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Roxannia: Mysterythriller
Roxannia: Mysterythriller
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eBook419 Seiten4 Stunden

Roxannia: Mysterythriller

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Über dieses E-Book

Der Hobby-Schriftsteller Albert bekommt von seinen guten, alten Freunden zu seinem 50. Geburtstag eine ganz spezielle, antike Schreibmaschine aus dem 19. Jahrhundert geschenkt, die er sich immer gewünscht hatte. Er freut sich wahnsinnig über dieses für ihn so kostbare Stück, welches seine wertvolle Sammlung bereichert. Er, der jetzige, stolze Besitzer, beschließt kurzerhand, obwohl er einen PC besitzt, aus nostalgischen Gründen auf dieser äußerst gut erhaltenen und völlig intakten Maschine Kurz- bzw. Lebensgeschichten über seine Mitmenschen im Ort zu schreiben.

Er verfasst die erste Kurzgeschichte. Sehr schnell wird ihm klar, dass diese antike Schreibmaschine mit einer normalen nichts gemein hat. Er sieht völlig perplex, dass sie, ROXANNIA (so hatte er sie getauft, genau wie all seine anderen Schmuckstücke) eigenständig denkt und schreibt. Sie zeigt ihm deutlich, welch ungeheure Macht sie besitzt. Sie kennt die intimsten Dinge von den Menschen, über die Albert seine folgenden Geschichten verfasst. Er erfährt die haarsträubendsten Geheimnisse seiner Bekannten und Freunde.

Dunkle Abgründe, die er niemals für möglich gehalten hätte, tun sich ihm auf…
SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum9. Jan. 2017
ISBN9783730982266
Roxannia: Mysterythriller

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    Buchvorschau

    Roxannia - Alfred J. Schindler

    Roxannia

    Roxannia

    Mysterythriller

    von

    Alfred J. Schindler

    INHALTSVERZEICHNIS

    Kap 01

    die Taufe

    Kap 02

    die Akte „DIE LISTE"

    Kap 03

    die erste Lebensgeschichte

    Kap 04

    Inspirationen

    Kap 05

    Roxannia schreibt eigenmächtig

    Kap 06

    Machtbewusstsein

    Kap 07

    das Versteckspiel

    Kap 08

    „unser" erster Todesfall

    Kap 09

    wie kann eine Maschine „leben"?

    Kap 10

    unerklärliche Mädchennamen

    Kap 11

    Cornelias Einsicht

    Kap 12

    Cornelia wird eingeweiht

    Kap 13

    was weiß Roxannia wirklich?

    Kap 14

    das Schreibmaschinenmuseum

    Kap 15

    die ersten Bestattungen

    Kap 16

    die Akte füllt sich

    Kap 17

    erste Veränderungen

    Kap 18

    weitere, unerklärliche Mädchennamen

    Kap 19

    Albert, du bist zu weich!

    Kap 20

    Suizide oder Morde?

    Kap 21

    Cornelia liebt Roxannia

    Kap 22

    ich vernichte eine Geschichte

    Kap 23

    wehe dem, der in der Akte steht

    Kap 24

    Cornelias „Freund"

    Kap 25

    meine Veränderung

    Kap 26

    Omas Beerdigung

    Kap 27

    Roxannias Vergangenheit

    Kap 28

    Simones Geschichte

    Kap 29

    Roxannias Konsequenz

    Kap 30

    das Verhör

    Kap 31

    ich werde alt...

    Kap 32

    der Kommissar bohrt...

    Kap 33

    innige Gedanken

    Kap 34

    unser guter Pfarrer Herrler

    Kap 35

    eine weitere Konfrontation

    Kap 36

    Simone

    Kap 37

    das Ende der Geschichte

    VORWORT

    Dieses Geschenk ist genial. Ja, das kann man wohl behaupten. In meinen Augen ist es geradezu einmalig! Einfach grandios. Ja! Ich kann mich kaum mehr einkriegen. Nichts hätte mich mehr erfreuen können, als diese alte, wunderbar gearbeitete Schreibmaschine geschenkt zu bekommen.

