Mann dieses alte Haus behält?«
»Was du alles weißt«, staunte Daniel.
»Das weiß ich von Jenny. Borrentin ist ja in der Behnisch-Klinik gestorben. Pietät hin, Pietät her, sie hätten sich auch für das Haus interessiert und sie sagt, dass die Verlobte von dem jungen Borrentin die Hosen anhat und sehr clever ist.«
»Wenn wir unsere Frauen nicht hätten, alles Geschehen würde an uns vorbeigehen«, sagte Daniel mit leisem Lachen.
»Das ist doch kein Tratsch, darüber redet man mal. Mir würde es verflixt leidtun, wenn dieses wunderschöne Haus auch verschwinden würde. Es gehört unter Denkmalschutz.«
»Und wer setzt sich dafür ein?«, fragte Daniel.
»Wenn es unser Haus wäre, würde ich es verteidigen«, sagte Fee.
»Unser Haus wird uns niemand nehmen, mein Schatz«, sagte er.
»Es hatte ja auch nie kulturellen Wert, aber denkst du nicht manchmal darüber nach, was wir daraus gemacht haben, Daniel? Wie viel Geld wir reingesteckt haben.«
»Es hat sich doch gelohnt, oder?«
»Ich möchte jedenfalls nicht in einem Fertighaus wohnen, das man an einem Tag zusammenbaut.«
Für Clarissa Gollin war dieses Haus immer ein Stück Heimat geblieben in Gedanken, und nach diesem Haus hatte sie Heimweh gehabt. Sie hatte es nicht verwunden, dass ihre Eltern es verkauft hatten, dass sie dann nirgendwo lange blieben. Marcel Gollin hatte als Diplomat Karriere gemacht und war in der Welt herumgeschickt worden.
Clarissa hatte keine Freundinnen gefunden und sich in den so großartigen Häusern, in denen sie residierten, nie heimisch gefühlt.
Ihrer Mutter gefiel das Leben, und sie hatte auch nichts dagegen, dass Clarissa in Amerika auf ein College ging und später in England studierte.
Clarissa war Architektin geworden, von dem Wunsch beseelt, Häuser zu bauen, die Atmosphäre hatten, aber sie hatte nun schon einen Vorgeschmack bekommen, dass dies gar nicht so einfach sein würde, da es zu teuer war.
Es hatte sie nach München gezogen, und sie war glücklich gewesen, als ihre Annonce, Teilhaberin eines Architektenbüros zu werden, so rasch Erfolg gehabt hatte. Sie war in jeder Beziehung unabhängig. In Gelddingen war ihr Vater nie kleinlich gewesen, und dann hatte sie von ihrem Großvater mütterlicherseits auch noch ein ganz hübsches Vermögen geerbt.
Mit dem neuen Partner hatte sie auch Glück. Er war verheiratet mit einer reizenden Frau und hatte zwei Kinder. Jürgen Hausmann war alles andere als sein Name aussagte. Er war ein Künstler, ungeheuer creativ und ganz so, wie Clarissa sich einen Partner wünschte. Vor allem einen Partner, der kein privates Interesse an ihr zeigte.
Sie hätte ganz zufrieden sein können, wenn ihr das Haus am Akazienweg nicht im Kopf herumspuken würde. Die wunderschöne alte Villa, in der ihre Wiege gestanden hatte.
Und sie hatte lange davorgestanden an diesem Nachmittag und die leeren Fenster gesehen, auch die Zeichen der Zeit, die an den Mauern genagt hatten. Sie hatte den verwilderten Garten betrachtet, und heiße Tränen waren ihr in die Augen gestiegen. Wie oft hatte sie ihren Vater gefragt, warum er es verkauft hatte, und Marcel Gollin hatte nur den Kopf geschüttelt.
»Was willst du denn mit dem alten Gemäuer, Clarissa?«, hatte er gefragt. »Du wohnst doch wahrhaftig in den schönsten, modernsten Häusern.«
Ja, sie wohnten darin, aber es war eben nicht das, wonach sie sich sehnte. Sie hatte sich später manchmal gefragt, ob sie sich da nicht doch hineinsteigerte, aber als sie es dann wiedergesehen hatte, als sie emporblickte zu dem Erker, der zu ihrem Kinderzimmer gehörte, da wusste sie wieder, dass sie das Haus liebte.
Ein alter Herr war des Weges gekommen und hatte sie nachdenklich angeschaut.
»Sie interessieren sich für das Haus?«, fragte er. »Es steht zum Verkauf, aber man wird es abreißen, wie die andern auch, und dann werden gleich wieder ein paar hineingebaut werden. Der Grund ist knapp und teuer.«
Schütter war sein Haar und faltig sein Gesicht, aber die Stimme weckte Erinnerungen in Clarissa.
»Sind Sie nicht Studienrat Brechtel?«, fragte sie leise.
»Ja, der bin ich und jetzt – ja, jetzt kommt es mir. Sie sind Clarissa Gollin.«
Am liebsten hätte sie ihn umarmt, so sehr freute sie sich. »Wir haben hier gewohnt«, sagte sie bebend.
»Ja, ich erinnere mich. Und Sie waren eine so gute Schülerin, ein so liebes Mädchen, die den alten, verknöcherten Brechtel nicht tratzte.«
»Sie waren ein so guter Lehrer«, sagte sie leise. »Man weiß das erst richtig zu schätzen, wenn man erwachsen ist.«
Er blinzelte ein bisschen, aber dann lächelte er. »Seit acht Jahren bin ich ja schon in Pension. Ja, jetzt kommen manchmal noch welche von den früheren Schülern und reden so wie Sie, Clarissa. Nun, wenn Sie etwas Zeit haben, kommen Sie doch auf ein Tässchen Tee mit zu uns. Meine Frau wird sich bestimmt freuen. Und von unserem Wohnzimmer aus können Sie auch die Rückseite Ihres Hauses betrachten.«
»Es ist nicht mehr mein Haus«, sagte Clarissa leise. »Kannten Sie die Leute, die darin gewohnt haben? Mein Vater hatte es ja verkauft.«
Dr. Brechtel nickte. »An den Fabrikanten Borrentin. Aber der hat es dann vermietet. Wir, meine Frau und ich, gehören ja zu den wenigen Alten, die noch hier wohnen. Nun, wie ist es, kommen Sie mit, Clarissa, oder wartet ein Ehemann?«
»Nein, ich bin nicht verheiratet. Ich habe mich hier als Architektin