    Ich stehe gerade vor diesem wahren Prunkstück aus dem 19. Jahrhundert und kann es immer noch nicht fassen, dass es nun mir gehört. Es handelt sich bei diesem raren Modell um eine TRIUMPH-ADLER Schreibmaschine Typ SE 1041 - eine Speicherschreibmaschine, die eine Tastatur, Speichergerät und Zubehör besitzt. Solange ich zurückdenken kann, hatte ich mir eine solch auserlesene Maschine gewünscht. Jedoch ich konnte suchen, wo immer ich wollte - auf Flohmärkten, Versteigerungen und sogar bei Haushaltsauflösungen: Ich hatte kein solch überaus seltenes Exemplar gefunden.

    Und nun steht dieses Präsent vor mir auf der edlen Anrichte: Herrlich schwarz, generalüberholt und natürlich frisch aufpoliert - fast wie neu, könnte man getrost sagen.

    Meine Augen glänzen...

    01 die Taufe

    „Prost, Albert!" Josefs dunkle, sonore Stimme durchdringt die gesamte Runde. Sie übertönt mühelos all die anderen Geräusche, wie das übermütige Lachen und Gurren der Frauen, das wirre Reden der Gäste, und sogar die heiße Musik der Sechziger Jahre aus unserer alten, aber voll intakten Stereoanlage. Er, der alte Schreihals, schwenkt sein halbvolles Bierglas wie eine Fahne hin und her, so dass es leicht überschwappt, und auf den teueren Teppich tropft. Aber er darf das! Schließlich war er es, wie ich hörte, der dieses besondere Präsent auf einer Auktion in München ersteigert hatte.

    Meine kleine, aber wertvolle Sammlung enthält u. a. auch eine DISCRET Zeigefingerschreibmaschine von 1899 mit 76 Schriftzeichen ohne Umschaltung, eine BEROLINA von 1901 mit Sprossenrädern und eine HAMANN Manus A von 1924 mit Schaltklinkenrädern. Dies sind wohl meine wertvollsten Stücke, die ich besitze.

    Unser Wohnzimmer ist festlich geschmückt. All unsere engsten Freunde sind heute zu Gast bei uns, hier in unserem kleinen, bescheidenen Häuschen in der winzigen Ortschaft Wald.

    Es regnete schon den ganzen Tag über und auch jetzt, abends, pfeift ein äußerst kalter Wind um unser kleines Haus. Das kann uns aber natürlich nicht stören: Es wird zu dieser vorgerückten Stunde anständig gefeiert und die Stimmung befindet sich auf dem absoluten Höhepunkt. Ich kann mich jedoch kaum auf die unterschiedlichen Gespräche meiner Gäste, die an mich herangetragen werden, konzentrieren. Erstens habe ich schon zu viel des guten Bieres intus, und zweitens muss ich immer und immer wieder diese herrliche Rarität, die so still und bescheiden auf der Anrichte steht, betrachten. Man könnte fast annehmen, dass sie geradezu darauf wartet, von meinen gut trainierten Fingern bearbeitet zu werden. Ich freue mich schon jetzt auf den Augenblick, wenn sie auf meinem alten, verschnörkelten Schreibtisch stehen wird und ich einen Bogen Papier in sie einspannen werde.

    Einspannen darf.

    Welch eine Ehre!

    Diese alten Lettern!

    Diese perfekte Verarbeitung!

    Einfach einzigartig!

    Gut, vielleicht mag mich der Ein oder Andere in unserem Bekanntenkreis (oder auch im engsten Familienkreis!) wegen meiner Besessenheit hinsichtlich alter Schreibmaschinen auslachen, aber für mich persönlich gibt es nichts Schöneres, als der Anblick einer alten, gut erhaltenen Schreibmaschine, die noch perfekt funktioniert.

    Es ist schon weit nach Mitternacht und unsere Geburtstagsparty erreicht ihren absoluten Höhepunkt. Der Lärmpegel ist enorm. Simone, meine Frau, flüstert mir klammheimlich zu, dass ihre Augen aufgrund des starken Rauchens der Freunde und Freundinnen sehr tränen würden und ich rate ihr, sich doch zwischendurch auf die kleine Terrasse in die frische Luft zurückzuziehen. Was soll ich ihr auch sonst empfehlen? Schließlich kann man niemanden auffordern, das Rauchen einzustellen!

    Ich stelle mich in Pose, wie sich das für einen guten Gastgeber gehört:

    „Leute!, rufe ich quer durchs geräumige Wohnzimmer, „ich muss Leider etwas lüften!

    „Tu dir keinen Zwang an!", meint Renate lachend. Sie ist Bernhards Ehefrau.

    „Gefällt dir das gute Stück?", will Stefan von mir wissen, während ich die Terrassentüre weit aufreiße. Eine halbgerauchte Zigarette hängt in seinem Mundwinkel und unser Blick wandert automatisch zu meiner Frau, die dort draußen steht und friert.

    „Meinst du Simone oder die Schreibmaschine?"

    Lautes Lachen begleitet meine Rede. Sie alle kennen meinen etwas sonderbaren, schwarz angehauchten Humor.

    Als um halb vier Uhr morgens endlich die letzten Gäste das Fest verlassen, sieht es im Erdgeschoss aus, als ob eine Bombe eingeschlagen hätte.

    „Na? Was sagst du?" Forschend sieht sie mich von der Seite an. Sie zieht dabei ihre Augenbrauen hoch.

    „Was meinst du, Simone?"

    „Jetzt hast du ja deine Schreibmaschine, die du dir immer so sehr gewünscht hast!"

    „Ich möchte nicht wissen, was sie dafür bezahlt haben."

    „Nun, immerhin haben zwölf Leute zusammengesteuert, Albert. Schließlich war es dein 50. Geburtstag! Ein halbes Jahrhundert!"

    „So alt wird kein Schwein!", meckere ich, gespielt entrüstet. Aber ich würde natürlich gerne von ihr hören, dass fünfzig Jahre noch kein Alter ist.

    „Auf die nächsten fünfzig!", spöttelt sie.

    „Warte nur, wenn du deinen Fünfzigsten feiern wirst! Dann wird dir das Lachen schon vergehen, Simone!"

    „Bis dahin werden aber noch einige Jahre vergehen! Genauer gesagt ein ganzes Jahrzehnt!"

    „Musst du mir denn immer so deutlich auftischen, wie jung du noch bist?", stänkere ich.

    „Wieso? Du hast doch mit diesem Thema angefangen."

    Unser allgemeiner Umgangston ist trotz der kleinen Neckereien sehr liebevoll. Unser Familienleben ist, so könnte man getrost sagen, intakt.

    Noch.

    Ich helfe ihr natürlich dabei, zumindest die gröbste Unordnung aufzuräumen: Aschenbecher ausleeren, Gläser, Teller, Schälchen und sonstigen Krimskrams in der Geschirrspülmaschine verstauen, leere Flaschen und Fläschchen in den Müll bringen und die Kleinmöbel wieder zurechtrücken.

    „Du bist sicher auch müde. Den Rest erledige ich morgen, Albert. Komm. Lass uns ins Bett gehen." Sie gähnt laut und hemmungslos.

    „Schläft die Kleine schon, Simone?"

    „Die kleine Cornelia ist inzwischen zwanzig Jahre alt, du Witzbold!"

    „Du weißt doch, dass sie für mich immer unsere Kleine bleiben wird."

    „Ja, ich weiß. Ich glaube, sie schläft schon tief und fest."

    Die Feier war gelungen. Es hatte offensichtlich jedem gefallen. Und genau dies war natürlich die Hauptsache. Wir sind hundemüde und schon sehr bald befinden wir uns im Reich der Träume. In dieser sternenklaren Nacht träume ich von meiner „neuen" Schreibmaschine. Wie alle meine Maschinen bekommt sie einen Namen:

    Ich taufe sie...

    ... ROXANNIA.

    Ein wirklich schöner Name. Wie ich auf diesen Namen kam? Ich würde sagen, es war so etwas wie eine Eingebung.

    Ja, eine innere Eingebung.

    So könnte man es getrost nennen.

    Denn wenn ich nicht von ihr und ihrem neuen Namen geträumt hätte, wäre ich sicherlich nicht auf diesen außergewöhnlichen Namen gekommen.

    02 die Akte „DIE LISTE"

    Als wir Drei am nächsten Mittag (!) in der Küche am Frühstückstisch sitzen, erzähle ich meinen beiden Frauen, dass ich mein Geburtstagsgeschenk Roxannia getauft habe. Cornelia lächelt mich hintergründig an und lästert:

    „Du bist ja ausschließlich von Damen umgeben. Warum gibst du eigentlich all deinen Schreibmaschinen immer nur weibliche Namen, Paps?"

    „Das ist doch völlig logisch! Das Wort Schreibmaschine ist weiblich. Die Schreibmaschine. Kapiert?"

    „Also, ich finde es auch schöner, wenn sie alle weibliche Namen tragen., mischt Simone sich ein. „Wie würde sich das denn anhören: Rudolf, die Schreibmaschine. Einfach lächerlich!

    Meine göttliche Roxannia steht immer noch auf der Anrichte im Wohnzimmer. Ich kann es kaum noch erwarten, sie mit nach oben in mein kleines, geliebtes Schreibzimmer zu nehmen. Hin zu all den anderen Artgenossinnen, die nur darauf warten, eine „neue" Maschine mit in ihren Kreis aufnehmen zu dürfen.

    Für mich ist sie ein Unikat!

    Roxannia.

    Mit halbvollem Mund stehe ich auf und entschuldige mich bei den Damen:

    „Ich muss mich jetzt um die Maschine kümmern."

    „Hältst du es nicht mehr aus?", stichelt Cornelia leise.

    „Du kennst mich doch, oder?"

    „Ja, ja. Geh mal hinüber zu deiner neuen Errungenschaft und bringe sie nach oben unters Dach - in dein kleines Heiligtum!", lacht Simone und zwinkert Cornelia verschwörerisch zu.

    Ich marschiere aus der Küche durch den langen, dunklen Flur, hinein ins halb aufgeräumte Wohnzimmer. Kalter Rauch steht noch deutlich im Raum, und ich öffne zuerst einmal die breite Terrassentüre.

    „Es zieht!", schreit Simone.

    „Ich muss hier durchlüften! Es riecht immer noch sehr nach Rauch!"

    Ist es wirklich kalter Rauch?

    Oder ist etwas Anderes?

    Etwas ganz Anderes?

    Mit glänzenden Augen betrachte ich meine heiß geliebte Schreibmaschine:

    „Hast du gut geschlafen, Roxannia?"

    Ich nehme sie hoch (mein Gott! Ist die schwer!) und trage sie langsam und behutsam die Treppe nach oben. Vom ersten Obergeschoss geht es eine schmale, siebenstufige Treppe, die kein Geländer besitzt, hoch, hinauf zu meinem kleinen, aber sehr gemütlichen Schreibzimmer. Mit dem Ellbogen drücke ich die Türklinke nach unten und die Tür schwingt nach innen auf. Ich stelle die Maschine direkt neben meinen PC auf den schwarzen Schreibtisch, der an der rechten Wand steht. Danach schiebe ich sowohl den Bildschirm, als auch die Tastatur inklusive Maus und Pad zur Seite und stelle Roxannia exakt in die Mitte der Schreibtischoberfläche. Nun gehe ich zwei Schritte zurück und betrachte das gesamte Bild. Es ist ein echtes Stilleben. Es kommt mir so vor, als ob der alte, wurmstichige Schreibtisch, den ich vor vielen Jahren von meinem Uronkel Günter geerbt hatte, nur darauf gewartet hatte, diese einmalige Schreibmaschine tragen zu dürfen.

    Auf meinem Schreibtisch befinden sich des Weiteren eine herrlich, geschwungene Lampe, die ich mit rotem Fingernagellack verschönert habe. In der Mitte des Zimmers hängt zwar zusätzlich noch eine große Lampe mit drei Strahlern, aber ich bevorzuge meistens, um die allgemeine Atmosphäre zu bereichern, lediglich meine kleine Tischlampe, in der sich eine 40-Watt-Lampe befindet. In dieser halbdüsteren Beleuchtung habe ich die besten Einfälle. Jedenfalls bilde ich mir das ein! Außerdem stehen noch - einer links, der andere rechts - aus Gips hergestellte, ebenfalls rot lackierte Geisterfiguren, die ich auf einem Flohmarkt in Nürnberg erstehen konnte. All diese ungewöhnlichen Dinge bereichern meine Phantasie. Sie regen mich sozusagen an.

    Rechts neben dem Tisch hinter der Türe (das Zimmer habe ich übrigens selbst in Handarbeit ausgebaut), steht ein altes, stabiles Holzregal mit vier gleich hohen Fächern, in dem ich zwölf alte Schreibmaschinen platziert habe. Dieses Regal reicht bis hinauf zur Zimmerdecke, besser gesagt, zum Dach des Hauses. Wenn man den Raum betritt, sieht man genau vor sich, auf der gegenüberliegenden Seite, also unter dem schrägen Dach, das quadratische Fensterchen, das meistens gekippt ist. Nur wenn es stark regnet oder schneit, schließe ich es. Die frische Luft macht meinen Kopf frei. Frei für, meiner Meinung nach, gute Texte...

    An der linken Wandseite befindet sich ein riesiger Spiegel mit den Maßen 2x1 Meter. Wenn ich davor stehe, kann ich meine gesamte Gestalt sehen. Auch diesen wunderschönen, mit Ebenholz verzierten Spiegel hatte ich von einer Tante geerbt, deren Name Kunigunde war. Danke, liebe Tante! Links neben dem alten Spiegel steht ein weiteres, hohes Holzregal, in dem sich neun alte Schreibmaschinen (die meisten sind Marke Adler) befinden. Der hochmoderne, höhenverstellbare Ledersessel mit Armlehnen, der an meinem Schreibtisch steht, passt zwar nicht so recht in die urige Umgebung, aber dafür ist er ungemein bequem. Ich liebe ihn und möchte ihn gegen keinen Anderen eintauschen.

    „Solange man über dich spricht, Albert, lebst du noch!", pflegt Simone zu sagen, wenn ich wieder einmal irgendwo im Dorf eine Geschichte über mich höre. Eine Story, die man sich hinter vorgehaltener Hand erzählt, und die mir dann doch zufällig zu Ohren kommt. (Diese Erzählungen basieren natürlich ausschließlich aus den locker-flockigen Sprüchen meiner lieben Ehefrau und Cornelia, wenn sie zum Einkaufen oder zum Friseur gehen):

    „Schaut ihn euch an! Da hockt er mutterseelenallein in seinem Zimmerchen und schreibt groteske Geschichten!"

    Oder: „Was schreibt er denn für Horrorgeschichten, dieser verschrobene Typ?"

    Oder: „Hat er schon etwas veröffentlicht?"

    Oder: „Ob wohl irgendein Verlag seine furchtbaren Geschichten annehmen wird?"

    Oder: „Man müsste sich mal in einer Buchhandlung nach seinem Namen erkundigen!"

    Oder: „Vielleicht schreibt er auch unter einem Pseudonym?"

    Oder: „Seine Frau Simone wird heilfroh sein, wenn er den ganzen Tag da oben sitzt."

    Oder: „Ich hätte auch gerne einen Mann, der die ganze Zeit über nur in seinem Zimmer sitzt und schreibt."

    Dies sind wahrscheinlich die üblichen Frotzeleien unserer Mitbürger in Wald. So - oder so ähnlich.

    Die wirklich kleine Ortschaft Wald, die etwa zweihundertundfünfzig Einwohner zählt, liegt knapp einen Kilometer vom (künstlich angelegten) Altmühlsee entfernt. Die direkte Nachbarortschaft heißt Schweina in der Gemeinde Gunzenhausen. Auf unserem See schippern sogar einige Schiffe, die Personen befördern, von Hafen zu Hafen. Viele Segler haben hier ihre Boote liegen. Man kann sich als Besucher Tretboote, Kajaks und auf dem Festland Fahrräder ausleihen. Es gibt fest angelegte Nord- bzw. Südufer mit kleinen Jachthäfen. Wenn man im See schwimmen will, kann man sich auf so genannten Schwimminseln ausruhen. Die Gemeinde hat auch noch kleine Strände, die mit Sand angereichert wurden, für die Leute angelegt. Soweit zu unserem Dorf und zu unserem geliebten See.

    Zurück zu mir: Seit ich in Frühpension bin, befasse ich mich mit dem laienhaften Schreiben. Ich, der frühere Geographie- und Geschichtslehrer, hat dieses herrliche Hobby für sich entdeckt. Und ich bin sehr froh darüber. Zuerst schrieb ich amüsante und auch zum Nachdenken anregende Kurzgeschichten, aber dann, nach etwa einem Jahr, machte ich mich an meinen ersten Roman heran. Mittlerweile sind vier oder fünf Jahre vergangen und ich habe sieben fertige Romane verfasst. Es handelt sich um zwei Psychothriller sowie um fünf Horrorthriller. Letzteres ist mein Spezialgebiet. Unter Horror verstehe ich persönlich nicht einen entsprungenen Irren, der mit der großen Gartenschere durch die Gegend rennt und irgendwelche unschuldigen Menschen die Köpfe abschneidet, dazu dementsprechend riesige Blutlachen, sondern vielmehr kalte, grauenhafte Angst, völlige Hilf- und Machtlosigkeit gegenüber ungeheuerlichen und schier unabwendbaren Situationen. Ich stehe auf hintergründige und undurchsichtige Szenen. Am meisten liebe ich die alten Schinken von Edgar Allen Poe. Seine Ausdruckskraft war enorm. Und die Filme, die aus seinen Büchern entstanden, so finde ich, waren einzigartig. Ich habe jedes dieser Wunderwerke mehrere Male gelesen.

    Jedes!

    Ich selbst sehe mich aber nicht als professionellen Schriftsteller. Keineswegs! Ich bin ja auch kein solcher! Das freie Schreiben ist, wie schon erwähnt, neben dem halbprofessionellen Sammeln von alten Schreibmaschinen mein absolutes Lieblingshobby, und das soll es auch bleiben. Gut, vielleicht werde ich irgendwann versuchen, meine Arbeiten über eine Literaturagentur vermarkten zu lassen, aber momentan verschwende ich keinen einzigen Gedanken daran. Schließlich möchte ich mich nicht selbst unter Druck setzen oder mich bei Verlagen in der sicherlich endlos langen Reihe der angehenden, hoffnungsvollen Autoren anstellen müssen!

    Als ich mit diesem einzigartigen Hobby begann, war es mein alleiniges Ziel, mich mit Hilfe des freien Schreibens gedanklich und geistig auszuleben bzw. mein Gehirn zu trainieren. Es bedeutet für mich höchste Entspannung, wenn ich an meinem IBM Think Pad Computer sitze und mich über einen neuen Roman, der mir gerade durch den Kopf spukt, heranmache. All meine Manuskripte begannen mit einer Blitzidee. Zwei, drei Wörter, die ich aufschnappe (meist von Simone) genügen, um in meinem Kopf eine Geschichte entstehen zu lassen. Ich finde, es ist immer wieder ein kleines Wunder, wenn es soweit ist. Wie die Geschichte wächst und wächst und schließlich gewisse Formen annimmt. Es ist fast mit dem Entstehen menschlichen Lebens - sinnbildlich gesehen - zu vergleichen. Eine schriftliche Kettenreaktion entsteht.

    Nun ja...

    Soweit, so gut.

    Der Rest des zweiten Obergeschosses ist nicht ausgebaut. Auf dem Speicher türmen sich alte und zum Teil kaputte Möbel sowie tausend andere Gegenstände. Simone trennt sich äußerst ungern von alten Dingen (somit auch nicht von mir!) und so kommt es, dass der Speicher übervoll ist.

    Ich betrachte stolz meine gesamte Sammlung und komme zu dem Schluss, dass sie einzigartig ist. Gut, sie ist nicht allzu groß bzw. umfangreich, aber dafür hoch konzentriert. Was würde sie wohl wert sein, geht es mir unwillkürlich durch den Kopf. Jedoch nichts auf dieser Welt könnte mich dazu bringen, auch nur eine einzige Maschine herzugeben.

    Nichts!

    Ich schließe die Tür, setze mich in meinen Sessel und streiche vorsichtig und liebevoll über die neue (alte) Maschine. Dann zünde ich mir eine Zigarette an und paffe genussvoll über Roxannia hinweg.

    Wem sie wohl gehört hatte, überlege ich. Sicher hatte sie nur einen, höchstens zwei Besitzer. Wie gepflegt sie doch ist! Fast wie neu, könnte man getrost sagen. Nicht den geringsten Defekt kann ich an ihr erkennen. Ich greife in die linke Schublade meines Schreibtisches, in der ich wahre Mengen von losem Papier im DIN-A-4-Format liegen habe und spanne vorsichtig einen Bogen ein. Ich drehe ein wenig und schließlich tippe ich die ersten Lettern:

    R O X A N N I A.

    Wie hart, aber wie gut die Tasten zu bewegen sind! Wie gleichmäßig sie tickert, die kleine Roxannia, wenn man auf ihr schreibt! Und wie hervorragend die leicht nach innen gewölbten, kalten Tasten in den Fingern liegen!

    Plötzlich, von einer Sekunde auf die andere, habe ich eine wunderbare Idee: Ich werde den Computer etwas schonen und auf Roxannia einige kurze Geschichten schreiben. Geschichten über die Menschen, die hier in Wald - zusammen mit uns - seit langer Zeit leben. Das Flair dieser einzigartigen Maschine wird mich in meiner Ausdruckskraft beflügeln. Ich spüre es bereits jetzt sehr deutlich. Mein Computer ist zwar hochprofessionell und sehr schnell, aber mit diesem Prachtstück nicht zu vergleichen. Roxannia ist eine völlig andere Dimension. Ich werde mir Zeit lassen, mir Zeit nehmen, um auf Roxannia eine Anzahl von guten Kurzgeschichten entstehen zu lassen. Ich werde nicht sehr schnell vorankommen, weil ich ja seit einiger Zeit an den PC gewöhnt bin, aber das wird mich nicht weiter stören. Im Gegenteil! In der Bedachtheit liegt die Kraft!

    Ich tippe noch folgenden Text:

    DU BIST EINZIGARTIG, ROXANNIA!

    Sie ist laut, die Maschine. Aber auch dies stört mich nicht. Die leicht geschwungenen Lettern zeichnen sich gleichmäßig und ohne die geringsten Fehler von dem weißen Papier ab.

    Diese Maschine - so bilde ich mir in diesem Moment ein - wird mir helfen, all das auszudrücken, was mir schon lange im Kopf herumspukt: Die exakte Beschreibung der Charaktere meiner Freunde und Bekannten mit all ihren Vorzügen und Nachteilen.

    Ihren Eigenarten.

    Ihren Bösartigkeiten.

    Ihren innersten, wahren...

    ... ICHS.

    Ich werde sie analysieren, sie einstufen und auf dem Papier verewigen. Und Roxannia wird mein Werkzeug sein. Unsichtbare Rauchschwaden strömen aus meinem Gehirn und verflüchtigen sich aus dem halboffenen Fensterchen.

    Ich wundere mich plötzlich, in diesem Moment, über mich selbst: Wie war ich eigentlich auf die sonderbare Idee gekommen, all meine Freunde und Bekannten in einzelnen Kurzgeschichten festzuhalten? Ich selber war sicherlich nicht auf diese grandiose Idee gekommen!

    Es durchzuckt mich: Aber natürlich!

    Es war der Einfluss von Roxannia!

    Diese herrliche Maschine hatte mich auf diesen wunderbaren Einfall gebracht, als ich mit den Fingern zärtlich über ihr Gehäuse gestrichen hatte.

    Was für ein verrückter Hund bin ich doch, lache ich innerlich. Alte Schreibmaschinen! Warum mussten es ausgerechnet solche sein? Es hätten doch auch Rechenmaschinen sein können? Nein. Aber natürlich! Es war mein damaliger Entschluss gewesen, mit dem Schreiben zu beginnen. Daraus resultierend war meine große Schwäche zu diesen wunderbaren Geräten entstanden.

    Egal.

    Sei es, wie es wolle.

    Zurück zu meinem Entschluss: Über wen von meinen Bekannten soll ich die erste Geschichte schreiben? Soll ich Prioritäten setzen, oder mache ich es nach dem Zufallsprinzip? Soll ich Freunde vor Bekannte setzen, oder umgekehrt? Mit wem soll meine „Sammlung" beginnen?

    Etwa mit mir selbst?

    Was für ein Unsinn!

    Ich überlege lange, sehr lange, und komme zu dem Schluss, dass ich es nach Gefühl machen werde. Genau. Das wird wohl das Beste sein. Ich kann die einzelnen Storys ja hinterher nach Alphabet, Bekanntheitsgrad oder Wichtigkeit sortieren.

    Ich lege ein neues Blatt Papier ein. Kerzengerade - die Luft etwas angehalten - beide Hände auf der ungewohnten Tastatur, beginne ich mit meiner außergewöhnlichen Arbeit:

    D I E L I S T E

    (Eine Serie von heiteren Geschichten)

    Ob sie wirklich so heiter werden?

    Mal sehen.

    Hart tickern die Typen auf das geduldige Papier. Roxannia tritt in Aktion. Ein gutes, ungewohntes Gefühl durchströmt mich, als ich hier vor dieser Maschine sitze, und unwillkürlich gleiten meine Augen immer wieder über die elegante Form des Gehäuses. Diese Einzigartigkeit! Sie versucht wohl, mich mit ihren eleganten Formen abzulenken? Will sie mit mir flirten? Ob man heutzutage solch eine Maschine noch fertigen könnte? Ich denke, nicht.

    Sie ist ein absolutes Meisterwerk.

    Bildschön.

    Für mich ein absolutes Einzelstück.

    Roxannia.

    03 die erste Lebensgeschichte

    Meine erste Geschichte beschreibt Bernd Beinrieder, unseren netten Lebensmitteleinzelhändler. Ich hatte damals mit ihm vier Jahre lang in der Grundschule die Bank gedrückt, bevor ich ins Knabengymnasium gewechselt war. Mit ihm hatte ich viele Jungenstreiche erlebt, und ich muss sagen, dass wir uns damals recht gut verstanden hatten. Das war aber auch schon alles. Inzwischen sind knapp vierzig Jahre vergangen. Er hatte, soviel mir bekannt war, die Mittlere Reife gemacht und später das ansässige Lebensmittelgeschäft seines mittlerweile verstorbenen Vaters in unserem winzigen Ort übernommen. Bernd hatte sich im Laufe der Jahrzehnte recht negativ entwickelt: Vor einem oder vor zwei Jahren war er von seiner Frau geschieden worden, weil er sie angeblich regelmäßig verdroschen hatte. Grund: Eifersucht. Begründet? Nein. Bernd ist heute ein gieriger, etwas heruntergekommener Mensch, der seine Kundschaft halbwegs freundlich bedient. Da er in Wald das Monopol besitzt, hat er es natürlich nicht nötig, die Preise im Rahmen zu halten. Gut, viele Leute fahren nach Gunzenhausen, das nur einige Kilometer von Wald entfernt liegt, oder auch nach Weißenburg, aber dennoch kaufen die meisten Einwohner bei ihm die Dinge, die schnell nötig sind, wie z. B. Alkohol, Brot und Zigaretten. Auch wir machen es uns oft leicht und verzichten auf den Preisvorteil in den Kleinstädten, nur um uns aus reiner Bequemlichkeit die Fahrt dorthin zu sparen. Bernd weiß darum, und er nützt es aus.

    Der Gierschlund.

    Die Typen rasen über das Papier. Der Text entsteht. Er fließt mir aus den Fingern, als ob ihn mir jemand zuflüstern - ihn mir diktieren - würde. Gleichmäßig und schnell geht dieses eigentümliche Stakkato der Typen vonstatten. Ich befinde mich wie in einem Rausch, als ich über die Person Bernd Beinrieder schreibe. Mir ist nicht bewusst, was ich da alles zu Papier bringe. Es geht wie von selbst und ich wundere mich nun gar nicht mehr.

    Wahrscheinlich, so sage ich mir insgeheim, liegt es daran, dass ich ihn so gut kenne! Aber es ist trotzdem seltsam: Mir war gar nicht klar, dass ich ihn...

    ... so gut kenne!

    So genau!

    So deutlich!

    Und so präzise!

    Je mehr ich über den Unglücklichen verfasse, desto intensiver wird der Text. Dieser gibt sich nun nicht mehr mit irgendwelchen Äußerlichkeiten ab, nein, nun geht es übergangslos ans Eingemachte. Immer mehr Einzelheiten über Bernds miesen Charakter, seine innersten Gedanken fließen aus meiner symbolischen Feder.

    Aus meinem Werkzeug Roxannia.

    Ich versuche, aufzuhören, den Text zu beenden, jedoch es gelingt mir nicht. Wie ein ferngesteuerter Roboter dresche ich die Worte und Sätze aufs Papier. Schon ist die erste Seite voll geschrieben und mit fliegenden Fingern wechsle ich das Papier. Schnell, sehr schnell und ohne Unterbrechung geht es weiter, und es will einfach nicht enden...

    Verdammt!

    Was soll das alles bedeuten?

    Bin ich noch Herr meiner Sinne?

    Schließlich, nach drei vollen Seiten verklingt dieser eigentümliche Anfall. Die Geschichte über Bernd Beinrieder ist zu Ende.

    Ich atme tief durch.

    Meine Finger zittern.

    Und mein Atem geht hastig.

    Er fliegt!

    Was war nur los mit mir?

    Ich wollte völlig entspannt und gelassen die erste Geschichte auf Roxannia schreiben. Aber irgendetwas Unbekanntes hatte mich vorangetrieben. Erbarmungslos. Es hatte mich nicht mehr losgelassen, und nun sitze ich vor der kompletten Geschichte über meinen ehemaligen Schulkameraden und schwitze.

    Was habe ich da eigentlich geschrieben, geht es mir durch den

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